Im Asyl- und Aufenthaltsrecht gibt es verschiedene Arten von Wohnsitzauflagen, je nachdem, ob die betroffene Person eine Aufenthaltsgestattung, Duldung oder Aufenthaltserlaubnis besitzt. In diesem Beitrag geht es ausschließlich um die Wohnsitzauflage von Personen, die eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis oder eine familiäre Aufenthaltserlaubnis haben. Informationen zur Wohnsitzauflage für Geduldete und Gestattete finden Sie unter >> Unterbringung und Wohnen. Die Wohnsitzauflage ist nicht zu verwechseln mit der räumlichen Beschränkung, die umgangssprachlich auch „Residenzpflicht“ genannt wird. Wer einer räumlichen Beschränkung unterliegt, darf sich nur innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereiches (in der Regel der Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde) bewegen. Personen mit Aufenthaltserlaubnis sind in aller Regel von der „Residenzpflicht“ nicht betroffen.
I. Allgemeines
II. Besonderheiten bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG
III. Ausnahmen von der Wohnsitzverpflichtung
IV. Umzug bzw. Aufhebung der Wohnsitzauflage
V. Weiterführende Arbeitshilfen
I. Allgemeines
Die Wohnsitzauflage für Personen, die im Asylverfahren Schutz erhalten haben (also eine Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, den subsidiären Schutz oder eine Aufenthaltserlaubnis wegen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 25 Absatz 3 AufenthG) richtet sich nach § 12a AufenthG. Der § 12a AufenthG umfasst darüber hinaus auch Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 (humanitäre Aufnahme im Einzelfall), § 23 AufenthG (Kontingent- und Resettlementflüchtlinge) oder § 24 AufenthG (vorübergehender Schutz aufgrund eines EU-Beschlusses nach der „Massenzustromsrichtlinie“). Die Wohnsitzauflage muss dabei einen anderen Zweck verfolgen als die Wohnsitzauflage für Gestattete und Geduldete: Während für Gestattete und Geduldete die Wohnsitzauflage verhängt wird, um die Sozialleistungskosten angemessen auf die Kommunen zu verteilen, sollen Wohnsitzauflagen nach § 12a AufenthG die Integration der betroffenen Personen fördern. Das Recht auf freie Wohnsitzwahl darf dabei jedoch für maximal drei Jahre eingeschränkt werden. Die Drei-Jahres-Frist beginnt bei Asylberechtigten, Personen mit Flüchtlingseigenschaft und subsidiär Schutzberechtigten mit der Anerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und nicht etwa erst mit der – häufig erst mehrere Monate später – durch die Ausländerbehörde erteilten Aufenthaltserlaubnis. Bei allen anderen Personen beginnt die Frist mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Die Wohnsitzauflage wird in der Aufenthaltserlaubnis oder einem Zusatzblatt vermerkt. Reisen Familienangehörige über den Familiennachzug ein, erhalten sie ebenfalls eine Wohnsitzauflage, welche der Wohnsitzauflage der bereits in Deutschland lebenden Person entspricht.
Für Menschen mit einer Anerkennung gilt folgendes: Personen, die ihre Anerkennung in einer vorläufigen Unterbringung (VU) erhalten, bekommen eine Wohnsitzauflage auf die Gemeinde, in welcher sie im Anschluss an die VU wohnen sollen – die sogenannte „Anschlussunterbringung“ (AU). Bei Personen, die sich bei Anerkennung bereits in der AU befinden, wird die Wohnsitzauflage für die Gemeinde verhängt, in der die Unterkunft liegt. Dies ist allerdings nicht zulässig, wenn die Personen bereits B1-Deutschkenntnisse haben oder sie bereits in einer eigenen Wohnung leben (siehe VG Stuttgart, Beschluss vom 27.6.2019 – 8 K 2485/19).
Bevor die Wohnsitzverpflichtung auf einen bestimmten Ort verhängt wird, erhalten die Betroffenen die Gelegenheit, sich schriftlich oder mündlich zu äußern. Hier sollten alle Gründe und Interessen vorgetragen werden, die gegen eine Wohnsitzauflage an dem geplanten Ort sprechen.
