Grundlagen

Abschiebung und freiwillige Ausreise

Für einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland benötigt man einen Aufenthaltstitel. Wer diesen nicht (oder nicht mehr) besitzt, ist in der Regel ausreisepflichtig. Dies gilt für Personen, die eine Ablehnung im Asylverfahren erhalten haben, gegen die nicht mehr vorgegangen werden kann. Aber auch Personen, die nie einen Asylantrag gestellt haben, können ausreisepflichtig sein.

Ausreisepflicht bedeutet, dass die betroffene Person entweder innerhalb der ihr gewährten Ausreisefrist in ihr Herkunftsland zurückkehren kann („freiwillige Ausreise“) oder in Deutschland bleibt und abgeschoben wird, sobald die Abschiebung möglich ist. Inwiefern die Ausreiseentscheidung somit tatsächlich „freiwillig“ getroffen wird, ist in vielen Fällen fragwürdig.

I. Freiwillige Ausreise
II. Abschiebung
III. Abschiebungshaft
IV. Abschiebungshindernisse
V. Leben als illegalisierte Person

I. Freiwillige Ausreise

Welche Vorteile kann die freiwillige Ausreise gegenüber der Abschiebung haben?

  • Traumatisierende Aspekte einer Abschiebung (unangekündigt, meistens in den sehr frühen Morgenstunden, begleitet von Polizist*innen, unter Umständen Gewaltanwendung durch Zwangsmaßnahmen) können vermieden werden.
  • Im Gegensatz zur Abschiebung ist eine freiwillige Ausreise in engen Grenzen planbar. So können noch letzte Besorgungen gemacht, nahestehende Personen verabschiedet und eventuell auch Fördermittel für den Start im Zielland entgegengenommen werden.
  • Für Ausreisen in viele Länder gibt es Reisekostenbeihilfen und manchmal weitere Unterstützungsleistungen, z. B. mit Geldern der International Organization of Migration (IOM).
  • Es entsteht in der Regel kein Einreise- und Aufenthaltsverbot (sog. Wiedereinreisesperre) gemäß § 11 AufenthG wie bei einer Abschiebung (siehe unten) (§ 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG).

Welche Fristen gibt es bei einer freiwilligen Ausreise zu beachten?

Bei abgelehnten Asylsuchenden ergeht im Regelfall mit der asylrechtlichen Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Ausreiseaufforderung zusammen mit einer Abschiebungsandrohung. Da der freiwilligen Ausreise Vorrang gegenüber der Abschiebung zu gewähren ist, enthält die Ausreiseaufforderung eine Frist, innerhalb derer ausgereist werden soll (dies gilt nicht für Dublin-Fälle, >> Das Dublin-Verfahren). Die Ausreisefrist beträgt bei der Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ oder „unzulässig“ eine Woche, bei der Ablehnung als „unbegründet“ 30 Tage (>> Ablehnungsformen). Innerhalb dieser Zeit muss gegenüber der Ausländerbehörde die Bereitschaft zur selbstbestimmten Rückkehr signalisiert werden, sodass alles in die Wege geleitet werden kann. Die Ausreise sollte noch innerhalb der gesetzlichen Ausreisefrist erfolgen. Wer sich für eine freiwillige Ausreise entscheidet, sollte sich hierzu von unabhängigen Rückkehrberatungsstellen beraten lassen. Ggf. kann mit der zuständigen Ausländerbehörde (in Baden-Württemberg ist das Regierungspräsidium Karlsruhe landesweit für Abschiebungen zuständig) ein von der gesetzlichen Frist abweichender Termin festgesetzt werden, z. B. wenn Kinder kurz vor Vollendung des Schuljahres stehen (§ 59 Absatz 1 Satz 4 AufenthG).

Gibt es keine Abschiebungshindernisse (siehe unten), können abgelehnte Asylsuchende nach dem Ablauf der Ausreisefrist abgeschoben werden. Häufig ist es auch möglich, nach der gestellten Frist freiwillig auszureisen, sofern die Person sich nicht in Abschiebehaft befindet oder die Abschiebung schon vollzogen wird.

Welche Förderprogramme gibt es bei einer freiwilligen Ausreise?

