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EuGH: Familiennachzug zu Minderjährigen

Ohne Antragsfrist und Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 30.01.2024 – C-560/20 entschieden, dass ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (UMF) sein Recht auf Familienzusammenführung nicht verliert, wenn er während des Verfahrens zur Familienzusammenführung mit seinen Eltern volljährig wird. Dieses Recht darf nicht von der Geschwindigkeit der Antragsbearbeitung abhängig gemacht werden.

1. Der Familiennachzug zu als Flüchtling anerkannten unbegleiteten Minderjährigen gemäß Art. 10 Abs. 3 Bst. a RL 2003/86/EG [Familienzusammenführungsrichtlinie] darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Antrag innerhalb einer bestimmten Frist nach der Flüchtlingsanerkennung gestellt wurde. Das gilt auch, wenn das Kind während des Verfahrens auf Familiennachzug volljährig wird; maßgeblich ist die Minderjährigkeit zum Zeitpunkt des Antrags auf Familienzusammenführung. Etwas anderes gilt, wenn das Kind während des Asylverfahrens, also noch vor der Anerkennung als Flüchtling, volljährig geworden ist.

2. Volljährigen Geschwistern eines als Flüchtling anerkannten Kindes ist der Familiennachzug zu diesem zu ermöglichen, wenn sie aufgrund einer schweren Krankheit vollständig und dauerhaft auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen sind. Andernfalls würde einem als Flüchtling anerkannten Kind nämlich faktisch das Recht auf Familiennachzug aus Art. 10 Abs. 3 Bst. a RL 2003/86/EG genommen werden, denn es wäre den Eltern nicht möglich, ohne ihr volljähriges, vollständig von ihnen abhängiges Kind nachzuziehen.

3. Für die Familienzusammenführung der Eltern zu ihrem als Flüchtling anerkannten Kind darf weder von dem Kind noch von den Eltern verlangt werden, dass sie die Voraussetzungen gemäß Art. 7 Abs. 1 RL 2003/86 erfüllen, d.h. über ausreichenden Wohnraum für alle Familienangehörigen, eine Krankenversicherung für alle Familienangehörige sowie über feste und regelmäßige Einkünfte zur Deckung des Lebensunterhalts verfügen. Das Gleiche gilt für einen Geschwisternachzug, wie in Ls. 2 beschrieben.

(Leitsätze von asyl.net)

Die Bedeutung des Urteils für die Praxis ist in der Fachinformation des DRK-Suchdienstes zusammengefasst. Hier geht es u.a. um die Einhaltung der drei Monatsfrist und den Kriterien für die Einreise von schwer erkrankten Geschwistern.