Grundlagen

Bleiberechtsoptionen

Die Duldung ist ein sehr unsicherer Aufenthalt. In bestimmten Fällen kann, insbesondere bei Nachweis bestimmter Integrationsleistungen, ein Wechsel in eine Aufenthaltserlaubnis erfolgen. Die häufigsten Bleiberechtsoptionen sind mitsamt den jeweiligen Voraussetzungen im Folgenden aufgeführt.

Die Ausbildungsduldung

Unter bestimmten Voraussetzungen haben geduldete Menschen für die Dauer ihrer Ausbildung einen Anspruch auf eine sog. „Ausbildungsduldung“ (§ 60c AufenthG). Die Ausbildung muss staatlich anerkannt oder vergleichbar geregelt sein und regulär mindestens zwei Jahre dauern (siehe hierzu die jeweilige Ausbildungsordnung). Aber auch Assistenz- oder Helferausbildungen in Engpassberufen (z.B. Krankenpflegehelfer*in), die gemäß der Ausbildungsordnung weniger als zwei Jahre dauern, sind ausreichend, sofern bereits eine Zusage für die anschließende qualifizierte Ausbildung vorliegt. Wird die qualifizierte Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, besteht unter bestimmten weiteren Bedingungen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer der beruflichen Qualifikation entsprechenden Beschäftigung für zwei Jahre nach § 19d Absatz 1a AufenthG.

Auch die „Ausbildungsduldung“ ist eine „Duldung“. Im Zusammenhang mit Personen, die sich noch im Status der Aufenthaltsgestattung befinden, ist der Begriff der Ausbildungsduldung daher fehl am Platz, denn man kann nicht gleichzeitig geduldet und gestattet sein. Eine Aufenthaltsgestattung besitzen z.B. auch Personen, deren Asylantrag das BAMF zwar als „unbegründet“ abgelehnt hat, die gegen den Bescheid beim zuständigen Verwaltungsgericht jedoch Klage mit aufschiebender Wirkung erhoben haben. Für die Dauer des Klageverfahrens besteht die Aufenthaltsgestattung fort und eine Abschiebung ist unzulässig. Wollen Menschen im Status der Aufenthaltsgestattung eine Ausbildung aufnehmen, brauchen sie hierfür keine (Ausbildungs-)Duldung, sondern „nur“ eine Beschäftigungserlaubnis, die bei der Ausländerbehörde beantragt werden kann.

Das Gesetz unterscheidet zwei verschiedene Konstellationen: Personen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ausbildung noch Asylbewerber*innen sind, sich also noch im Asylverfahren befinden, und Personen, die die Ausbildung erst nach Abschluss des Asylverfahrens (im Status der Duldung) aufnehmen. Im zweiten Fall kann die Ausbildungsduldung erst nach drei Monaten in einer „normalen“ Duldung nach § 60a AufenthG erteilt werden. In dieser Zeit ist eine Abschiebung grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Trifft die Ausländerbehörde innerhalb der drei Monate konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung, scheidet die Erteilung einer Ausbildungsduldung aus, auch wenn es innerhalb der drei Monate noch zu keiner Abschiebung kommt.

Um die Ausbildungsduldung zu bekommen, muss die Identitätsklärung grundsätzlich innerhalb folgender Fristen erfolgen:

  • bei Einreise in das Bundesgebiet bis zum 31. Dezember 2016: bis zur Beantragung der Ausbildungsduldung
  • bei Einreise in das Bundesgebiet ab dem 1. Januar 2017 und vor dem 1. Januar 2020: bis zur Beantragung der Ausbildungsduldung, spätestens jedoch bis zum 30. Juni 2020
  • bei Einreise in das Bundesgebiet nach dem 31. Dezember 2019: innerhalb der ersten sechs Monate nach der Einreise;

Wenn man sich bestmöglich um die Klärung seiner Identität bemüht hat, gelten diese Fristen als gewahrt, auch wenn die Klärung der Identität erst nach dem jeweiligen Datum eintritt. Hierzu empfiehlt es sich, die Mitwirkung an der Identitätsklärung lückenlos zu dokumentieren und der Ausländerbehörde bzw. dem Regierungspräsidium Karlsruhe gegenüber nachzuweisen. Informationen hierzu finden sich in der Broschüre von BleibDran Thüringen.

Wenn man sich bestmöglich bemüht hat und die Identität dennoch nicht geklärt werden kann, liegt es im Ermessen des Regierungspräsidiums Karlsruhe, die Ausbildungsduldung zu erteilen.

