Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg weist auf zwei Fälle hin, in denen die Polizei versucht hat, einen geflüchteten Menschen zwecks Abschiebung festzunehmen, obwohl ein Gericht die Abschiebung ausgesetzt hatte, und fordert von der Landesregierung Aufklärung und Konsequenzen.
Im Juni war im südbadischen Schallstadt ein Nigerianer aus dem Fenster gesprungen und hatte sich dabei beide Beine gebrochen, als die Polizei ihn entgegen einer am Vortrag ergangenen richterlichen Entscheidung festnehmen wollte. Die Information über die Aussetzung der Abschiebung sei – so die Polizeimeldung – nicht intern weitergegeben worden.
Ein Jahr zuvor hatte es in Karlsruhe einen ähnlichen Vorfall gegeben, als die Polizei in die Wohnung eines Mannes aus Pakistan eindrang, um ihn zwecks Abschiebung festzunehmen. Auch in diesem Fall hatte ein Gericht kurz zuvor die Abschiebung ausgesetzt. Der Gesuchte war in diesem Fall nicht anwesend. Die Polizei ließ sich auch nicht davon beeindrucken, dass die Ehefrau des Gesuchten den entsprechenden Gerichtsbeschluss vorlegte. Die Ehefrau und die kleine Tochter des Betroffenen, die beide einen sicheren Aufenthaltsstatus haben, sind durch dieses Erlebnis schwer psychisch belastet. Umso mehr, weil die Ausländerbehörde weiterhin darauf beharrt, die Familie zwecks Nachholung des Visumsverfahrens für den Familienvater trennen zu wollen, obwohl das Gericht entschieden hat, dass dies zu einer unzumutbar langen Trennung führen würde.
„Jeder solche Fall ist einer zu viel, und richtet physische und psychische Schäden bei den Betroffenen und den ihnen nahestehenden Personen an. Die Landesregierung ist ihnen Antworten schuldig, warum die Polizei rechtswidrige Abschiebungen durchzuführen versucht und dabei klare Hinweise auf die Aussetzung der Abschiebung ignoriert, ob es neben diesen beiden Fällen noch weitere Fälle dieser Art gegeben hat, welche konkreten Schritte unternommen und Verfahrensabläufe geändert wurden, damit so etwas nicht nochmal passiert“, fordert Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Er kritisiert, dass sowohl Regierung als auch Opposition immer sehr schnell dabei sind, die Durchsetzung des Rechts zu fordern, wenn es um Abschiebungen und Repression gegen Geflüchtete geht, aber schwerwiegende Verletzungen der Grundrechte von Geflüchteten auf parteiübergreifende Gleichgültigkeit stoßen.
Inzwischen hat der Betroffene in Schallstadt laut Presse eine Ausbildungsduldung in Aussicht. „Daran wird eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den beiden Fällen sichtbar, neben der versuchten Durchsetzung einer rechtswidrigen Abschiebung, nämlich die Hartnäckigkeit, mit der Behörden versuchen, Menschen abzuschieben, die eine konkrete Perspektive auf einen legalen Aufenthalt hat. Dies zeigt leider einmal mehr, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte ‚konsequente Anwendung von Bleiberechtsmöglichkeiten‘ seitens der Behörden nicht umgesetzt wird. Wir fordern die Landesregierung abermals dazu auf, Wort zu halten und dafür zu sorgen, dass solche Abschiebungsversuche nicht mehr stattfinden.“, so Seán McGinley abschließend.