Das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG KA) hat einer Mutter und ihrem Sohn die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen. Die Klägerin ist als Menschenhandelsopfer und ehemalige Prostituierte Teil einer bestimmten sozialen Gruppe, die staatlich nicht ausreichend geschützt ist. Die bisherigen Bemühungen des nigerianischen Staates zur Bekämpfung des Menschenhandels sind nicht hinreichend wirksam. Der Kläger ist ebenfalls Teil einer solchen Gruppe, da ihm eine rituelle Zwangsbeschneidung gegen den Willen seiner Mutter droht. Betont wird die weite Verbreitung der Beschneidung von Männern (min. 80 %) und die Üblichkeit der rituellen Beschneidung durch nicht medizinisch geschulte Beschneider (S. 14). Interner Schutz wird mit Blick auf die individuelle Situation der Familie verneint, da die Klägerin als HIV Erkrankte einen besonderen Bedarf hätte, den sie als stigmatisierte ehemalige Prostituierte nicht erwirtschaften können wird. Die staatliche Versorgung von HIV-Infizierten ist nach wie vor defizitär, was sich durch die Corona-Pandemie verschlechtert hat. Das VG bleibt aber (leider) bei der Auffassung, dass Rückkehrer*innen, selbst wenn sie nicht durch soziale Strukturen abgesichert sind, grundsätzlich keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet werden. Bei der individuellen Prognose sind auch die nötigen Vorsorgeaufwendungen gegen Malaria-Erkrankungen von Kindern zu berücksichtigen.
- VG KA, Urteil v. 7.7.2021, Az: A 12 K 202/21