Die Ausbildungsduldung ist in folgenden Fällen ausgeschlossen:

  • Rechtskräftige Verurteilung wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- oder Aufenthaltsgesetz (z.B. illegale Einreise) außer Betracht bleiben
  • Die Einreise nach Deutschland erfolgte ausschließlich, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen
  • Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können (allein) aus Gründen nicht vollzogen werden, die die Person selbst zu vertreten hat. „Klassiker“ hier ist die schuldhaft unterlassene Mitwirkung bei der Passbeschaffung/Identitätsklärung, zu der aufgefordert wurde. Dieser Ausschlussgrund spielt in der Praxis eine große Rolle. Bemüht sich die betroffene Person nicht nachweisbar um die Beseitigung des Ausreisehindernisses, ist es nicht möglich, eine Ausbildungsduldung zu erhalten. Nach ganz überwiegender Auffassung greift der Ausschlussgrund nicht, wenn die Abschiebung auch bei Mitwirkung der Person aus anderen Gründen scheitern würde. Das Regierungspräsidium Karlsruhe sieht dies aber teilweise anders.
  • Staatsangehörige aus sog. sicheren Herkunftsstaaten (EU Staaten, Ghana, Senegal, sog. Westbalkanstaaten) sind grundsätzlich vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, auch wenn der Asylantrag wieder zurückgenommen oder nie gestellt wurde. Ausnahmen gelten ggf. bei unbegleiteten Minderjährigen und sofern die Rücknahme des Asylantrages auf die Beratung des BAMF hin erfolgt (>> Arbeit und Ausbildung)
  • Bezüge/Unterstützung zu/von terroristischen und extremistischen Organisationen
  • Ausweisungsverfügung/Abschiebeanordnung nach § 58a AufenthG
  • Es stehen bereits konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung bevor, beispielweise wenn bereits eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit veranlasst oder die Buchung von Transportmitteln eingeleitet wurde
  • Offensichtlicher Missbrauch

Der Antrag auf Ausbildungsduldung kann frühestens sieben Monate vor Ausbildungsbeginn gestellt werden und die Ausbildungsduldung wird frühestens sechs Monate vor Ausbildungsbeginn erteilt.

Eine einmal erteilte Ausbildungsduldung erlischt, wenn die Ausbildung nicht betrieben oder abgebrochen wird. Die Bildungseinrichtung ist verpflichtet, die Ausländerbehörde über den Abbruch unverzüglich, d.h. in der Regel innerhalb von zwei Wochen, zu informieren. Der*dem (ehemaligen) Auszubildenden wird aber noch eine Chance gegeben: Trotz vorzeitigen Ausbildungsendes „wird“ (= Anspruch!) ihm*ihr einmalig eine Duldung für sechs Monate erteilt, damit er*sie sich eine andere Ausbildungsstelle suchen kann.

Wird die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, erfolgt im Idealfall eine Weiterbeschäftigung entsprechend der Fachqualifikation im Ausbildungsbetrieb. Das ist aber nicht zwingend. Arbeitgeber kann auch ein anderes Unternehmen sein, solange die Beschäftigung der erworbenen Qualifikation entspricht. In beiden Fällen wird eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG erteilt. Erfolgt keine Übernahme, wird (Anspruch!) einmalig für sechs Monate eine Duldung zur Suche eines Arbeitsplatzes, der der beruflichen Qualifikation entspricht, erteilt. Ist die Suche erfolgreich, wird auch hier eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG erteilt. Weitere Informationen zu dieser Aufenthaltserlaubnis finden sich im nächsten Abschnitt.

Weitere Informationen:

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG eröffnet für geduldete Menschen mit beruflicher Qualifikation die Chance, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.

Bei Inhaber*innen der Ausbildungsduldung richtet sich die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG. Ist dies nicht der Fall, ist die Gesetzesgrundlage § 19d Absatz 1 AufenthG.

Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1 AufenthG steht im Ermessen der zuständigen Ausländerbehörde. Sie kann in folgenden Konstellationen erteilt werden:

  • Die Person hat in Deutschland eine qualifizierte Berufsausbildung oder ein Hochschulstudium absolviert (§ 19d Absatz 1 Nummer 1 a) AufenthG)
  • Eine Person hat im Ausland einen Hochschulabschluss erworben und ihr Abschluss wurde entweder in Deutschland anerkannt oder ist mit einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbar (§ 19d Absatz 1 Nummer 1 b) AufenthG). Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Person seit mindestens zwei Jahren in einem Arbeitsverhältnis steht, das ihrer Qualifikation entspricht
  • Eine Person hat in Deutschland seit drei Jahren eine qualifizierte Beschäftigung ausgeübt (§ 19d Absatz 1 Nummer 1 c) AufenthG). Das ist gemäß § 2 Absatz 12b AufenthG der Fall, wenn die Tätigkeit Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden. Es ist aber nicht erforderlich, dass die Person formal eine Ausbildung absolviert hat. Zusätzlich muss innerhalb des letzten Jahres vor Beantragung der Aufenthaltserlaubnis der eigene Lebensunterhalt und der Lebensunterhalt im Haushalt lebender Familienangehöriger oder sonstiger Haushaltsangehöriger gesichert gewesen sein.

