Der erste Schritt zum Stellen eines Asylantrags ist die Abgabe eines Asylgesuchs. In der Regel erfolgt dies in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Damit ist der Asylantrag allerdings noch nicht gestellt, dafür gibt es einen separaten Termin. Danach wird die antragstellende Person zu einer persönlichen Anhörung eingeladen. Die dort gemachten Angaben sind entscheidend für den Ausgang des Asylverfahrens.
Im folgenden Artikel wird in aller Kürze der Ablauf des Asylverfahrens dargestellt. Für Hinweise, wie ehrenamtlich Engagierte asylsuchende Personen während des Asylverfahrens unterstützen können, sei auf den Beitrag >> Begleitung im Asylverfahren verwiesen.
I. Das Asylgesuch
II. Die Asylantragstellung
III. Die Anhörung
IV. Exkurs: Folgeantrag
V. Die Entscheidung
VI. Weitere Informationen
I. Das Asylgesuch
Der erste Schritt im Asylverfahren ist die Abgabe des sog. Asylgesuchs. Hierbei handelt es sich nicht um einen formellen Akt, sondern lediglich um die Mitteilung, dass man Asyl beantragen will. Das Asylgesuch kann bei einer Polizeidienststelle, Grenzbehörde, Ausländerbehörde oder direkt in einer Aufnahmeeinrichtung für Asylsuchende gestellt werden.
Wenn das Asylgesuch nicht in einer Erstaufnahmestelle geäußert wurde, muss man sich unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, in eine Erstaufnahmeeinrichtung begeben. Als Richtwert gilt hier ein Zeitraum von ein bis zwei Wochen. Im Einzelfall kann aber auch ein etwas längerer Zeitraum noch als unverzüglich gelten, wenn die Person, z.B. wegen einer Krankheit, am Aufsuchen der Erstaufnahmestelle verhindert war.
Wichtig: Personen die neu in Deutschland sind und einen Asylantrag stellen wollen, sollten sich so bald wie möglich von einer unabhängigen Beratungsstelle zur anstehenden Anhörung beraten lassen. Denn zwischen dem Stellen des Asylgesuchs und der Anhörung ist häufig nur wenig Zeit.
Nach Stellen des Asylgesuchs in einer Erstaufnahmeeinrichtung erhält man ein erstes Dokument. In der Regel ist dies der sog. Ankunftsnachweis (Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender) (§ 63a AsylG).
II. Die Asylantragstellung
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist für Asylanträge zuständig. Der Asylantrag wird in der Regel in einer BAMF-Außenstelle in der Erstaufnahmeeinrichtung gestellt (§ 14 Absatz 1 AsylG). Nach der Registrierung bzw. dem Asylgesuch erhält die Person, die einen Asylantrag stellen möchte, einen Termin bei der Außenstelle des BAMF, um dies zu tun. Beim Termin zur Antragsstellung werden die Geflüchteten mithilfe von Dolmetscher*innen über ihre Rechte und Mitwirkungspflichten im Asylverfahren informiert.
Die wichtigste Mitwirkungspflicht ist die Bekanntgabe der jeweils aktuellen Adresse an das BAMF. Falls noch nicht zuvor geschehen, werden bei der Asylantragstellung die persönlichen Daten der Asylsuchenden erhoben, sie werden fotografiert und von Personen ab 14 Jahren werden auch Fingerabdrücke genommen. Die Menschen werden auch gefragt, auf welchem Weg bzw. auf welcher Route sie nach Deutschland gekommen sind. Dies tut man, um herauszufinden, ob ein anderes europäisches Land im Rahmen der Dublin-Verordnung für die asylsuchende Person zuständig ist (>> Das Dublin-Verfahren).
Nach der Asylantragstellung erhält der*die Asylsuchende die sog. Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG). Dieses Dokument besagt, dass die Person sich rechtmäßig in Deutschland zum Zweck der Durchführung des Asylverfahrens aufhält. Manchmal wird das Dokument erst einige Zeit nach der Antragsstellung ausgehändigt, der Status entsteht aber unabhängig vom Besitz des Dokuments.
