Stellt eine Person nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag, so gilt dieser als Asylfolgeantrag (§ 71 AsylG). Auch im Asylfolgeverfahren geht es um im Heimatland bestehende Gefahren. Für vollziehbar ausreisepflichtige Personen kann deshalb ein Asylfolgeantrag eine Option sein, doch noch einen Schutzstatus zu erhalten. In manchen Konstellationen ist es sinnvoller, statt eines Asylfolgeantrags einen sog. Wiederaufgreifensantrag zu stellen.
Voraussetzungen
Bewertet das BAMF einen Asylantrag als Asylfolgeantrag, bedeutet das, dass bereits zuvor irgendwann einmal ein Asylantrag in Deutschland gestellt und dieser endgültig (= bestandskräftig) abgelehnt oder zurückgenommen wurde. Seit der ersten Entscheidung können sich allerdings asylrelevante Umstände geändert haben und eine neue Beurteilung des Falles erfordern. Diese veränderten Umstände kann man mittels eines Asylfolgeantrags oder eines Wiederaufgreifensantrags geltend machen. Vor der Antragstellung sollte man sich aber regelmäßig rechtskundigen Rat einholen. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, ob die veränderten Umstände wirklich nicht im vorhergehenden Asylverfahren geltend gemacht werden konnten, ob das vorangegangene Verfahren tatsächlich komplett abgeschlossen ist und ob man eher einen Asylfolgeantrag oder einen Wiederaufgreifensantrag stellen sollte. In einem Asylfolgeverfahren werden alle Schutzstatus umfassend geprüft: Die Asylberechtigung nach Artikel 16a Absatz 1 GG, Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG, subsidiärer Schutz gemäß § 4 AsylG und Abschiebungsverbote gemäß § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG (>> Anerkennungsformen). In einem Wiederausgreifensverfahren werden nur Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG geprüft. Zu veränderten Umständen zählen folgenden Fallgruppen:
- Neue Beweismittel sind aufgetaucht, die im vorherigen Verfahren noch nicht vorgelegt werden konnten. Das können Dokumente sein, die eine Verfolgung belegen (z.B. Haftbefehle), erstmalige oder aussagekräftigere Atteste oder ein*e inzwischen eingereiste*r Zeug*in aus dem Herkunftsland.
- Die Situation im Herkunftsland hat sich im Vergleich zum ersten Asylantrag verändert mit der Folge, dass im Falle einer Rückkehr nunmehr Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden drohen würde (z.B. durch einen Regimewechsel).
- Veränderungen in der Person der antragstellenden Person, beispielsweise ein neues/verstärktes exilpolitisches Engagement oder eine im Herkunftsland nicht behandelbare schwerwiegende/lebensbedrohliche Erkrankung, die sich bei einer Rückkehr wesentlich verschlechtern würde.
- Ferner kann sich die Rechtslage durch nationale oder europäische Gesetzesänderungen in asylrelevanter Weise ändern. Dies kommt in der Praxis relativ selten vor.
Antragstellung
Für die Stellung eines Wiederaufgreifensantrags gilt eine Frist von drei Monaten ab Kenntnisnahme der veränderten Umstände (§ 51 Absatz 3 VwVfG). Er ist bei beim BAMF zu stellen und zwar entweder schriftlich bei der Zentrale in Nürnberg oder schriftlich oder persönlich bei einer anderen Außenstelle.
Für die Stellung eines Asylfolgeantrags muss die in § 51 Absatz 3 VwVfG erwähnte Frist seit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Herbst 2021 nicht mehr eingehalten werden (siehe § 71 Absatz 1 Satz 1 AsylG, § 51 Absatz 3 VwVfG und EuGH: Keine 3-Monatsfrist bei Asylfolgeverfahren). Der Asylfolgeantrag ist grundsätzlich persönlich bei der BAMF-Außenstelle zu stellen, die der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) zugeordnet ist, in der die antragstellende Person während des früheren Asylverfahrens wohnen musste (§ 71 Absatz 2 Satz 1 AsylG). Man sollte nicht unvorbereitet kommen, sondern am besten schon mit einem anwaltlichen Schriftsatz.
Prüfung und Entscheidung
Ein wesentlicher Unterschied zum „normalen“ Asylantrag besteht darin, dass die Prüfung des Folgeantrags zweistufig aufgebaut ist. Auf „Stufe 1“ prüft das BAMF zunächst, ob die antragstellende Person überhaupt neue asylrelevante Gründe darlegt (sog. Wiederaufgreifensgründe § 51 Absätze 1 bis 3 VwVfG). Die Darlegung erfolgt schriftlich oder in einer mündlichen Anhörung (§ 29 Absatz 2, § 71 Absatz 3 AsylG, Dienstanweisung Asyl BAMF) – ein weiterer Grund für eine vorherige Beratung. Verneint das BAMF asylrelevantes neues Vorbringen, wird der Asylantrag als unzulässig abgelehnt (§ 29 Absatz 1 Nummer 5 AsylG). Bis zur Entscheidung ist die Person aber vor einer Abschiebung geschützt (§ 71 Absatz 5 Satz 2 AsylG). Eine Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung. Verbindet das BAMF die Unzulässigkeitsentscheidung mit einer Abschiebungsandrohung, kann hiergegen innerhalb einer Woche ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden (§ 80 VwGO). Bis zur Entscheidung verbietet das Gesetz eine Abschiebung. Erlässt das BAMF keine Abschiebungsandrohung, kann eine Abschiebung ebenfalls nur per Eilantrag (§ 123 VwGO) verhindert werden. Hier gibt es aber keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, welche die Abschiebung während des laufenden Eilverfahrens untersagt. Erkennt das BAMF eine relevante Veränderung der Situation an, geht es auf „Stufe 2“ in einer ganz „normalen“ inhaltlichen Asylprüfung weiter. Erst auf der zweiten Stufe erhält die antragstellende Person wieder eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung; auf „Stufe 1“ erhalten die Personen dagegen regelmäßig nur eine Duldung.
Auch während eines Wiederaufgreifensverfahrens besteht in Baden-Württemberg Abschiebungsschutz (VGH BW Beschluss vom 29.05.2017, Aktenzeichen: 11 S 2493/16). Rücksprache sollte mit dem für Abschiebungen zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe trotzdem gehalten werden, sodass auch tatsächlich keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet werden.
Besonderheiten bei einer Wiedereinreise
Reiste eine Person zwischenzeitlich aus oder wurde abgeschoben und stellt bei einer erneuten Einreise ins Bundesgebiet einen Asylantrag, so wird dieser immer als Asylfolgeantrag gewertet. Wiedereingereiste Personen unterliegen grundsätzlich während ihres Asylfolgeverfahrens einer Wohn- und Residenzpflicht in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Wiederaufgreifensantrag gestellt wird – hier sollte vorab unbedingt anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden, damit man nicht gegen den eigenen Willen ins Asylfolgeverfahren gedrängt wird.
Weitere Informationen:
- Berlin-hilft, Oktober 2021: Afghanistan: Folgeantrag – Wann, wie & für wen?
- Kirsten Eichler, Oktober 2018: Der Asylfolgeantrag – Zu den Voraussetzungen für die erneute Prüfung von Asylanträgen und zum Ablauf des Folgeverfahrens (Achtung: Dreimonatsfrist gilt nicht mehr, sonst weiterhin hilfreiche Broschüre)