Nach der Entscheidung für eine freiwillige Ausreise wird im Rahmen der Rückkehrberatung in der Regel auch finanzielle Unterstützung beantragt. Es gibt verschiedene Förderprogramme, deren Art und Höhe sich je nach Herkunftsland unterscheiden. Am bekanntesten ist das REAG-GARP-Programm der IOM, das Reisekosten, Reisebeihilfen, medizinische Zusatzkosten und Starthilfen umfasst.

Weitere Informationen:

II. Abschiebung

Wann ist eine Abschiebung möglich?

Ist eine Person vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine Abschiebung theoretisch jederzeit erfolgen. Ein Abschiebungsrisiko besteht insbesondere in folgenden Konstellationen:

  • Wenn gegen einen ablehnenden Bescheid des BAMF keine bzw. nicht fristgerecht Rechtsmittel eingelegt wurden und die Ausreisefrist abgelaufen ist.
  • Wenn ein Eilantrag auf aufschiebende Wirkung vom zuständigen Verwaltungsgericht abgelehnt wurde.
  • Wenn eine Klage mit aufschiebender Wirkung vom zuständigen Verwaltungsgericht abgelehnt wurde und keine weiteren Rechtsmittel mehr möglich sind.
  • Wenn kein Anspruch auf einen anderen Aufenthaltstitel oder eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung geltend gemacht wird.

In der Realität stehen einer Abschiebung allerdings oft Hindernisse entgegen, die zur Erteilung einer Duldung führen (>> Duldung), z.B. fehlende Reisedokumente, eine Krankheit oder familiäre Verbindungen. Eine Abschiebung ist auch vor Ablauf der Duldung möglich, sobald das Abschiebungshindernis entfällt. Besonders gefährdet sind Menschen, deren Duldungsbescheinigung den Zusatz „erlischt mit Bekanntgabe des Abschiebungstermins“ enthält, die sog. auflösende Bedingung.

Nicht immer kommt es zu einer Abschiebung. Es gibt einige aufenthaltsrechtliche Alternativen, den Aufenthalt auch aus einer Duldung heraus zu sichern (>> Bleiberechtsoptionen).

Wie werden Abschiebungen durchgeführt?

Für den Vollzug der Abschiebung sind die Bundesländer zuständig. In Baden-Württemberg werden Abschiebungen vom Regierungspräsidium Karlsruhe durchgeführt. Bei Dublin-Abschiebungen entscheidet dagegen das BAMF, ob die Abschiebung durchgeführt wird. Der Termin der Abschiebung darf gemäß § 59 Absatz 1 Satz 8 AufenthG nicht angekündigt werden. Eine Ausnahme besteht nur für Personen, in deren Duldung keine auflösende Bedingung steht, die über ein Jahr geduldet sind und deren Abschiebung nicht aus eigenem Verschulden ausgesetzt ist. Die Abschiebung soll in diesen Fällen mindestens einen Monat vorher angekündigt werden (§ 60a Absatz 5 Satz 4 und 5 AufenthG).

Einige Ausreisepflichtige werden in Linienflugzeugen abgeschoben, andere im Rahmen von sog. Sammelabschiebungen, für die extra ein Flugzeug gechartert wird. Es gibt auch Abschiebungen über den Landweg. In der Regel werden Abschiebungen von Polizist*innen oder privatem Sicherheitspersonal begleitet. Dabei werden Betroffene je nach Situation von unterschiedlichen Orten abgeholt, z.B. aus ihrer Wohnung, aus der Schule, vom Arbeitsplatz oder auch bei Behördenterminen.

