Pro Asyl: Koalitionsvertrag 2021–2025: Wichtige Erfolge, aber auch gravierende Lücken

Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP liegt vor. PRO ASYL stellt die wichtigsten flüchtlingspolitischen Punkte vor. Neben wichtigen Verbesserungen beim Familiennachzug und Bleiberecht wird von den Koalitionspartnern aber auch einmal mehr auf eine »Rückkehroffensive« und Kooperationen mit Drittstaaten gesetzt.

Nach intensiven Koalitionsverhandlungen wurde am 24. November 2021 von den Spitzen von SPD, Grünen und FDP der Koalitionsvertrag vorgestellt. Die Erstanalyse zum Fluchtbereich zeigt: Für viele Menschen in Deutschland kann es jetzt zu konkreten Verbesserungen kommen, weil der Familiennachzug verbessert, Arbeitsverbote abgeschafft und Bleiberechtsregelungen vereinfacht werden sollen.

Doch gleichzeitig weist der Koalitionsvertrag an einigen Punkten bedenkliche Leerstellen auf. So wird zwar das Konzept der AnkER-Zentren aufgegeben, aber eine entsprechend notwendige Absenkung der maximalen Aufenthaltszeit in Erstaufnahmeeinrichtungen wurde nicht fest vereinbart. Auch beim Thema Abschiebungen wird keine der vielen Verschärfungen und Entwicklungen der letzten Jahre auch nur kritisch erwähnt, etwa die erhöhten Anforderungen an Atteste, die die Abschiebung von kranken und traumatisierten Menschen ermöglichen oder die immer stärker ausgeweitete Abschiebungshaft (für eine Übersicht der vorgesehenen Änderungen in Deutschland siehe weiter unten).

Die Zukunft des Flüchtlingsschutzes entscheidet sich nicht in Deutschland, sondern an den europäischen Außengrenzen.

Bekenntnis zu Rechtsstaat und Menschenrechten in Europa – aber was folgt in der Praxis?

Die Zukunft des Flüchtlingsschutzes entscheidet sich aber nicht in Deutschland, sondern auf den ägäischen Inseln, im Mittelmeer sowie an den polnischen, kroatischen und griechischen Landgrenzen. Wenn illegale Zurückweisungen – sogenannte  Pushbacks – an diesen Grenzen weitergehen, dann haben auch nationale Verbesserungen nur begrenzte Wirkung.

»Wir setzen uns ein für eine EU, die ihre Werte und ihre Rechtsstaatlichkeit nach innen wie außen schützt und entschlossen für sie eintritt« (S. 131). Dieses wichtige – und leider in der EU nicht mehr selbstverständliche – Bekenntnis steht zu Beginn des Europakapitels, das auch einen eigenen Teil zur Rechtsstaatlichkeit hat. Wie stark in diesem Bereich die Werte der EU erodiert sind, lässt sich im Migrationsbereich schon lange beobachten und wird aktuell in einem fast täglich neu eskalierenden Konflikt zur Unabhängigkeit der polnischen Justiz besonders deutlich. Eine klarere Haltung der deutschen Bundesregierung hierzu ist sehr wichtig.

Im Kapitel zu Integration, Migration und Flucht wird bekennt sich  die Ampel dann auch zur »humanitären Verantwortung und den Verpflichtungen, die sich aus dem Grundgesetz, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Europarecht ergeben« (S. 138). Folgerichtig will die Ampel »die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden« (S. 141) – wie dies geschehen soll bleibt aber offen. Hier wird es entscheidend auf das Handeln des Bundesinnenministeriums ankommen.

Letztlich wird sich erst noch zeigen, ob SPD, Grüne und FDP auch bereit sein werden, empfindliche Maßnahmen – wie die Einstellung von finanzieller und logistischer Unterstützung von anderen Mitgliedstaaten bei Menschenrechtsverletzungen an den Grenzen – zu ergreifen, um die von ihnen benannten Menschenrechtsstandards durchzusetzen.

Angesichts von kaum existierenden regulären Fluchtrouten sind auch Schutzsuchende auf irreguläre Routen angewiesen.

