Die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG wurde 2016 eingeführt und betrifft etliche Personen mit einer humanitären Aufenthaltserlaubnis, teilweise auch mit einer familiären Aufenthaltserlaubnis. Sie ist nicht zu verwechseln mit der räumlichen Beschränkung, im Volksmund auch „Residenzpflicht“ genannt. Wer einer räumlichen Beschränkung unterliegt, darf sich nur innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereiches bewegen. Dieser Bereich ist in der Regel der Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde. Personen mit Aufenthaltserlaubnis sind in aller Regel von der „Residenzpflicht“ nicht betroffen.
Grundsätzliches
Die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG richtet sich an Personen, die im Asylverfahren Schutz erhalten haben, also eine Flüchtlingsanerkennung oder den subsidiären Schutz erhalten haben oder die wegen eines nationalen Abschiebungsverbots eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG besitzen. Ferner erfasst § 12a AufenthG Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 (humanitäre Aufnahme im Einzelfall), § 23 AufenthG (Kontingent- und Resettlementflüchtlinge) oder § 24 AufenthG (vorübergehender Schutz aufgrund eines EU-Beschlusses nach der „Massenzustromsrichtlinie“). Die Wohnsitzauflage muss dabei stets mit einer integrationsfördernden Wirkung begründet werden und auch geeignet sein, diese zu erzielen. Das Recht auf freie Wohnsitzwahl darf für maximal drei Jahre beschränkt werden. Die Drei-Jahres-Frist beginnt bei Asylberechtigten, Personen mit Flüchtlingseigenschaft und subsidiär Schutzberechtigten mit der Anerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), nicht etwa erst mit der – häufig erst mehrere Monate später erteilten – Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde. Bei allen anderen Personen beginnt die Frist mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Die Wohnsitzauflage wird in der Aufenthaltserlaubnis oder einem Zusatzblatt vermerkt. Reisen Familienangehörige über den Familiennachzug ein, erhalten sie ebenfalls eine Wohnsitzauflage, welche der Wohnsitzauflage der bereits in Deutschland lebenden Person entspricht (Absatz 6).
§ 12a Absatz 1 AufenthG begründet zunächst eine gesetzliche Wohnpflicht in dem Bundesland, in dem Asylsuchende ihr Asylverfahren durchgeführt haben oder in das Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22, 23 oder 24 AufenthG zugewiesen oder verteilt wurden. In Baden-Württemberg soll außerdem der Wohnsitz für eine bestimmte Gemeinde vorgegeben werden (Absatz 2 und 3). Hierzu hat das Innenministerium in Baden-Württemberg Anwendungshinweise erlassen, die eine gleichmäßige Verteilung im Land bezwecken. Für Menschen mit einer Anerkennung gilt folgendes: Personen, die ihre Anerkennung in einer vorläufigen Unterbringung (VU) erhalten, bekommen eine Wohnsitzauflage auf die Gemeinde, in welcher sie im Anschluss an die VU wohnen sollen (die sogenannte „Anschlussunterbringung“ (AU)). Bei Personen, die sich bei Anerkennung bereits in der AU befinden, wird die Wohnsitzauflage für die Gemeinde verhängt, in der die Unterkunft liegt. Dies ist allerdings nicht zulässig, wenn die Personen bereits B1-Deutschkenntnisse haben oder sie bereits in einer eigenen Wohnung leben (siehe VG Stuttgart, Beschluss vom 27.6.2019 – 8 K 2485/19).
Bevor die Wohnsitzverpflichtung auf einen bestimmten Ort geschieht, erhalten die Betroffenen die Gelegenheit, sich schriftlich oder mündlich zu äußern. Hier sollten alle Gründe und Interessen vorgetragen werden, die gegen eine Wohnsitzauflage an dem anvisierten Ort sprechen (siehe unten).
Auch anerkannte unbegleitete minderjährige Geflüchtete bekommen mit Volljährigkeit eine Wohnsitzauflage (§ 12a Absatz 1a). Die Zeit von der Anerkennung im minderjährigen Alter bis zur Volljährigkeit wird aber auf die Dreijahresfrist angerechnet.