In allen Konstellationen müssen zudem folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • eine der beruflichen Qualifikation entsprechende Beschäftigung
  • ausreichender Wohnraum
  • keine vorsätzliche Täuschung der Ausländerbehörde über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände
  • kein Hinauszögern/Behindern aufenthaltsbeendender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung
  • keine Bezüge zu extremistischen/terroristischen Organisationen
  • keine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu insgesamt über 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- oder Aufenthaltsgesetz

Hat eine Person ihre Ausbildung erfolgreich im Status der Ausbildungsduldung abgeschlossen, hat sie Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Absatz 1a AufenthG, deren Erteilung auch unter erleichterten Voraussetzungen möglich ist. So können auch Personen die Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie in der Vergangenheit über ihre Identität getäuscht, die Täuschung aber mittlerweile zugegeben und korrigiert haben. Auch wenn früher behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung herausgezögert/behindert wurden, ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis möglich.

Weitere Informationen:

Die Beschäftigungsduldung

Eine weitere Bleibeperspektive für Personen mit einer Duldung, die schon etwas länger in Deutschland arbeiten, stellt die sog. Beschäftigungsduldung dar (§ 60d AufenthG). Im Gegensatz zur Ausbildungsduldung schließt die Beschäftigungsduldung auch Ehe- und Lebenspartner*innen sowie die in familiärer Lebensgemeinschaft mit der antragstellenden Person lebenden minderjährigen ledigen Kinder ein. Für die antragstellende Person sowie für deren Partner*in gilt, dass die Beschäftigungsduldung nur bei einer Einreise nach Deutschland bis einschließlich 1.8.2018 erteilt werden kann. Die Beschäftigungsduldung ist also eine Altfallregelung, die zudem am 31.12.2023 wieder außer Kraft treten soll, wobei die Bundesregierung eine Entfristung plant. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, besteht ein Regel-Anspruch auf die Beschäftigungsduldung. Das bedeutet, dass die Ausländerbehörde die Beschäftigungsduldung bei Erfüllung der Voraussetzungen nur in atypischen Fällen verweigern darf, die sehr selten sind.

Wie für die Ausbildungsduldung, muss für die Beschäftigungsduldung die Identität der antragstellenden Person sowie ihres Ehe- oder Lebenspartners innerhalb einer bestimmten Frist geklärt sein:

  • Wenn die Person bis einschließlich zum 31. Dezember 2016 eingereist ist und am 1. Januar 2020 seit 18 Monaten in einem Beschäftigungsverhältnis von regelmäßig mindestens 35 Wochenstunden stand, muss die Identität bis zur Beantragung der Beschäftigungsduldung geklärt sein.
  • Wenn die Einreise nach Deutschland bis einschließlich zum 31. Dezember 2016 erfolgt ist und am 1. Januar 2020 kein Beschäftigungsverhältnis bestand, das seit 18 Monaten andauerte und regelmäßig mindestens 35 Wochenstunden umfasste, muss die Identität bis zum 30. Juni 2020 geklärt worden sein.
  • Wenn die Einreise nach Deutschland zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 1. August 2018 erfolgt ist, muss die Identität ebenfalls bis zum 30. Juni 2020 geklärt worden sei

Wenn man sich bestmöglich um die Klärung der Identität bemüht hat, gelten diese Fristen als gewahrt, auch wenn die Klärung der Identität erst nach dem jeweiligen Datum eintritt.

Kann die Identität trotz bestmöglicher Bemühungen nicht zweifelsfrei geklärt werden, liegt die Erteilung der Beschäftigungsduldung im Ermessen des Regierungspräsidiums Karlsruhe (§ 60d Absatz 4 AufenthG). Zu Nachweiszwecken sollten die Mitwirkungsbemühen deshalb lückenlos dokumentiert und der zuständigen Ausländerbehörde zeitnah mitgeteilt werden.

