Das Recht auf Akteneinsicht bei der Behörde

Viele Fragen rund um asyl- und aufenthaltsrechtliche Verfahren können über Akteneinsicht bei der zuständigen Behörde beantwortet werden. Dabei mag für manch eine*n überraschend sein, dass das Recht auf Akteneinsicht nicht nur von Rechtsanwält*innen geltend gemacht werden kann. Grund genug, sich im nachfolgenden Beitrag etwas näher mit dem Recht auf Akteneinsicht zu beschäftigen. Der Artikel soll zugleich Ermutigung sein, von diesem so wichtigen Recht zukünftig selbstbewusster und selbstverständlicher Gebrauch zu machen, als es bislang zu beobachten ist.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 3/2020 des Rundbriefes des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Dieser erscheint dreimal im Jahr in gedruckter Form und kann kostenfrei über die Website des Flüchtlingsrats bestellt werden. Wenn Sie Mitglied des Flüchtlingsrats sind, bekommen Sie den Rundbrief immer direkt nach dem Erscheinen per Post zugeschickt.


Digitale Fachtagung: Resettlement – ein Instrument des Flüchtlingsschutzes und der Solidarität

Der UNHCR, der Deutsche Caritasverband, die Caritasstelle im Grenzdurchgangslager Friedland und die Diakonie Deutschland laden zu einer digitalen Fachtagung Resettlement ein, die zwischen dem 5. Mai und dem 11. Mai 2021 in Form von drei Online-Veranstaltungen stattfindet. Das Programm findet sich hier. Eine Anmeldung bis zum 3. Mai ist hier möglich.


Interview „Der Pakt bedeutet kein Mehr an Europa“

Anfang September 2020 zerstörte ein Brand das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Zum Zeitpunkt der Katastrophe lebten über 12.000 Geflüchtete in dem Lager, obwohl es ursprünglich für gerade mal 2.800 Personen ausgelegt war. Unter anderem als Reaktion auf den Brand legte die EU-Kommission einen Reformvorschlag für die europäische Flüchtlingspolitik vor, den »New Pact on Migration and Asylum«. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat mit Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von Pro Asyl, über die Situation der Geflüchteten in Griechenland und die europäische Flüchtlingspolitik gesprochen.

Stella Hofmann und Lucia Grandinetti, in Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Rundbrief „perspektive“ 3/2020: Interview „Der Pakt bedeutet kein Mehr an Europa“

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 3/2020 des Rundbriefes des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Dieser erscheint dreimal im Jahr in gedruckter Form und kann kostenfrei über die Website des Flüchtlingsrats bestellt werden. Wenn Sie Mitglied des Flüchtlingsrats sind, bekommen Sie den Rundbrief immer direkt nach dem Erscheinen per Post zugeschickt


Dänemarks Asylpolitik ist kein Vorbild: Syrien ist nicht sicher!

Dänemarks Migrationsbehörde hat mittlerweile über 100 syrischen Geflüchteten den Schutztitel entzogen. Grundlage ist die falsche Behauptung, die Region Damaskus sei sicher. Dänische Recherchen offenbaren jetzt, dass die dänischen Lageberichte, die diese Behauptung stützen sollten, auf Manipulationen oder Fehlinterpretationen beruhen. Zeitgleich zeigen Berichte der ZEIT und der WELT, dass auch die Bundesregierung auf dubiosen Wegen Abschiebungen syrischer Staatsangehöriger vorbereitet.

Vor dem Hintergrund warnen die Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL, medico international, die Kampagne #SyriaNotSafe und Adopt a Revolution eindringlich vor Abschiebungen nach Syrien. Wie alle Lageberichte des Auswärtigen Amtes der letzten Jahre betonen, gibt es keine sicheren Gebiete in Syrien: Landesweit kommt es zu willkürlichen Inhaftierungen, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen. Ob Dänemark oder Deutschland: Es gilt die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie verbietet Abschiebungen in Staaten, in denen Folter oder entwürdigende Behandlung droht.

