Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF), die Aktion Bleiberecht Freiburg, PRO ASYL und der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg haben gemeinsam mit vier Geflüchteten einen Eilantrag gegen die Hausordnung der Erstaufnahmeeinrichtung Freiburg beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eingereicht. „Es gibt wenige Orte in Deutschland, wo Grundrechte so wenig gelten wie in Geflüchteten-Unterkünften“, sagt Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. „Die Landesregierung schränkt zentrale Rechte in den Einrichtungen unverhältnismäßig ein – und das ohne jede gesetzliche Grundlage.“
Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, müssen viele Monate, teilweise sogar jahrelang in Erstaufnahmeeinrichtungen leben. In Baden-Württemberg hat die Landesregierung für alle Einrichtungen eine einheitliche Hausordnung verabschiedet. Die Bewohner*innen dürfen keinen Besuch empfangen. Sie müssen es akzeptieren, dass der Sicherheitsdienst täglich Zimmer- und Taschenkontrollen durchführt. Selbst einfache Haushaltsgegenstände wie einen Gebetsteppich oder eine Packung Reis dürfen sie nicht mit auf ihr Zimmer nehmen. Auf dem gesamten Gelände ist es ihnen verboten, sich politisch zu betätigen oder gemeinsam zu beten. „Manche von uns leben hier seit Jahren und wir dürfen nicht mal unsere Zimmertüren abschließen. Stattdessen macht das Personal täglich Zimmerkontrollen – als wären wir Kleinkinder oder Verbrecher, die man ständig überwachen muss“, sagt Ba*, einer der vier Kläger. „Wir klagen gegen die Hausordnung, weil wir wie normale Menschen behandelt werden wollen.“
Zahlreiche Grundrechte verletzt
Die Hausordnung greift in zahlreiche Grundrechte der Bewohner*innen ein, insbesondere in die Unverletzlichkeit der Wohnung, die Meinungs- und Religionsfreiheit, in den Schutz der Familie und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Diese Grundrechtseingriffe sind weder zum Schutz anderer Bewohner*innen noch aus Sicherheitsgründen erforderlich.
Darüber hinaus fehlt die erforderliche Gesetzesgrundlage: Weitreichende Grundrechtseingriffe dürfen keinesfalls auf eine einfache Hausordnung gestützt werden. Mit Blick auf Schulen und Gefängnisse hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass alle Regelungen, die wesentlich in die Grundrechte von Schüler*innen und Gefangenen eingreifen, in Gesetzen getroffen werden müssen – und nicht in Schul- oder Gefängnisordnungen. Dies gilt auch für Geflüchteten-Unterkünfte.
Baden-Württemberg ist nur eines von vielen Bundesländern, die die Grundrechte von geflüchteten Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen unverhältnismäßig stark einschränken. „Unsere Klage bezieht sich auf die Hausordnung der Einrichtung in Freiburg, die wortgleich in ganz Baden-Württemberg Anwendung findet. Aber sie betrifft mittelbar alle Erstaufnahmeeinrichtungen in Deutschland“, sagt Lincoln. „Es darf in diesem Land keine Räume geben, in denen die Grundrechte nicht gelten.“
Bereits am 16. Dezember 2020 reichte das Bündnis aus GFF, Aktion Bleiberecht Freiburg, PRO ASYL und Flüchtlingsrat Baden-Württemberg einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ein, mit dem es erreichen will, dass das Gericht Teile der Hausordnung für ungültig erklärt. Heute ist dieser um einen Eilantrag ergänzt worden, um für die Kläger eine rasche Entscheidung zu erwirken. Die vier Kläger sind aus Ghana und Senegal geflohen und beantragen Asyl in Deutschland.
* Auf Wunsch des Klägers veröffentlichen wir nur seinen Vornamen.
Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/hausordnung
Weitere O-Töne der Kläger finden Sie unter:
https://freiheitsrechte.org/iv-hausordnung
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