Grundlagen

Asylfolgeantrag

Stellt eine Person nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags in Deutschland erneut einen Asylantrag, so gilt dieser in der Regel als Asylfolgeantrag (§ 71 AsylG). Seit der Entscheidung über den ersten Antrag können sich Umstände geändert haben, die eine neue Beurteilung des Falles erfordern. Für vollziehbar ausreisepflichtige Personen kann deshalb ein Asylfolgeantrag eine sinnvolle Option sein, doch noch einen Schutzstatus zu erhalten. In manchen Konstellationen kann es zielführender sein, anstelle eines Asylfolgeantrags einen sog. Wiederaufgreifensantrag zu stellen.

I. Wichtige Begriffe
II. Antragstellung
III. Prüfung und Entscheidung
IV. Folgeantrag nach Wiedereinreise
V. Weiterführende Arbeitshilfen

I. Wichtige Begriffe

Was ist ein Asylfolgeantrag?

Wenn man in der Vergangenheit bereits einen Asylantrag in Deutschland gestellt hat und dieser endgültig abgelehnt oder zurückgenommen wurde, bewertet das BAMF einen weiteren Asylantrag als Asylfolgeantrag. Im Asylfolgeverfahren können gegenüber dem Erstverfahren veränderte Umstände geltend gemacht werden.

In einem Asylfolgeverfahren werden alle Schutzstatus umfassend geprüft: Die Asylberechtigung nach Artikel 16a Absatz 1 GG, die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG, der subsidiäre Schutz gemäß § 4 AsylG und das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG (>> Anerkennungsformen).

Was ist ein Wiederaufgreifensantrag?

Es besteht die Möglichkeit, den Folgeantrag auf die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG zu beschränken. Dann handelt es sich um einen sog. Wiederaufgreifensantrag. Ein solcher Antrag kann z.B. dann sinnvoll sein, wenn sich die Gefährdung aus einer physischen oder psychischen Erkrankung oder aus einer sonstigen Gefahr ergibt, die nicht die Kriterien für die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes oder subsidiären Schutzes erfüllt.

Was sind Wiederaufgreifensgründe?

Das Asylverfahren wird nur dann wieder aufgerollt, wenn es gegenüber dem Erstverfahren veränderte Umstände gibt. Diese Gründe nennt man Wiederaufgreifensgründe (§ 51 Absatz 1 VwVfG). Dazu gehören insbesondere folgende Fallgruppen:

  • Neue Beweismittel sind aufgetaucht, die im vorherigen Verfahren noch nicht vorgelegt werden konnten. Das können z.B. Dokumente sein, die eine Verfolgung belegen (z.B. Haftbefehle) oder erstmalige oder aussagekräftigere Atteste über eine Erkrankung.
  • Die Situation im Herkunftsland hat sich im Vergleich zum ersten Asylantrag verändert (z.B. durch einen Regimewechsel) mit der Folge, dass im Falle einer Rückkehr nun Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden drohen würde.
  • Es gibt Veränderungen, die in der antragstellenden Person begründet liegen, beispielsweise ein neues/verstärktes exilpolitisches Engagement oder eine im Herkunftsland nicht behandelbare schwerwiegende/lebensbedrohliche Erkrankung, die sich bei einer Rückkehr wesentlich verschlechtern würde.

Exkurs: Was ist ein Zweitantrag?

Ein Folgeantrag wird als Zweitantrag (§ 71a AsylG) gewertet, wenn eine Person, die bereits erfolglos ein Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin III-Verordnung durchlaufen hat, einen Asylantrag in Deutschland stellt. Ein solcher ist nur dann erfolgreich, wenn Deutschland nach der Dublin-III-Verordnung für seine Prüfung zuständig ist und zusätzlich Gründe für ein weiteres Verfahren wie beim Folgeantrag vorliegen (>> Das Dublin-Verfahren).

II. Antragstellung

Wie und wo stellt man einen Asylfolgeantrag oder Wiederaufgreifensantrag? Gibt es dafür Fristen?

Früher gab es beim Asylfolgeantrag eine Frist von drei Monaten ab Kenntnisnahme der veränderten Umstände (§ 51 Absatz 3 VwVfG). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jedoch am 9.9.2021 entschieden, dass die Behörden einen Folgeantrag nicht ablehnen dürfen, weil er nicht innerhalb einer bestimmten Frist gestellt wurde (C-18/29). Die Dreimonatsfrist muss folglich nicht mehr eingehalten werden. Der Asylfolgeantrag ist grundsätzlich persönlich bei der BAMF-Außenstelle zu stellen, die der Erstaufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der die antragstellende Person während des früheren Asylverfahrens wohnen musste (§ 71 Absatz 2 Satz 1 AsylG).