Dänemark: Manipulierte oder fehlinterpretierte Lageberichte
Dänemarks Regierung begründet den Entzug der Schutztitel mit zwei Syrien-Lageberichten von Februar 2019 und Oktober 2020. Mittlerweile haben sich alle der darin namentlich als Quellen angeführten unabhängigen Syrien-Analyst*innen von den Schlussfolgerungen distanziert, die die Behörden aus den Berichten ziehen. Acht der Analyst*innen haben sich mit einer öffentlichen Erklärung an die dänischen Behörden gewandt und fordern die Regierung auf, ihre Entscheidung zu revidieren. Auch der Dänische Flüchtlingsrat, der einen der Berichte mitverantwortet, kritisiert die Entscheidung der Regierung.
Nach Angaben des dänischen Flüchtlingsrats droht aktuell 250 syrischen Geflüchteten der Entzug ihres Aufenthaltstitels. Die Betroffenen sollen durch die Unterbringung in Ausreisezentren sowie Arbeits- und Ausbildungsverbote zur Ausreise genötigt werden. Die Maßnahme trennt Familien und zwingt bereits integrierte Geflüchtete, ihre Arbeit, ihr Studium oder ihre Schulausbildung aufzugeben. Von Abschiebungen sehen die dänischen Behörden ab, da Dänemark davor zurückschreckt, die nötigen Kontakte zum Assad-Regime aufzunehmen.

Deutschland: Dubiose Abschiebepläne des Innenministeriums

Nach Berichten der ZEIT und der WELT prüft das Bundesinnenministerium aktuell Möglichkeiten, syrische Staatsangehörige abzuschieben oder zur Ausreise zu drängen. Auch wenn bislang nur von Abschiebungen von Straftätern oder sogenannten „Gefährdern“ die Rede ist, drohen schwere Menschenrechtsverletzungen sowie ein intendierter Tabubruch: Nach Abschiebungen von Straftätern oder „Gefährdern“ drohen mittel- oder langfristig auch Abschiebungen anderer Gruppen.

Nach Recherchen der ZEIT plant die Bundesregierung derzeit keine Abschiebungen in vom Assad-Regime kontrollierte Regionen oder in den von dschihadistischen Milizen dominierten Nordwesten. Es gebe jedoch Sondierungen von Abschiebungen in den kurdisch geprägten Nordosten. Auch die „kurdischen Gebiete im Nordirak und in der Türkei“ würden in Betracht gezogen.

Die Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL, medico international, die Kampagne #SyriaNotSafe und Adopt a Revolution kritisieren das Vorgehen scharf. Offensichtlich drohen weitere, dem Wahlkampf geschuldete dubiose Deals mit Akteuren wie der Türkei, die in Syrien völkerrechtswidrig agiert  – und möglicherweise auch mit der kurdischen Selbstverwaltung in Nordostsyrien, die jedoch bislang von der Bundesregierung überhaupt nicht anerkannt wird. Bei Abschiebungen in von ihr kontrollierte Gebiete müsste die Bundesregierung mit ihr zusammenarbeiten. Statt solcher rechtlich und außenpolitisch fragwürdigen Bemühungen müssen die  Behörden mit syrischen Straftätern und „Gefährdern“ in Deutschland auf der Grundlage rechtsstaatlicher Prinzipien verfahren.
Wie sehr das populistische Ziel, unbedingt nach Syrien abzuschieben, zu Lasten rechtsstaatlicher Prinzipien geht, zeigt auch der Sachverhalt, dass das Bundesinnenministerium laut dem Bericht der WELT plant, syrische Häftlinge mit dem Versprechen einer Haftzeitverkürzung zur Ausreise zu bewegen.
Statt schmutzige Rücknahmedeals einzufädeln, muss die Bundesregierung endlich akzeptieren, dass Syrien-Abschiebungen bis auf Weiteres nicht möglich sind. Erst im März hat das Europäische Parlament die EU-Mitgliedstaaten in einer Resolution daran erinnert, „dass Syrien kein sicheres Land für eine Rückkehr ist“ und alle EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, „von einer Verlagerung der nationalen Politik in Richtung der Aberkennung des Schutzstatus für bestimmte Kategorien von Syrern abzusehen und diesen Trend umzukehren, wenn sie eine solche Politik bereits verfolgt haben.“


OVG Niedersachsen: Keine Überstellung von Anerkannten nach Griechenland

Geflüchtete, die in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft bekommen haben, dürfen nicht rücküberstellt werden. Dort drohe ihnen ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh, weil sie unter menschenrechtwidrigen Bedingungen leben müssten. So seien sie von Obdachlosigkeit bedroht und erhielten keinen Zugang zu elementaren Leistungen sowie zu anderweitiger Unterstützung. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen. Das Urteil liegt noch nicht vor, so geht es aber aus der Pressemitteilung hervor.