Meistens werden ausreisepflichtige Personen aus ihren Wohnräumen in den frühen Morgenstunden, in der Regel nach 4:00 Uhr, abgeholt. Steht die Polizei vor der Tür und hat keinen richterlichen Beschluss, so darf sie die Wohnräume nur betreten, wenn sie darlegt, dass das Betreten für die Durchführung der Abschiebung erforderlich ist und Tatsachen vorliegen, die nahelegen, dass sich die abzuschiebende Person dort aufhält (§ 58 Absatz 5 AufenthG). Betritt die Polizei die Wohnräume und ist die abzuschiebende Person nicht zu sehen, darf die Polizei die Wohnung nicht nach der Person durchsuchen. Denn das Durchsuchen einer Wohnung ist nicht ohne richterlichen Beschluss möglich, außer es besteht Gefahr im Verzug. Nur weil die abzuschiebende Person nicht aufgefunden wurde, liegt keine Gefahr im Verzug vor und die Wohnung darf nicht durchsucht werden (§ 58 Absatz 8 AufenthG). Sollte es zu einer Durchsuchung von Wohnräumen kommen, muss der Grund genannt werden und ein Protokoll verfasst und auf Wunsch ausgehändigt werden (§ 58 Absatz 9 AufenthG). Hierbei kann es sich sowohl um Privatwohnungen der ausreisepflichtigen Personen oder von anderweitigen Personen als auch um Zimmer in Unterkünften handeln, denn diese gelten ebenso als grundrechtlich geschützte Wohnräume (VGH BW, 12 S 4089/20). Zur Nachtzeit gelten verschärfte Bedingungen (§ 58 Absatz 7 Satz 1 AufenthG, § 36 Absatz 1 Satz 1 PolG-BW).

Hinweis: Bittet die Polizei um Auskunft über die abzuschiebende Person, so besteht keinerlei Auskunftspflicht. Man ist lediglich verpflichtet, Angaben über die eigenen Personalien zu machen (§ 43 PolG-BW). Dies gilt für Freund*innen, Arbeitgeber*innen, Kolleg*innen, Lehrer*innen usw. Staatlich anerkannte Sozialarbeiter*innen und alle, die unter ihrer Anleitung arbeiten (darunter können auch ehrenamtlich Engagierte fallen), machen sich sogar strafbar, wenn sie persönliche Informationen über ihre Klient*innen weitergeben (§ 203 Absatz 1 Nummer 6 StGB).

Meist wird den Betroffenen nur wenig Zeit (oft keine 20 Minuten) eingeräumt, um die wichtigsten Sachen einzupacken. Daher empfiehlt es sich, bei einer drohenden Abschiebung einen „Notfallkoffer“ vorzubereiten (maximal 25 kg, mehr Gepäck kann kostenpflichtig mitgenommen werden) inklusive wichtiger Telefonnummern. Immer wieder werden Mobiltelefone durch die Polizei eingezogen. Eigentlich sollte dies nur im Einzelfall zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung geschehen (§ 33 Absatz 1 Nummer 2 PolG BW). Der Grund der Beschlagnahme und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe sind unverzüglich bekanntzugeben. Auf Verlangen ist eine Bescheinigung auszustellen. Auch muss das Mobiltelefon zurückgegeben werden, sobald der Zweck der Beschlagnahme erreicht ist – also spätestens bei Gepäckaufgabe am Flughafen (§ 33 Absätze 3 und 4 PolG BW).

Hinweis: Abgegebene Identitätsnachweise und Reisedokumente werden den Personen nicht direkt ausgehändigt, sondern den zuständigen Behörden des Ziellandes übergeben. Alle anderen Dokumente (z.B. Zeugnisse) sollten von der Polizei im Gepäck der abzuschiebenden Person verstaut werden.

Sind Personen bei einem Abschiebungsversuch nicht auffindbar, besteht unter Umständen die Gefahr, dass ihre Abwesenheit als Untertauchen gewertet wird. In Dublin-Fällen kann sich dadurch die Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate verlängern (>> Das Dublin-Verfahren). Zudem kann die Person bei angenommenem Untertauchen zur Fahndung ausgeschrieben (§ 50 Absatz 6 AufenthG) und bei späterem Aufgreifen in Abschiebungshaft genommen werden (§ 62 Absatz 3b Nummer 7 AufenthG). Außerdem können Sozialleistungen gekürzt (§ 1a Absatz 3 AsylbLG) und Arbeitsverbote erlassen werden (§ 60a Absatz 6 Nummer 2 AufenthG).

Welche rechtlichen Folgen hat eine Abschiebung?

