Beschäftigungsduldung: Härtefallantrag als Möglichkeit zur Überbrückung der 12-monatigen Vorduldungszeit

Immer wieder stehen Geflüchtete und ihre Unterstützer*innen vor dem Problem, dass die Betroffenen alle Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung erfüllen, außer der zwölfmonatigen Vorduldungszeit. Ist dies der Fall, sollen geduldete Geflüchtete und ihre Unterstützer*innen unbedingt einen Härtefallantrag bei der Härtefallkommission stellen, damit keine Abschiebung erfolgt während die zwölf Monate „ablaufen“.

Die Landesregierung hat eindeutig darauf verwiesen, dass Härtefallanträge genutzt werden sollen, damit gut integrierte Geflüchtete, die lediglich noch keine zwölf Monate in Duldung sind, eine Chance auf die Beschäftigungsduldung erhalten, ohne vorher abgeschoben zu werden. Hintergrund ist, dass eine Person, für die ein Härtefallantrag gestellt wurde, nicht abgeschoben wird (§ 5 Härtefallkommissionsverordnung BW). Bei der Stellung eines Härtefallantrags muss in dieser Konstellation dargelegt werden, dass alle Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung erfüllt sind (siehe Checkliste unten).

Laut der Landesregierung soll die Überbrückung der zwölfmonatigen Vorduldungszeit durch den Härtefallantrag nur für Personen gelten, die bis zum 29. Februar 2016 in das Bundesgebiet eingereist sind (Siehe Antrag Landtag BW, S. 3f.). Der Flüchtlingsrat rät aber auch allen anderen Betroffenen, einen Härtefallantrag zu stellen. Denn als Anwärter*innen für Beschäftigungsduldungen sind sie gut integriert und diese Integrationsleistungen sollten bei der Härtefallkommission angeführt werden. Es reicht hier aber nicht darauf hinzuweisen, dass alle anderen Voraussetzungen für die Beschäftigungsduldung erfüllt sind. Wie lange das Härtefallverfahren bei Personen dauert, die eben erst nach dem 29.2.2016 einreisten, ist zwar unklar, aber womöglich erhalten sie über das Verfahren eine Aufenthaltserlaubnis oder können ebenso die zwölf Monate überbrücken.

In der Praxis gibt es besonders häufig Probleme bei der Erfüllung zwei weiterer Voraussetzungen: Der Identitätsklärung und dem Nachweis der mündlichen Deutschkenntnisse.

Die Identitätsklärung ist eine wichtige Voraussetzung für die Beschäftigungsduldung und für die Arbeitserlaubnis. Viele Geflüchtete haben Angst, ihre Identität zu klären, da dann u.U. Abschiebungen wahrscheinlicher sind. Für Kandidat*innen auf Beschäftigungsduldungen ist es aber unbedingt notwendig, die Identität rechtzeitig (in den jeweiligen Fristen des § 60d Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) zu klären, damit sie eine Beschäftigungsduldung bekommen können. Sollte also lediglich die zwölfmonatige Vorduldungszeit noch nicht erfüllt sein, sollten Betroffene schnell ihre Identität klären und einen Härtefallantrag stellen.

Eine weitere Voraussetzung sind mündliche Sprachkenntnisse auf A2-Niveau. Können die Sprachkenntnisse nicht durch ein Zertifikat nachgewiesen werden, ist aber eine mündliche Verständigung ohne Dolmetscher*in auf der Ausländerbehörde möglich, ist dieses Kriterium erfüllt und ein Antrag kann gestellt werden. In diesen Fällen kontaktiert die Härtefallkommission die Ausländerbehörde vor Ort und bittet sie in einem Gespräch die Deutschkenntnisse zu prüfen (siehe Anwendungshinweise BMI, Dez. 2019, 60d.1.6.).

Checkliste:

  1. Identitätsklärung
    • bei Einreise in das Bundesgebiet bis zum 31. Dezember 2016 und am 1. Januar 2020 vorliegenden Beschäftigungsverhältnis nach Absatz 1 Nummer 3 bis zur Beantragung der Beschäftigungsduldung oder
    • bei Einreise in das Bundesgebiet bis zum 31. Dezember 2016 und am 1. Januar 2020 nicht vorliegenden Beschäftigungsverhältnis nach Absatz 1 Nummer 3 bis zum 30. Juni 2020 oder
    • bei Einreise in das Bundesgebiet zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 1. August 2018 spätestens bis zum 30. Juni 2020;
    • ODER: Ergreifung aller erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen in der jeweiligen genannten Frist und Identitätsklärung nach der Frist
  2. Seit 12 Monaten in Duldung
  3. Seit 18 Monaten in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung über 35 Stunden pro Woche (Alleinerziehende: 20 Stunden pro Woche)
  4. Seit 12 Monaten und aktuell Lebensunterhaltssicherung
  5. Mündliche Deutschkenntnisse auf A 2 Niveau
  6. Keine Straftaten (Ausnahme: ausländerrechtliche Straftaten über max. 90 Tagessätzen)  
  7. Keine Bezüge zu/Unterstützung von extremistischen oder terroristischen Organisationen
  8. Keine Ausweisungsverfügung und keine Abschiebungsanordnung nach § 58a
  9. Nachweis Schulbesuch minderjähriger Kinder, keine Verurteilung der Kinder wegen best. Straftaten
  10. Erfolgreicher Abschluss eines Integrationskurses, wenn Verpflichtung vorlag oder Abbruch war unverschuldet

