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Drohende Abschiebung nach Afghanistan

Hungerstreik in der Abschiebungshaft Pforzheim

Bundesregierung und Länder bereiten erneut eine Abschiebung nach Afghanistan vor – trotz eklatanter Menschenrechtsverletzungen im Taliban-Regime. In der Abschiebungshaft Pforzheim inhaftierte Männer, denen die Abschiebung droht, protestieren dagegen mit einem Hungerstreik. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg verurteilt die Abschiebungspläne aufs Schärfste und appelliert an die Politik, menschenrechtliche Grundsätze auch in Zeiten des Bundestagswahlkampfs zu beherzigen.

Aktuell befinden sich sieben afghanische Männer in der Abschiebungshaft* Pforzheim. Sie sollen nach Afghanistan abgeschoben werden. Dagegen protestieren sie zusammen mit weiteren solidarischen Insassen mit einem Hungerstreik, der seit Montag, dem 13. Januar andauert. „Die meisten von uns standen entweder unter Verfolgung oder haben richtig Probleme mit der Terrororganisation Taliban gehabt und werden diese weiterhin haben und bei unserer Ankunft in Afghanistan werden wir sofort in Lebensgefahr kommen. Das können wir bestimmt nachweisen und von daher haben wir einen Hungerstreik angetreten, um nicht in Lebensgefahr, Folter oder weitere Gefangenschaft durch die Taliban zu kommen“, so die Hungerstreikenden.

„Angesichts der dramatischen Situation vor Ort sind Abschiebungen nach Afghanistan unverantwortlich“, so Sadiq Zartila, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. „Menschen, die nach Afghanistan abgeschoben werden, sind dort einer akuten Bedrohung von Leib und Leben ausgesetzt.“ So kam der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages erst im März 2024 zu dem Ergebnis, dass Abschiebungen nach Afghanistan aufgrund fehlender Sicherheit und einer prekären humanitären Lage vor Ort regelmäßig gegen die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen. Laut der EMRK darf niemand abgeschoben werden, wenn dadurch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen.

Für den Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ist klar: Selbst, wenn Menschen Straftaten begangen haben, dürfen sie nicht nach Afghanistan abgeschoben werden. „Straftaten, die in Deutschland begangen worden sind, müssen auch im Rahmen des Rechtssystems hier bestraft werden“, so Zartila weiter. „Menschenrechte gelten für alle Menschen.“

Bereits Ende August 2024 hatte die Bundesregierung sämtliche dieser rechtlichen Grundsätze ignoriert. In Kooperation mit einigen Bundesländern sowie mit Unterstützung des für seine Menschenrechtsverletzungen berüchtigten katarischen Regimes wurde eine Abschiebung per Sammelcharter nach Afghanistan organisiert. Nachdem Abschiebungen nach Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban eigentlich ausgesetzt worden waren, hatte die Bundesregierung es in Kauf genommen, durch die Aufnahme zumindest indirekter Beziehungen einen wesentlichen Beitrag zur Normalisierung des Taliban-Regimes auf internationaler Bühne zu leisten. „Die terroristische Herrschaft der Taliban darf nicht mit weiteren Abschiebungen nach Afghanistan unterstützt werden“, so Zartila vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg befürchtet, dass die Bundesregierung mit der Organisation einer erneuten Abschiebung nach Afghanistan im Kontext des Bundestagswahlkampfs migrationspolitische Härte demonstrieren will. Der Verein appelliert an alle Entscheidungsträger*innen, menschenrechtliche Grundsätze auch in Wahlkampfzeiten uneingeschränkt zu beherzigen und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen: Weitere Abschiebungen nach Afghanistan darf es nicht geben.

*Abschiebungshaft ist nicht gleichbedeutend mit Strafhaft. Durch Abschiebungshaft soll die Abschiebung der inhaftierten Person gesichert werden. Eine allgemeine Positionierung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg zu Abschiebungen finden Sie in unserem entsprechenden Positionspapier.