Viele Menschen befinden sich aufgrund des Erdbebens in Syrien und der Türkei in einer sehr prekären Situation. In Deutschland lebende Angehörige fragen sich, ob sie Familienmitglieder aus den betroffenen Regionen nach Deutschland holen können. Personen aus diesen Regionen, die sich mit einem Visum bereits in Deutschland aufhalten, stehen vor der Frage, wie es für sie weiter gehen soll.
Das Auswärtige Amt hat mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat ein vereinfachtes Verfahren für die Beantragung von Schengen-Besuchsvisa abgestimmt. Leider richtet sich diese Möglichkeit jedoch momentan nur an türkische Staatsangehörige, die eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen müssen. Diese sind auf der Homepage des Auswärtigen Amts aufgeführt. Nicht explizit aufgeführt ist, dass eine sog. Rückkehrbereitschaft vorliegen muss. Dies ist eine generelle Voraussetzung für die Erteilung von Schengen-Visa. Es wird herausfordernd sein, eine Rückkehrbereitschaft darzulegen, wenn Personen aufgrund des Erdbebens ihre Wohnung verloren haben (siehe Beitrag von Rechtsanwalt Uyanik).
Zu syrischen Staatsangehörigen, die vom Erdbeben betroffen sind, schreibt das Auswärtige Amt, diese könnten sich an die umliegenden Auslandsvertretungen (Beirut, Amman, Istanbul) wenden. Ob für sie ebenfalls erleichterte Bedingungen festgelegt werden, ist noch nicht bekannt. Allerdings dürfte es für syrische Staatsangehörige ungleich schwieriger sein, ein Besuchsvisum zu erhalten. Hintergrund ist, dass bei Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten eine Rückkehrbereitschaft grundsätzlich angezweifelt wird.
Türkische Staatsangehörige, die sich derzeit mit einem gültigen Schengen-Visum in Baden-Württemberg aufhalten und nachweislich aus einer der betroffenen Provinzen (Adana, Adiyaman, Diyarbakır, Gaziantep, Hatay, Kahramanmaraş, Kilis, Malatya, Osmaniye und Şanlıurfa) kommen, können laut § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AufenthG i.V.m. Art. 33 Visakodex (VO 810/2009) eine Verlängerung ihres Visums erhalten. Von der Möglichkeit der Verlängerung des bestehenden Schengen-Visums bzw. einer Verlängerung dieses Visums als nationales Visum soll laut Erlass des Justizministeriums BW großzügig Gebrauch gemacht werden.
Am 7. Mai tritt auch die bundesweit geltende „Türkei-Erdbeben-Aufenthalts-Übergangsverordnung“ (TürkeiErdbebenAufenthÜV) in Kraft. Diese sieht vor, dass türkische Staatsangehörige aus den betroffenen Provinzen, die zwischen dem 6. Februar 2023 und dem 7. Mai 2023 mit einem gültigen und durch eine deutsche Auslandsvertretung in der Türkei erteilten Schengen-Visums in das Bundesgebiet eingereist sind und sich am 7. Mai 2023 noch rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bis zum 6. August 2023 vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für den Aufenthalt im Bundesgebiet befreit sind. Diese Befreiung erlischt mit der Ausreise aus dem Bundesgebiet. Menschen aus der Türkei, die aufgrund des Erdbebens bis zum 07.05.2023 einreisen konnten, können also länger in Deutschland bleiben. In diesem Zeitraum wurden allerdings bundesweit nur ca. 5.000 Visa für türkische Staatsangehörige erteilt, darunter auch Visa zu anderen Zwecken, die von dieser Verordnung nicht profitieren (Studium, Familiennachzug etc.). Die Wirkung dieser Verordnung hält sich also in Grenzen.
- Pro Asyl, Februar 2023: Informationen für Erdbebenüberlebende und deren Angehörige aus der Türkei und Syrien
- Handbook Germany, Februar 2023: Erdbeben Türkei und Syrien