Mal wieder: Kooperation mit Drittstaaten 

Die Ampel-Koalition beschwört in ihrem Programm einen »Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik«. Doch als eins der ersten Ziele wird dann die Reduzierung von irregulärer Migration genannt. Das Problem: Angesichts von kaum existierenden regulären Fluchtrouten, sind auch Schutzsuchende auf irreguläre Routen angewiesen. Das wird in der Praxis nicht durch neue humanitäre Visa ausgeglichen werden können, die der Koalitionsvertrag auch vorsieht (S. 142) – so richtig und wünschenswert diese auch sind.

Außerdem wird – wieder einmal – insbesondere auf Kooperationen mit Drittstaaten gesetzt. Es soll sogar einen neuen Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen geben. Diese sollen streng von der Entwicklungszusammenarbeit getrennt werden und nur unter Beachtung menschenrechtlicher Standards geschlossen werden – wichtige Kriterien, wie streng diese zukünftig gehandhabt werden, wird der Knackpunkt sein.

Aufhorchen lässt folgender Satz, der eine problematische Auslagerung des Flüchtlingsschutzes zur Folge haben könnte: »Wir werden hierfür prüfen, ob die Feststellung des Schutzstatus in Ausnahmefällen unter Achtung der GFK und EMRK in Drittstaaten möglich ist« (S. 141). Gleichzeitig steht aber auch im Koalitionsvertrag, dass alle Asylanträge inhaltlich in der EU geprüft werden müssen (S. 141) – also nicht wie im Rahmen des EU-Türkei Deals als unzulässig abgelehnt werden, um die Menschen in Drittstaaten abzuschieben. An diesem letzten Punkt werden zukünftige Kooperationen zu messen sein.

Ein »weiter so« bei der harten Abschiebungspolitik ist zu befürchten!

Keine Lösungen für aktuelle Missstände im europäischen Asylsystem

Eine problematische Lücke im Koalitionsvertrag ist zudem, dass es zwar Aussagen dazu gibt, wie ein europäisches Asylsystem aussehen sollte – aber nicht dazu, wie man mit den aktuellen Missständen, zum Beispiel für Asylsuchende und Schutzberechtigte in Griechenland, umgehen wird. Ein Bekenntnis, nicht in innereuropäisches Elend abzuschieben und den Menschen stattdessen hier Schutz zu geben, fehlt. Stattdessen wird von einem »Missbrauch der visafreien Reise« und der Reduzierung von Sekundärmigration gesprochen (S. 142). Dies bezieht sich wohl auf die in Griechenland anerkannten Flüchtlinge, denen dort Obdachlosigkeit und ein Leben im Elend droht und die deswegen keinen anderen Ausweg sehen, als Schutz in einem anderen Mitgliedstaat wie Deutschland zu suchen.

Viele sitzen schon monatelang in AnkER-Zentren und anderen Erstaufnahmeeinrichtungen, weil ihre Asylanträge nicht entschieden werden – denn nur so kann sich das BAMF die Tür für eine Rückführung nach Griechenland aktuell noch offen halten.

Im Koalitionsvertrag werden verschiedene richtige Punkte für eine neue europäische Flüchtlingspolitik genannt – von fairer Verantwortungsteilung bis zu europäischer Seenotrettung – doch letztlich ist aktuell offen, wie die Ziele auf europäischer Ebene erreicht werden sollen.

Familien gehören zusammen! Koalitionsvertrag verspricht Verbesserung

Eine zentrale Forderung von PRO ASYL, anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Betroffenen im Wahlkampf war, dass endlich die gesetzlichen und praktischen Hürden für den Familiennachzug abgeschafft werden müssen.

Unter der Großen Koalition war der Familiennachzug für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte – z.B. vor dem Bürgerkrieg in Syrien oder aus Eritrea geflohene Menschen – von 2016 bis 2018 komplett ausgesetzt worden und 2018 dann in ein Gnadenrecht verwandelt worden. Jeden Monat durften nur 1.000 Visa für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten vergeben werden.

