Geflüchtete haben in der Regel Anspruch auf Zugang zu Vorschul-, Berufs-, Hochschul- sowie zu allgemeiner Schulbildung. In der Praxis gibt es jedoch einige Hürden.
Frühkindliche Bildung
Kinder von Asylsuchenden und Geduldeten haben denselben Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung wie alle Kinder. Sobald Kinder das erste Lebensjahr vollendet haben, dürfen sie in eine Kinderkrippe oder zu einer Tagepflegeperson gehen. Nach Vollendung des dritten Lebensjahrs und bis zum Schuleintritt besteht Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte (§ 24 SGB VIII). Können die Eltern den in Baden-Württemberg grundsätzlich anfallenden Kostenbeitrag nicht bezahlen, übernimmt das Jugendamt die Kosten (§ 90 Absatz 2 und 3 SGB VIII). Das größte praktische Problem ist aber die fehlenden Kinderbetreuungsplätze.
Weitere Informationen:
- Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: Frühkindliche Förderung
Das Schulsystem in Deutschland
In Deutschland beginnt die Schulzeit in der Regel für Sechsjährige in der Grundschule, die in Baden-Württemberg von der ersten bis zur vierten Klasse geht. Abhängig davon, wie gut das Kind in der Grundschule ist, wird in gemeinsamer Absprache mit dem*der Lehrer*in entschieden, welche Schulart das Kind ab der fünften Klasse besuchen wird. Die gängigen weiterführenden Schulen sind folgende:
Hauptschule (Klasse 5–9/10)
Realschule (Klasse 5–10)
Gymnasium (Klasse 5–12/13)
Gesamtschule (Klasse 5–12/13)
Haupt- und Realschule: Jugendliche, die erfolgreich die Haupt- oder Realschule durchlaufen haben, können anschließend eine Berufsausbildung machen oder auf ein Gymnasium oder eine Gesamtschule wechseln.
Gymnasium: Hier können Schüler*innen am Ende der zwölften oder dreizehnten Klasse nach einer erfolgreich bestandenen Prüfung ihr Abitur oder Fachabitur erhalten. Diese Qualifikation berechtigt sie dazu, anschließend an einer Hochschule oder Fachhochschule zu studieren. Aber auch Absolvent*innen von Gymnasien können den direkten Einstieg in die Praxis über eine Berufsausbildung wählen.
Gesamtschule: Bietet eine Alternative zum dreigliedrigen Schulsystem (Hauptschule, Realschule und Gymnasium). Die drei Schulformen werden an einer Gesamtschule miteinander kombiniert.
Die Hauptschule endet nach der neunten Klasse mit dem Hauptschulabschluss, die Realschule nach der zehnten Klasse mit dem Realschulabschluss. Danach können die Jugendlichen eine Berufsausbildung beginnen oder die Schule fortsetzen. Das Gymnasium endet in Baden-Württemberg nach der zwölften oder 13. Klasse mit dem Abitur, das zum Studium an einer Hochschule berechtigt.
Weitere Informationen:
- Make it in Germany: Deutschlands Schulsystem
Allgemeinbildende Schule
Die allgemeine Schulpflicht erstreckt sich in Baden-Württemberg auf alle Kinder und minderjährigen Jugendlichen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesland haben. Es fallen also auch Kinder von Asylsuchenden und Geduldeten darunter, die das sechste Lebensjahr vollendet haben. Die Schulpflicht beginnt gemäß dem Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG BW) sechs Monate nach dem Zuzug aus dem Ausland (§ 72 Absatz 1 Satz 3 SchG BW). Auch vor Ablauf dieses Zeitraums besteht jedoch bereits das Recht, zur Schule zu gehen, das aus Artikel 11 der Landesverfassung BW abgeleitet werden kann. Kinder und Jugendliche mit geringen Deutschkenntnissen werden an allgemeinbildenden Schulen in sogenannten Vorbereitungsklassen (VKL-Klassen) auf den Regelunterricht vorbereitet.