Neben der fristgerechten Klärung der Identitäten, gelten für antragstellende Person und manchmal auch für Familienangehörige u.a. folgende Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsduldung:

  • Die antragstellende Person (nicht deren Familienangehörige) muss seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG sein. Zeiten mit einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b AufenthG werden nicht als Vorduldungszeit eingerechnet (§ 60b Absatz 5 Satz 1 AufenthG).
  • Die antragstellende Person muss seit mindestens 18 Monaten in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden/Woche (bei Alleinerziehenden 20 Stunden/Woche) sein.
  • Der Lebensunterhalt der antragstellenden Person muss derzeit und in den letzten zwölf Monaten vor Antragstellung gesichert sein.
  • Die antragstellende Person muss mündliche Sprachkenntnisse auf A2-Niveau vorweisen.
  • Wenn die Ausländerbehörde die antragstellende Person vor Erteilung der Beschäftigungsduldung zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet hat, muss die antragstellende Person, sowie ihr Ehe- oder Lebenspartner*in den erfolgreichen Abschluss des Integrationskurses nachweisen.
  • Die antragstellende Person sowie ihr Ehe- oder Lebenspartner*in dürfen nicht wegen einer in Deutschland begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein. Die einzige Ausnahme sind ausländerspezifische Straftaten nach dem AsylG oder AufenthG bis zu 90 Tagessätzen (zum Beispiel unerlaubter Aufenthalt).
  • Es dürfen für antragstellende Person, sowie für Ehe-oder Lebenspartner*in keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen bestehen.
  • Gegen die antragstellende Person darf keine Ausweisungsverfügung bzw. Abschiebungsanordnung nach § 58 AufenthG bestehen.
  • Für Kinder, die mit der antragstellenden Person in familiärer Lebensgemeinschaft leben, gilt, dass der Schulbesuch nachgewiesen werden muss, wenn die Kinder schulpflichtig sind. Die Kinder dürfen auch nicht zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr, die nicht zu Bewährung ausgesetzt wurde (§ 54 Absatz 2 Nr. 2 AufenthG), oder wegen bestimmter Drogendelikte verurteilt worden sein.

Die Beschäftigungsduldung kann bei der lokalen Ausländerbehörde oder direkt beim Regierungspräsidium Karlsruhe beantragt werden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe entscheidet letzten Endes über den Antrag. Erteilt wird die Beschäftigungsduldung bei Vorliegen der Voraussetzungen für 30 Monate. Eine Ablehnung sollte schriftlich erfolgen. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte ein schriftlicher Bescheid angefordert werden, um gegen den Bescheid beim zuständigen Verwaltungsgericht klagen zu können.

Nach 30 Monaten in der Beschäftigungsduldung soll eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung weiterhin vorliegen. Die für diese Aufenthaltserlaubnis üblichen Voraufenthaltszeiten gelten in dieser Konstellation nicht. Für die Aufenthaltserlaubnis müssen alle Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung weiterhin erfüllt sein (§ 25b Absatz 6 AufenthG). Bestand die Möglichkeit, einen Integrationskurs zu besuchen, müssen außerdem schriftliche Deutschsprachkenntnisse auf A2-Niveau vorliegen.

Weitere Informationen:

Das Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG)

Seit 1.1.2023 können geduldete Menschen eine 18-monatige Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Zum 31.10.2022 fünfjähriger unterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet mit Duldung, Gestattung oder Aufenthaltserlaubnis (auch Zeiten mit einer Duldung nach § 60b AufenthG werden berücksichtigt)
  • Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung

Die Aufenthaltserlaubnis soll versagt werden, wenn die Person wiederholt vorsätzlich falsche Angaben über die Identität oder Staatsangehörigkeit gemacht hat und dadurch ihre Abschiebung verhindert. Auch Personen, die wegen vorsätzlichen Straftaten zu über 50 Tagessätzen bzw. über 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Asyl- und Aufenthaltsrecht verurteilt wurden, sind von der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht schaden nur Jugendstrafen.

Ehepartner*in und Kinder, die mit der anspruchsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG, auch wenn sie selbst noch keine fünf Jahre in Deutschland leben, sofern sie die anderen Voraussetzungen erfüllen.

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG gilt für 18 Monate und kann nicht verlängert werden. Nach einem Jahr ist ein Wechsel in die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG bzw. § 25b AufenthG möglich, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.

Weitere Informationen:

Die Bleiberechtsregelungen (§§ 25a, 25b AufenthG)

Personen mit einer Duldung können eine Aufenthaltserlaubnis wegen guter Integration nach § 25a oder § 25b AufenthG erhalten.

Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden (§ 25a AufenthG)

Die Vorschrift des § 25a AufenthG gilt ab 1.1.2023 für gut integrierte junge Menschen im Alter von 14 bis 26 Jahren. Entscheidend ist, dass der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 27. Lebensjahrs gestellt wird. Folgende Voraussetzungen müssen für die Erteilung erfüllt sein:

  • dreijähriger ununterbrochener geduldeter, gestatteter oder erlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet
  • seit drei Jahren erfolgreicher Schulbesuch ODER in Deutschland erworbener Schul- oder Berufsabschluss
  • positive Integrationsprognose
  • keine Anhaltspunkte für ein fehlendes Bekenntnis zur freiheitlichen, demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik
  • Inhaber*in einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG oder seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Duldung ist

Wer keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG besitzt, darf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erst nach einer zwölfmonatigen Vorduldungszeit bekommen (ähnlich wie bei der Beschäftigungsduldung). Während dieser Zeit können Abschiebungen stattfinden. Deshalb sollte Beratung in Anspruch genommen und überlegt werden, inwiefern ein Härtefallantrag ratsam ist.

