Grundlagen

Unterbringung und Wohnen

In Baden-Württemberg existieren drei verschiedene Unterbringungsebenen für Geflüchtete: Erstaufnahme, vorläufige Unterbringung und Anschlussunterbringung.

I. Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung
II. Vorläufige Unterbringung
III. Anschlussunterbringung
IV. Sozialarbeiterische Unterstützung
V. Wohnsitzauflagen

I. Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung

Geflüchtete, die in Baden-Württemberg einen Asylantrag stellen, wenden sich in der Regel an eine Erstaufnahmeeinrichtung. Hier wird zunächst geprüft, ob sie in Baden-Württemberg bleiben oder im Rahmen des sog. EASY-Verfahrens (EASY = Erstverteilung der Asylsuchenden) in ein anderes Bundesland verteilt werden. Grundlage dieser Prüfung ist der „Königsteiner Schlüssel“. Dieser berücksichtigt zu zwei Dritteln die Steuereinnahmen eines Bundeslandes und zu einem Drittel dessen Bevölkerungszahl. Asylanträge von Menschen aus bestimmten Herkunftsländern werden allerdings nicht in allen Bundesländern bearbeitet.

Zuständig für den Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtungen sind die jeweiligen Regierungspräsidien. Asylantragsstellende sind verpflichtet, bis zu der Entscheidung über ihren Asylantrag und bei Ablehnung bis zur Abschiebung oder bis zur freiwilligen Ausreise in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. In der Regel darf diese Zeit 18 Monate nicht überschreiten. Bei Personen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ gilt die 18-Monatsfrist nicht. Sie müssen bis zur Entscheidung ihres Asylantrags bzw. bis zu ihrer Ausreise oder Abschiebung in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben. Auch bei Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten werden Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung und Geduldete dazu verpflichtet, länger als 18 Monate in der Erstaufnahme zu wohnen. Eine Ausnahme besteht für minderjährige Kinder, ihre Eltern oder andere Sorgeberechtigte und die volljährigen ledigen Geschwister. Bei diesen darf die Verpflichtung, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, sechs Monate nicht überschreiten. Dies gilt auch für Familien aus sog. sicheren Herkunftsstaaten (§ 47 AsylG).

Während der Zeit in der Erstaufnahme erfolgen in der Regel die Asylantragstellung und Anhörung. Asylsuchende sollten unbedingt so schnell wie möglich nach Ankunft in der Erstaufnahmestelle eine Verfahrensberatung/Anhörungsvorbereitung in Anspruch nehmen, um sich entsprechend auf die Asylantragstellung und insbesondere die Anhörung vorzubereiten (>> Das Asylverfahren). In allen Erstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg gibt es eine unabhängige Sozial- und Verfahrensberatung. Diese wird in der Regel von Wohlfahrtsverbänden angeboten, seit August 2019 besteht für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) allerdings die Möglichkeit, die Asylverfahrensberatung selbst durchzuführen.

In der Erstaufnahme erfolgen eine erkennungsdienstliche Behandlung, eine Gesundheitsuntersuchung und ggf. notwendige Impfungen. In den ersten Tagen strömen oft überwältigend viele Informationen und terminliche Verpflichtungen auf die Neuankommenden ein. Umso schwieriger ist es für viele Asylsuchenden, wichtige Vulnerabilitäten zu nennen, z.B. Krankheiten, Lebensmittelunverträglichkeiten, gesundheitliche oder religiöse Belange und geschlechtsspezifische, die sexuelle Identität oder Orientierung betreffende (Schutz-)Bedarfe, die bei der Zimmerverteilung berücksichtigt werden sollten. Für Geflüchtete besteht während des obligatorischen Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung eine räumliche Beschränkung, umgangssprachlich auch Residenzpflicht genannt (§ 56 Absatz 1 AsylG in Verbindung mit § 59a Absatz 1 AsylG). Das bedeutet, dass es Personen mit Wohnpflicht in der Erstaufnahmeeinrichtung grundsätzlich nicht erlaubt ist, den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde, d.h. den Bereich des jeweiligen Regierungspräsidiums, zu verlassen. Häufig wird die Residenzpflicht irrtümlicherweise für den Bezirk der unteren Ausländerbehörde verhängt, dies ist nicht korrekt. Möchte jemand den jeweiligen Regierungsbezirk verlassen, ist grundsätzlich eine Verlassenserlaubnis notwendig. Zuständig ist gemäß § 57 Absatz 2 das BAMF, wobei die Regierungspräsidien Amtshilfe leisten und die Verlassenserlaubnisse in der Praxis erteilen.

In Erstaufnahmeeinrichtungen werden Asylbewerber*innen grundsätzlich mit Sachleistungen versorgt. Dies gilt insbesondere für den „notwendigen Bedarf“ (zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts). Allerdings wird meistens ein kleiner Geldbetrag für den notwendigen persönlichen Bedarf ausgezahlt (zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens, z.B. Freizeitaktivitäten) (>> Sozialleistungen).