Wurde eine Person abgeschoben, so muss ein Einreise- und Aufenthaltsverbot (sog. Wiedereinreisesperre) gemäß § 11 AufenthG angeordnet und befristet werden. Die Befristung ist unterschiedlich lang, meistens beträgt sie 30 Monate und darf in der Regel fünf Jahre nicht überschreiten. Die exakte Länge lässt sich im ablehnenden Bescheid des BAMF finden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot entfaltet seine Wirkung in der Regel erst mit der Abschiebung. Anders ist es bei Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten: Ist deren Asylverfahren bestandskräftig als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, so wird sofort eine Wiedereinreisesperre von zwölf  Monaten wirksam (§ 11 Absatz 7 AufenthG). Dies lässt sich auch nicht durch eine freiwillige Ausreise abwenden.

Die Wiedereinreisesperre wird bei der Abschiebung in behördlichen Datenbanken vermerkt. Sie kann nachträglich unter bestimmten Umständen auf Antrag bei der zuvor zuständigen Ausländerbehörde aufgehoben oder verkürzt werden. Bereits vor Ablauf der Wiedereinreisesperre kann ein Visumsverfahren zur legalen Wiedereinreise begonnen werden (z.B. Vereinbarung eines Termins bei der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsland). Personen mit einer Wiedereinreisesperre müssen bei versuchter Einreise mit einer Zurückweisung an der Grenze rechnen. (Versuchte) Einreise und Aufenthalt trotz Wiedereinreisesperre stellen dabei Straftaten dar (§ 95 Absatz 2 Nummer 1 AufenthG).

Die Kosten der Abschiebung sind grundsätzlich von den abgeschobenen Personen zu tragen. Deshalb behält die Polizei manchmal bei der Abschiebung mitgeführtes Bargeld ein (§ 66 Absatz 5 AufenthG). Allerdings sollte den abzuschiebenden Personen ein Betrag in Höhe des für sie geltenden monatlichen Sozialhilferegelsatzes belassen werden. Dies dient der Sicherung des Existenzminimums nach der Ankunft im Zielland. Wird Bargeld einbehalten, sollte darüber eine Quittung ausgestellt werden. Zur Kostenerstattung einer vergangenen Abschiebung können Personen auch noch vor einer erneuten Einreise ins Bundesgebiet herangezogen werden.

Weitere Informationen:

III. Abschiebungshaft

Was ist Abschiebungshaft?

Manchmal werden Menschen inhaftiert, um sie abzuschieben. Diese sog. Abschiebungshaft hat nichts mit Strafhaft zu tun. Es handelt sich explizit nicht um eine Strafe für schuldhaft begangenes Unrecht, durch die Abschiebungshaft soll ausschließlich die Abschiebung der betroffenen Person gesichert werden. Bei Abschiebungshaft handelt es sich in der Regel um die sog. Sicherungshaft.

Wann ist Abschiebungshaft zulässig?

Die Inhaftierung ist in der Regel nur zulässig, wenn Fluchtgefahr vorliegt. Fluchtgefahr wird gemäß § 62 Absatz 3a AufenthG beispielsweise vermutet, wenn sich eine Person in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder wenn die Person sich entgegen einer Wiedereinreisesperre und ohne Betretenserlaubnis in Deutschland aufhält. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden.

Haft ist Freiheitsentzug und damit ein schwerwiegender Grundrechtseingriff. Deshalb muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Dieser besagt unter anderem, dass es kein milderes, gleich geeignetes Mittel geben darf, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Eine Inhaftierung auf Grundlage von § 62 Absatz 1 AufenthG wäre somit unverhältnismäßig, wenn die Sicherung der Abschiebung ebenso gut durch eine Meldeauflage nach § 61 Absatz 1e AufenthG gewährleistet wäre. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebietet es auch, die Betroffenen nicht länger als unbedingt erforderlich in Haft zu nehmen.

Wo ist Abschiebungshaft geregelt?

Im Aufenthaltsgesetz ist die Abschiebungshaft in § 62 bis § 62c AufenthG geregelt. Laut § 62a AufenthG darf Abschiebungshaft darf grundsätzlich nicht in Strafvollzugsanstalten vollstreckt werden. In Baden-Württemberg gibt es eine spezielle Abschiebungshaftanstalt in Pforzheim. In dieser werden nur alleinstehende Männer untergebracht, Frauen kommen in eine Einrichtung im rheinland-pfälzischen Ingelheim.