Erfolgreich ist der Schulbesuch jedenfalls bei regelmäßiger Versetzung in die nächste Klasse. Neben den speziellen Voraussetzungen müssen in der Regel auch die allgemeinen Voraussetzungen in § 5 AufenthG vorliegen, wozu neben der Erfüllung der Passpflicht auch die Lebensunterhaltssicherung, d.h. die Deckung des Bedarfs ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, zählt. Der Bezug öffentlicher Mittel durch den jungen Menschen schadet nicht, solange er sich in einer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet.

Keine Aufenthaltserlaubnis wird erteilt, wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben der jungen Person oder aufgrund ihrer Täuschung über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist. Aus der Formulierung im Gesetzestext folgt, dass das Fehlverhalten anderer, insbesondere das der Eltern eines*einer Minderjährigen, der jungen Person nicht zur Last gelegt werden darf.

Liegen alle Erteilungsvoraussetzungen vor, „soll“ dem jungen Menschen die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Das bedeutet: Wenn keine atypischen Gründe vorliegen, muss die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis kann längstens für drei Jahre erteilt werden (§ 25b Absatz 5 Satz 1 AufenthG).

Unter bestimmten – strengen – Voraussetzungen können enge Familienangehörige eine Aufenthaltserlaubnis von dem jungen Menschen ableiten. Dazu zählen die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil eines*einer minderjährigen Inhaber*in der Aufenthaltserlaubnis, ferner minderjährige ledige Kinder, der*die Ehepartner*in sowie (Stief-)Geschwister der jungen Person mit Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG.

Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht kommt nicht in Frage bei Familienangehörigen, die wegen vorsätzlich begangener Straftaten rechtskräftig zu Strafen von mehr als insgesamt 50 Tagessätzen verurteilt wurden. Bei Straftaten nach dem AufenthG/AsylG, die nur von Ausländer*innen begangen werden können (z.B. illegale Einreise), liegt die Grenze bei 90 Tagessätzen.

Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG berechtigen kraft Gesetzes zur Erwerbstätigkeit, also sowohl zu abhängiger Beschäftigung als auch zu selbstständiger Tätigkeit (§ 25a Absatz 4 AufenthG).

Wechselt ein*e Inhaber*in einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG in die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG, werden auch die Zeiten mit einer Duldung nach § 60b AufenthG auf die drei Jahre angerechnet. Der Wechsel in § 25a AufenthG soll nur bei geklärter Identität der antragstellenden Person möglich sein. Nach Ermessen kann die Aufenthaltserlaubnis auch bei noch ungeklärter Identität erteilt werden, wenn die Person alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat.

Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration (§ 25b AufenthG)

§ 25b AufenthG ist eine stichtags- und altersunabhängige Bleiberechtsregelung und damit eine Chance für langfristig Geduldete auf einen legalen Aufenthalt. Auch Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG können diese Aufenthaltserlaubnis nach einem Jahr erhalten. Für die Aufenthaltserlaubnis müssen „regelmäßig“ folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • sechsjähriger bzw. (beim Zusammenleben mit minderjährigen Kindern) vierjähriger ununterbrochener geduldeter, gestatteter oder erlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet
  • Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung
  • Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung und die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet
  • Überwiegende Lebensunterhaltssicherung durch Erwerbstätigkeit oder Positivprognose zukünftiger Lebensunterhaltssicherung
  • Mündliche Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2
  • Tatsächlicher Schulbesuch schulpflichtiger Kinder

Die Aufenthaltserlaubnis wegen gelungener Integration setzt einen gewissen Voraufenthalt im Bundesgebiet voraus. Das Gesetz besagt, dass der Voraufenthalt „regelmäßig“ sechs Jahre betragen muss. Eine Aufenthaltserlaubnis kann also auch bei einem kürzeren Voraufenthalt in Frage kommen, vor allem wenn besondere Integrationsleistungen, etwa ein besseres als das geforderte Sprachniveau oder ein herausragendes soziales Engagement, vorliegen (siehe unter anderem hier: BVerwG 1 C 34.18). Lebt die antragstellende Person mit minderjährigen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt, beträgt die geforderte Regelaufenthaltszeit von vorneherein „nur“ vier Jahre. Dabei muss die gemeinsame Haushaltsgemeinschaft mit dem Kind nicht vier Jahre betragen haben. Bekommt etwa ein bislang kinderloses Paar, das seit vier Jahren in Deutschland lebt, ein Kind, reduziert sich die erforderliche Aufenthaltszeit von sechs Jahren auf vier. Das Gleiche gilt, wenn ein Kind nachreist und mit seinen Eltern dann in einem Haus lebt. Bei zwischenzeitlichen Auslandsaufenthalten beginnt die Wartefrist mit einer Rückkehr nach Deutschland von Neuem zu laufen. Die „Uhr“ wird also wieder auf Null gesetzt. Allenfalls kurze und mit der Ausländerbehörde abgestimmte Ausreisen sind unschädlich.