Für unverheiratete Kinder unter 18 Jahren wird automatisch ein Asylverfahren eingeleitet, wenn die Eltern einen Asylantrag stellen und die Kinder mit ihren Eltern gemeinsam einreisen oder sich bereits ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhalten (§ 14a Absatz 1 AsylG). Auch für Kinder unter 18 Jahren, die später nachkommen, oder für Kinder, die in Deutschland geboren werden, wird automatisch ein Asylverfahren eingeleitet – auch dann, wenn die Eltern bereits eine Ablehnung im Asylverfahren erhalten haben. Es besteht die Möglichkeit, auf die Durchführung eines Asylverfahrens für die Kinder zu verzichten.
Nachdem der Asylantrag gestellt wurde, prüft das BAMF im Rahmen des Dublin-Verfahrens, ob ein anderer Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Ausführliche Informationen hierzu sind unter >> Das Dublin-Verfahren zu finden.
Weitere Informationen:
- Informationsverbund Asyl & Migration, Juni 2022: Die Rechte und Pflichten von Asylsuchenden. Aufenthalt, soziale Rechte und Arbeitsmarktzugang während des Asylverfahrens
III. Die Anhörung
Welche Bedeutung hat die Anhörung?
Der mit Abstand wichtigste Bestandteil des Asylverfahrens ist die Anhörung beim BAMF. Die Anhörung findet in aller Regel in einer BAMF-Außenstelle statt, § 25 Absatz 7 AsylG sieht jedoch seit 1.1.2023 vor, dass sie ausnahmsweise auch per Video erfolgen kann. Zur Anhörung wird die asylsuchende Person schriftlich geladen. Kann der Termin aus triftigen Gründen nicht wahrgenommen werden, kann um eine Verlegung gebeten werden. Falls die Person unentschuldigt der Anhörung fernbleibt, wird der Asylantrag abgelehnt oder das Verfahren eingestellt.
In der Anhörung bekommen Asylbewerber*innen die Gelegenheit, die Gründe für ihre Flucht ausführlich und detailliert darzulegen. Das Vorbringen in der Anhörung stellt häufig die einzige Grundlage für die Entscheidung des Bundesamts dar, wobei (Übersetzungs-)Fehler und Missverständnisse im Nachhinein schwer korrigierbar sind und bis in ein mögliches Gerichtsverfahren fortwirken können. Das Vorbringen der asylsuchenden Person muss glaubhaft sein; daher kommt es darauf an, das Erlebte möglichst detailreich und authentisch zu schildern. Sehr zu warnen ist vor vermeintlich erfolgreichen erdachten Fluchtgeschichten, die in Geflüchtetenkreisen manchmal kursieren. Selbst kleine Unstimmigkeiten oder Widersprüche können nämlich dazu führen, dass dem gesamten Vortrag des geflüchteten Menschen kein Glauben geschenkt wird und somit eine Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ – die „schlechteste“ Form der Ablehnung – ergeht (>> Ablehnungsformen).
Für Geflüchtete stellt die Anhörung oftmals eine Extremsituation dar – nicht nur aufgrund des Wissens um die Bedeutung für das eigene Asylverfahren. Häufig haben die Menschen auch schlechte Erfahrungen im Umgang mit Behörden gemacht und verhalten sich deshalb zurückhaltend oder ängstlich während der Anhörung. Dies kann dazu führen, dass auf Fragen nur sehr knapp geantwortet wird und möglichem Drängen der anhörenden Person auf einen schnellen Abschluss der Anhörung nachgegeben wird. Dies ist jedoch alles andere als zielführend, da gerade in der Anhörung alle wesentlichen Fluchtgründe vorgebracht werden müssen. Auch stellt die Anforderung, über traumatische Erlebnisse sprechen zu müssen, für viele Menschen eine hohe Hürde dar.
