BumF: Zwischenruf zur Unterbringungssituation unbegleiteter Minderjähriger

Erneut kommen derzeit über die Belarus- und Balkanroute auch viele unbegleitete Kinder und Jugendliche in Deutschland an. Diese Kinder und Jugendlichen sind in einer besonders vulnerablen Situation. Sie benötigen ein Setting, in dem ihr Kindeswohl geschützt und ihr Bedarf nach Sicherheit und Stabilität gewährleistet wird!

Doch die Ankunftsrealität sieht anders aus: die jungen Menschen treffen auf ein stark geschwächtes Ankunfts- und Betreuungssystem, die Unterbringungssituation gestaltet sich vielerorts als zunehmend katastrophal. 

Zugleich bringen die derzeit ankommenden Kinder und Jugendlichen mehr denn je psychische Belastungen auch durch ihre Erfahrungen auf den immer gefährlicher werdenden Fluchtrouten mit.

In der stationären Jugendhilfe fehlen durch Platzabbau in den letzten Jahren geeignete Plätze für junge Menschen mit komplexen Bedarfen und anders als 2015 finden freie Träger kein Fachpersonal, um angemessen auf die Situation zu reagieren. Gemäß aktuellen Erhebungen herrscht in der Berufsgruppe der Sozialarbeit und Sozialpädagogik aktuell die größte Fachkräftelücke (s.  Institut der Deutschen Wirtschaft). Dies hat direkte negative Auswirkungen auch auf die Betreuungssituation geflüchteter junger Menschen. 

Eine Betreuung nach den Standards des SGB VIII und ein entsprechend gründliches Clearing sind Voraussetzungen für die folgende bedarfsgerechte Unterbringung, das Ankommen in Deutschland und die weitere Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. In vielen Bundesländern jedoch sind die Jugendhilfeeinrichtungen bereits über der Belastungsgrenze. An einigen Orten werden aufgrund von Platzmangel Turnhallen und Zelte für die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter hergerichtet. Junge Menschen werden in Großunterkünften ohne Privatsphäre und geeignete Schutzkonzepte untergebracht. Bundesweit wird zunehmend von den Standards abgewichen, die Wartezeiten bis zum Clearinggespräch gestalten sich oftmals lang. Träger der Jugendhilfe die bisher keinen pädagogischen Zugang zur Zielgruppe und entsprechend keine Expertise im Umgang mit unbegleiteten Kindern und Jugendlichen besitzen, werden mit der sensiblen Aufgabe betraut ein gelingendes Ankommen zu ermöglichen.

Geflüchtete Kinder und Jugendliche leben damit über einen längeren Zeitraum in desolaten und kindeswohlgefährdenden Umständen (Großunterkünfte, unzureichender Betreuungsschlüssel, fehlende 24h Betreuung, keine Beschulung, keine angemessene psychosoziale Versorgung), die ihnen nicht die Sicherheit und Unterstützung bieten, die sie brauchen und die ihnen zusteht. Die derzeitige Situation wird auch eine spätere Betreuung in der Kinder- und Jugendhilfe erheblich erschweren. Zudem sind sie unter diesen defizitären Unterstützungs- Unterbringungsstrukturen verstärkt Gefahren von Menschenhandel und Kriminalisierung ausgesetzt. 

Um die dringend benötigten Plätze in den Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, werden junge Menschen mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres aus der Jugendhilfe und zum Teil in die Obdachlosigkeit entlassen, obwohl es einen Regelrechtsanspruch auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe bis mindestens zum 21 Lebensjahr gibt. Das ist aus Sicht des Minderjährigenschutzes verständlich, gleichzeitig werden hier gut begonnene Entwicklungen junger Menschen gefährdet, indem diese alleingelassen werden! 

Eine ähnliche Situation gab es in den Jahren 2015/2016, in den Folgejahren wurden Plätze rigoros abgebaut, obwohl zukünftige starke Fluchtbewegungen durchaus absehbar waren. 

Der BumF fordert:  

  • alleinreisende Kinder und Jugendliche müssen innerhalb der Standards des SGB VIII untergebracht werden,
  • es braucht eine Fachkräftekampagne, eine angemessene Bezahlung und Ausbildung, bessere Arbeitsbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe,
  • die Wohnungsmarktpolitik muss ausreichend Wohnungen für Care-Leaver*innen einplanen, so dass junge Menschen, die aus den Einrichtungen ausziehen, ihren bisher beschrittenen Weg fortsetzen können,
  • freie und öffentliche Träger der Jugendhilfe müssen miteinander Konzepte entwickeln, wie ausreichend Plätze vorgehalten werden, um auf größere Fluchtbewegungen und die Bedarfe aller jungen Menschen angemessen reagieren zu können.