Während der sechs bzw. vier Jahre muss der Aufenthalt der antragstellenden Person durchgängig entweder gestattet, geduldet oder erlaubt gewesen sein. Mit dem Wort „gestattet“ ist die Aufenthaltsgestattung gemeint, die gemäß § 55 Absatz 1 AsylG mit Ausstellung des sog. Ankunftsnachweises, spätestens mit förmlicher Asylantragstellung, entsteht. Der Begriff „erlaubt“ erfasst Zeiten, in denen die antragstellende Person eine Aufenthaltserlaubnis besessen hat. § 25b AufenthG unterscheidet nicht zwischen dem Zweck, zu dem die Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Damit kann und muss jede Aufenthaltserlaubnis berücksichtigt werden, also z.B. auch solche, die aus familiären Gründen oder zu Studienzwecken erteilt wurde. Generell ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsrechts jeder Voraufenthalt anrechenbar, während dessen eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzulässig ist, also etwa auch Zeiten, in denen man eine Fiktionsbescheinigung besessen hat oder kraft Gesetzes geduldet war. Nicht anrechenbar sind dagegen Zeiten, in denen man eine „Duldung light“ nach § 60b AufenthG besessen hat.

Die Person muss auch in wirtschaftlicher Hinsicht integriert sein. Weil es Personen im Duldungsstatus schwer haben, eine auskömmliche Arbeit zu finden, verlangt der Gesetzgeber allerdings keine vollständige Lebensunterhaltssicherung, sondern lässt eine überwiegende ausreichen. Das heißt, dass mehr als 50 Prozent des Bedarfs durch Einkommen aus Erwerbstätigkeit gedeckt werden müssen. Alternativ genügt auch die Prognose, dass der Lebensunterhalt zukünftig durch Erwerbstätigkeit gesichert werden wird, etwa wenn die antragstellende Person zwar aktuell nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ihre bisherige Erwerbsbiographie aber erwarten lässt, dass dies bald wieder der Fall sein wird.

Zudem wird ein vorübergehender Sozialleistungsbezug in bestimmten Lebenslagen für unschädlich erklärt:

  • während eines Studiums an einer staatlichen/staatlich anerkannten Hochschule oder einer Ausbildung in anerkannten Lehrberufen oder während staatlich geförderten Berufsvorbereitungsmaßnahmen,
  • bei Familien mit minderjährigen Kindern, die vorübergehend auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind,
  • bei Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, denen eine Arbeitsaufnahme nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 SGB II unzumutbar ist,
  • bei Ausländer*innen, die pflegebedürftige nahe Angehörige pflegen.

Auf die Lebensunterhaltssicherung sowie Deutschkenntnisse verzichtet das Gesetz vollständig und dauerhaft, wenn die antragstellende Person diese Voraussetzungen krankheits-, behinderungs- oder altersbedingt nicht erfüllen kann (§ 25b Absatz 3 AufenthG). Der Bezug zwischen Krankheit/Behinderung/Alter und dem Unvermögen, die jeweiligen Voraussetzungen zu erfüllen, muss deutlich gemacht werden. Der neutrale Begriff des „Alters“ erfasst nicht nur Fälle hohen Alters, sondern auch Konstellationen, in denen die betroffene Person noch zu jung ist, um die Voraussetzung zu erfüllen.

Das Gesetz nennt zwei Fälle, in denen die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zwingend zu versagen ist:

  • Die antragstellende Person verhindert/verzögert die Aufenthaltsbeendigung durch vorsätzlich falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder die Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen. Praktische Bedeutung hat hier insbesondere die unterlassene Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Die Präsensformulierung („verhindert“, „verzögert“) zeigt, dass die Mitwirkungspflichtsverletzung aktuell sein muss, die Formulierung („durch), dass sie alleiniger Grund für das bestehende Ausreisehindernis sein muss. Allerdings entscheiden Gerichte teilweise, dass auch vergangenes Fehlverhalten eine Aufenthaltserlaubnis sperren kann, wenn ein beträchtlicher Teil der Aufenthaltszeit in Deutschland allein auf diesem Verhalten beruht. Hier wird argumentiert, dass bei einem solchen Verhalten nicht von einer nachhaltigen Integration ausgegangen werden könne.
  • Es besteht ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 oder 2 AufenthG. Hier geht es u.a. um strafrechtliche Verurteilungen zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe, die einer Aufenthaltserlaubnis zwingend entgegen stehen, solange sie verwertbar sind, die Verurteilung also nicht aus dem Bundeszentralregister zu löschen ist. Auch weniger schwere Straftaten, die keinen zwingenden Ausschlussgrund darstellen, können nach der Rechtsprechung ggf. der Annahme einer gelungenen Integration entgegen stehen, wenn sie ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG begründen.

