Im Rahmen des ErasmusPlus-Projekts „Balkan-Migrations-Trialog“ haben sich der letzten August-Woche Vertreter*innen der beteiligten Partnerorganisationen Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Netzwerk Pro Sinti und Roma, URI (Verband der Roma-Intellektuellen, Serbien) beim Gastgeber Romalitico in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje getroffen. Sinn des Projekts ist ein Austausch zwischen den Organisationen, die allesamt mit dem Thema Migration zwischen den Westbalkanländern und Deutschland, inklusive der Situation von Rückkehrenden bzw. Abgeschobenen, zu tun haben. Durch die Zusammenarbeit bekommen alle Projektpartner regelmäßig wichtige Infos aus der Praxis, können sich gegenseitig Fragen beantworten, die Wissen aus dem jeweils eigenen Land erfordern, und halten sich auch über relevante politische Entwicklungen und Gesetzesänderungen auf dem Laufenden.
Bei der Projektsitzung waren sich alle Organisationen einig, dass das Projekt fortgesetzt und ausgebaut werden soll. Dazu wird im kommenden Jahr ein neuer Antrag gestellt.
Zusätzlich zu dem Projekttreffen wurde die Gelegenheit genutzt, an den folgenden Tagen mehrere Gespräche mit wichtigen Akteur*innen vor Ort zu führen. So traf man sich unter anderem mit dem Staatssekretär im Justizministerium, Muhamed Toci, dem Berater des Premierministers, Elvis Memeti, mit Marijana Milevski vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP, Mabera Kamberi vom Sozialministerium, Mersiha Sali vom neuen Projekt ROMACTED, das von der EU und dem Europarat finanziert wird, sowie abschließend am letzten Tag des offiziellen Programms mit Kurto Dudus, dem Bürgermeister der Gemeinde Šuto Orizari, der weltweit einzigen Gemeinde, die mehrheitlich von Rom*nija bewohnt wird.
Aus diesen Gesprächen konnten viele wichtige und wertvolle Informationen gewonnen werden. So informierte Muhamed Toci über ein neues Gesetz zur kostenfreien Rechtshilfe, wonach Menschen in prekären sozialen Lagen – dazu gehören alle Rückkehrenden aus dem Ausland – ein Recht auf kostenfreie Rechtsberatung und gegebenenfalls anwaltliche Vertretung haben. Mabera Kamberi konnte Auskunft über das Prozedere zur Beschaffung von Dokumenten wie z.B. Geburtsurkunden geben, und sie informierte auch darüber, dass die Regierung gerade dabei ist, Lösungen zu finden für die geschätzt rund 500-600 Personen im Land, die keine Papiere haben und nie welche hatten. Im Rahmen der bevorstehenden Volkszählung sollen diese Personen gefunden werden, anschließend ist eine erstmalige Erteilung von offiziellen Dokumenten geplant.
Viele der Gesprächspartner*innen berichteten davon, dass es bei Menschen, die aus Deutschland zurückkehrend, bestimmte immer wieder auftretenden praktischen Fragen gibt, wie zum Beispiel die Beschaffung von Geburtsurkunden für in Deutschland geborene Kinder und Schulbescheinigung für den Schulbesuch in Deutschland, die nötig sind, damit die Kinder in Nordmazedonien wieder in die Schule gehen können. Hier konnten die in Deutschland ansässigen Organisationen Unterstützung anbieten.
Die Probleme der Rückkehrenden sind allerdings nicht nur praktischer Art. Es ist nicht selten, dass sie bei Ämtern und Behörden „abgewimmelt“ werden, und irgendwann entnervt aufgeben. Für viele Rom*nija ist angesichts der weit verbreiteten Diskriminierung und Ausgrenzung der Weg ins Ausland der einzige möglich erscheinende Weg, der auf eine menschenwürdige Zukunft hoffen lässt. Rechte, die auf dem Papier existieren, können in vielen Fällen in der Praxis nicht durchgesetzt werden. Das Problem der Diskriminierung und des „Abwimmelns“ von Rom*nija in Behörden konnte uns Bürgermeister Dudus anhand von anderen Kommunen bestätigen beziehungsweise anhand der Erfahrung von Einwohner*innen seiner Gemeinde, die mit in anderen Gemeinden ansässigen Behörden zu tun hatten. Dass es neue Beratungs- und Anlaufstelle geben soll – unter anderem durch das von Romalitico mitbegründete AVAJA-Netzwerk und im Rahmen des ROMACTED-Projekts – ist dabei eine wichtige Hilfe. Mit fachkundiger Begleitung an der Seite lassen die Menschen nicht so leicht abwimmeln. Allerdings wird eine grundlegende Verbesserung der Situation der Rom*nija im Land – und damit auch eine Bekämpfung der Fluchtursachen – nur durch eine Veränderung der Einstellung großer Teile der Mehrheitsgesellschaft zu erreichen sein – und das zu erreichen ist in der Tat eine sehr große Herausforderung.