Zur deutschen Reaktion auf Moria: „Bei einer Naturkatastrophe wären die Rettungsflieger jetzt schon in der Luft“

PRO ASYL kritisiert die Reaktionen der Bundesregierung auf die Katastrophe von Moria. Die CDU/ CSU solle ihre festgefahrenen Positionen verändern, weder Schweigen noch der Verweis auf die Notwendigkeit einer europäischen Lösung seien angebracht. Vielmehr sei ein konzertierter europäischer Rettungsplan, die sofortige Evakuierung der Flüchtlinge und die Aufnahme in Deutschland und anderen europäischen Staaten notwendig. PRO ASYL befürwortet die derzeitige politische Diskussion für die Aufnahme Schutzsuchender. Es müssten jedoch deutlich mehr als die bisher diskutierten 2.000 Geflüchteten aufgenommen werden.

Die vollständige Pressemitteilung finden Sie hier. Außerdem verfassten 12 Organisationen einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel hinsichtlich der notwendigen Katastrophenhilfe nach dem Brand in Moria.


Übersicht relevanter Arbeitshilfen: Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung und Identitätsklärung

Häufig hängen die Erlaubnis einer Erwerbstätigkeit, die Ausstellung und Verlängerung einer Ausbildungsduldung oder Aufenthaltserlaubnis von der Mitwirkung bei der Passbeschaffung ab. Gleichzeitig kann die Vorlage eines Passes eine Abschiebung ermöglich. Das Thema Passbeschaffung und Identitätsklärung ist somit zunehmend zentraler Bestandteil der Beratungspraxis.

Daher hat der Bundesfachverband umF eine Übersicht relevanter Arbeitshilfen zum Thema Passbeschaffung und Identitätsklärung erstellt. Neben themenspezifischen Infoblätter, Rechtsgutachten und Videovorträgen verweist die Sammlung auf folgende Arbeitshilfen:


Zahl der Ausweisungen in Baden-Württemberg überproportional hoch

Knapp ein Drittel aller in Deutschland verfügten Ausweisungen entfielen im Jahr 2019 auf Baden-Württemberg (2019: 3540). Auch im Vorjahr wies das Bundesland bereits überproportional hohe Zahlen an Ausweisungen auf (2018: 1.589). Insgesamt haben die deutschen Behörden in den vergangenen Jahren immer mehr sogenannte Ausweisungsverfügungen gegen Ausländer*innen erlassen. Eine Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linken verdeutlicht, dass sich die Zahl entsprechender Anordnungen von 2015 (3.604) auf 2017 (7.374) mehr als verdoppelt hat. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Voraussetzungen für eine Ausweisung vor dem Hintergrund der Ereignisse der Kölner Silvesternacht herabgesetzt wurden. Ausweisungen werden typischerweise gegen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die straffällig geworden sind, verfügt. Diese verlieren dann ihr Aufenthaltsrecht und erhalten eine Wiedereinreisesperre, da sie nach Einschätzung des Staates eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen. Dadurch erfahren die Ausländer*innen eine Doppelbestrafung, denn es droht ihnen nicht nur die Strafverfolgung, sondern auch die Abschiebung. Für die Betroffenen kann eine Ausweisung schwerwiegende Folgen haben, häufig werden sie aus ihrem einzigen sozialen Umfeld gerissen. Dies ist vor allem der Fall, wenn die Ausweisung sich an Menschen mit unbefristetem Aufenthaltstitel richtet, die zum Teil seit Jahrzehnen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland hatten (mindestens ein Sechstel der Betroffenen). In den letzten Jahren wurden Ausweisungen außerdem zunehmend gegen Asylberechtigte, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte verfügt. Die meisten entsprechenden Anordnungen betreffen Männer im Alter von 27 bis 60 Jahren. Während die Betroffenen in früheren Jahren vor allem türkische Staatsbürger*innen waren, betraf zuletzt ein auffällig hoher Anteil der Ausweisungen Staatsangehörige der Ukraine, Albaniens und Serbiens.