Die Abschiebungshaftbedingungen sind in Baden-Württemberg im Abschiebungshaftvollzugsgesetz und in der dazu gehörigen Verordnung geregelt.

Welche Vorkehrungen sollten im Hinblick auf eine mögliche Abschiebungshaft getroffen werden?

Ehrenamtlich Engagierte und andere Bekannte einer geflüchteten Person können im Hinblick auf Abschiebungshaft eine wichtige Rolle spielen, indem sie als Vertrauenspersonen agieren. Artikel 104 Absatz 4 GG sieht vor, dass bei einer richterlichen Entscheidung über eine Freiheitsentziehung die Vertrauensperson des*der Inhaftierten benachrichtigt werden soll. Um als Vertrauensperson zu gelten, muss gemeinsam mit der von Abschiebungshaft bedrohten Person ein Schreiben aufgesetzt werden, das dann im Falle der Inhaftnahme sofort vorgezeigt werden sollte. Einzelheiten dazu finden sich im Artikel von Frank Gockel.

Ausreisepflichtige Personen, bei denen mit einer Verhaftung gerechnet werden muss, sollten die wichtigsten Telefonnummern von Rechtsanwälten*Rechtsanwältinnen, Familienangehörigen und Vertrauenspersonen immer handschriftlich bei sich führen. Dem Rechtsanwalt*der Rechtsanwältin sollte explizit auch eine Vollmacht in Bezug auf Abschiebehaftsachen erteilt werden.

Bei Inhaftnahme sollen  Betroffene sofort ihren Anwalt*ihre Anwältin und/oder ihre Vertrauensperson benennen und darauf bestehen, dass Kontakt zu ihnen hergestellt wird.

Wie läuft das Verfahren zur Inhaftnahme ab?

1. Haftantrag

Voraussetzung für Abschiebungshaft ist immer das Vorliegen eines Haftantrags nach § 417 FamFG. Dieser kann sowohl von den vier Regierungspräsidien als auch den unteren Ausländerbehörden beim zuständigen Amtsgericht gestellt werden (§ 6 Absatz 5 Nummer 1 AAZuVO), in der Praxis stellt häufig das Regierungspräsidium Karlsruhe den Antrag. Wird eine Person im Grenzgebiet aufgegriffen, kann auch die Bundespolizei einen Haftantrag ans Amtsgericht stellen (§ 71 Absatz 3 Nr. 3 e)). Der Haftantrag muss begründet werden, unter anderem müssen Angaben zum Haftgrund, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur Haftdauer enthalten sein.

Der Haftantrag muss dem*der Betroffenen in schriftlicher Form ausgehändigt und zumindest mündlich übersetzt werden, falls keine ausreichenden Deutschkenntnisse vorhanden sind.

2. In der Regel: Erlass einer richterlichen Anordnung

Der rechtliche Rahmen für Freiheitsentziehung ist u.a. im GG geregelt. Artikel 104 Absatz 2 GG besagt u.a.:

  • dass über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung ein*eine Richter*in entscheiden muss
  • dass unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeigeführt werden muss, wenn eine Person ohne richterliche Anordnung in Haft genommen wird.

Ob bei Abschiebungshaft eine richterliche Anordnung erforderlich ist, richtet sich danach, ob es sich um eine geplante oder ungeplante Festnahme handelt:

  • Bei ungeplanten Festnahmen (z.B. im Grenzgebiet oder bei Verkehrskontrollen) bedarf es im Voraus keiner richterlichen Anordnung, es muss allerdings unverzüglich nach der Inhaftierung eine Anhörung durch das Amtsgericht erfolgen.
  • Vor geplanten Festnahmen muss eine richterliche Anordnung ergehen. Auch in diesem Fall muss unverzüglich eine Anhörung vor dem Amtsgericht erfolgen.

§ 62 Absatz 5 AufenthG bestimmt, dass eine richterliche Anordnung entbehrlich ist, wenn die Voraussetzungen von § 62 Absatz 3 Satz 1 AufenthG (u.a. Vorliegen von Fluchtgefahr) zutreffen, die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden konnte und der begründete Verdacht vorliegt, dass die Person sich der Abschiebungshaft entziehen will. Auf dieser Grundlage werden immer wieder Personen ohne richterliche Anordnung festgenommen und erst nach Inhaftnahme dem*der Richter*in vorgeführt. Handelt es sich um geplante Festnahmen, ist dieses Vorgehen allerdings rechtswidrig, weil die vorherige Einschaltung eines Gerichts möglich gewesen wäre.