Auch anerkannte unbegleitete minderjährige Geflüchtete bekommen mit Eintritt in die Volljährigkeit eine Wohnsitzauflage (§ 12a Absatz 1a AufenthG). Die Zeit von der Anerkennung im minderjährigen Alter bis zur Volljährigkeit wird aber auf die Dreijahresfrist angerechnet und verkürzt sich entsprechend.
Hinweis: Die Wohnsitzauflage bestimmt auch den örtlich zuständigen Sozialleistungsträger (§ 36 Absatz 2 Satz 1 SGB II). In der Praxis werden Leistungen, die bei einem anderen Leistungsträger geltend gemacht werden, deshalb regelmäßig unter Hinweis auf die örtliche Unzuständigkeit verweigert. Verstöße gegen die Wohnsitzauflage können als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden (§ 98 Absatz 3 Nr. 2a und 2b AufenthG).
II. Besonderheiten bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG
Über den § 24 AufenthG kann zum vorübergehenden Schutz eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wie es in jüngster Vergangenheit bei Geflüchteten aus der Ukraine der Fall war. Auch hier greift die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG, wenn die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Antragstellende Personen haben jedoch auch schon vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Wohnsitzauflage: Diese ergibt sich aus § 24 Absatz 5 Satz 2 AufenthG wenn Personen auf ein Bundesland verteilt und einem bestimmten Ort zugewiesen worden sind. Das Länderschreiben des Bundesinnenministeriums legt zudem fest, dass sobald aus der Ukraine geflohene Menschen bei einer Ausländerbehörde vorsprechen und um Unterstützung bitten, dies automatisch als Verteilung auf ein Bundesland gewertet wird und eine Wohnsitzauflage für das jeweilige Bundesland entsteht. Die Wohnsitzauflage für einen bestimmten Ort regelt in Baden-Württemberg die Allgemeinverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom Mai 2022. So erhalten folgende Personen eine Wohnsitzauflage, sobald sie erstmalig eine Vorsprachebescheinigung, Fiktionsbescheinigung oder Anlaufbescheinigung bekommen haben:
- Ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine lebten.
- International Schutzberechtigte (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) oder Personen mit einem gleichwertigen ukrainischen Schutz.
- Familienangehörige der unter a) und b) genannten Personen.
- Drittstaatsangehörige mit einer ukrainischen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückzukehren können.
- Aus der Ukraine geflohene Personen aus Afghanistan, Eritrea oder Syrien.
Bei allen anderen Personen entsteht eine Wohnsitzauflage auf einen bestimmten Ort in Rahmen einer Zuweisungsentscheidung im Einzelfall.
Wohnsitzauflagen sind immer nur auf dem Zusatzblatt zur Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG vermerkt.
III. Ausnahmen von der Wohnsitzverpflichtung
In manchen Konstellationen entsteht überhaupt erst keine Wohnsitzauflage. Dies ist dann der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Anerkennung bzw. Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis bei einem Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährigem Kind oder Personen, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zusammenleben, eine der folgenden Situationen besteht (§ 12a Absatz 1 Satz 2 AufenthG):
- Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt (2024: 1.047,80 € netto),
- geplante Aufnahme einer Berufsausbildung,
- Person studiert oder ist in Ausbildung oder
wenn eine Person an dem derzeitigen Wohnort
- einen Integrationskurs,
- einen Berufssprachkurs,
- eine mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme, die zu einer Berufsanerkennung führt, oder
- eine Weiterbildungsmaßnahme
aufnimmt, aufgenommen oder abgeschlossen hat, sofern der Kurs oder die Maßnahme am Ort der Wohnsitzauflage nicht ohne Verzögerung durchgeführt oder fortgesetzt werden kann.
Hintergrund der Befreiung einer Wohnsitzauflage ist die Überlegung, dass sich die genannten Tätigkeiten regelmäßig positiv auf die Integration auswirken.
