Öffentliches Interesse durchsetzen: Forderung nach Abschiebungstopp eines Klägers während des Verfahrens gegen die Hausordnung der LEA Freiburg
Tagoe Quashie, einer der ursprünglich sechs Geflüchteten, die gegen die Hausordnung der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg geklagt haben, wurde diese Woche in der Abschiebungshafteinrichtung Pforzheim inhaftiert und soll in den kommenden Tagen nach Ghana abgeschoben werden. Weil vier der anderen Kläger bereits nicht mehr in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnen und beim verbleibenden Kläger der Transfer aus der Erstaufnahme heraus mittelbar bevorsteht, droht mit der Abschiebung von Tagoe Quashie das gerichtliche Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Hausordnung eingestellt zu werden.
Pro Asyl, der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und LEA Watch Freiburg, die die Klage unterstützt haben, kritisieren, dass auf diesem Wege die Klärung wichtiger rechtlicher Fragen verhindert wird. Schließlich ist die Hausordnung der LEA Freiburg, die aus Sicht der Kläger in zahlreichen Punkten gegen Grundrechte verstößt, fast wortgleich in allen anderen Erstaufnahmeeinrichtungen Baden-Württembergs in Kraft. „Die Klärung, ob diese Hausordnung überhaupt rechtskonform ist, ist also von elementarer Bedeutung für tausende von Menschen, die in diesen Einrichtungen leben und in der Zukunft leben werden. Es sollte auch einem Staat, der den Anspruch hat, ein Rechtsstaat zu sein, wichtig sein, diese Fragen zu klären“, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl.
Das Problem, dass eine gerichtliche Überprüfung von höchst fragwürdigen Zuständen durch die Abschiebung von Betroffenen, die ihre Rechte einfordern, verhindert wurde, ist nicht neu, wie Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg weiß: „Bereits 2019 wurde uns von zahlreichen Fällen berichtet, in denen Familien mit minderjährigen Kindern, die rechtswidrigerweise länger als sechs Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht waren, Verlegungsanträge gestellt haben und kurz darauf abgeschoben wurden.“
Wenn es um strafrechtliche Verfahren geht, sieht das Aufenthaltsgesetz die Möglichkeit einer vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung für Personen vor, deren Anwesenheit im Bundesgebiet für das Verfahren notwendig ist. Eine ähnliche Regelung für verwaltungsrechtliche Verfahren existiert nicht. Ben Bubeck von LEA Watch Freiburg weist allerdings darauf hin, dass es sehr wohl möglich ist, eine Abschiebung auszusetzen, wenn „erhebliche öffentliche Interessen“ dies erfordern. „Wir sind der Meinung, dass ein ‚erhebliches öffentliche Interesse‘ daran besteht, dass Grundrechte für alle Menschen respektiert werden und dass die zahlreichen offenen Fragen, die im laufenden Verfahren aufgeworfen wurden, geklärt werden. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, die Abschiebung von Tagoe Quashie auszusetzen und seine sofortige Freilassung aus der Abschiebungshaft anzuordnen.“