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Psychisch Erkrankte kommen in den „Bunker“

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Abschiebungsreporting NRW und Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. fordern den Stopp der für heute geplanten Abschiebung von Anil, geflüchtet aus Sri Lanka, und kritisieren die Bedingungen in der Abschiebehaft.

Der suizidgefährdete Tamile Anil* wird in der Abschiebehaft Büren (Nordrhein-Westfalen) in Isolationshaft gehalten und soll heute vom Kreis Wesel nach Sri Lanka abgeschoben werden. Der Anfang 30-jährige war vor der Folter aus Sri Lanka nach Deutschland geflohen. Nach einem abgelehnten Asylantrag wurde der Mann Mitte März zunächst in Pforzheim (Baden-Württemberg) in Abschiebehaft genommen, bevor er Anfang April nach Büren (Nordrhein-Westfalen) verlegt wurde. Unter den Bedingungen der Einzelhaft hat sich sein gesundheitlicher Zustand weiter verschlechtert. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, das Abschiebungsreporting NRW und Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. fordern den Stopp der Abschiebung und die sofortige Freilassung von Anil und kritisieren grundsätzlich, wie mit psychisch erkrankten Menschen in der Abschiebehaft umgegangen wird.


Wenn Anil nachts in der Einzelzelle liegt, tauchen vor ihm immer wieder die Szenen der Folter auf, die auf seinem Rücken lange Striemen hinterlassen hat. Aufgrund seiner tamilischen Zugehörigkeit war der Mann in Sri Lanka verfolgt und gepeinigt worden. Sein Antrag auf Asyl wurde in Deutschland jedoch abgelehnt. Um seine Abschiebung durchführen zu können, wurde er in Abschiebehaft genommen, zunächst in Baden-Württemberg und nun in Nordrhein-Westfalen. Anil leidet unter mehreren diagnostizierten psychischen Erkrankungen. Er hat Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen. Zudem wurde er als selbstmordgefährdet eingestuft. Letzteres ist der Grund, wieso er in der Abschiebehaft Pforzheim und auch Büren in eine isolierte Zelle gesteckt wurde. Unter den Insassen mancher Abschiebehaftanstalten gelten diese speziellen Hafträume auch als „Bunker“. Tag und Nacht werden die Menschen dort alle 15 Minuten vom Sicherheitspersonal kontrolliert. An Schlaf ist bei dieser „Lebendkontrolle“ nicht zu denken. Anil wurden außerdem fast alle Gegenstände zur Freizeitgestaltung entzogen. Nach seinen eigenen Aussagen wünscht er sich nichts mehr, als Kontakt zu anderen Menschen, um ein Gespräch führen zu können, allerdings hat er in Büren noch nicht einen Mithäftling kennenlernen können. Seit seiner Inhaftierung in Baden-Württemberg Mitte März hat sich sein gesundheitlicher Zustand wesentlich verschlechtert.


„Es ist menschenverachtend, wie mit psychisch Erkrankten in der Abschiebehaft umgegangen wird. Immer wieder werden Menschen, die als selbstmordgefährdet gelten, in Einzelhaft genommen – angeblich zu ihrem Schutz. De facto geht es aber nur darum zu verhindern, dass sie sich bis zur Abschiebung umbringen. Eine psychologische Betreuung, mit dem Ziel, den Gesundheitszustand zu verbessern, ist in der Haftsituation und wegen der Unsicherheit durch die drohende Abschiebung praktisch nicht möglich“, kommentiert Frank Gockel, Pressesprecher des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren. „Nach den Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen der Vereinten Nationen („Nelson-Mandela-Regeln“, A/RES/70/175 vom 17. 12. 2015) ist Langzeit-Einzelhaft, die mehr als 15 Tage dauert, ausdrücklich verboten (Regel 43 und 44). Sie wird unter den Maßnahmen, die Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe gleichkommen eingeordnet“, so Gockel weiter. „Wieder will eine Ausländerbehörde in NRW, hier der Kreis Wesel, einen schwer erkrankten und suizidgefährdeten Mann abschieben. Mit dieser Praxis muss endlich Schluss sein. Auch gehören die Bedingungen in der Black Box Abschiebegefängnis Büren endlich auf den Prüfstand. Die schwarz-grüne NRW-Landesregierung hat im Koalitionsvertrag 2022 versprochen, dass sie eine Abschiebehaft für vulnerable Personengruppen ablehne. Wenn sie nicht gelogen hat, darf sie Menschen wie Anil nicht in Büren einsperren“, so Sebastian Rose vom Abschiebungsreporting NRW.


Im Gegensatz zu weit verbreiteten Annahmen befinden sich Menschen nicht aufgrund von Straftaten in Abschiebehaft, sondern weil sie als ausreisepflichtig gelten und der Staat ihre Abschiebung vorbereiten will. So befinden sich unter den Insassen auch viele geflüchtete Menschen, deren Asylanträge in Deutschland abgelehnt wurden, wie eben auch im Fall von Anil. Dabei ist bekannt, dass es gerade für Menschen mit schweren Gewalterfahrungen schwierig ist, den deutschen Behörden die Gründe für ihre Verfolgung im Asylverfahren überzeugend zu schildern. „Wir fordern, dass Anil aus humanitären Gründen sofort aus der Abschiebehaft entlassen wird und Zugang zu psychologischer Betreuung bekommt. Es ist ganz offensichtlich, dass Suizidgedanken nicht mit Isolationshaft auskuriert werden können. Generell gilt: Flucht und Migration sind keine Verbrechen und Menschen sollten hierfür nicht eingesperrt werden!“, so Anja Bartel vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

*Zum Schutz der betroffenen Person und ihrer Familie wurde der Name geändert.