Ein Schutzstatus, den man im Asylverfahren erhalten hat, gilt grundsätzlich ohne zeitliche Befristung; das gilt für den Flüchtlingsschutz, den subsidiären Schutz und das Abschiebungsverbot gleichermaßen. Zeitlich befristet ist lediglich, die darauf aufbauende Aufenthaltserlaubnis, die aber solange verlängert werden muss, wie der Schutzstatus besteht. Beseitigt werden kann der Schutzstatus zum einen durch einen sogenannten Widerruf, der dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung des Schutzes nicht mehr vorliegen, weil sich die Situation im Herkunftsland geändert hat. Davon zu unterscheiden ist die sogenannte Rücknahme des Schutzes, wenn sich nach Schutzgewährung herausstellt, dass der Schutz gar nicht hätte zuerkannt werden dürfen, z.B. weil die betroffene Person unrichtige Angaben gemacht hat.
Wo ist das geregelt?
Der Widerruf der Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft ist in § 73 Absatz 1 AsylG geregelt, der Widerruf des subsidiären Schutzes in § 73b Absatz 1 AsylG und der Widerruf eines gemäß § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG festgestellten (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbotes in § 73c Absatz 2 AsylG. Die Rücknahme der Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft ist in § 73 Absatz 2 AsylG geregelt, die Rücknahme des subsidiären Schutzes in § 73b Absatz 3 AsylG und die Rücknahme eines Abschiebungsverbotes in § 73c Absatz 1 AsylG.
Wie kommt es zu einem Widerrufs-/Rücknahmeverfahren und wie läuft es ab?
Schritt 1: Überprüfung: Liegen Gründe für ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren vor?
Ein Schutzstatus wird nicht „einfach so von heute auf morgen“ widerrufen bzw. zurückgenommen. Zuerst muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor dem eigentlichen Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen Widerruf/eine Rücknahme vorliegen. Soweit dies erforderlich ist, kann die betroffene Person nach § 73 Absatz 3a AsylG dazu verpflichtet werden, an diesem Prozedere mitzuwirken. Wenn es nicht nötig ist, dass die Person bei diesem Verfahrensschritt mitwirkt, kann es sein, dass sie gar nichts davon mitbekommt. Wird in diesem Verfahrensschritt festgestellt, dass es keine Gründe für einen Widerruf oder eine Rücknahme gibt, ist das Verfahren schon an dieser Stelle beendet und der Schutzstatus bleibt bestehen. Wenn das BAMF nach diesem Verfahrensschritt zu dem Schluss kommt, dass Gründe für einen Widerruf vorliegen, wird die betroffene Person informiert und das eigentliche Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren eingeleitet.
Hinweis: Bei Personen mit Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung ist in § 73 Absatz 2a AsylG vorgeschrieben, dass spätestens drei Jahre nach unanfechtbarer Anerkennung geprüft werden muss, ob Gründe für einen Widerruf/eine Rücknahme vorliegen. Diese Regelung gibt es nicht für Personen mit subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot.
Schritt 2: Das Verfahren wurde eingeleitet, was passiert nun?
Wenn das BAMF im Rahmen einer Überprüfung zu dem Schluss kommt, dass die Voraussetzungen für den Schutzstatus nicht (mehr) vorliegen, wird ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren eingeleitet. Das BAMF informiert zunächst die betroffene Person über die Einleitung des Widerrufs-/Rücknahmeverfahrens (§ 73 Absatz 4 AsylG), sofern sie nicht bereits nach § 37 Absatz 3a AsylG zur Mitwirkung bei der Überprüfung verpflichtet wurde (siehe Schritt 1). Die Person hat dann einen Monat Zeit, um schriftlich alle Gründe vorzutragen, die dafür sprechen, dass der Schutzstatus nicht widerrufen werden soll.
Wichtig: Die Stellungnahme muss gut vorbereitet werden, am besten mit anwaltlicher Unterstützung oder zusammen mit einer kompetenten Beratungsstelle. Dazu gehört in jedem Fall, Dokumente wie das Anhörungsprotokoll und den Bescheid aus dem Asylverfahren sowie ggf. die Gerichtsentscheidung genau zu studieren, um sich die damaligen Entscheidungsgründe zu vergegenwärtigen. Außerdem sollten unbedingt neue Beweise/Entwicklungen, die eine Gefährdung im Herkunftsland belegen, eingereicht werden. Auch Themen, die im ursprünglichen Asylverfahren keine Rolle gespielt haben, können von Bedeutung sein – beispielsweise gesundheitliche Probleme. Es ist nämlich möglich, dass sich zwar die „alten“ Gründe erledigt haben, es aber inzwischen andere Gefahren im Herkunftsland gibt, die eine Beibehaltung des Schutzstatus, zumindest aber die Zuerkennung eines niedrigeren Schutzstatus rechtfertigen. Es ist also denkbar und gar nicht so selten, dass ein Flüchtling zum subsidiär Schutzberechtigten „herabgestuft“ wird (§ 73 Absatz 3 AsylG) oder ein vormals subsidiär Schutzberechtigter nunmehr ein Abschiebungsverbot erhält (§ 73b Absatz 4; § 73 Absatz 3 AsylG). Widerruf oder Rücknahme werden der betroffenen Person bzw. ihrer anwaltlichen Vertretung stets per Bescheid zugestellt, der innerhalb der gesetzlichen Fristen mit Rechtsmitteln vor dem zuständigen Verwaltungsgericht angegriffen werden kann.
Schritt 3: Eine Widerrufs-/eine Rücknahmeentscheidung wurde getroffen, wie geht es weiter?
Wenn der Schutzstatus widerrufen/zurückgenommen wird, kann gegen den Widerruf geklagt werden. Diese Klage hat in den meisten Fällen aufschiebende Wirkung (Ausnahme: Wenn der Schutzstatus widerrufen wurde, weil Ausschlussgründe eingetreten sind, schwere Straftaten begangen wurden oder die Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (§ 75 Absatz 2 AsylG).
Während des Klageverfahrens hat die schutzberechtigte Person deshalb weiterhin Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Erst wenn der Widerruf rechtskräftig wird, kann die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis entweder nachträglich befristen, widerrufen oder einfach auslaufen lassen. Beruht der Widerruf/die Rücknahme auf einer von der Person ausgehenden Gefahr, wird das zuständige Regierungspräsidium regelmäßig zusätzlich eine Ausweisungsentscheidung treffen, gegen die man sich ebenfalls vor Gericht wehren kann.
Wenn die schutzberechtigte Person zum Zeitpunkt des Widerrufs/der Rücknahme bereits eine Niederlassungserlaubnis besitzt, hat die Ausländerbehörde – eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob diese ebenfalls widerrufen wird oder nicht. Hierbei spielt in der Praxis die Bewertung der Integrationsleistungen und des bisherigen Verhaltens der betroffenen Person eine wichtige Rolle. Ein Widerruf der Niederlassungserlaubnis ist aber nur bei (ehemaligen) Flüchtlingen/subsidiär Schutzberechtigten möglich. Wurde ein Abschiebungsverbot widerrufen oder zurückgenommen, kann die Niederlassungserlaubnis nicht durch Widerruf, sondern nur durch eine Ausweisung beseitigt werden, wenn die betroffene Person „gefährlich“ ist.
Weitere Informationen:
- Flüchtlingsrat BW, November 2021: Handreichung Widerruf, Rücknahme und Erlöschen des Schutzstatus