Was ist im Vorfeld der Anhörung zu organisieren?
Die Anhörungen sind meist auf 8 Uhr morgens terminiert. Je nachdem, von welchem Ort aus die Anreise erfolgt, kann es ggf. sinnvoll sein, am Vorabend anzureisen und zu übernachten.
Wenn es aus wichtigen Gründen nicht möglich ist, so früh vor Ort zu sein, kann man versuchen, mit dem BAMF einen späteren Termin auszumachen.
Die asylsuchende Person muss pünktlich vor Ort sein, es kann aber sein, dass sie lange darauf warten muss, dass ihre Anhörung beginnt. Daher sollte man ausreichend Essen und Trinken mitbringen.
Für besonders schutzbedürftige Geflüchtete (z.B. unbegleitete Minderjährige, Folteropfer, Betroffene von Menschenhandel) gibt es speziell geschulte Entscheider*innen, die sog. Sonderbeauftragten. Diese können beim BAMF im Vorfeld der Anhörung angefordert werden. Zudem ist es Menschen, die geschlechtsspezifische Verfolgung erlitten haben, oftmals nicht möglich, das Erlebte gegenüber Vertreter*innen des anderen Geschlechts zu erzählen. In solchen Fällen können weibliche oder männliche Dolmetscher*innen beantragt werden.
Wer nimmt an der Anhörung teil?
Die Anhörungen sind nicht öffentlich. Es können aber ein Rechtsanwalt*eine Rechtsanwältin sowie ein*e Vertreter*in des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und bei unbegleiteten Minderjährigen deren Vormund teilnehmen. Eine weitere Vertrauensperson – z.B. ein*eine ehrenamtlich Engagierte*r – kann als sog. Beistand*Beiständin (§ 14 VerwVfG) teilnehmen, dies sollte aber vorher beim BAMF angezeigt werden (für genauere Informationen >> Begleitung im Asylverfahren).
Wie läuft die Anhörung ab?
Die Anhörung findet in der Muttersprache des*der Antragsstellenden statt oder in einer anderen Sprache, die die Person beherrscht. Das BAMF stellt dann eine*einen Dolmetscher*in für die entsprechende Sprache. Bei Vorbehalten in Bezug auf die*den Dolmetscher*in oder bei Verständnisproblemen (z.B. weil die*der Dolmetscher*in einen anderen Dialekt spricht), sollte die antragstellende Person ihre Einwände zu Protokoll geben und eine andere dolmetschende Person verlangen. Zur Not muss die Anhörung vertagt werden.
Bei der Anhörung werden in der Regel Fragen zur Person, zum Herkunftsland und zum Fluchtweg gestellt. Anschließend wird die Person aufgefordert, ihre individuellen Fluchtgründe zu schildern und zu erläutern, was ihr im Falle einer Rückkehr ins Heimatland drohen würde. Hier steht das eigene Fluchtschicksal im Vordergrund. Die Erlebnisse von Angehörigen oder die allgemeine politische Situation im Heimatland können zur Veranschaulichung herangezogen werden, dabei sollte jedoch beschrieben werden, inwiefern dies in Zusammenhang mit der asylsuchenden Person selbst steht.
Der*die Antragsteller*in hat das Recht, alles vorzutragen, was ihm*ihr relevant erscheint. Anhörende und dolmetschende Person dürfen nicht darauf drängen, sich auf kurze Antworten zu beschränken oder Fragen nur mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten.
Wichtig: Die Schilderungenwerden ins Deutsche übersetzt und protokolliert. Die antragstellende Person hat das Recht, sich das Protokoll am Ende der Anhörung in die eigene Sprache rückübersetzen zu lassen. Sie bekommt so Gelegenheit, das Gesagte noch während der Anhörung zu ergänzen oder richtigzustellen. Da dies die einzige Möglichkeit darstellt, Fehldarstellungen zu korrigieren, sollte nicht auf die Rückübersetzung verzichtet werden. Schließlich wird dem*der Asylsuchenden das Protokoll zur Unterschrift vorgelegt. Wenn weiterhin Fehler darin enthalten sind und keine Änderung erfolgt, sollte das Protokoll nicht unterzeichnet werden.