Zuletzt hatte auch das OVG Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass Anerkannten in Griechenland Menschenrechtsverletzungen drohen. Deshalb sollten sich auch Asylsuchende in Baden-Württemberg mit einer Anerkennung in Griechenland gut beraten lassen und sich trotz aller Unsicherheiten versuchen, zu integrieren. Übrigens entscheidet das BAMF bereits seit über einem Jahr nicht mehr über Asylanträge von dieser Gruppe von Geflüchteten.


Gutachten belegt Kindeswohlgefährdung nach rechtswidriger Abschiebung

Neue Entwicklungen im Fall Dana und Edi: Niemand ist sorgeberechtigt, kein Schulbesuch möglich

Im Fall der beiden im Dezember aus einer Jugendhilfeeinrichtung im Landkreis Böblingen nach Albanien abgeschobenen Kinder Dana und Edi liegt nun ein Gutachten vor, welches das Ausmaß der entstandenen Kindeswohlgefährdung deutlich macht. Eine Sozialarbeiterin und Juristin von der Organisation International Social Service hat die Kinder besucht, um sich über ihre Situation zu informieren.

Die Gutachterin bestätigt, dass Edi kein Albanisch spricht, und sich nur mit ihr verständigen konnte, weil seine Schwester gedolmetscht hat. Dana kann zwar albanisch sprechen, aber nicht schreiben. Ein Schulbesuch ist für beide Kinder daher aktuell unmöglich. Die vorhandenen Verwandten sind nicht in der Lage, sich um die Kinder zu kümmern, da sie selbst für ihren Lebensunterhalt auf die Unterstützung von im Ausland lebenden Verwandten angewiesen sind. Die Großeltern der Kinder sind zudem gesundheitlich zu sehr angeschlagen, um sich dauerhaft um die Kinder zu kümmern. Aktuell leben die Kinder in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung, zusammen mit ihrem 24-jährigen Halbbruder und dessen hochschwangere Frau.

Die Gutachterin erläutert, dass aktuell niemand das Sorgerecht für die Kinder innehat, so dass es keine Möglichkeit gibt, in ihrem Namen irgendwelche Rechtsgeschäfte wie etwa die Beantragung von Sozialleistungen zu tätigen. Eine staatliche Inobhutnahme, die nach albanischen Recht in solchen Fällen vorgesehen ist, würde zu einer Trennung der Kinder führen, da sie in unterschiedliche Heime kommen würden. Dies wäre nach Überzeugung der Gutachterin keine geeignete Lösung, denn nach allem, was die beiden in den letzten Jahren durchgemacht haben, ist für beide das jeweils andere Geschwisterteil die einzige wirkliche Bezugsperson, die sie haben.
Zusammenfassend bezeichnet die Gutachterin die Situation als „problematisch“ – die Kinder seien durch die Abschiebung traumatisiert, fühlen sich in ihrer aktuellen Umgebung fremd und können ihr Recht auf Bildung nicht in Anspruch nehmen, zudem ist keine sorgeberechtigte Person in der Nähe.

Die Verantwortlichen in der Jugendhilfeeinrichtung Waldhaus, wo die Kinder bis zur Abschiebung gelebt haben, nehmen diese neuen Information tief besorgt zur Kenntnis: „Wir machen uns weiterhin große Sorgen um Dana und Edi. Je länger die beiden in dieser unsicheren Situation sind, desto größer die negativen Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Beispielsweise fehlt beiden nun schon vier Monate Schulbildung. Wir alle, auch die Jugendlichen in den Wohngruppen, hoffen weiterhin darauf, dass Dana und Edi zurück kehren können“, so Cordula Breining, Koordinatorin für unbegleitete Minderjährige im Waldhaus.

