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Zehn Jahre nach dem Völkermord: Flüchtlingsrat fordert Schutz für Jesid*innen

Am 3. August jährt sich der Völkermord an den Jesid*innen im Nordirak zum zehnten Mal. Zu diesem Anlass fordert der Flüchtlingsrat die baden-württembergische Landesregierung auf, die Abschiebungen von Jesid*innen auszusetzen. Den Überlebenden des vom Bundestag anerkannten Völkermordes muss Schutz geboten werden.

Ein kürzlich erschienenes Gutachten zeigt: Die Lage der Jesid*innen im Irak ist düster – und wird es absehbar bleiben. In ihrer Herkunftsregion Sinjar kämpfen staatliche und nichtstaatliche Akteure rücksichtslos um Macht und Einfluss. Ungeachtet dessen schiebt Baden-Württemberg aktuell Jesid*innen in diese prekäre Sicherheitslage ab und überlässt sie dort ihrem perspektivlosen Schicksal. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand April 2024) bestätigt, dass „die Zukunftsperspektiven in Sinjar angesichts herausfordernder Lebensbedingungen, der Präsenz von nicht-staatlichen Milizen sowie einer mangelnden Umsetzung des sog. Sinjar-Abkommen schwierig“ bleiben.

Die baden-württembergische Landesregierung hat 2021 im Koalitionsvertrag angekündigt, ein weiteres Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Personen, insbesondere Frauen und Kinder, die Opfer traumatisierender Gewalt durch den IS geworden sind, ins Leben zu rufen. Doch das versprochene Sonderkontingent lässt auf sich warten. Während mehrere Bundesländer bereits Abschiebestopps in den Irak für jesidische Frauen und Minderjährige erlassen haben schiebt die baden-württembergische Landesregierung trotz eigener Handlungsspielräume die Verantwortung auf den Bund und bleibt untätig. 

 „Wir sehen einen klaren Widerspruch zwischen den Schutzversprechen auf Landes- und Bundesebene und der aktuellen Anerkennungs- und Abschiebepraxis. Den Überlebenden des Genozids sollte eine Bleibeperspektive geboten werden. Stattdessen werden sie trotz des kollektiven Traumas zurück an den Ort des Völkermords geschickt, wo sie ehemaligen Tätern begegnen, sich ständig bedroht fühlen müssen und keine Zukunft haben. Das ist grausam und unmenschlich”, so Meike Olszak vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Die prekäre Sicherheitslage im Nordirak wird sich nicht grundlegend ändern, solange der Konflikt in Syrien andauert. Für die überwältigende Mehrzahl der im Nordirak lebenden Jesid*innen heißt das: Sie müssen auch fast zehn Jahre nach dem Völkermord auf unabsehbare Zeit in irakischen Flüchtlingslagern leben, die 2014/15 als Nothilfe eingerichtet wurden. Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes betont, dass die geplante Schließung der Flüchtlingslager in der kurdischen Autonomieregion sogar mit einer noch schlechteren Versorgung einherginge und die Situation für Jesid*innen zusätzlichen verschärfen wird. Auch eine innerirakische Fluchtalternative gibt es nicht, denn die jesidischen Familie sind auf die lebenswichtige Gemeinschaft und deren Schutz angewiesen.

 „Es ist und bleibt unverantwortlich, jesidische Männer, Frauen und Kinder in ein Land abzuschieben, in dem sie keine Lebensgrundlage haben und ihre Sicherheit fundamental bedroht ist. Daher fordern wir, dass die baden-württembergische Landesregierung Abschiebungen aussetzt und sich für einen bundesweiten Abschiebestopp für Jesid*innen einsetzt“, so Anja Bartel vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Unsere Gedanken gehören den Opfern des Völkermords, den Tausenden Männern, Frauen und Kindern, die vor zehn Jahren vom IS systematisch ermordet, verschleppt und vergewaltigt wurden. Wir möchten an sie erinnern und den überlebenden Familienangehörigen, Freund*innen und Bekannten unser tiefstes Mitgefühl ausdrücken.