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Geflüchtete Frauen endlich umfassend schützen!

Forderungen des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg zum internationalen Tag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen

Zum internationalen Tag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen am 25. November fordert der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg die Bundesregierung und die baden-württembergische Landesregierung dazu auf, den Schutz von geflüchteten Frauen und Mädchen in Deutschland umfassend sicherzustellen.

Frauen, denen die Flucht aus ihrer Heimat gelingt, erleben auf den Fluchtwegen überproportional häufig weitere Gewalt. Diese Situation droht sich zu verschlimmern, sollten die Pläne zur Reform des europäischen Asylsystems (GEAS), auf die sich der Europäische Rat im Juni geeinigt hat, umgesetzt werden. Geflüchtete sollen in Grenzverfahren zukünftig an den EU-Außengrenzen wochenlang unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden, mit eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten und einem absehbar fehlenden Zugang zu Beratung und adäquater medizinischer Unterstützung. „Die Menschenrechte von Geflüchteten und insbesondere von vulnerablen Gruppen wie asylsuchenden Frauen, Müttern, Mädchen, Kindern, Menschen mit Behinderungen oder queeren Personen werden dabei massiv missachtet. Der ungehinderte Zugang Geflüchteter zu einem fairen, regulären Asylverfahren in der EU muss die oberste Priorität bleiben“, so Meike Olszak vom Flüchtlingsrat.

Doch auch in Deutschland sind geflüchtete Frauen Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Gemäß der Istanbul-Konvention, einer der wichtigsten völkerrechtlichen Verträge zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen und Mädchen, sind Vertragsstaaten dazu verpflichtete, Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verhindern und die Betroffenen umfassend zu unterstützen. Deutschland hat sich 2017 zur Umsetzung der Konvention verpflichtetet. In der Praxis kommt es dennoch zu erheblichen Problemen: Das Kontrollgremium für die Istanbul Konvention GREVIO hat der Bundesregierung im Oktober 2022 bescheinigt, dass der Gewaltschutz von Frauen in Deutschland große Mängel aufweist. Dies betrifft insbesondere mehrfach diskriminierte Frauen wie Asylsuchende oder Frauen mit einer Behinderung. So weist GREVIO etwa auf die „anhaltenden Sicherheitsbedenken“ für geflüchtete Frauen und Mädchen in Sammelunterkünften hin. Diese bieten keine Bedingungen, unter denen Frauen und Mädchen, die vor geschlechtsspezifischer Verfolgung geflohen sind, ihre Erlebnisse verarbeiten können, um sie im Rahmen des Asylverfahrens vorzubringen. Der Flüchtlingsrat fordert schon lange einen Kurswechsel in der Unterbringungspolitik: „Asylsuchende sollten von Anfang an dabei unterstützt werden, bei Verwandten, Freund*innen oder in eigenen Wohnungen unterzukommen. Die Wohnpflicht in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften muss endlich aufgehoben werden“, so Olszak.

Weitere Schutzlücken bestehen bei den aufenthaltsrechtlichen Regelungen für Betroffene häuslicher Gewalt. Deutschland hatte die Istanbul-Konvention unter Vorbehalt des Artikel 59 Absatz 2 und 3 unterzeichnet. Diese sehen vor, Betroffenen einen aufenthaltsrechtlichen Ausweg aus einer gewaltgeprägten Beziehung zu ermöglichen. Nachdem die Bundesregierung die Vorbehalte nicht verlängert hat, gilt die Konvention seit dem 1. Februar 2023 auch in Deutschland uneingeschränkt. Die bisherigen asyl- und aufenthaltsrechtlichen Regelungen bieten jedoch bisher nicht den von der Konvention vorgesehenen Schutz. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hatte hierzu kürzlich umfassende Umsetzungsempfehlungen veröffentlicht. „Statt die gesetzgeberische Energie für Abschottungs- und Abwehrmaßnahmen zu verschwenden, sollte die Bundesregierung endlich die Maßnahmen umsetzen, zu denen sich Deutschland menschenrechtlich verpflichtet hat und dafür Sorge tragen, dass schutzsuchende gewaltbetroffene Frauen sicher, selbstbestimmt und in Würde hier leben können“, so Lena Schmid vom Flüchtlingsrat.

Von der Bundes- und Landesregierung erwartet der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg einen besseren Schutz von geflüchteten Frauen und menschenwürdige Aufnahmebedingungen, wie die Unterbringung in sicheren Wohnungen, geschlechtersensible Asylverfahren und ausreichend medizinische und psychosoziale Unterstützung.