Grundlagen

Familienasyl

Nach der Einreise von Familienangehörigen, z.B. im Rahmen des Familiennachzugs zu Personen mit Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärem Schutz, oder auch nach Geburt eines Kindes von Schutzberechtigten stellt sich regelmäßig die Frage, ob ein Asylantrag für die neu eingereiste(n) bzw. neugeborene(n) Person(en) sinnvoll ist. Ein solcher Asylantrag führt unter bestimmten Umständen dazu, dass Familienasyl gemäß § 26 AsylG gewährt wird.

I. Grundsätzliches
II. Familienasyl beantragen – ja oder nein?
III. Voraussetzungen für Familienasyl
IV. Ablauf des Familienasylverfahrens
V. Familienasyl bei Geburt eines Kindes im Bundesgebiet
VI. Weiterführende Arbeitshilfen

I. Grundsätzliches

Familienasyl bedeutet, dass der Schutzstatus eines Mitglieds der Kernfamilie auf neu eingereiste bzw. neugeborene Familienangehörigen „übertragen“ wird.

Gemäß § 26 AsylG kann unter bestimmten Voraussetzungen folgenden Angehörigen einer in Deutschland schutzberechtigten Person Familienasyl gewährt werden:

  • Ehegatt*innen
  • eingetragenen Lebenspartner*innen (bis einschließlich September 2017 für gleichgeschlechtliche Paare wählbare Beziehungsform)
  • Eltern eines minderjährigen, unverheirateten Kindes
  • minderjährigen, unverheirateten Kindern und
  • minderjährigen, ledigen Geschwistern einer minderjährigen schutzberechtigten Person.

Es gibt keinen gesonderten Antrag auf Familienasyl. Um den Schutzstatus von einem*einer Familienangehörigen (sog. stammberechtigte Person) abzuleiten, muss folglich ein „normaler“ Asylantrag gestellt werden (>> Das Asylverfahren). Wenn die Voraussetzungen des § 26 AsylG vorliegen, wird ein Schutzstatus gewährt. Das Besondere am Familienasyl ist, dass der Schutzstatus unabhängig von einer eigenen Gefährdung erteilt wird.

Grundsätzlich kommt bei Angehörigen von Schutzberechtigten auch die Erteilung eines Status infrage, der besser ist als der Status des*der Familienangehörigen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Wenn bei der nachgezogenen Person individuelle Schutzgründe vorliegen, also Gründe, die unabhängig von der stammberechtigten Person vorliegen, kann ein besserer Schutzstatus erteilt werden (Details siehe unten).

II. Familienasyl beantragen – ja oder nein?

Die Entscheidung, ob Angehörige von Schutzberechtigten einen Asylantrag stellen sollten, hängt von verschiedenen Faktoren ab, weshalb in der Regel die Hinzuziehung einer Beratungsstelle bzw. eines Rechtsanwalts*einer Rechtsanwältin notwendig ist. 

Zu bedenken sind ganz generell folgende Faktoren:

  • Welchen Schutzstatus hat der*die Angehörige?
    Diese Frage ist zum einen deshalb wichtig, weil eine Statusübertragung über das Familienasyl nur bei der Asylberechtigung, der Flüchtlingseigenschaft oder dem subsidiären Schutz in Betracht kommt. Beim nationalen Abschiebungsverbot (§ 60 Absatz 5, 7 AufenthG) ist das nicht möglich. Zum anderen gehen mit den unterschiedlichen Status unterschiedliche Rechtsfolgen einher. Beispielsweise erhalten nur Personen mit Flüchtlingseigenschaft einen Reiseausweis für Flüchtlinge (sog. Blauer Pass). Subsidiär Schutzberechtigte erhalten nicht standardmäßig ein Passersatzpapier von Deutschland, die Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis darf bei ihnen allerdings nicht von der Passvorlage abhängig gemacht werden (§ 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG). Daher ist es für Personen mit einem familiären Aufenthaltstitel ggf. auch sinnvoll, einen Asylantrag zu stellen, wenn die stammberechtigte Person „nur“ subsidiären Schutz hat. Je nach Schutzstatus des*der Stammberechtigten bietet der mit dem Familienasyl verliehene Schutzstatus gegenüber einer familiären Aufenthaltserlaubnis Vorteile in weiteren Bereichen, z.B. in Bezug auf Aufenthaltsverfestigung und Ausweisungsschutz.
  • Droht bei der schutzberechtigten Person ein Widerruf des Schutzstatus?
    Der Antrag auf Familienasyl kann dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Anlass geben, ein Widerrufsverfahren gemäß § 73 AsylG für die stammberechtigte Person einzuleiten (>> Widerruf und Rücknahme des Schutzstatus).
  • Ist ein Nachzug von weiteren Angehörigen der Kernfamilie erwünscht?
    Diese Konstellation ist insbesondere bei unbegleiteten Minderjährigen mit Flüchtlingseigenschaft relevant. Diese haben gemäß § 36 Absatz 1 AufenthG einen Anspruch auf Nachzug der Eltern, der allerdings die minderjährigen Geschwister nicht einbezieht. Häufig wird in der Praxis deshalb ein sog. Kaskadennachzug angestrebt, d.h. die Eltern bzw. ein Elternteil reisen zum*zur unbegleiteten Minderjährigen nach, stellen dann unverzüglich (Begriffsklärung siehe unten) nach der Einreise einen Asylantrag, erhalten im Wege des Familienasyls denselben Status wie der*die ehemals Unbegleitete und holen dann den Rest der Familie im Wege des Ehegatt*innen- bzw. Kindernachzugs nach Deutschland.

