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Statement: Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan weiterführen

Im gemeinsamen Statement anlässlich 2 Jahre Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) wird gefordert: Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan weiterführen! „Haushaltskollateralschaden“ vermeiden und der humanitären und menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden! Das Statement für die Weiterführung des BAP wird getragen von move on – menschen.rechte Tübingen e.V., dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V. und Afghanische Frauen Verein Stuttgart e.V..

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern:
 
Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) sollte besonders gefährdeten Afghan*innen Schutz in Deutschland über einen geregelten Zufluchtsweg ermöglichen. Mit dem Programm verpflichtete sich die Bundesregierung zu ihrer humanitären Verantwortung gegenüber der afghanischen Zivilbevölkerung nach dem ungeordneten Abzug 2021. Genau zwei Jahre nach dem Beginn droht jedoch das vorzeitige Aus. Im Haushaltsentwurf für 2025 sind im Budget des Bundesinnenministeriums keine Mittel mehr für das BAP vorgesehen.

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Verbände, darunter auch mehrere Organisationen aus Baden-Württemberg, fordern die Weiterführung und Weiterfinanzierung des BAP gemäß den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags der Ampelregierung – denn ein vorzeitiges Ende hätte fatale und nicht verantwortbare Konsequenzen für die Betroffenen. Baden-Württemberg gehörte zu den ersten Landesregierungen, die das BAP bereits kurz nach Beginn in Frage stellten und ein Ende forderten. Wir fordern die grünschwarze Landesregierung auf, diese Haltung zu überdenken und das BAP und die Aufnahme von gefährdeten und schutzbedürftigen Menschen über dieses Programm im Land zu unterstützen.

Laut Aufnahmeanordnung des Bundesinnenministeriums (BMI) sollten Aufnahmezusagen für monatlich bis zu 1.000 gefährdeten Afghan*innen erteilt werden. Mit einer angekündigten Laufzeit bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode war eine Aufnahme von bis zu 36.000 schutzbedürftigen Menschen geplant. Doch das BAP wurde bis jetzt nicht voll umfänglich umgesetzt: Statt den ursprünglich geplanten 1.000 Personen pro Monat sind bislang insgesamt lediglich 682 Personen nach Deutschland eingereist (Stand Oktober 2024). Seit Juli 2024 wurde die Bearbeitung tausender Anträge durch die zuständigen Behörden unterbrochen. Das betrifft etwa 17.000 Personen, die bereits von den Stellen der Bundesregierung vorausgewählt und kontaktiert wurden.
 
Seit August 2021 hat sich die Situation für die afghanische Zivilbevölkerung kontinuierlich verschlechtert. Insbesondere Frauen und Mädchen werden aufgrund ihres Geschlechts systematisch diskriminiert und sind von schwerwiegenden Verletzungen ihrer grundlegenden Freiheiten und Menschenrechte betroffen. Für diese Menschen ist das BAP die einzige Überlebensperspektive. Ein vorzeitiger und ungeordneter Abbruch des Programms hätte für alle diese Menschen fatale Konsequenzen.
Mit dem BAP getätigte Investitionen in die Umsetzung von Aufnahmeprogrammen wie der Aufbau der Koordinierungsstelle würden einfach abgewürgt werden. Mit einem Abbruch des Programms würde die Bundesregierung letztlich weder ihrer humanitären Verantwortung noch einer feministischen Außenpolitik gerecht zu werden und den gegenüber der Europäischen Union gemachten Zusagen für humanitäre Aufnahmen in 2025 zuwider handeln.

Für die am BAP mitwirkenden zivilgesellschaftlichen Organisationen (ca. 60 NGOs und Dachverbände) würde der Abbruch des Programms einen herben Vertrauensbruch darstellen. Sie haben durch ihre – zum größten Teil ehrenamtliche – Mitwirkung gezeigt, dass eine Aufnahmebereitschaft in der Gesellschaft vorhanden ist. Ihnen liegen zudem weiterhin zahlreiche Anfragen von besonders gefährdeten Menschen vor und jede Woche kommen neue  Hilferufe von bedrohten Menschen, insbesondere Frauen und queeren Personen aus Afghanistan hinzu: Obwohl es ein offizielles Versprechen bis mindestens zum Ende der Legislaturperiode gibt, könnten keine neuen Schutzanträge für das Programm mehr gestellt werden.

Zivilgesellschaftliche und Menschenrechtsorganisationen appellieren an die Bundesregierung sowie die Mitglieder des Bundestags:  
1. das BAP wie geplant mindestens bis Ende der Legislaturperiode vollumfänglich weiterzufinanzieren. 
2. das gesteckte Ziel der Aufnahme von bis zu 1.000 gefährdeten Personen im Monat – also insgesamt bis zu 36.000 Personen in der gesamten Laufzeit – weiterzuverfolgen und umzusetzen.
3. die Auswahlrunden, die Bearbeitung der Anträge, die Visumverfahren und die Umsetzung der Ausreisen umgehend fortzusetzen

„Es darf nicht geschehen, dass ein so wichtiges Menschenrechtsprogramm auf dem Altar der Migrationsdebatte, des Rechtsrucks und der „Zeitenwende“ geopfert wird.“ (Andreas Linder, Geschäftsführer des Vereins move on Tübingen und aktiv im Afghanistan-Hilfsprojekt „save our families“)

„Das Aufnahmeprogramm ist die einzige Hoffnung für uns afghanische Frauen. Sie sollten die afghanischen Frauen im Kampf gegen die gender apartheid nicht allein lassen und die Taliban hart sanktionieren.“ (Aktivistin des Afghanistan Women Movement for Justice)