Online-Fortbildung: Einführung in das Asylbewerbergesetz

Der Caritasverband für die Diözese Limburg e.V., die Diakonie Hessen e.V. und eine Reihe weiterer Veranstalter bieten im Rahmen der Fortbildungsreihe „Qualifizierter mit Flüchtlingen arbeiten“ eine Online Fortbildung zum Asylbewerberleistungsgesetz an. Die kostenfreie Veranstaltung richtet sich an Einsteiger*innen und behandelt die Grundlagen der Leistungsgewährung, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt, Kürzungstatbestände im Überblick und vieles mehr.


BVerwG: Asylverfahren nachgeborener Kinder von Geflüchteten mit Schutzberechtigung in anderen EU-Staaten

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 23.06.2020 (1 C 37.19) entschieden, dass Deutschland bei fehlendem Aufnahmegesuch nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags eines in Deutschland geborenen Kindes zuständig ist, auch wenn den Eltern bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat internationaler Schutz gewährt wurde. Der Mitgliedstaat, in dem ein nachgeborenes Kind seinen Asylantrag gestellt hat, sei verpflichtet, binnen der in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO genannten Fristen den Mitgliedstaat, der den Eltern internationalen Schutz gewährt hat, um die Aufnahme des Kindes zu ersuchen. Werden diese Fristen nicht eingehalten, so dürfe der Asylantrag des nachgeborenen Kindes auch nicht unter Verweis auf den Schutzstatus der Eltern im anderen Mitgliedstaat der EU nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt werden.


Digitale Endgeräte für Schüler*innen: Informationen und Hilfen zur Beantragung

Prinzipiell sollten Schulen in Baden-Württemberg durch das Sofortausstattungsprogramm des Bundes in der Lage sein, allen Schüler*innen digitale Endgeräte als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Umsetzung dieser Zusatzvereinbarung des Digitalpakts noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird. Um die Teilnahme am digitalen Unterricht zeitnah zu ermöglichen könnte daher für Geflüchtete, die SGB-II-/SGB-XII-/AsylbLG-Leistungen beziehen, alternativ eine Beantragung finanzieller Zuschüsse für entsprechende Geräte bei den zuständigen Behörden sinnvoll sein. Der Flüchtlingsrats Niedersachen bietet auf seiner Internetseite Informationen und Musterschreiben zur Beantragung von Schulcomputer als sozialrechtlicher Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II. Wir ermutigen die Beantragung insbesondere für geflüchtete Kinder aus einkommensschwachen Haushalten.


Rechtsprechung: Anspruch auf Unterbringung in Einzelzimmern oder in einer eigenen Wohnung zu Zeiten der Covid-19-Pandemie

Zwei Verwaltungsgerichte haben entschieden, dass Geflüchtete einen Anspruch auf Unterbringung außerhalb von Mehrbettzimmern in Gemeinschaftsunterkünften haben können. Laut Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt Oder besteht gemäß § 53 Abs. 1 AsylG ein genereller Anspruch auf Einzelunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Die Unterbringung in Mehrbettzimmern stelle aufgrund einer möglichen Infizierung mit dem Coronavirus für Betroffene ein Gesundheitsrisiko dar. Laut Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam haben darüber hinaus Geflüchtete mit nachweisbar erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf im Falle einer Infektion mit dem Virus, Anspruch auf Wohnraum mit alleiniger Nutzung von Küche und Bad außerhalb von Sammelunterkünften. Geflüchtete, welche einer Risikogruppe angehören würden durch eine Unterbringung in Sammelunterkünften einer erheblichen gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt. Die Beschlüsse könnten im Einzelfall auch für Klagen von Geflüchteten in Baden-Württemberg relevant sein.


Globale Studie: Teilnahme von Geflüchteten gefragt

ApartTogether ist eine globale Studie mit dem Ziel, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Geflüchtete und Migrant*innen zu messen, um diese in Zukunft besser unterstützen zu können. In Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation und einem Konsortium verschiedener Forschungszentren wird die Studie von der Universität Gent und der Universität Kopenhagen geleitet. Um möglichst vielseitige Erfahrungen berücksichtigen zu können, ist die Teilnahme zahlreicher Geflüchteter erwünscht. Die Befragung ist in 37 Sprachen verfügbar.


Tipps für Termine bei Behörden

Das Projekt CoRa des Thüringer Flüchtlingsrates hat die Broschüre „Tipps für Termine bei Behörden – Cool bleiben“ verfasst. Der Handlungsleitfaden informiert zu den Rechten bei Behördenterminen und gibt niedrigschwellige Tipps, damit diese Termine erfolgreich verlaufen. Die Broschüre ist in Arabisch, Dari, Deutsch, Englisch und Französisch erhältlich.