Die menschenrechtliche Lage für geflüchtete Menschen in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr zugespitzt. Starke Verschärfungen im Migrationsrecht und eine politische Abwehr- und Abschreckungshaltung trugen hierzu bei.
Menschenrechtler*innen blicken ernüchtert auf die Situation von geflüchteten Menschen im vergangenen Jahr zurück. Zwar haben einige neue Regelungen, etwa im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts, Migration und Teilhabe bedingt erleichtert. Dennoch war das Jahr 2024 insgesamt durch deutliche migrationsrechtliche Verschärfungen geprägt, so das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) in seinem jährlichen Bericht an den Bundestag. Auch PRO ASYL kritisiert die verschlechterte Lage geflüchteter Menschen in Deutschland. Mindestens 2.368 Menschen starben 2024 laut UN-Flüchtlingshochkommissariat allein bei der Flucht über das Mittelmeer oder werden vermisst. Dennoch gibt es keine Aussicht auf staatliche und europäische Rettungsprogramme. Auf vielen Fluchtwegen, wie an der polnisch-belarussischen Grenze, kam es im vergangenen Jahr zudem zu brutalen und rechtswidrigen Pushbacks. Das Grundrecht auf Asyl wird durch eine solche Politik der Abschottung und Ausgrenzung weiter untergraben.
Bezahlkarte
Neue Gesetze, die die Zahl von Migrant*innen reduzieren sollen, etwa die Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende im April 2024 bergen die Gefahr, Asylsuchende weiter auszugrenzen und ihre Autonomie zu beschränken. Das DIMR empfiehlt daher Bund und Ländern, die Wirkung und Folgen der Einführung der Bezahlkarte wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Bisherige Untersuchungen widersprechen der These, dass Bargeldleistungen einen Anreiz für Menschen darstellen, nach Deutschland zu kommen. Neben praktischen Problemen in der Nutzung stellt die Bezahlkarte zudem ein Instrument zur Diskriminierung dar, so PRO ASYL.
Senkungen von Sozialleistungen
DIMR und PRO ASYL kritisieren die Senkung von Leistungen für alleinstehende Asylbewerber*innen in Sammelunterkünften. Sie stellt Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, erneut schlechter als Empfänger*innen anderer Sozialleistungen. Der Gesetzgeber hält hieran trotz gegenteiligem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2022 weiter fest. Umso verheerender ist die vorgesehene komplette Streichung von Unterkunft und Versorgung von Menschen im Dublin-Verfahren.
Rückführung von Ausreisepflichtigen
Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rückführung von Ausreisepflichtigen hat die Bundesregierung Maßnahmen zur Identitätsklärung ausgeweitet, die zugleich Eingriffe in die Freiheitsrechte, auch von nichtausreisepflichtigen Personen mit sich bringen. Eine verhältnismäßige Abwägung mit den Grundrechten von Schutzsuchenden ist dabei laut den Forschenden des DIMR nicht eindeutig gewährleistet.
Umsetzung der GEAS-Reform
Große Sorge über die Einhaltung der Menschenrechte von geflüchteten Menschen bietet die Ende 2023 verabschiedete Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese wartet derzeit auf eine nationale Umsetzung.
Im Rahmen von GEAS bergen beschleunigte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, insbesondere durch die abgeschlossenen Aufnahmezentren, erhebliche Freiheitseinschränkungen. Eine menschenwürdige Unterbringung und etwa der Zugang zu rechtlicher Beratung sind dabei nicht gewährleistet. Zudem kritisiert das DIMR die politisch Verantwortlichen, entgegen der Forderung internationaler Menschenrechtsorganisationen, keine neuen legalen und sicheren Fluchtwege eröffnet zu haben. Aufnahmeprogramme laufen in vielen Bundesländern aus und auch etwa das Bundesaufnahmeprogram für Afghan*innen wurde nicht ausreichend unterstützt (hierzu ein Statement). Ein menschenrechtswidriger Umgang mit geflüchteten Menschen wird so weiter normalisiert.
Für begrüßenswert erachtet das DIMR hinsichtlich der GEAS-Umsetzung lediglich den geplanten unabhängigen Monitoring-Mechanismus. Hierbei sollen unabhängige Stellen etwa die Einhaltung des Rechts auf Zugang zum Asylverfahren überwachen. Für Deutschland kommt dabei als Träger das DIMR selbst in Frage. Für eine effektive Monitoring-Arbeit muss die Bundesregierung allerdings ausreichend Ressourcen und Zugangsrechte bereitstellen.
Eine Ausweitung von sicheren Drittstaaten droht menschenrechtliche Schutzstandards zu unterlaufen. Die Forderung, Menschen auch in Länder abzuschieben, zu denen sie keinerlei Verbindung haben, ist dabei höchst bedenklich. Auch gegen die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten sprechen sich das DIMR und PRO ASYL deutlich aus. Eine solche Option wird vom Bundesinnenministerium seit Februar 2024 geprüft (offener Brief dagegen).
Menschenrechte für alle
Zur Durchsetzung von Menschenrechten haben einige gerichtliche Erfolge von PRO ASYL im vergangenen Jahr beigetragen. In Bezug auf zunehmend ausgrenzende und entmenschlichende Debatten ruft das DIMR dazu auf, schutzsuchende und zugewanderte Menschen nicht als Gefahr darzustellen. Polarisierende Debatten fördern gesellschaftliche Spannungen und Feindseligkeiten und gefährden schutzsuchende Menschen. Gerade im Lichte des 75-jähriges Bestehens des Grundgesetzes im vergangenen Jahr muss Deutschland seiner Verpflichtung, Menschenrechte zu schützen und zu garantieren, stärker nachkommen.
Anmerkung: Für den Bericht des DIMR wurden öffentliche Dokumente und Umfragen für die Landesinnenministerien ausgewertet und Expert*innen aus öffentlichen Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen im Zeitraum Juli 2023 bis Juni 2024 befragt.
- Deutsches Institut für Menschenrechte, Dezember 2024: Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland: Juli 2023 – Juni 2024
- Pro Asyl, Dezember 2024: Wie der Flüchtlingsschutz 2024 weiter demontiert wurde – und was für 2025 droht