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Aufnahme statt Abschreckung

30 Jahre nach der Verabschiedung des „Asylkompromisses“ fordern Flüchtlingsrat und Paritätischer ein Ende der Abschreckungspolitik

30 Jahre nach der Verabschiedung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Bundestag muss die unwürdige Behandlung geflüchteter Menschen in Deutschland endlich ein Ende haben. Der Flüchtlingsrat und der Paritätische in Baden-Württemberg fordern eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik und die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Diese Spezialgesetzgebung verhindert eine menschenwürdige Aufnahme aller Geflüchteten und schränkt ihre gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten drastisch ein.

30 Jahre ist es inzwischen her, dass der deutsche Bundestag am 26. Mai 1993 das Asylbewerberleistungsgesetz im Rahmen des sogenannten „Asylkompromisses“ beschlossen hat – ein trauriger Meilenstein in der Geschichte der Entrechtung geflüchteter Menschen in Deutschland. Damit wurde das Grundrecht auf Asyl drastisch ausgehöhlt. Dieses Gesetz hat den Zugang für Geflüchtete zu gesundheitlicher Versorgung während ihrer Asylverfahren massiv verschlechtert und die staatlichen Leistungen, die sie beziehen können, unter das Existenzminimum gedrückt. Zu diesem Schluss kam auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2012. Dennoch besteht das Gesetz bis heute fort.

„Das Asylbewerberleistungsgesetz fußt auf der Annahme, dass Menschen nicht nach Deutschland fliehen, wenn Aufnahmebedingungen so schlecht wie möglich gestaltet werden. Dies wird auch in der aktuellen Debatte immer wieder suggeriert. Doch dabei handelt es sich um einen Trugschluss, dem die Politik nun offiziell seit 30 Jahren unterliegt“, so Anja Bartel, Geschäftsleiterin vom Flüchtlingsrat. „Wir fordern ein Ende der Abschreckungspolitik und eine echte Aufnahmepolitik für alle Geflüchteten“.

„Die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine hat gezeigt, dass ein Rechtskreiswechsel und damit der direkte Zugang zu allgemeinen Sozialleistungen, dem Arbeitsmarkt, Integrationskursen und medizinischer Versorgung für Geflüchtete durchaus möglich ist und die Integration fördert. Deshalb ist die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes anzustreben. Das bestehende System unterteilt Geflüchtete in zwei Klassen und steht im Widerspruch zu unseren Grundrechten und einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten“, sagt Uta-Micaela Dürig, Vorständin Sozialpolitik beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg.

Hinweis: Im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche der Kampagne zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes finden vom 16. bis zum 27. Mai 2023 verschiedene Veranstaltungen in ganz Deutschland statt.