Jetzt steht im Koalitionsvertrag: »Wir werden die Familienzusammenführung zu subsidiär Geschützten mit den GFK-Flüchtlingen gleichstellen« (S. 140). So war die Gesetzeslage auch 2015 bereits und muss jetzt entsprechend angepasst werden.

Bislang wurden Familien durch die Regeln zur Familienzusammenführung nach Deutschland oft erneut zerrissen, da minderjährige Geschwister nicht mit den Eltern zum in Deutschland lebenden Kind einreisen durften. Eine absurde Situation! Auch dies soll nun gesetzlich geändert werden: »Wir werden beim berechtigten Elternnachzug zu unbegleiteten Minderjährigen die minderjährigen Geschwister nicht zurücklassen« (S. 140).

Grundsätzlich hält der Koalitionsvertrag fest, dass » die Visavergabe beschleunig[t] und verstärkt digitalisier[t]« werden soll (S. 138) – das ist auch für den Familiennachzug essentiell, denn an vielen Auslandsvertretungen müssen Angehörige von Schutzberechtigten schon mehr als ein Jahr warten, bis sie überhaupt einen Termin zur Antragstellung haben.

Aufnahme aus Afghanistan wird weitergehen!

Eine wichtige Zusage im Koalitionsvertrag: Es wird ein humanitäres Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan geben (S. 142)! Ein solches Programm ist dringend notwendig, fallen doch viele akut gefährdete Afghan*innen nicht unter die eingeschränkte Definition von Ortskräften oder wurden trotz klarer Gefährdung nicht für die geschlossene Liste von Menschenrechtsverteidiger*innen berücksichtigt. Auch sollten bei einem solchen Programm Angehörige von in Deutschland lebenden Personen berücksichtigt werden, da die Taliban teils gezielt nach Menschen mit Verwandten im westlichen Ausland suchen.

Der Koalitionsvertrag verspricht zudem die Aufnahme von Ortskräften und ihren engsten Familienangehörigen zu vereinfachen (S. 142).

Was ändert sich noch für geflüchtete Menschen in Deutschland?

Für sich bereits in Deutschland aufhältige Menschen werden verschiedene wichtige Verbesserungen verabredet, nachdem in den letzten Jahren das Asyl- und Aufenthaltsrecht immer weiter verschärft wurde. Doch es gibt auch problematische Lücken.

Für Asylsuchende:

  • Unterbringung: Das Konzept der AnkER-Zentren, das unter der Großen Koalition aus Bayern in andere Bundesländer exportiert wurde, soll »nicht weiterverfolgt« werden (S. 140). Was allerdings nicht festgehalten wird: Das Konzept basiert maßgeblich auf der Ausweitung der Aufenthaltszeit in den Erstaufnahmeeinerichtungen auf 18 Monate. Deswegen hatten viele Verbände und Organisationen eine Absenkung dieser Unterbringung auf vier Wochen oder mindestens – wie bis 2015 Rechtslage – auf maximal drei Monate gefordert. Eine solche Absenkung sieht der Koalitionsvertrag nicht vor, obwohl dies folgerichtig wäre.
  •  Behördenunabhängige Asylverfahrensberatung: Mit dem »Hau-Ab-Gesetz II« wurde 2019 eine Asylverfahrensberatung durch das BAMF eingeführt, die nur optional eine Ergänzung durch unabhängige Berater*innen vorsah. Eine solche unabhängige Beratung soll laut dem Koalitionsvertrag flächendeckend eingeführt werden (S. 140) – ein wichtiger Fortschritt, der dringend nötig ist angesichts der Vielzahl von Fehlentscheidungen des BAMF.
  • Überarbeitung des Asylbewerberleistungsgesetzes: Das umstrittene Asylbewerberleistungsgesetz soll » im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickel[t]« werden (S. 140). Was das genau bedeutet bleibt abzuwarten – denn die konsequente Umsetzung der Rechtsprechung wäre die Abschaffung des diskriminierenden Sonderleistungsregimes. Immerhin: die Gesundheitsvorsorge soll unbürokratischer erfolgen. Eine Gleichstellung ist damit aber nicht erreicht.
  • Keine Arbeitsverbote: Bislang dürfen Asylsuchende in den ersten neun Monaten während der Unterbringung in den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht arbeiten. Dies muss nun aus dem Gesetz gestrichen werden denn im Koalitionsvertrag steht: »Arbeitsverbote für bereits in Deutschland Lebende schaffen wir ab«.
  • Integrationskurse für alle: Integrationskurse sollen für alle von Anfang an stehen, womit die problematische Unterscheidung von »guter und schlechter Bleibeperspektive« – die bislang ausschlaggebend ist – hinfällig wird (S. 139).