Für die Stellung eines Wiederaufgreifensantrags gilt die Dreimonatsfrist weiterhin. Veränderte Umstände müssen also innerhalb von drei Monaten ab Kenntnisnahme derselben geltend gemacht werden. Wurde in der Vergangenheit ein Asylantrag gestellt, wird der Wiederaufgreifensantrag beim BAMF gestellt, das auch für die Prüfung des Antrags zuständig ist. Wurde zuvor nur ein isolierter Antrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 25 Absatz 3 AufenthG) bei der Ausländerbehörde gestellt, muss der Antrag schriftlich oder persönlich bei der Ausländerbehörde gestellt werden, die dann wiederum intern das BAMF beteiligt.

Was sollte man vor Folgeantragsstellung tun?

Ein Folgeantrag sollte immer intensiv mit einer Beratungsstelle oder mit einem Anwalt*einer Anwältin vorbereitet werden. In diesem Zusammenhang sollten u.a. folgende Fragen geklärt werden:

  • Ist das vorangegangene Verfahren wirklich komplett abgeschlossen?
  • Gibt es im Vergleich zum Asylerstverfahren veränderte Umstände?
  • Haben sich persönliche Umstände im Vergleich zum Asylerstverfahren stark geändert?
  • Falls die für den beabsichtigten Folgeantrag ausschlaggebenden Gründe im Erstverfahren schon vorlagen: Warum hat man sie nicht bereits im Erstverfahren geltend gemacht (auch im Erstverfahren bereits bestehende und nicht vorgetragene Gründe können laut EuGH im Folgeantragsverfahren berücksichtigt werden, wenn die Person sie unverschuldet nicht früher geltend machen konnte)?
  • Ist es im vorliegenden Fall sinnvoller, einen Asylfolgeantrag oder einen Wiederaufgreifensantrag zu stellen?

Idealerweise lässt man sich vor Antragstellung nicht nur beraten, sondern beauftragt auch einen Anwalt*eine Anwältin, die Gründe für den Folgeantrag schriftlich festzuhalten. Dies ist deshalb sinnvoll, weil der Folgeantrag begründet werden muss und im anschließenden Verfahren in bestimmten Fällen von einer persönlichen Anhörung abgesehen werden kann (§ 71 Absatz 3 AsylG, § 29 Absatz 2 AsylG). Das vom Anwalt*von der Anwältin verfasste Schreiben kann man dann zur Folgeantragstellung mitbringen. Spätestens wenn man gegen die Ablehnung des Folgeantrags vorgehen möchte, benötigt man unbedingt einen Anwalt*eine Anwältin für die Erhebung von Klage und Eilantrag.

III. Prüfung und Entscheidung

Ein wesentlicher Unterschied zum „normalen“ Asylantrag besteht darin, dass die Prüfung des Asylfolgeantrags zweistufig aufgebaut ist (für Informationen zum Verfahren beim Wiederaufgreifensantrag siehe Broschüre zum Asylfolgeantrag S. 75-77).

Was passiert auf Stufe 1 des Prüfverfahrens?

Auf „Stufe 1“ prüft das BAMF zunächst, ob es Wiederaufgreifensgründe gibt. Während des Prüfverfahrens auf dieser Stufe haben die betroffenen Personen regelmäßig nur eine Duldung. Bis zur Entscheidung über das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen ist die den Folgeantrag stellende Person vor einer Abschiebung geschützt (§ 71 Absatz 5 Satz 2 AsylG).

Verneint das BAMF das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen, wird der Asylantrag als „unzulässig“ abgelehnt (§ 29 Absatz 1 Nummer 5 AsylG). Ist das der Fall, tritt die Person nicht in Stufe 2 des Verfahrens ein.

Welche Rechtsmittel gegen den ablehnenden Bescheid möglich sind und welche Wirkung diese entfalten, hängt davon ab, ob die negative Entscheidung mit einer erneuten Abschiebungsandrohung einhergeht, das sollte der Anwalt*die Anwältin wissen.

Wichtig: In bestimmten Fällen wird die Abschiebung aus dem früheren Verfahren sofort vollziehbar. Das bedeutet, dass die Abschiebung sofort nach der Unzulässigkeitsentscheidung möglich ist.

Was passiert auf Stufe 2 des Prüfverfahrens?

Bejaht das BAMF das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen, geht es auf „Stufe 2“ mit einer ganz „normalen“ inhaltlichen Asylprüfung weiter (>> Das Asylverfahren). Erst auf dieser zweiten Stufe erhält die antragstellende Person eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung.

IV. Folgeantrag nach Wiedereinreise

Reiste eine Person zwischenzeitlich aus oder wurde abgeschoben und stellt bei einer erneuten Einreise ins Bundesgebiet einen Asylantrag, so wird dieser immer als Asylfolgeantrag gewertet. Dies kann mit Nachteilen einhergehen, z.B. entsteht wieder eine Wohnpflicht in der Erstaufnahmeeinrichtung. Insbesondere wenn beabsichtigt wird, einen Wiederaufgreifensantrag zu stellen, sollte vorab unbedingt anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden, damit man nicht gegen den eigenen Willen ins Asylfolgeverfahren gedrängt wird.

V. Weiterführende Arbeitshilfen