IV. Umzug bzw. Aufhebung der Wohnsitzauflage
Gilt für eine Person eine Wohnsitzauflage und möchte sie umziehen, so muss sie zuvor einen Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzauflage stellen. Dieser wird oft Umverteilungsantrag genannt. Der Begriff klingt so, als ginge es um eine Änderung der Wohnsitzauflage. Wohnsitzauflagen nach § 12a AufenthG sind jedoch aufzuheben und nicht abzuändern wenn die Voraussetzungen vorliegen. Insofern ist der Begriff „Umverteilungsantrag“ nicht ganz korrekt.
Liegt der neue Wohnort ebenfalls in Baden-Württemberg, entscheidet über den Antrag die Ausländerbehörde des Zuzugsorts (§ 3 Absatz 1 Satz 3 AAZuVO BW). Soll der Umzug in ein anderes Bundesland stattfinden, so entscheidet über die Aufhebung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage die Ausländerbehörde des derzeitigen Wohnsitzes. Die Ausländerbehörde am Zuzugsort muss dem Umzug allerdings zustimmen. Hierzu hat sie vier Wochen Zeit. Liegt einer der gesetzlichen Aufhebungsgründe vor, muss sie die Zustimmung erteilen. Äußert sie sich nicht innerhalb der Vierwochenfrist, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 72 Absatz 3a AufenthG). Verweigert sie die Zustimmung, muss sie dies begründen; die Behörde des aktuellen Aufenthaltsorts muss der betroffenen Person die Gründe für die Ablehnung mitteilen.
Mögliche Gründe für eine Aufhebung bzw. Änderung sind in § 12a Absatz 5 AufenthG aufgeführt. Ein Anspruch auf Aufhebung entsteht, wenn ein Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährige Kinder oder Angehörige, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zusammenleben, einen Nachweis über eine der folgenden Tätigkeiten an einem anderen Ort vorlegt:
- eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt (2024: 1.047,80 € netto),
- Einkommen, mit dem der Lebensunterhalt überwiegend (also zu mehr als 50 Prozent) gesichert werden kann,
- ein Angebot für einen Ausbildungs- oder Studienplatz,
- ein Angebot für einen zeitnahen Integrationskurs,
- ein Angebot für einen zeitnahen Berufssprachkurs,
- ein Angebot für eine zeitnahe mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme, die zu einer Berufsanerkennung führt, oder
- ein Angebot für eine zeitnahe Weiterbildungsmaßnahme.
Ein Anspruch auf Aufhebung der Wohnsitzauflage besteht ferner, wenn ein Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährige Kinder oder Personen, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zuvor zusammenlebten, an einem anderen Ort wohnt.
Eine Wohnsitzauflage muss außerdem zur Vermeidung einer Härte aufgehoben werden. Dies ist der Fall, wenn Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe an einem anderen Ort in Anspruch genommen werden und die ganze Familie aufgrund der langen Anfahrtswege an diesen Ort umziehen muss. Die Wohnsitzauflage ist auch aufzuheben, wenn ein anderes Bundesland einer Aufnahme zugestimmt hat. Die Wohnsitzauflage muss außerdem immer aufgehoben werden, wenn ansonsten unzumutbare Einschränkungen bestünden, etwa weil eine Person am Ort der Wohnsitzauflage Gewalt ausgesetzt ist oder andernorts ein Betreuungsbedarf von Angehörigen mit einer Behinderung besteht (§ 12a Absatz 5 Nummer 2c) AufenthG).
Wurde die Wohnsitzauflage aufgehoben und entfallen nach drei Monaten die Gründe, die zur Aufhebung geführt haben, so muss die Wohnsitzauflage erneut verhängt werden. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die kürzlich aufgenommene Arbeitsstelle wieder gekündigt wird. Ist die Person bereits umgezogen, so wird die Wohnsitzauflage für den Ort erlassen, an den der Wohnsitz verlegt wurde.
V. Weiterführende Arbeitshilfen