3. Anhörung und Haftbeschluss

Über den Haftantrag entscheidet ein*eine Amtsrichter*in. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen für Abschiebungshaft vorliegen. Unter anderem wird untersucht, ob die Wirkungen der Abschiebungshaft in einem angemessenen Verhältnis zu der beabsichtigten Abschiebung stehen. Hierzu muss die betreffende Person angehört werden. Wenn für die Verständigung erforderlich, muss ein*eine Dolmetscher*in hinzugezogen werden. 

Rechtsanwält*innen und Vertrauenspersonen der betroffenen Person haben das Recht, bei der Anhörung vor dem zuständigen Amtsgericht anwesend zu sein.

Nach der Anhörung entscheidet der*die Richter*in über die Abschiebungshaft. Wird sie angeordnet, ergeht ein Haftbeschluss. Der Haftbeschluss muss dem*der Betroffenen in schriftlicher Form ausgehändigt und zumindest mündlich übersetzt werden, falls keine ausreichenden Deutschkenntnisse vorhanden sind.

Welche Rechtsmittel sind möglich?

Gegen den Haftbeschluss kann innerhalb eines Monats Haftbeschwerde beim zuständigen Amtsgericht eingelegt werden (§ 63 FamFG). Wenn dieses den Haftbeschluss nicht aufhebt, wird die Beschwerde zur Entscheidung unverzüglich an das Landgericht weitergeleitet.

Beschwerde kann man grundsätzlich selbst oder mithilfe von Vertrauenspersonen und Familienangehörigen einlegen (§ 429 Absatz 2 FamFG), es ist aber sinnvoll, einen Rechtsanwalt*eine Rechtsanwältin zu beauftragen, der*die sich mit Abschiebungshaft auskennt. Leider wird in Abschiebungshaftfällen keine Pflichtbeiordnung von Anwält*innen vorgenommen (siehe Positionspapier von PRO ASYL und über 50 anderen Organisationen).

Viele Haftbeschwerden sind erfolgreich, da die Amtsgerichte häufig nicht sorgfältig prüfen, ob die Voraussetzungen für Abschiebungshaft vorliegen. Allerdings wird über Haftbeschwerden häufig erst nach der erfolgten Abschiebung entschieden – sie führen selten zu einer Entlassung aus der Abschiebungshaft und noch seltener zu einer Wiedereinreise. Aber sie sind die Grundlage für Haftentschädigungen. Daher kann es auch nach erfolgter Abschiebung noch sinnvoll sein, eine Haftbeschwerde einzulegen.

Außerdem kann zu jeder Zeit ein Haftaufhebungsantrag (§ 426 Absatz 2 FamFG) gestellt werden, in dem die Rechtmäßigkeit der Haft geprüft wird.

Wie ist die Situation in der Abschiebungshafteinrichtung in Pforzheim?

In der Abschiebungshaft Pforzheim gibt es eine unabhängige Beratung durch die Caritas und die Diakonie. Der Zugang zur Beratung ist allerdings erschwert, da Inhaftierte oder Angehörige/Unterstützer*innen den Kontakt zunächst telefonisch oder per E-Mail herstellen müssen. Entgegen der Ankündigungen im Koalitionsvertrag der Landesregierung von 2021 gibt es weiterhin kein Beratungsbüro in der Haftanstalt. Eine Kontaktaufnahme mit den Berater*innen kann über 0151 / 18846722 und 01590 / 6392236 bzw. d.keil@caritas-karlsruhe.de und theresa.kraeling@diakonie.ekiba.de erfolgen. Bei der Kontaktaufnahme sollten der vollständige Name, das Herkunftsland und das Geburtsdatum der inhaftierten Person sowie Name und Kontaktdaten der unterstützenden Person übermittelt werden (beim Kontakt per Telefon bitte auf den Anrufbeantworter sprechen!). Weitere Informationen finden sich im Flyer.

