Am 11. Februar stellte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Priit Pikamäe, eine Unvereinbarkeit der deutschen Asylrechtsprechung zur Gewährung von subsidiärem Schutz mit dem Unionsrecht fest.
Hintergrund war die Klage zweier Afghanen aus der umkämpften Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans. Ihre Asylanträge wurden vom Bundesamt abgelehnt und die Klagen vor den zuständigen Verwaltungsgerichten blieben erfolglos. Daher beantragten die Kläger anschließend subsidiären Schutz vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg.
Der Klage lag die Frage zugrunde, wie schlimm die Verhältnisse im Heimatland sein müssen, damit die bloße Anwesenheit als lebensgefährlich angesehen und somit subsidiärer Schutz gewährt würde (i.S. d. Art. 15 Buchst. c i.V.m. Art. 2 Buchst. f EU-Richtlinie 2011/95). Diese Frage wurde bisher von deutschen Gerichten regelmäßig mit einer rein quantitativen Prüfung beantwortet. Demnach müsse die Zahl der Bürgerkriegstoten in der entsprechenden Region mindestens 0,125 Prozent der Gesamtbevölkerung beantragen, ansonsten seien weitere Kriterien erst gar nicht zu prüfen. Der VGH Mannheim hinterfragte die Vereinbarkeit dieser Rechtspraxis mit dem Unionsrecht und legte den Fall in diesem Zusammenhang dem EuGH vor.
Der EuGH-Generalanwalt trug in einem Plädoyer zur weiteren Klärung der unionsrechtlichen Kriterien für die Gewährung von subsidiärem Schutz im Fall konfliktbedingter willkürlicher Gewalt zulasten der Zivilbevölkerung bei. Er lehnte das rein quantitative Vorgehen im Sinne der bisherigen deutschen Rechtsprechung eindeutig ab. Vielmehr sei eine „sowohl quantitative als auch qualitative Gesamtwürdigung aller relevanten Tatsachen, die diesen Konflikt kennzeichnen“ notwendig. Die Anzahl der Opfer sei dabei nur einer von vielen Aspekten, wie der Dauer des Konfliktes, dem Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte, etc., die in Betracht gezogen werden müssten.
Für die zukünftige Entscheidungspraxis deutscher Verwaltungsgerichte im Umgang mit Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen könnte dies langfristig positive Auswirkungen haben. Das entsprechende EuGH-Urteil bleibt aber zunächst abzuwarten.
Das vollständige Plädoyer des EuGH-Generalanwalts zur Vorlage des VGH Mannheims finden Sie hier.