Das Verwaltungsgericht Stuttgart sieht es als „äußerst zweifelhaft“ an, dass die Abschiebung zweier unbegleiteter Minderjähriger aus einer Jugendhilfeeinrichtung der Waldhaus gGmbH nach Albanien am 14. Dezember letzten Jahres rechtmäßig war. Dennoch lehnt das Gericht den Eilantrag auf Rückholung der Kinder ab. Die Entscheidung fällt nun im Hauptsacheverfahren, das sich noch lange hinziehen kann.
Die Unterstützer*innen der 16-jährigen Dana und ihres zwölfjährigen Bruders Edi (Namen geändert) begrüßen, dass aus Sicht des Gerichts Vieles dafür spricht, dass die Behörden ihre gesetzlichen Verpflichtungen bezüglich der Sicherstellung einer Übergabe der Kinder in Albanien nicht erfüllt haben. Sie bedauern allerdings, dass die Gefährdung des Kindeswohls, die durch die wahrscheinlich rechtswidrige Abschiebung entstanden ist, aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend glaubhaft gemacht wurde, um eine Rückholung zu rechtfertigen.
„Rechtlich gesehen reicht die Feststellung, dass eine Abschiebung rechtswidrig war, für sich genommen noch nicht aus, um einen Anspruch auf Rückholung zu begründen. Es muss darüber hinaus ein andauernder rechtswidriger Zustand entstanden sein, der durch die Rückholung beseitigt werden könnte“, erklärt Rechtsanwalt Ruben Hoffmann, der die Kinder vertritt. „Das ist aus unserer Sicht – basierend auf die Schilderungen der Kinder – der Fall, doch leider hat sich das Gericht zumindest im Eilverfahren, wo die Hürden besonders hoch sind, nicht überzeugen lassen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht im Hauptsacheverfahren Erfolg haben werden, und wir bleiben diesbezüglich optimistisch.“ Angesichts der langen Verfahrensdauer bei den Verwaltungsgerichten, wird es bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache noch lange dauern – es ist eher unwahrscheinlich, dass eine solche überhaupt noch in diesem Jahr fallen wird. Angesichts der aktuellen Situation der Kinder bereitet dies ihren Unterstützer*innen große Sorgen. „Je länger sich die derzeitige Situation hinzieht, desto gravierender schätzen wir die Auswirkungen ein, die durch die Brüche in der Biographie der Kinder entstehen“, so Cordula Breining, Koordinatorin für unbegleitete Minderjährige im Waldhaus, die nach wie vor im direkten Kontakt mit den Kindern steht und berichtet, dass sie quasi sich selbst überlassen sind. „Sie sind nicht mehr bei den Großeltern, sondern beim 21-jährigen Halbbruder. Es ist unklar, wie sie sich finanzieren und versorgen. Wer die Personensorge ausübt, ist unserem Kenntnisstand nach nicht geklärt.“
Aus diesem Grund ist für Michael Weinmann, Bereichsleiter stationärer Bereich beim Waldhaus, die Entscheidung des Gerichts nicht nachvollziehbar: „Es ist für uns unverständlich, dass das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt hat. Wir schätzen die aktuelle Betreuungssituation der Kinder als Kindeswohlgefährdung ein. Durch die Ablehnung des Eilantrags werden die Kinder voraussichtlich noch lange in dieser für sie ungewissen Lage sein, ohne klare Perspektive.“
Diese Einschätzung teilt auch Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg: „In gewisser Weise ist es ein Freibrief für staatlichen Rechtsbruch, wenn die zuständige Behörde unter Missachtung des Kindeswohls unbegleitete Minderjährige abschiebt, und damit auch noch durchkommt, wenn die betroffenen Kinder nicht in der Lage sind, die genauen Umstände der eingetretenen Gefährdung gerichtsfest zu dokumentieren.“
Der Fall, der in den vergangenen Wochen eine beachtliche Medienresonanz hervorgerufen hat, bewegt in der Schlussphase des Landtagswahlkampfes viele Menschen im Land und wirft ein Schlaglicht auf die Abschiebungspraxis in Baden-Württemberg. Eine Privatperson, die aus der Zeitung von dem Fall erfahren hat, hat eine Petition gestartet, die binnen einer Woche von über 2500 Personen unterzeichnet wurde.
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