Die Wohnsitzauflage bestimmt auch den örtlich zuständigen Sozialleistungsträger (§ 36 Absatz 2 Satz 1 SGB II). In der Praxis werden Leistungen, die bei einem anderen Leistungsträger geltend gemacht werden, deshalb regelmäßig unter Hinweis auf die örtliche Unzuständigkeit verweigert.
Verstöße gegen die Wohnsitzauflage können als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden (§ 98 Absatz 3 Nr. 2a und 2b AufenthG).
Besonderheiten bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG
Die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG entsteht erst mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG. Doch auch vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis haben antragstellende Personen eine Wohnsitzauflage. Diese ergeht nach § 24 Absatz 5 Satz 2 AufenthG wenn Personen auf ein Bundesland (Absatz 3) verteilt und einem bestimmten Ort zugewiesen worden sind (Absatz 4). Das Länderschreiben des Bundesinnenministeriums legt zudem fest, dass sobald aus der Ukraine geflohene Menschen bei einer Ausländerbehörde vorsprechen und um Unterstützung bitten, z.B. Unterkunft, dies automatisch als Verteilung auf ein Bundesland gewertet wird und eine Wohnsitzauflage für das jeweilige Bundesland entsteht. Die Wohnsitzauflage für einen bestimmten Ort regelt in Baden-Württemberg die Allgemeinverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom Mai 2022. So erhalten die folgenden Personen eine Wohnsitzauflage nach Absatz 4, sobald sie erstmalig eine Vorsprachebescheinigung, Fiktionsbescheinigung oder Anlaufbescheinigung bekommen haben:
- ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine lebten,
- international Schutzberechtigte (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) oder Personen mit einem gleichwertigen ukrainischen Schutz,
- Familienangehörige der unter a) und b) genannten Personen
- Drittstaatsangehörige mit einer ukrainischen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückzukehren können und
- aus der Ukraine geflohene Personen aus Afghanistan, Eritrea oder Syrien
Bei allen anderen entsteht eine Wohnsitzauflage auf einen bestimmten Ort in Rahmen einer Zuweisungsentscheidung im Einzelfall.
Eine Wohnsitzauflage nach § 24 Absatz 5 AufenthG darf nicht entstehen, wenn Gründe aus § 12a Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 5 AufenthG vorliegen.
Wohnsitzauflagen sind immer nur auf dem Zusatzblatt zur Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG vermerkt.
- Regierungspräsidium Karlsruhe, Mai 2022: Allgemeinverfügung zur landesinternen Verteilung von Geflüchteten aus der Ukraine
- Bundesinnenministerium, September 2022: Umsetzung des Durchführungsbeschlusses des Rates zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms
Ausnahmen von der Wohnsitzverpflichtung
In einigen Konstellationen entsteht allerdings überhaupt keine Wohnsitzauflage. Dies ist der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Anerkennung/Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis bei einem Familienmitglied, sei es Ehegatt*innen, Lebenspartner*innen, minderjährige Kinder oder Personen, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zusammenleben, eine der folgenden Situationen besteht (§ 12a Absatz 1 Satz 2 AufenthG):
- Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt (2022: 810 € netto),
- geplante Aufnahme einer Berufsausbildung,
- Person studiert oder ist in Ausbildung oder
wenn eine Person an dem derzeitigen Wohnort
- einen Integrationskurs,
- einen Berufssprachkurs,
- eine mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme, die zu einer Berufsanerkennung führt oder
- eine Weiterbildungsmaßnahme
aufnimmt, aufgenommen oder abgeschlossen hat, sofern der Kurs oder die Maßnahme am Ort der Wohnsitzauflage nicht ohne Verzögerung durchgeführt oder fortgesetzt werden kann.
Hintergrund der Befreiung einer Wohnsitzauflage ist die Überlegung, dass sich die genannten Tätigkeiten regelmäßig integrationsfördernd auswirken.
Umzug bzw. Aufhebung der Wohnsitzauflage
Gilt für eine Person eine Wohnsitzauflage und möchte sie umziehen, so muss sie zuvor einen Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzauflage stellen. Dieser wird oft Umverteilungsantrag genannt. Der Begriff klingt so, als ginge es um eine Änderung der Wohnsitzauflage. Wohnsitzauflagen nach § 12a AufenthG sind jedoch aufzuheben und nicht abzuändern wenn die Voraussetzungen vorliegen. Insofern ist der Begriff „Umverteilungsantrag“ nicht ganz korrekt.