Für Schutzberechtigte:

  • Abschaffung anlassloser Widerrufsüberprüfungen: Bislang sieht das Gesetz vor, dass stets innerhalb von 3 Jahren eine Widerrufs- bzw. Rücknahmeprüfung stattfinden muss, unabhängig davon, ob es überhaupt einen Anlass gibt. Die Betroffenen verunsichert dies zutiefst. Das BAMF führte in den letzten Jahren mehr solcher Verfahren durch als Asylverfahren, es wird aber stets nur ein kleiner Teil letztlich widerrufen. Die Streichung der anlasslosen Überprüfung (S. 139) legt notwendige Kapazitäten für das BAMF frei, sich auf seine Kernaufgabe – die Durchführung von Asylverfahren – zu konzentrieren und erspart Sorgen für die bislang von anlasslosen Widerrufsprüfungen Betroffenen.
  • Verbesserungen beim Familiennachzug (s.o.)

Für Geduldete:

  • Keine Arbeitsverbote: Viele Geduldete dürfen oft jahrelang nicht arbeiten. Sämtliche Arbeitsverbote sollen entsprechend der Formulierung im Koalitionsvertrag nun gestrichen werden.
  • Abschaffung der »Duldung Light«: Die Einführung der »Duldung Light« war eine der zentralen Verschärfungen der letzten Jahre, sie soll jetzt gestrichen werden (S. 138) Damit fällt auch das damit verbundene Arbeitsverbot weg. Doch die problematischste Konsequenz der »Duldung Light«, nämliche die Sperre zu einem Bleiberecht, soll für Personen, denen vorgeworfen wird, ihre Identität nicht zu klären, beibehalten werden. Damit könnte die Streichung der »Duldung Light« mehr Symbolpolitik als wirkliche Änderung sein.
  • Ausbildungsduldung wird zur Aufenthaltserlaubnis: Dies ist ein wichtiger Schritt für einen funktionierenden Spurwechsel und wird den Betroffen – sowie den Betrieben – mehr Rechtssicherheit geben.
  • Verbesserung bei der Beschäftigungsduldung: Ganz so weit wie bei der Ausbildungsduldung geht der Koalitionsvertrag bei der Beschäftigungsduldung nicht, aber die Regelung soll entfristet werden und die sehr hohen Anforderungen »realistisch und praxistauglicher« gefasst werden (S. 138). Wie diese Änderungen genau aussehen werden bleibt abzuwarten.

Änderungen bei Bleiberecht und bei der Aufenthaltsverfestigung:

  • Neues »Chancen-Aufenthaltsrecht« mit Stichtag: »Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, sollen eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis […])« (S. 138). Da den Begünstigten mit dieser Aufenthaltserlaubnis auf Probe die Lebensunterhaltssicherung und der Identitätsnachweises erst ermöglicht werden soll, muss die Regelung abgesehen von den benannten Punkten im Koalitionsvertrag voraussetzungsfrei gestaltet werden. Ansonsten würde diese wichtige Regelung leerlaufen. Da Menschen, jahrelang mittels lebensalltagsfeindlicher Kettenduldungsfristen an einer erfolgreichen Arbeitsmarkt-Integration gehindert worden sind, kann es gerade unter Corona-Bedingungen schwierig werden, in einem Jahr die Kriterien für ein dauerhaftes Bleiberecht zu erfüllen – und was passiert dann? Wer lange hier lebt muss bleiben dürfen.