III. Voraussetzungen für Familienasyl

Eine grundlegende Voraussetzung ist, dass die Anerkennung der stammberechtigten Person unanfechtbar, also endgültig, ist. Außerdem dürfen kein Widerruf und keine Rücknahme des Schutzstatus des Stammberechtigen erfolgt sein. Die weiteren Voraussetzungen unterscheiden sich je nach Verwandtschaftsverhältnis.

Familienasyl des Ehepartners*der Ehepartnerin

Um den Schutzstatus von dem*der Ehepartner*in abzuleiten, muss die Ehe schon im Herkunftsstaat bestanden haben und der*die Ehepartner*in muss vor der Anerkennung der stammberechtigten Person eingereist oder den Asylantrag unverzüglich („ohne schuldhaftes Zögern“) nach der Einreise gestellt haben. Bei Familienmitgliedern, die mit einem Visum zum Familiennachzug einreisen, bedeutet dies laut Dienstanweisung Asyl des BAMF, dass der Antrag innerhalb von drei Monaten nach der Einreise gestellt werden muss. In anderen Fällen geht man von einer Zweiwochenfrist aus. Wird die Frist unverschuldet überschritten, kann im Einzelfall ein längerer Zeitraum auch noch als unverzüglich gelten. In jedem Fall sollte aber rasch nach der Einreise geprüft werden, ob ein Asylantrag sinnvoll ist, um – falls dies bejaht wird – die Frist noch einhalten zu können.

Familienasyl des minderjährigen Kindes

Damit ein minderjähriges lediges Kind den Status von dem stammberechtigten Elternteil ableiten kann, ist es nicht nötig, unverzüglich nach der Einreise den Asylantrag zu stellen. Zum Zeitpunkt des Asylantrags muss das Kind allerdings noch minderjährig sein.

Familienasyl der Eltern eines unbegleiteten minderjährigen Kindes

Die Eltern einer unbegleiteten minderjährigen Person können im Rahmen des Familienasyls denselben Status wie ihr Kind erhalten, wenn die Familie schon im Herkunftsland bestanden hat, und sie vor der Anerkennung der stammberechtigten Person eingereist oder den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (siehe oben). Die Eltern müssen die Personensorge für das Kind innehaben. Dies ist meist unproblematisch, wenn sie wirksam miteinander verheiratet sind. Auch minderjährige ledige Geschwister der minderjährigen schutzberechtigten Person können Familienasyl erhalten.

IV. Ablauf des Familienasylverfahrens

Wie wird Familienasyl beantragt?

Wenn man als Familienangehörige*r einer schutzberechtigten Person einen Asylantrag stellen möchte, muss man unterschiedlich vorgehen, je nachdem welche Konstellation zutrifft:

  • Wenn der*die Familienangehörige, der*die einen Asylantrag stellen möchte, einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von sechs Monaten oder weniger hat, muss der Asylantrag gemäß § 14 Absatz 1 AsylG persönlich in einer Außenstelle des Bundesamtes gestellt werden. Dann entsteht für eine bestimmte Zeit die Verpflichtung, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen (>> Unterbringung und Wohnen).
  • Wenn die Familienangehörigen, die einen Asylantrag stellen möchten, einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten besitzen, ist der Asylantrag gemäß § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 AsylG schriftlich bei der Zentrale des BAMF in Nürnberg zu stellen. Hierfür kann ein Formular vom BAMF genutzt werden. In diesem Fall besteht keine Verpflichtung, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen.
  • Wenn allein einreisende minderjährige Kinder einer schutzberechtigten Person einen Asylantrag stellen wollen, können sie diesen gemäß § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 AsylG mittels des oben erwähnten Formulars schriftlich bei der Zentrale des BAMF in Nürnberg einreichen. Wohnen dürfen sie ab Einreise bei ihren Eltern.

