Themen

PRO ASYL: Rückschrittskoalition gegen Menschenrechte und Humanität

PRO ASYL ist alarmiert über die Ergebnisse der Koalitionsgespräche, die  massive Verschärfungen für Schutzsuchende festschreiben, statt sich an Humanität und geltendem Recht zu orientieren.

„In den Koalitionsergebnissen wird eine gefährliche Abkehr von menschenrechtlichen Errungenschaften deutlich – es droht eine Rückschrittskoalition gegen Menschenrechte und  Humanität“, warnt Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Massive Verschärfungen für Schutzsuchende

Das zeigt sich insbesondere an den geplanten Zurückweisungen von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen – dies ist weiterhin europa- und verfassungswidrig.

Fatal ist, dass Union und SPD sich auf die Streichung des sogenannten Verbindungselements für “sichere Drittstaaten” geeinigt haben. Hier geht es darum, Deals mit Ländern à la Modell Ruanda zu schließen. Damit soll dann ein Flüchtling in einen Drittstaat außerhalb der EU geschickt werden können, obwohl er dort nie zuvor war.

Die “sicheren Drittstaaten” sind im EU-Recht geregelt, und in Kürze wird ein Vorschlag der Kommission für eine Evaluierung erwartet. “Diese unscheinbar wirkende Rechtsänderung wird dramatische Konsequenzen für den Flüchtlingsschutz haben. Damit  schließt sich Deutschland den europäischen Hardlinern an und unterstützt den Versuch,  kollektiv aus dem internationalen Flüchtlingsschutz auszusteigen”, sagt Kopp.

Eine massive Verschärfung sieht der Koalitionsvertrag im Asylverfahren vor: Dort soll der Amtsermittlungsgrundsatz durch den Beibringungsgrundsatz, der die Beweislast den Schutzsuchenden aufbürdet,  ersetzt werden. Dagegen hatte es seit dem Sondierungspapier starke öffentliche Kritik von Jurist*innen und anderen Expert*innen gegeben. Ein Beibringungsgrundsatz im Asylverfahren wird zu falschen Ergebnissen führen und ist verfassungsrechtlich höchst fragwürdig: Ein faires Verfahren ist so für die Betroffenen nicht garantiert. Ausführlich hat PRO ASYL hier das Problem erklärt.

Es ist außerdem bitter, dass sich der Sozialpopulismus gegen ukrainische Flüchtlinge nun auch im Koalitionsvertrag niedergeschlagen hat. Neu ankommende ukrainische Flüchtlinge sollen bei Bedürftigkeit wieder unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Das bedeutet nicht nur weniger Leistungen und seit letztem Jahr an vielen Orten die Bezahlkarte, sondern unter anderem auch schlechtere medizinische Versorgung.

Obwohl besonders schutzbedürftig: Frauen und Kinder bleiben auf der Strecke

PRO ASYL kritisiert insbesondere die geplante Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, die Beendigung humanitärer Aufnahmeprogramme sowie das Moratorium des UN-Umsiedlungsprogramms.

„Der Koalitionsvertrag kappt zentrale lebensrettende Maßnahmen. Wer reguläre Wege versperrt, zwingt Menschen auf lebensgefährliche Fluchtrouten. Dies betrifft auch Frauen und Mädchen aus Afghanistan, die dort laut europäischer Rechtsprechung massiv gefährdet sind“, sagt Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Die Aussetzung des Familiennachzugs verletzt das Menschenrecht auf Familie, führt zu dauerhaft zerrissenen Familienstrukturen und behindert Integration. Auch hier bleiben insbesondere Frauen und Kinder auf der Strecke – gerade jene, die am dringendsten Schutz benötigen.

Was der Koalitionsvertrag in der Praxis bedeutet: Noch mehr Tote

Während in Berlin über eine härtere Gangart gegenüber Schutzsuchenden verhandelt wurde, kamen in der Ägäis erneut Menschen ums Leben. Vor der Insel Lesbos ereignete sich ein Schiffsunglück, bei dem überwiegend Frauen und Kinder starben.

Trauernde Angehörige aus Frankfurt, Bochum, Köln und Berlin identifizieren derzeit ihre Angehörigen in der Gerichtsmedizin auf Lesbos. Sieben Tote wurden bisher geborgen: vier Kinder, zwei Frauen und ein Mann aus Afghanistan.

„Die Umsetzung des Koalitionsvertrags wird unweigerlich zu mehr Toten führen“, so Kopp.  „Weitere schutzbedürftige Menschen werden auf gefährliche und häufig tödliche Fluchtrouten gezwungen.“