Weitere Informationen:
- Weiser, Barbara, Dezember 2016: Recht auf Bildung für Flüchtlinge
- Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, Oktober 2015: Flüchtlingskinder und jugendliche Flüchtlinge in der Schule
- Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, FAQ: Fragen und Antworten zur Integration von jungen Flüchtlingen in baden-württembergischen Schulen
Berufsschule
Für Jugendliche, die nicht mehr der allgemeinen Schulpflicht unterliegen, also nach neun oder zehn Jahren nicht mehr in eine Vollzeitschule gehen, gilt in Baden-Württemberg die Berufsschulpflicht. Das gilt auch für Auszubildende, die zu Beginn der Ausbildung minderjährig waren, inzwischen aber volljährig sind. Bei volljährigen Auszubildenden ergibt sich die Verpflichtung zum Besuch der Berufsschule in aller Regel aus dem Ausbildungsvertrag. In diesem wird regelmäßig die Pflicht zum Besuch der Berufsschule vereinbart. Die Berufsschulpflicht dauert maximal drei Jahre (§§ 77 und 78 SchG BW). Auch Asylsuchende und Geduldete – ob in Ausbildung oder nicht – können bzw. müssen Berufsschulbildung in Anspruch nehmen. In den sogenannten VABO-Klassen (Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse) können Migrant*innen im Alter von 15-19 Jahren Deutschunterricht erhalten und erste berufliche Vorkenntnisse erwerben. Auf freiwilliger Basis können Berufsschulen jedoch auch ältere Personen aufnehmen.
Leistungen für Bildung
Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gibt es in Baden-Württemberg die Möglichkeit, Leistungen für Bildung und Teilhabe zu erhalten. Leistungsberechtigt sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Kinderzuschlag, Wohngeld, Sozialhilfe oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen.
Abhängig von der Art des Schulbesuchs und dem Alter können Leistungen für Ausflüge, Klassenfahrten, Mittagessen, Schulmaterial, Schülerfahrkarten, Lernförderung sowie die Teilnahme an sportlichen, künstlerischen, kulturellen und sozialen Aktivitäten gewährt werden. Mehr Informationen zu den Leistungen finden Sie auf der Homepage der Stadt Stuttgart.
Studium
Ein Studium ist mit einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung rechtlich ohne gesonderte Erlaubnis möglich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Aufnahme eines Studiums unter dem Punkt „Nebenbestimmungen“ in der Aufenthaltsgestattung oder Duldung ausdrücklich verboten ist, was in Baden-Württemberg unüblich ist. Die Zugangsvoraussetzungen sind je nach Hochschule und Studiengang unterschiedlich, meist sind jedoch eine Hochschulzugangsberechtigung sowie fortgeschrittene Sprachkenntnisse (B2-/C1-Niveau) Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums.
In der Praxis stellt die Wohnsitzauflage häufig eine Hürde für die Aufnahme eines Studiums dar. Personen mit einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung haben immer eine Wohnsitzauflage, wenn ihr Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 60 Absatz 1 und 2 AsylG, § 61 Absatz 1d AufenthG). Der Bezug von BAföG-Leistungen ist allerdings unschädlich (§ 2 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 AufenthG), begünstigt die Aufhebung der Wohnsitzauflage sogar (mehr zur Finanzierung eines Studiums, siehe nächster Abschnitt). Für all diejenigen, die keine BAföG Leistungen erhalten und ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können, ist die Aufnahme des Studiums schwierig, wenn der Studienort zu weit vom Wohnort entfernt liegt. Denn Umverteilungsanträgen, die mit einem Studienwunsch begründet werden, wird selten stattgegeben. Anders sieht es bei Geflüchteten mit einem Schutzstatus aus. Sie erhalten zwar eine Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG, der in Absatz 5 jedoch eindeutig geregelt, dass die Aufnahme eines Studiums auf Antrag zur Aufhebung der Wohnsitzauflage führt (§ 12a Absatz 5 Nummer 1 Buchstabe a AufenthG). Ein Umzug an den Studienort ist also möglich.
Hochschulzugangsberechtigung
Für ein grundständiges Studium (Bachelorstudium, Staatsexamensstudiengänge) kann eine Hochschulzugangsberechtigung über schulische Wege, aber auch aufgrund beruflicher Qualifikation erworben werden. Daneben besteht die Möglichkeit, über besondere schulische Prüfungen eine Studienberechtigung zu erwerben. Auf der Homepage des Wissenschaftsministeriums BW sind unterschiedliche Zugangswege für in Deutschland erworbene Qualifikationen/Zeugnisse beschrieben.