Wichtig: Insbesondere über den Familiennachzug eingereiste Ehepartner*innen bzw. Eltern von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten sollten schnellstmöglich nach Ankunft in Deutschland einen Antrag auf Ausstellung einer familiären Aufenthaltserlaubnis stellen. Visa zum Familiennachzug werden nämlich in der Regel nur für eine Dauer von drei Monaten erteilt. Dadurch entsteht in der Regel eine Verpflichtung zum Wohnen in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Diese kann ggf. umgangen werden, indem die Ausländerbehörden vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums eine Aufenthaltserlaubnis als Klebeetikett gemäß § 78a AufenthG mit einer Gültigkeitsdauer von mehr als sechs Monaten ausstellen. Unklar ist, ob auch eine Fiktionsbescheinigung mit einer Gültigkeitsdauer von mehr als sechs Monaten ausreicht. Wird ein Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeitsdauer von mehr als sechs Monaten ausgestellt, entsteht keine Verpflichtung zum Wohnen in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Familien werden somit nicht mehr für die Dauer des Asylverfahrens getrennt. Sollte das nicht gelingen, müssen die Familienangehörigen leider zunächst in einer Erstaufnahmestelle wohnen.

Um sicherzugehen, dass der Anspruch auf Familienasyl gewahrt wird, sollte man bei der Asylantragstellung auf Familienasyl verweisen und den Anerkennungsbescheid der stammberechtigten Person vorlegen.

Vor der Asylantragstellung sollte man sich bei einer Beratungsstelle bzw. einem Anwalt*einer Anwältin beraten lassen.

Gibt es bei Familienasyl eine Anhörung zu den Fluchtgründen?

Normalerweise gibt es auch bei Familienasyl eine Anhörung zu den Fluchtgründen. In bestimmten Fällen, wenn das BAMF die Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutz gewähren will, kann es auf die Durchführung einer Anhörung verzichten (EU-Verfahrensrichtlinie Art. 14 Absatz 2, § 24 Absatz 1 Satz 5 AsylG).

Bei der Anhörung sollten auch stets die individuellen Fluchtgründe und befürchteten Gefahren im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorgebracht werden, damit ggf. aufgrund einer individuell vorgetragenen Verfolgungsgefahr Schutz gewährt werden kann (>> Das Asylverfahren).

Beispiel: Die hier lebende Ehefrau hat einen subsidiären Schutzstatus. Dem nachziehenden Ehemann kann aufgrund des Familienasyl auch subsidiärer Schutz zugesprochen werden. Da er jedoch in seiner Anhörung individuelle Verfolgungsgründe (z.B. politisches Engagement) geltend macht, kann er auch die Flüchtlingseigenschaft erhalten.

Was passiert nach der Gewährung von Familienasyl?

Wird Familienasyl gewährt, erteilt die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 AufenthG, abhängig vom Schutzstatus der stammberechtigten Person. Diese muss unabhängig von der Erfüllung der Passpflicht erteilt (und verlängert) werden (§ 5 Absatz 3 Satz 1, § 8 Absatz 1 AufenthG). Hat die stammberechtigte Person die Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung, so erhält der*die Angehörige nach Gewährung des Familienasyls ebenfalls einen Reiseausweis für Flüchtlinge.

V. Familienasyl bei Geburt eines Kindes im Bundesgebiet

Wird ein Kind in Deutschland geboren und die Eltern bzw. ein Elternteil sind haben eine Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz, kommt im Falle einer Asylantragstellung Familienasyl in Betracht. Die Entscheidung, ob ein Asylantrag gestellt werden soll, hängt auch hier von vielen Faktoren (u.a. potenzielles Widerrufsverfahren des jeweiligen Elternteils) ab, weshalb unbedingt eine Beratung in Anspruch genommen werden sollte. Hier gibt es keine Frist für die Stellung des Asylantrags.

Hinweis: Unabhängig von der Frage, ob ein Asylantrag für das neugeborene Kind gestellt werden soll, besteht die Option auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG. Diese Aufenthaltserlaubnis wird von Amts wegen erteilt, wenn beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis haben. Wenn nur ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis hat, steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Behörde.

Weitere Informationen:

VI. Weiterführende Arbeitshilfen