Liegt der neue Wohnort ebenfalls in Baden-Württemberg, entscheidet über den Antrag die Ausländerbehörde des Zuzugsorts (§ 3 Absatz 1 Satz 3 AAZuVO BW). Soll der Umzug in ein anderes Bundesland stattfinden, so entscheidet über die Aufhebung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage die Ausländerbehörde des derzeitigen Wohnsitzes. Die Ausländerbehörde am Zuzugsort muss dem Umzug allerdings zustimmen. Hierzu hat sie vier Wochen Zeit. Liegt einer der gesetzlichen Aufhebungsgründe vor, muss sie die Zustimmung erteilen. Äußert sie sich nicht innerhalb der Vierwochenfrist, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 72 Absatz 3a AufenthG). Verweigert sie die Zustimmung, muss sie dies begründen; die Behörde des aktuellen Aufenthaltsorts muss der betroffenen Person die Gründe für die Ablehnung mitteilen.
Mögliche Gründe für eine Aufhebung bzw. Änderung sind in § 12a Absatz 5 AufenthG aufgeführt. Ein Anspruch auf Aufhebung entsteht, wenn ein Familienmitglied, sei es Ehegatt*innen, Lebenspartner*innen, minderjährige Kinder oder Angehörige, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zusammenleben, einen Nachweis über eine der folgenden Tätigkeiten an einem anderen Ort vorlegt:
- Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt (2022: 810 € netto)
- Einkommen, mit dem der Lebensunterhalt überwiegend (also zu mehr als 50 Prozent) gesichert werden kann,
- Angebot für einen Ausbildungs- oder Studienplatz,
- Angebot für einen zeitnahen Integrationskurs,
- Angebot für einen zeitnahen Berufssprachkurs,
- Angebot für eine zeitnahe mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme, die zu einer Berufsanerkennung führt oder
- Angebot für eine zeitnahe Weiterbildungsmaßnahme.
Ein Anspruch auf Aufhebung der Wohnsitzauflage besteht ferner, wenn ein Familienmitglied, sei es Ehegatt*innen, Lebenspartner*innen, minderjährige Kinder oder Personen, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zuvor zusammenlebten, an einem anderen Ort wohnt.
Eine Wohnsitzauflage muss ferner zur Vermeidung einer Härte aufgehoben werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe an einem anderen Ort in Anspruch genommen werden und die ganze Familie aufgrund der langen Anfahrtswege an diesen Ort umziehen muss. Die Wohnsitzauflage ist ferner aufzuheben, wenn ein anderes Bundesland einer Aufnahme zugestimmt hat. Die Wohnsitzauflage muss außerdem immer aufgehoben werden, wenn ansonsten unzumutbare Einschränkungen bestünden, etwa weil eine Person am Ort der Wohnsitzauflage Gewalt ausgesetzt ist oder andernorts ein Betreuungsbedarf von Angehörigen mit einer Behinderung besteht (§ 12a Absatz 5 Nr. 2c) AufenthG).
Wurde die Wohnsitzauflage aufgehoben und entfallen nach drei Monaten die Gründe, die zur Aufhebung geführt haben, so muss die Wohnsitzauflage erneut verhängt werden. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die kürzlich aufgenommene Arbeitsstelle wieder gekündigt wird. Ist die Person bereits umgezogen, so wird die Wohnsitzauflage für den Ort erlassen, an den der Wohnsitz verlegt wurde.
Nützliche Links:
- Vorläufige Anwendungshinweise des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zu § 12a AufenthG (Stand: 24.01.2017)
- Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Oktober 2020: Handreichung Wohnsitzauflagen im Migrationsrecht
- Der Paritätische Gesamtverband, Oktober 2016: Arbeitshilfe zur Wohnsitzauflage
- Der Paritätische Gesamtverband, April 2022: Die Wohnsitzregelung gem. § 12a AufenthG. Aktuelle Problemanzeigen und Handlungsbedarf