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Absatz 1 AufenthG „soll“ erteilt werden, wenn die Voraussetzungen (inklusive der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG) erfüllt sind, allerdings nur für maximal zwei Jahre. Sie beinhaltet automatisch die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit. Zudem haben Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Absatz 1 AufenthG einen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 44 Nummer 1 c) AufenthG). Ein Recht auf Nachzug der Familie aus dem Ausland besteht nur unter den hohen Voraussetzungen des § 29 Absatz 3 Satz 1 AufenthG.

Von einer Person, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG besitzt oder einen Anspruch hierauf hat, können Ehepartner*in sowie minderjährige ledige Kinder, die sich ebenfalls in Deutschland aufhalten, ein Aufenthaltsrecht ableiten und zwar unabhängig von der Voraufenthaltszeit in Deutschland. Ansonsten müssen sie aber grundsätzlich dieselben Voraussetzungen erfüllen, wie der*die „Stammberechtigte“, also die Person mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Absatz 1 AufenthG. Es gelten aber auch dieselben Ausnahmen im Falle einer Krankheit, Behinderung oder altersbedingter Unfähigkeit, die Voraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung und des Sprachniveaus zu erfüllen.

Wechselt ein*e Inhaber*in einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG in die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG, werden auch die Zeiten mit einer Duldung nach § 60b AufenthG auf die sechs bzw. vier Jahre angerechnet. Der Wechsel in § 25b AufenthG soll nur bei geklärter Identität der antragstellenden Person möglich sein. Nach Ermessen kann die Aufenthaltserlaubnis auch bei noch ungeklärter Identität erteilt werden, wenn die Person alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat.

Weitere Informationen:

Der Härtefallantrag

Im wahrsten Sinne des Wortes als letzter „Rettungsanker“ zu verstehen ist die Einreichung eines Härtefallantrags bei der Härtefallkommission des Landes Baden-Württemberg. Diese ist beim Justizministerium Baden-Württemberg angesiedelt und setzt sich aus insgesamt zwölf verschiedenen gesellschaftlichen Akteur*innen (Ministerium für Justiz und Migration, Person islamischen Glaubens, Liga der freien Wohlfahrtspflege, Landeskirchen, Flüchtlingsrat BW, Städtetag und Landkreistag) zusammen.

Das Härtefallverfahren beruht auf § 23a AufenthG und ist in der baden-württembergischen Härtefallkommissionsverordnung (HärtefallKomVO) im Detail geregelt. Demnach kann ein Antrag unabhängig vom Herkunftsland gestellt werden und auch erfolgreich sein. Im Härtefallverfahren geht es primär gerade nicht um Umstände im Herkunftsland, sondern insbesondere um die Integrationsleistungen und -aussichten der Person in Deutschland.

Bevor ein Härtefallantrag gestellt wird, ist es empfehlenswert, sich den aktuellen Tätigkeitsbericht der Härtefallkommission durchzulesen, der jährlich auf der Homepage des Justizministeriums veröffentlicht wird. Der Bericht enthält neben einer allgemeinen Bewertung des Berichtsjahrs auch konkrete Einzelfälle, mit denen sich die Kommission beschäftigt hat. Auf diese Weise kann man ein Gefühl dafür bekommen, wann ein Härtefallantrag Aussicht auf Erfolg haben könnte und – genauso wichtig – wann nicht.

Der Härtefallantrag wird bei der Geschäftsstelle der Härtefallkommission gestellt. Der Antrag kann von der betroffenen Person selbst gestellt werden, er kann aber auch von einer anderen Person (NICHT: der*die Anwalt*Anwältin) gestellt werden, etwa einer Person, die den geflüchteten Menschen gut kennt. Wird der Härtefallantrag von einer anderen Person eingereicht, muss die betroffene Person eine Vertretungsvollmacht unterzeichnen.

