Die Vorführung von Personen die (mutmaßlich) aus Gambia stammen vor Delegationen der gambischen Regierung werfen bei vielen Betroffenen und Haupt- und Ehrenamtlichen Fragen auf. Einige dieser Fragen wurden in einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE aufgenommen und an die Bundesregierung gerichtet. Nun liegt die Antwort des Bundesinnenministeriums vor. Aus Sicht des Flüchtlingsrats werden viele problematische Phänomene, die aus der Praxis bekannt sind, entweder geleugnet oder mit einem Schulterzucken quittiert.
Die Bundesregierung informiert darüber, dass es zwischen Oktober 2017 und Mai 2019 insgesamt 82 Anhörungen gegeben habe, bei denen 1315 Personen angehört wurden. Dabei wurde bei 773 Personen festgestellt, dass sie gambische Staatsangehörige sind, bei 542 konnte dies nicht festgestellt werden. Die allermeisten Anhörungen fanden in Karlsruhe statt, es gab aber auch einzelne Anhörungen an anderen Orten.
Auf viele der Kritikpunkte, die von Betroffenen und ihren Begleitpersonen aus der Praxis gemeldet wurden, antwortet die Bundesregierung nicht oder nicht auf einer Weise, die geeignet ist, die Bedenken zu zerstreuen. So haben einige Personen, die an diesen Anhörungen teilgenommen haben, berichtet, dass in den gambischen Delegationen Angehörige des Regimes des abgewählte Diktators Yayha Jammeh sind. Hierzu verweist die Bundesregierung darauf, dass die personelle Zusammenstellung der Delegationen Sache der gambischen Behörden ist.
Befremdlich ist für viele Betroffene auch die Praxis, dass einige Delegationsmitglieder ihre Gesichter verstecken, indem sie beispielsweise Mützen, Kapuzen oder große Sonnenbrillen tragen. Hierzu stellt die Bundesregierung fest, dass es für die Delegationsmitglieder keine Uniform gibt und sie ihre Kleidung frei wählen dürfen.
Zu der Nicht-Zulassung von Beiständen bei den Anhörungen gibt die Bundesregierung an, dass ihr keine entsprechenden Fälle bekannt sind. Allerdings haben sich mehrere Personen beim Flüchtlingsrat gemeldet, die angeben, genau diese Erfahrung gemacht zu haben.
Zwar werden die Ergebnisse der Anhörungen nachher zwischen der gambischen Delegation und den deutschen Behörden besprochen, so dass die deutsche Seite nachvollziehen kann, auf welcher Grundlage entscheiden worden ist, ob die gambische Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist oder nicht. Allerdings wird nicht vor den Anhörungen abgesprochen, welche Fragen gestellt werden (dürfen). Dies ist problematisch, weil einige Personen berichten, die gambische Delegation habe sie nach den Fluchtgründen gefragt, die sie im Asylverfahren geltend gemacht haben. Die Bundesregierung entzieht sich einer klaren Antwort auf die Fragen, ob dies zulässig sei und inwiefern diese Frage dem Zweck der Anhörung – Überprüfung der Identität und der Staatsangehörigkeit – dienen. Stattdessen sagt sie, dass es Fragen gibt, die dem Zweck der Anhörung dienen, auch wenn sie im Rahmen des Asylverfahrens gefragt wurden. In der Aufzählung von Beispielen für solche Fragen wird die Frage nach Fluchtgründen nicht erwähnt. Fast schon unfreiwillig komisch ist, dass die Bundesregierung in der Antwort auf diese Frage abschließend erwähnt, dass die Befragung ja in Anwesenheit der zuständigen Ausländerbehörde erfolgt. Wie viele Vertreter*innen der Ausländerbehörden über die notwendigen Sprachkenntnisse in Mandinka, Fula oder Wolof verfügen, um dem Gespräch zu folgen und auf nicht-zulässige Fragen hinzuweisen, wäre möglicherweise eine Thema für eine zukünftige Kleine Anfrage.
Sehr unbefriedigend ist aus Sicht der Flüchtlingsrats auch die Antwort auf die Frage, wie sichergestellt wird, dass die Angehörten und die gambische Delegation sprachlich verständigen können. Die Antwort lautet, dass die gambischen Delegationsmitglieder – soweit der Bundesregierung bekannt – neben der Amtssprache (Englisch) auch weitere in Gambia gesprochene Regionalsprachen beherrschen. Eine individuelle Prüfung und Sicherstellung, dass zu jedem Gespräch gewährleistet ist, dass die anzuhörende Person und die Delegation sich verständigen können, findet augenscheinlich nicht statt – stattdessen verlässt man sich darauf, dass es in den allermeisten Fällen wahrscheinlich klappen wird. Sicherlich klappt dies in den allermeisten Fällen, allerdings ist dies ein schwacher Trost für eine Person, die tatsächlich Verständigungsprobleme hatte. Ein solcher Fall ist dem Flüchtlingsrat bekannt.
Einige der Fragen beziehen sich auf die Abschiebungspraxis nach Gambia. Eine wichtige Erkenntnis, die sich daraus ergibt, ist dass es keine Vereinbarung gibt, bestimmte Geldbeträge an Abgeschobene auszuzahlen. Die Geldsummen, die die gambische Regierung von der Europäischen Union erhalten hat – dabei ist von 20 Millionen Euro die Rede – sind also offenbar für andere Zwecke bestimmt.
Laut Berichten von Betroffenen und Zeug*innen waren bei den Sammelabschiebungen im Januar und Februar alle Abgeschobenen an Händen und Füßen gefesselt. Die Bundesregierung sagt, dass diese Maßnahmen nicht pauschal erfolgten, sondern ausgehend von einer individuellen Gefahrenprognose. Das heißt, dass bei allen Personen – insgesamt 50 bis 60 – die individueller Prüfung ausnahmslos ergeben hätte, dass jeder einzelne von ihnen eine Gefahr darstellt. Dies wäre, auch angesichts der Erfahrungswerte zahlreicher anderer Sammelabschiebungen – eine sehr ungewöhnliche Situation.