Es gibt auch Seelsorger der evangelischen und katholischen Kirche, die für Gespräche bereitstehen und an einen muslimischen Seelsorger vermitteln können. Auch zu ihnen ist der Zugang erschwert, da sie ebenfalls vorab telefonisch kontaktiert werden müssen, bevor sie Inhaftierte besuchen dürfen: 07231 / 455 7868 (katholisch) und 07231 / 4983960 (evangelisch).

Personen in der Abschiebungshaft Pforzheim haben häufig Schwierigkeiten, mit Menschen außerhalb der Einrichtung zu kommunizieren, da Mobiltelefone mit Kamera abgenommen werden und Mobiltelefone ohne Kamera erst beantragt werden müssen. Zur Nutzung der Mobiltelefone braucht man außerdem eine eigene SIM-Karte.

Weitere Informationen:

IV. Abschiebungshindernisse

Wann greift ein Abschiebungshindernis?

Abschiebungshindernisse sind rechtliche und tatsächliche Hindernisse, die einer Abschiebung entgegenstehen. Das kann beispielsweise eine unmittelbar bevorstehende Eheschließung oder eine Eingabe bei der Härtefallkommission sein. Unter Umständen können auch der Tod eines nahen Angehörigen oder die Geburt eines Kindes, für das der*die Betroffene das Sorge- oder Umgangsrecht innehat und ausüben will, ein Abschiebungshindernis darstellen. Vor allem kann ein Abschiebungshindernis bei schwerer Krankheit vorliegen, die eine Reiseunfähigkeit zur Folge hat oder im Zielstaat nicht angemessen behandelbar ist.

Neu entstehende Abschiebungshindernisse sollten ausreisepflichtige Personen so schnell wie möglich – am besten per Fax – dem Regierungspräsidium Karlsruhe und der zuständigen Ausländerbehörde zur Kenntnis geben. In Dublin-Fällen muss unbedingt zusätzlich das BAMF informiert werden, das hier für die Prüfung von Abschiebungshindernissen zuständig ist. Soweit bzw. sobald dies möglich ist, müssen Nachweise über die jeweiligen Abschiebungshindernisse vorgelegt werden.

Weitere Informationen:

Was gibt es bei krankheitsbedingten Abschiebungshindernissen zu beachten?

Die gesetzlichen Hürden für krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse sind hoch, da das Gesetz davon ausgeht, dass gesundheitliche Gründe der Abschiebung nicht entgegenstehen (§ 60a Absatz 2c AufenthG). Um sie erfolgreich geltend zu machen, muss der zuständigen Behörde bzw. dem Gericht eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden. Das bedeutet, dass nur Bescheinigungen von approbierten Ärzt*innen akzeptiert werden. Die Stellungnahme eines psychologischen Psychotherapeuten*einer psychologischen Psychotherapeutin reicht dagegen grundsätzlich nicht aus. Wenn eine solche schon existiert, sollte sie aber trotzdem vorgelegt werden. Die qualifizierte ärztliche Bescheinigung muss auf folgende Punkte eingehen:

  • Tatsächliche Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist
  • Methode der Tatsachenerhebung
  • Fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes
  • Schweregrad der Erkrankung
  • Lateinischer Name oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10
  • Folgen, die sich aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben
  • Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein

Eine solche Bescheinigung darf nicht älter als zwei Wochen sein (§ 60a Absatz 2d AufenthG). Wird das Attest nicht innerhalb von zwei Wochen vorgelegt, darf die Behörde das Vorbringen der Person nicht berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn die Bescheinigung nicht den obenstehenden Kriterien entspricht. Als Ehrenamtliche*r kann man hier unterstützen, indem man den*die Mediziner*in auf die gesetzlichen Vorgaben aufmerksam macht.

Weitere Informationen:

V. Leben als illegalisierte Person

Manche Geflüchtete entscheiden sich aus Angst vor Abschiebung für ein Leben ohne Papiere und tauchen unter. Diese Menschen werden häufig als „illegal“ bezeichnet. Aus unserer Perspektive kann ein Mensch nicht illegal sein. Daher sprechen wir von illegalisierten Personen. Solche Menschen haben mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Weitere Informationen hierzu finden sich im Beratungshandbuch von DRK und Caritas