Der Antrag sollte die folgenden Bestandteile enthalten:

  • Überblick über die aufenthaltsrechtliche Situation und die Integrationsleistungen
  • Nachweise über die Integrationsleistungen (z.B. Mietvertrag, Sprachnachweise, Gehaltsnachweise)
  • Stellungnahmen von Personen aus dem privaten und/oder beruflichen Umfeld
  • Einverständniserklärung zur Verarbeitung personenbezogener Daten

Das Härtefallverfahren ist mehrstufig aufgebaut. Zunächst führt der Vorsitzende eine Art Vorprüfung durch und „sortiert“ unzulässige Anträge „aus“. Dazu gehört etwa der Fall, dass noch ein gerichtliches oder behördliches Verfahren anhängig ist (§ 4 Absatz 3 Nummer 3 HärtefallKomVO). Gleiches gilt bei einem anhängigen Petitionsverfahren in gleicher Sache.

Die zulässigen Fälle diskutiert die Kommission dann in regelmäßigen Sitzungen und entscheidet, ob sie einen Härtefall bejaht. Die Härtefallkommissionsverordnung nennt bestimmte Fälle, in denen die Annahme eines Härtefalls in der Regel ausgeschlossen ist, z.B. wenn gravierende Ausweisungsgründe vorliegen, die häufig bei (schweren) strafrechtlichen Verurteilungen gegeben sind. Unterhalb dieser Schwelle liegende Straftaten schlagen in jedem Fall negativ zu Buche, schließen die Annahme eines Härtefalls aber auch nicht automatisch aus. In jedem Fall sollte man „mit offenen Karten spielen“, denn die Härtefallkommission wird diese Informationen bei den zuständigen Stellen abfragen. Ausgeschlossen ist die Annahme eines Härtefalls in der Regel auch dann, wenn der Lebensunterhalt bislang überwiegend durch öffentliche Mittel bestritten wurde, obwohl die antragstellende Person zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt und in der Lage war. War die Person vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, wird eine Prognose angestellt, ob sie voraussichtlich zukünftig ohne öffentliche Mittel auskommen wird. Davon kann etwa ausgegangen werden, wenn die Person einen Arbeitsvertrag vorlegen kann, dessen Umsetzung derzeit allein an dem Ausschluss vom Arbeitsmarkt scheitert, der mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aber entfiele. Hieran wird deutlich, dass den Integrationsleistungen und -aussichten ein großes Gewicht zukommt. Neben der Erwerbstätigkeit sind auch die Sprachkenntnisse, das soziale Engagement oder der Schulbesuch schulpflichtiger Kinder relevant. Wird der Antrag im Wesentlichen mit Argumenten begründet, die vom BAMF im Asylverfahren zu prüfen sind, liegt regelmäßig ebenfalls kein Härtefall vor. Dies bestätigt noch einmal, dass der Härtefallantrag nicht schwerpunktmäßig mit der Situation im Herkunftsland begründet werden sollte. Schließlich scheidet die Annahme eines Härtefalls in der Regel aus, wenn ein Rückführungstermin bereits konkret feststeht. Da dieser der antragstellenden Person nicht mitgeteilt werden darf, sollte der Härtefallantrag nicht „auf den letzten Drücker“ gestellt werden.

Geht die Kommission von einem Härtefall aus, richtet sie ein Gesuch an das Justizministerium, der antragstellenden Person eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Diesem Gesuch wird in vielen, aber nicht allen, Fällen stattgegeben, ggf. verbunden mit einer Auflage, z.B. der Beschaffung eines Passes innerhalb einer bestimmten Frist. Sowohl die positive als auch die negative Entscheidung über die Härtefalleingabe werden der antragstellenden Person schriftlich mitgeteilt, allerdings ohne Begründung. Gegen eine Ablehnung des Härtefallantrags sind keine Rechtsmittel möglich.

Solange sich die Kommission mit einem Härtefallantrag befasst, dürfen aufenthaltsbeendende Maßnahmen grundsätzlich nicht vorgenommen werden, es sei denn, es wurden schon Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet (§ 5 HärtefallKomVO). Gewährleistet wird der „Abschiebestopp“ dadurch, dass das Justizministerium gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe die Zurückstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bis zur Entscheidung der Kommission anordnet. Um hier „auf Nummer sicher“ zu gehen, sollte das Regierungspräsidium Karlsruhe als für Abschiebungen landesweit zuständige Behörde eigenständig über die Einreichung des Härtefallantrags unterrichtet werden.

Seit 2020 gibt es folgende Sonderkonstellation, in der ein Härtefallantrag gestellt werden sollte: In Fällen, in denen sämtliche Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung vorliegen bis auf die zwölf Monate Duldungszeit, gilt von Seiten des Justizministeriums die „Empfehlung“, einen Härtefallantrag zu stellen. Sobald die Vorduldungszeit erreicht ist, kann dann eine Beschäftigungsduldung beantragt werden. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Person vor dem 1. März 2016 eingereist ist. Aus dem Anschreiben muss in diesen Fällen deutlich hervorgehen, dass alle Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung (bis auf die zwölf Monate Duldung) vorliegen.

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