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II. Vorläufige Unterbringung

Von der Erstaufnahmeeinrichtung werden geflüchtete Menschen nach einer gewissen Zeit der vorläufigen Unterbringung zugewiesen.

Für die vorläufige Unterbringung ist der jeweilige Stadt- bzw. Landkreis zuständig. Laut § 8 Absatz 1 FlüAG erfolgt die vorläufige Unterbringung in Wohnungen oder Gemeinschaftsunterkünften. Welche Wohnform gewählt wird, hängt von den Bedingungen im jeweiligen Stadt- bzw. Landkreis ab. Die Dauer der Unterbringung in der vorläufigen Unterbringung soll 24 Monate nicht überschreiten, unabhängig davon, ob das Asylverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen ist oder nicht. In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung möglich, diese soll drei Monate nicht überschreiten.

Im FlüAG sind Soll-Standards für die vorläufige Unterbringung festgelegt. Diese sind u.a.:

  • Der Standort soll die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.
  • In der vorläufigen Unterbringung sollen mindestens ein Gemeinschaftsraum sowie ein Raum für Kinder zugänglich sein
  • Im Rahmen der Unterbringung soll eine Außenanlage für die Freizeitgestaltung der Bewohner*innen vorhanden sein
  • Grundsätzlich soll die Wohn- und Schlaffläche mindestens 7 qm betragen (vorübergehend 4,5 qm bis zum 31.12.2024)

Bei der vorläufigen Unterbringung handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis, also nicht etwa um ein privates Mietverhältnis. Dementsprechend zahlen die Untergebrachten auch keine Miete, sondern eine Gebühr, wenn sie über ausreichendes Einkommen verfügen. Verdient also eine in einer Gemeinschaftsunterkunft lebende Person selbst Geld, muss sie ggf. die anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung dem Land-/Stadtkreis erstatten. Diese Pauschalbeträge werden in Baden-Württemberg in der vorläufigen Unterbringung durch die Landratsämter oder Bürgermeisterämter per Gebührenverordnung oder Satzung festgesetzt (§ 9 Absatz 5 Satz 4 FlüAG). Teilweise fallen so erhebliche Pauschalbeträge an, die Geflüchtete dazu zwingen, (wieder) aufstockende Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Gebührenbescheide sind in der Regel sehr komplex – will man dagegen vorgehen, sollte man eine Rechtsanwältin*einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen.

III. Anschlussunterbringung

Im Anschluss an die vorläufige Unterbringung kommen geflüchtete Menschen in die Anschlussunterbringung (§ 18 FlüAG). Für die Anschlussunterbringung ist die jeweilige Gemeinde zuständig, der die Geflüchteten zugeteilt sind. Die Lebensbedingungen in der Anschlussunterbringung sind in Baden-Württemberg sehr unterschiedlich, es gibt keine verbindlichen Standards. Nur wenn die Gemeinde eine Förderung nach dem Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ in Anspruch nimmt, muss die Unterkunft den Mindestanforderungen dieses Landesförderprogramms entsprechen. Es kommt vor, dass geflüchtete Menschen in Obdachlosenunterkünften untergebracht werden. Verdient eine in einer Anschlussunterbringung lebende Person selbst Geld, müssen ggf. die anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung erstattet werden. Diese – teils erheblichen – Pauschalbeträge werden in der Anschlussunterbringung in Baden-Württemberg per Satzung festgelegt. Grundlage dafür ist die baden-württembergische Gemeindeordnung bzw. das baden-württembergische Kommunalabgabengesetz. Die Gebührenbescheide sind in der Regel sehr komplex – will man dagegen vorgehen, sollte man eine Rechtsanwältin*einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen.

IV. Sozialarbeiterische Unterstützung

In der vorläufigen Unterbringung gibt es gemäß § 12 FlüAG Flüchtlingssozialarbeiter*innen, die für die soziale Beratung und Betreuung zuständig sind. Grundsätzlich sollten laut § 12 Satz 2 FlüAG geeignete nichtstaatliche Träger für die Durchführung der Flüchtlingssozialarbeit zuständig sein. Allerdings kann davon abgewichen werden, sofern weiterhin gewährleistet ist, dass die Sozialbetreuung unabhängig von der sonstigen behördlichen Aufgabenerfüllung erfolgt (§ 6 Durchführungsverordnung FlüAG). Daher gibt es in Baden-Württemberg weiterhin Landkreise, in denen die Sozialarbeit durch Mitarbeiter*innen der Landrats-/Bürgermeisterämter wahrgenommen wird. Übergeordnetes Ziel der Flüchtlingssozialarbeit ist die Unterstützung geflüchteter Menschen dabei, ein menschenwürdiges, selbstverantwortliches Leben zu führen (Anlage I zu § 6 Durchführungsverordnung FlüAG). Im FlüAG sind weitere Ziele der Flüchtlingssozialarbeit festgehalten:

  • Hilfestellung, Beratung und Vermittlung von Informationen zum Asylverfahren
  • Angebote für schutzbedürftige Menschen
  • Erarbeitung einer Lebensperspektive
  • Pädagogische und soziale Aktivitäten
  • Gewinnung, Begleitung und Schulung ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen

2017 hat das Land Baden-Württemberg mit den kommunalen Landesverbänden den Pakt für Integration geschlossen. Seitdem gibt es die sog. Integrationsmanager*innen. Dies sind Sozialarbeiter*innen, die für die soziale Beratung und Begleitung von Geflüchteten in der Anschlussunterbringung zuständig sind.

V. Wohnsitzauflagen

Geflüchtete Menschen unterliegen häufig einer sog. Wohnsitzauflage, die festlegt, wo sie ihren Wohnsitz nehmen sollen. Unter bestimmten Umständen kann diese Wohnsitzauflage aufgehoben werden.

Wohnsitzauflage bei Personen mit Aufenthaltsgestattung

Asylbewerber*innen, die nicht mehr in der Erstaufnahme wohnen müssen und sich im Asylverfahren befinden, erhalten in der Regel eine Wohnsitzauflage, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können (§ 60 Absatz 1 AsylG). Dabei besteht die Wohnsitzauflage oftmals für eine spezielle Unterkunft oder einen Wohnort.

Kann eine Person mit Aufenthaltsgestattung ihren Lebensunterhalt nachhaltig selbst sichern, fehlt eine Voraussetzung für den Fortbestand der Wohnsitzauflage. Auf Antrag muss diese deshalb regelmäßig aufgehoben werden. Die Aufhebung der Wohnsitzauflage steht zwar im Ausgangspunkt grundsätzlich im Ermessen der Ausländerbehörde. Ist der Lebensunterhalt aber nachhaltig gesichert, gibt es keine rechtfertigenden Gründe mehr für die Aufrechterhaltung der Wohnsitzauflage.

Eine Aufhebung der Wohnsitzauflage ist auch dann möglich, wenn ein Härtefall vorliegt. Die Wohnsitzauflage wird dann anschließend auf den Zuzugsort abgeändert. Ein Härtefall besteht bei Personen mit Aufenthaltsgestattung insbesondere, wenn

  • ein Umzug zu Ehegatte*Ehegattin und/oder einem anderen Wohnort lebenden minderjährigen Kind erfolgen soll oder
  • ein sonstiger humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht (z.B. besondere Betreuungs- oder Pflegesituation, besondere Schutzbedürftigkeit, z.B. aufgrund der sexuellen Orientierung oder häuslicher Gewalt) vorliegt

Wird die Änderung der Wohnsitzauflage zum Zweck des Zusammenseins mit der Kernfamilie beantragt, wird einem gut begründeten Umverteilungsantrag in der Regel stattgegeben. Grundsätzlich sollte dem Antrag aber immer eine ausführliche Darstellung der einzelnen Gründe beigefügt werden.

Bei Umzugswünschen innerhalb von Baden-Württemberg reicht man den Antrag bei der lokalen Ausländerbehörde vor Ort ein. Diese reicht den Antrag dann an die Ausländerbehörde des Zuzugsorts weiter, die über die Aufhebung der Wohnsitzauflage entscheidet. Bei einer länderübergreifenden Verteilung gibt es in den einzelnen Bundesländern teilweise zentrale Behörden, die über die Anträge entscheiden. In Baden-Württemberg entscheidet die Ausländerbehörde des Zuzugsortes in Absprache mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe über die Anträge aus anderen Bundesländern. Wird ein Antrag auf Aufhebung bzw. Abänderung der Wohnsitzauflage abgelehnt, kann Klage beim Verwaltungsgericht eingelegt und ggf. ein Eilantrag erhoben werden. Eines vorherigen Widerspruchs bedarf es nicht.

Wohnsitzauflage bei Personen mit Duldung

Auch Personen mit Duldung können einen Antrag auf Aufhebung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage stellen, wenn sie ihren Lebensunterhalt sichern können oder familiäre und humanitäre Gründe vorliegen. Im Unterschied zu Personen mit Aufenthaltsgestattung gilt: Möchte man gegen einen abgelehnten Antrag vorgehen, muss man zunächst Widerspruch bei der ablehnenden Behörde einlegen, bevor man Klage beim Verwaltungsgericht einreichen kann.

Wohnsitzauflage bei Schutzberechtigten

Die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG für Personen mit Schutzstatus im Asylverfahren ist ausführlich unter >> Wohnsitzauflage dargestellt.

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