Welche weiteren Rechte haben geflüchtete Menschen bei der Anhörung?
Neben der vom BAMF gestellten dolmetschenden Person können Asylantragsteller*innen die Anwesenheit eines*einer zusätzlichen Dolmetscher*in beim BAMF beantragen. Er*sie kann unter Umständen auf Übersetzungsfehler hinweisen und/oder die Übersetzer*innen des BAMF unterstützen.
In einigen Fällen kommt es vor, dass geflüchtete Menschen gehemmt sind, die von ihnen erfahrene Verfolgung detailliert zu schildern. Grund hierfür kann die Angst sein, Angehörige im Heimatland könnten durch die eigene Aussage zu Schaden kommen. Grundsätzlich dürfen die beim BAMF zu Protokoll gegebenen Informationen nicht herausgegeben werden. Bestehen dennoch entsprechende Befürchtungen, so sollten diese im Interview zumindest geäußert und ins Protokoll aufgenommen werden.
Die Anhörung kann im Notfall jederzeit unterbrochen oder abgebrochen und an einem anderen Tag fortgeführt werden. Dies ist insbesondere dann ratsam, wenn aufgrund von Retraumatisierung eine psychische Dekompensation droht.
Weitere Informationen:
- Informationsverbund Asyl & Migration, Januar 2023: Anhörung
- Asyl in Deutschland, Film: „Die Anhörung“
IV. Exkurs: Folgeantrag
Hat man bereits einen Asylantrag in Deutschland gestellt, der entweder zurückgenommen oder unanfechtbar abgelehnt worden ist, so ist jeder weitere Asylantrag ein so genannter Folgeantrag (§ 71 AsylG). In diesem Fall prüft das BAMF zunächst, ob es Gründe gibt, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtfertigen (Details unter >> Asylfolgeantrag).
V. Die Entscheidung
Auf Basis der bei der Anhörung gemachten Angaben und der vorliegenden Dokumente und Beweismittel entscheidet das Bundesamt über den Asylantrag. Dabei gilt das Einzelschicksal als maßgeblich. Die Entscheidung wird schriftlich begründet und den Beteiligten, also dem*der Antragsteller*in oder Verfahrensbevollmächtigten, sowie den zuständigen Ausländerbehörden mitgeteilt. Im Falle einer Ablehnung im Asylverfahren, sind die Rechtsmittelfristen sehr kurz, daher sei an dieser Stelle nochmals auf die Pflicht des*der Asylsuchenden, dem BAMF die jeweils aktuelle Adresse mitzuteilen, verwiesen.
Bei jedem Asylantrag prüft das Bundesamt auf Grundlage des Asylgesetzes, ob eine der vier Schutzformen – Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – vorliegt. Nur wenn keine dieser Schutzformen in Frage kommt, wird der Antrag abgelehnt und eine Abschiebung angedroht. Unterschieden wird zwischen einer „einfachen“ Ablehnung und einer Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ oder „unzulässig“. Über die Anerkennung oder Ablehnung eines Asylantrages und die sich daraus ergebenen Konsequenzen informieren die Beiträge >> Ablehnungsformen und >> Anerkennungsformen.
Das Bundesamt muss grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten über den Asylantrag entscheiden, in bestimmten Fällen ist eine Verlängerung der Frist möglich (§ 24 Absatz 4 AsylG).
VI. Weiterführende Arbeitshilfen
- Informationsverbund Asyl & Migration, August 2020: Das Asylverfahren. Ablauf des Verfahrens, Fallbeispiele, weiterführende Informationen
- Der Paritätische, November 2021 Grundlagen des Asylverfahrens
- BAMF, Mai 2021: Broschüre „Informationen zum Asylverfahren. Ihre Rechte und Pflichten“ in sechs Sprachen und Film