Verbesserung bestehender Bleiberechtsregelung

  • Für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende (§ 25a AufenthG): Anstatt nach vier Jahren soll die Regelung bereits nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland greifen und anstatt nur bis zum 21. Lebensjahr soll die Regelung für Heranwachsende bis zum 27. Lebensjahr greifen (S. 138). Das ist eine wichtige und lang geforderte Neuerung, da viele Jugendliche und Heranwachsende die notwendige Voraufenthaltszeit auf Grund ihres Alters bei Einreise nicht mehr bis zum 21. Lebensjahr erfüllen konnten.
  • Bei nachhaltiger Integration (§ 25b AufenthG): Die Regelung für gut integrierte Erwachsene soll dahingehend erleichtert werden, dass bereits nach sechs anstatt acht Jahren – und bei Familien mit nach vier anstatt sechs Jahren – Aufenthalt die Möglichkeit auf eine Aufenthaltserlaubnis besteht (S. 138).
  • Niederlassungserlaubnis nach drei Jahren: Anstatt bisher nach fünf Jahren, soll laut Koalitionsvertrag eine Niederlassungserlaubnis nach drei Jahren möglich werden. Wie auch bei der Einbürgerung sollen aber anscheinend Verschärfungen bezüglich Kriterien wie der Identitätsklärung nicht angetastet werden, die in der Praxis zu großen Schwierigkeiten führen. Dies muss im Laufe der Gesetzgebung konkretisiert werden, zumal bei vielen lange hier Aufhältigen eine Rückkehr ausscheidet und sie daher einer aufenthaltsrechtlichen Sicherheit bedürfen.
  • Einbürgerung nach fünf Jahren: Die Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren möglich sein. Bislang kommt für Schutzberechtige eine Einbürgerung frühestens nach sechs Jahren rechtmäßigem Aufenthalt bei besonders guter Integrationsleistung in Frage, ansonsten erst nach acht Jahren (§ 10 StAG).

Änderungen bei Abschiebungen:

  • »Rückkehroffensive«: Der Koalitionsvertrag verspricht eine »Rückkehroffensive« und bläst damit ins gleiche Horn wie Merkels »nationale Kraftanstrengung« für mehr Abschiebungen (S. 140). Um diese durchzusetzen wurden die Gesetze stark verschärft, u.a. was Atteste angeht und bei der Abschiebungshaft. Die Konsequenz dieser Politik: kranke und traumatisierte Menschen werden abgeschoben, Familien selbst nachts aus dem Bett geholt und Abschiebungshaft regelmäßig rechtswidrig verhängt. Zu all dem verlieren die Parteien kein Wort – ein »weiter so« bei der harten Abschiebungspolitik ist zu befürchten. Auch wird kein Wort zu Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer – wie Syrien oder Afghanistan – verloren, obwohl gerade in dem Bereich ein Bekenntnis zur Einhaltung der Menschenrechte besonders relevant gewesen wäre.
  • Keine Minderjährigen in Abschiebungshaft: Der Koalitionsvertrag sieht endlich einen expliziten Ausschluss von Minderjährigen in Abschiebungshaft vor – menschenrechtlich absolut erforderlich (S. 140). Allerdings muss die Regelung auch das Flughafenverfahren umfassen, das zwar in Deutschland nicht als Haft gilt, in dem aber immer wieder auch Kinder und Jugendliche de facto im Transit inhaftiert sind.
  • Abschiebestopp durch Bundesbehörde: Bislang liegt die Entscheidung über einen Abschiebungsstopp bei den Bundesländern – und diese sind zum Teil sehr zögerlich mit diesem Schritt. Für mehr Einheitlichkeit könnte eine entsprechende Befugnis auf Bundesebene (S. 140), als Ergänzung zur Landesebene, gut sein – wenn sie dann auch wirklich genutzt wird. Nachdem die Innenministerkonferenz den Abschiebestopp für Syrien Ende 2020 hat auslaufen lassen, wären Syrien und Afghanistan zwei Ländern, bei denen eine solche neue Bundeskompetenz direkt genutzt werden sollte.