Im Februar hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Eilantrag auf Rückholung der Kinder abgelehnt, obwohl die Abschiebung „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ rechtswidrig war. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die eingetretene Kindeswohlgefährdung nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sei. „Dieses Gutachten bestätigt die wesentlichen Umstände, die die Kinder bereits seit ihrer Abschiebung geschildert haben. Es wird deutlich, dass durch das rechtswidrige Verhalten von Behörden des Landes Baden-Württemberg eines Kindeswohlgefährdung eingetreten ist und fortbesteht“, stellt Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fest. Er fordert die neue Landesregierung auf, sich um eine Rückholung der Kinder zu kümmern, die Umstände der rechtswidrigen Abschiebung aufzuklären und Maßnahmen dafür zu treffen, dass sich ein solcher Fall nie wiederholen kann.

Die Petition zur Rückholung der Kinder hat mittlerweile über 8000 Unterschriften und kann noch unterschrieben werden:
https://www.openpetition.de/petition/unterzeichner/herr-strobl-holen-sie-die-beiden-elternlosen-abgeschobenen-kinder-nach-leonberg-zurueck


Studie: Arbeitsfelder der Ankunft

In Deutschland arbeiten viele Migrant*innen in den Bereichen Gastrononomie, Hotel, Haushalts- und Gebäudereinigung sowie in zunehmendem Maße auch in der Pflege.

Das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Forschungsprojekt „Arbeitsfelder der Ankunft. Kompetenzentwicklung in durch Migration geprägten Arbeitsfeldern“ der Universität Kassel beschäftigt sich mit der Frage, wie Migrant*innen die Arbeit in Deutschland erleben und wie sie diese Arbeit darüber hinaus mitgestalten.

Ziel des Forschungsprojektes ist ein besseres Verständnis, wie sich sowohl die Kompetenzen als auch die Teilhabemöglichkeiten der in diesen Arbeitsbereichen beschäftigten Migrant*innen entwickeln.

Zu diesem Zwecke werden Interviewpartner*innen mit Beschäftigten aus diesen Bereichen gesucht.

Interviews können auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Arabisch und Türkisch durchgeführt werden.

Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier.


Dialog-Sprachhilfen für den Alltag

Im Rahmen eines  Semesterprojekts im Studiengang Kommunikationsdesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle sind die Dialog [Sprachhilfen für den Alltag] entstanden. Es handelt sich dabei um Karten mit alltäglichen Vokabeln und Sätzen in den Sprachen Deutsch, Arabisch und Englisch. Es gibt Karten für unterschiedliche Situation, wie zum Beispiel in der Bank, im Obst- und Gemüsegeschäft oder in der Apotheke. Die Kartensets können online bestellt werden:

Dialog [Sprachhilfen für den Alltag]


Auftakt zur Rettungskette für Menschenrechte

Das Sterben im Mittelmeer geht weiter – auch wenn es in Zeiten der Pandemie in Vergessenheit gerät. Deshalb soll am Samstag, 24. April, in lokalen Aktionen an das Elend der Menschen auf der Flucht erinnert werden. Der Aktionstag steht in Zusammenhang mit der für den 18. September geplanten symbolischen „Rettungskette“ quer durch Deutschland, Österreich und Italien bis zum Mittelmeer. In Baden-Württemberg sind Aktionen in Heidelberg, Esslingen und Stuttgart geplant:

HEIDELBERG: Kundgebung mit Fahrraddemo, 13:00-15:00 am Universitätsplatz:
ESSLINGEN: Sternmarsch ab 11 Uhr mit Kundgebung ab 11:45 an der Agnesbrücke; Organisator: Caritas-Zentrum Esslingen; weitere Infos HIER
STUTTGART: Kundgebung um 16 Uhr auf dem Kronprinzenplatz; weitere Infos HIER


Erkennungsdienstliche Behandlung nun schon ab sechs Jahren

Zum 1. April 2021 sind Änderungen des Aufenthaltsgesetzes sowie des Asylgesetzes in Kraft getreten, die die Abnahme der Fingerabdrücke von neu eingereisten Kindern bereits ab dem sechsten Lebensjahr ermöglichen. Bislang hatte die Altersgrenze hierfür bei 14 Jahren gelegen. Da EU-Recht weiterhin eine Altersgrenze von 14 Jahren vorsieht, stellt sich die Frage, ob die Neuregelung europarechtskonform ist.