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OVG Berlin-Brandenburg: Geschwisternachzug mit den Eltern zum subsidiär Schutzberechtigten

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat ein sehr erfreuliches Urteil zum Geschwisternachzug gesprochen (OVG 3 S 32/24):

Einem 13-jährigen Bruder eines minderjährigen, subsidiär schutzberechtigten Syrers ist ein Visum zu erteilen, damit er gemeinsam mit seinen Eltern einreisen kann und die familiäre Gemeinschaft mit seinen Eltern aufrecht gehalten wird. Dass der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, spricht nicht gegen eine Visumerteilung. Da die Referenzperson in wenigen Tagen volljährig wird und dann der Nachzugsanspruch der Eltern endet, ist ein zeitlich gestaffelter Nachzug nicht zumutbar. Zudem sind die zeitlichen Dimensionen nicht absehbar. Die Eltern und der Bruder lebten im Irak.

Leitsätze (asyl.net):

  • Eine auch nur vorübergehende Trennung des Antragstellers von seinen Eltern kommt im Hinblick auf sein Alter – er ist erst dreizehn Jahre alt – und den Aufenthalt außerhalb des Herkunftslandes Syriens nicht in Betracht, weil dies mit dem Kindeswohl unvereinbar wäre. Dies gilt umso mehr, als sich die Dauer einer Trennung des Antragstellers von seinen Eltern – etwa bis zu einer den Nachzug uneingeschränkt rechtfertigenden Zuerkennung internationalen Schutzes für die Eltern durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder bis zu einer Erzielung eigener Einkünfte der Eltern durch Erwerbstätigkeit – nicht sicher prognostizieren lässt. Hinzu kommt, dass auch die Dauer eines (weiteren) Visumverfahrens unter Beteiligung des Beigeladenen ungewiss ist.
  • Im Übrigen spricht auch die Argumentation der Antragsgegnerin eher für die Annahme eines Ausnahmefalles. Sie geht offensichtlich selbst davon aus, dass „langfristig kein Verlust des Nachzugsrechts“ drohe und die familiäre Lebensgemeinschaft letztlich im Bundesgebiet hergestellt werde. Warum es unter diesen Umständen entgegen höherrangigem Recht zumutbar wäre, zunächst das von der Antragsgegnerin geforderte Verfahren zu durchlaufen und eine (in zeitlicher Hinsicht) ungewisse Trennung in Kauf zu nehmen, ist für den Senat nicht ersichtlich.
  • Außerdem ist es den Eltern nicht zuzumuten, dass nur ein Elternteil in das Bundesgebiet einreist, wenn der Nachzugsanspruch des im Ausland verbleibenden Elternteils wegen der eintretenden Volljährigkeit des subsidiär Schutzberechtigten in wenigen Tagen untergeht und ein Nachzugsanspruch der restlichen Kernfamilie in zeitlicher Hinsicht ungewiss ist.

Es bleibt zu hoffen, dass die deutschen Auslandsvertretungen diese Entscheidung bei zukünftigen Anträgen auf Familiennachzug berücksichtigen.