Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg erwartet von der Landesregierung, dem „Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ in der Bundesratssitzung am kommenden Freitag die Zustimmung zu verweigern. Mit dem Gesetz sollen die im Ausländerzentralregister (AZR) gespeicherten Datensätze, die von allen in Deutschland lebenden Ausländer*innen erhoben werden, erheblich ausgeweitet werden. Bereits in der Anhörung im Bundestag war der Gesetzentwurf von Verbänden und Datenschützer*innen – auch vom Bundesdatenschutzbeauftragten – einhellig abgelehnt worden. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) bezeichnete das Gesetz als „gefährlich“ und „massive Gefahr“ für LSBTTIQ*-Geflüchtete, weil im Asylverfahren gemachte Angaben zur sexuellen Orientierung und Identität nun im AZR gespeichert werden sollen.
Auch die Opposition im Bund, allen voran Bündnis90/Die Grünen, lehnte den Entwurf aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken ab. „Mit der immer weiter ausufernden Datensammelwut in Bezug auf ausländische Menschen wird der Datenschutz komplett ausgehöhlt, für Ausländer:innen gilt nur ein Datenschutz zweiter Klasse“, erklärte Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg angesichts der Planungen. „Ein ohnehin schon problematisches Gesetz wird durch die Änderungen noch einmal deutlich verschärft.“ Insbesondere sollen im Fall von Schutzberechtigten auch die Bescheide des Bundesamtes sowie Gerichtsentscheidungen gespeichert werden, und somit die Gründe für einen Schutzstatus für eine unübersichtliche Anzahl von Menschen zugänglich gemacht werden.
Über 16.500 Behörden haben nach Aussage des Bundesverwaltungsamts Zugriff auf das Bundeszentralregister. Zwar sollen laut Gesetzentwurf „Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung“ unkenntlich gemacht werden, doch es bleibt die Frage, wie und mit welchem Aufwand dies geschehen wird und welchen Nutzen die Speicherung fast vollständig geschwärzter Dokumente haben würde – denn dies wäre die Konsequenz, wenn man das Schwärzungsvorhaben in Bezug auf Asylverfahren ernst nähme.
Für die Betroffenen hingegen bliebe unklar, welche sensiblen Informationen über sie denn nun dort gespeichert und für eine große Zahl von potentiellen Nutzer*innen zugänglich sind, und wer welche Informationen als schwärzungswürdig ansieht. „Wir haben gerade in letzter Zeit erlebt, wie gespeicherte Daten missbräuchlich abgerufen wurden, wie beispielsweise der Skandal um den NSU 2.0 eindrücklich zeigt. Jetzt soll ein Gesetz verabschiedet werden, mit dem sehr viel mehr und sehr viel sensiblere Daten einem sehr viel größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden sollen“, empörte sich McGinley. „Wir erwarten insbesondere von Bündnis90/Die Grünen als stärkste Partei in der Landesregierung, dass sie sich der Haltung ihrer Bundespartei anschließen und dafür sorgen, dass Baden-Württemberg diesen Gesetzesentwurf im Bundesrat ablehnt.“ Gerade unter Schutzberechtigten ist die Gefahr groß, dass Informationen über die Asylverfahren auch in das Herkunftsland gelangen können – mit fatalen Folgen für die Flüchtlinge und ihre Angehörigen.