Daneben ist es für Geflüchtete mit ausländischen Zeugnissen auch möglich, ein Studium aufzunehmen. Ausländische Zeugnisse müssen zunächst durch eine sogenannte Vorprüfungsdokumentation (VPD) mit deutschen Abschlüssen verglichen werden. Die Leistungen aus dem Ausland werden dabei in eine deutsche Note umgerechnet. Die meisten Hochschulen in Baden-Württemberg führen die VPD eigenständig durch. Ansonsten wird diese mit Hilfe von uni-assist durchgeführt. Uni-assist ist eine Arbeits- und Servicestelle, die internationale Schul- und Hochschulzeugnisse in Hinblick auf deren Äquivalenz zum deutschen Bildungssystem für internationale Studienbewerbungen für 150 Hochschulen in Deutschland prüft (Liste der Hochschulen). Für die VPD werden in der Regel eine beglaubigte Kopie des Originalzeugnisses, der Zeugnisübersetzung und ggf. des Studienabschlusses mit der Notenübersicht des Studiums benötigt. Diese Dokumente (außer der Übersetzung) müssen im Herkunftsland beglaubigt worden sein. Die Übersetzung muss in der Regel von einem*einer staatlich vereidigten* Übersetzer*in durchgeführt werden. Das Ergebnis der VPD führt dann entweder a) zu einer allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung oder b) zur Berechtigung, bestimmte Fächer studieren zu dürfen, oder c) dazu, vor dem Studium ein Studienkolleg besuchen zu müssen, oder d) zu keiner Hochschulzugangsberechtigung.
Über das Portal anabin der Kultusministerkonferenz kann man vorab bereits einen ersten Eindruck erhalten, was das Ergebnis der VPD sein könnte.
Fehlende Zeugnisse: Wenn Geflüchtete keinen Zugriff auf ihre Schul- und Studienzeugnisse aus ihrem Herkunftsland haben, muss bei Hochschulen mit eigener VPD eine Plausibilitätsprüfung erfolgen. Für die VPD bei uni-assist muss ein Selbstauskunftsbogen ausgefüllt werden.
Die eigenen Angaben über den persönlichen Bildungsweg werden auf Plausibilität geprüft. Je nach Hochschule und Ergebnis, muss der*die Bewerber*in daraufhin noch einen „Studierfähigkeitstest“, die sogenannte TestAS-Prüfung ablegen.
Finanzierung
Eine weitere Herausforderung ist vielfach die Finanzierung des Studiums. Personen mit einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung können auch während ihres Studiums Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, also (aufstockende) Asylbewerberleistungen, bei Aufnahme eines Studiums erhalten. Da sie sich meistens bereits länger als 18 Monate in Deutschland aufhalten, werden sie in der Regel sogenannte (aufstockende) „Analogleistungen“ nach § 2 AsylbLG (>>Sozialleistungen für Flüchtlinge ) beziehen. Die (aufstockenden) Leistungen nach § 2 AsylbLG werden für Gestattete entweder ganz oder teilweise als Darlehen von den Sozialämtern erbracht. BAföG können Gestattete in der Regel erst nach einer Wartefrist von fünf Jahren erhalten (§ 8 Absatz 3 BAföG). Geduldete dagegen können, unter bestimmten Voraussetzungen, bereits nach einer Aufenthaltsdauer von 15 Monaten BAföG in Anspruch nehmen (§ 8 Absatz 2a BAföG). Der Zugang zu BAföG-Leistungen von Geflüchteten mit einem Schutzstatus hängt vom konkreten Aufenthaltstitel ab (§ 8 Absatz 2 BAfÖG). Mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 und 2 AufenthG besteht dieser sofort, mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG nach einer Aufenthaltsdauer von 15 Monaten. Eine andere Art der Studienfinanzierung können Stipendien sein. Die Voraussetzungen sind hier ganz unterschiedlich und müssen einzelfallbezogen recherchiert werden.
Seit Mai 2017 werden von ausländischen Studierenden in Baden-Württemberg Studiengebühren in Höhe von 1.500 € erhoben. Ausgenommen davon sind Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 und 2 AufenthG, Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG nach einer Aufenthaltsdauer von 15 Monaten. Geduldete sind von der Gebührenpflicht befreit, wenn sie sich seit mindestens 15 Monaten in Deutschland aufhalten, Personen mit einer Aufenthaltsgestattung, wenn sie aus einem Land mit einer „guten Bleibeperspektive“, also einer Anerkennungsquote von über 50 Prozent kommen (§ 5 und § 6 Landeshochschulgebührengesetz). Derzeit trifft dies auf die Herkunftsländer Eritrea, Syrien, Somalia und Afghanistan zu (Stand 17.01.2022).
Weitere Informationen:
- Kultusministerkonferenz Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen
- Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule
- GGUA Flüchtlingshilfe e. V., Juli 2020: Ausbildungsförderung für Geflüchtete
- Study in Germany