Sprachmittlung für geflüchtete Menschen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte

Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte beschreiben das Menschenrecht, frei und selbstbestimmt über den eigenen Körper, die Sexualität, Gesundheit und Reproduktion zu entscheiden. Insbesondere geflüchtete Frauen und queere Geflüchtete sind beim Zugang zu diesen Rechten jedoch häufig mit erheblichen Barrieren konfrontiert. Für viele Menschen sind die Themenbereiche der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte sensible Bereiche, häufig betreffen diese Themen belastende Situationen. Für Menschen, die auf eine Sprachmittlung angewiesen sind, ist eine sensibilisierte und qualifizierte Sprachmittlung umso wichtiger. Die vorliegende Arbeitshilfe gibt Handlungsempfehlungen für die Praxis der Sprachmittlung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte. Als Leitfaden richtet sie sich direkt an Sprachmittler*innen, die in diesem Themenbereich mit geflüchteten Menschen arbeiten (möchten). Sie dient aber auch als Orientierung für alle Interessierten in Beratungsstellen und einschlägigen Institutionen, die bereits Sprach- und Kulturmittler*innen einsetzen oder sie gerne in Zukunft einsetzen möchten.



Besuchsvisa für vom Erdbeben betroffene Personen (Update!)

Viele Menschen befinden sich aufgrund des Erdbebens in Syrien und der Türkei in einer sehr prekären Situation. In Deutschland lebende Angehörige fragen sich, ob sie Familienmitglieder aus den betroffenen Regionen nach Deutschland holen können. Personen aus diesen Regionen, die sich mit einem Visum bereits in Deutschland aufhalten, stehen vor der Frage, wie es für sie weiter gehen soll.

Das Auswärtige Amt hat mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat ein vereinfachtes Verfahren für die Beantragung von Schengen-Besuchsvisa abgestimmt. Leider richtet sich diese Möglichkeit jedoch momentan nur an türkische Staatsangehörige, die eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen müssen. Diese sind auf der Homepage des Auswärtigen Amts aufgeführt. Nicht explizit aufgeführt ist, dass eine sog. Rückkehrbereitschaft vorliegen muss. Dies ist eine generelle Voraussetzung für die Erteilung von Schengen-Visa. Es wird herausfordernd sein, eine Rückkehrbereitschaft darzulegen, wenn Personen aufgrund des Erdbebens ihre Wohnung verloren haben (siehe Beitrag von Rechtsanwalt Uyanik).

Zu syrischen Staatsangehörigen, die vom Erdbeben betroffen sind, schreibt das Auswärtige Amt, diese könnten sich an die umliegenden Auslandsvertretungen (Beirut, Amman, Istanbul) wenden. Ob für sie ebenfalls erleichterte Bedingungen festgelegt werden, ist noch nicht bekannt. Allerdings dürfte es für syrische Staatsangehörige ungleich schwieriger sein, ein Besuchsvisum zu erhalten. Hintergrund ist, dass bei Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten eine Rückkehrbereitschaft grundsätzlich angezweifelt wird.

Türkische Staatsangehörige, die sich derzeit mit einem gültigen Schengen-Visum in Baden-Württemberg aufhalten und nachweislich aus einer der betroffenen Provinzen (Adana, Adiyaman, Diyarbakır, Gaziantep, Hatay, Kahramanmaraş, Kilis, Malatya, Osmaniye und Şanlıurfa) kommen, können laut § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AufenthG i.V.m. Art. 33 Visakodex (VO 810/2009) eine Verlängerung ihres Visums erhalten. Von der Möglichkeit der Verlängerung des bestehenden Schengen-Visums bzw. einer Verlängerung dieses Visums als nationales Visum soll laut Erlass des Justizministeriums BW großzügig Gebrauch gemacht werden.

Am 7. Mai tritt auch die bundesweit geltende „Türkei-Erdbeben-Aufenthalts-Übergangsverordnung“ (TürkeiErdbebenAufenthÜV) in Kraft. Diese sieht vor, dass türkische Staatsangehörige aus den betroffenen Provinzen, die zwischen dem 6. Februar 2023 und dem 7. Mai 2023 mit einem gültigen und durch eine deutsche Auslandsvertretung in der Türkei erteilten Schengen-Visums in das Bundesgebiet eingereist sind und sich am 7. Mai 2023 noch rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bis zum 6. August 2023 vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für den Aufenthalt im Bundesgebiet befreit sind. Diese Befreiung erlischt mit der Ausreise aus dem Bundesgebiet. Menschen aus der Türkei, die aufgrund des Erdbebens bis zum 07.05.2023 einreisen konnten, können also länger in Deutschland bleiben. In diesem Zeitraum wurden allerdings bundesweit nur ca. 5.000 Visa für türkische Staatsangehörige erteilt, darunter auch Visa zu anderen Zwecken, die von dieser Verordnung nicht profitieren (Studium, Familiennachzug etc.). Die Wirkung dieser Verordnung hält sich also in Grenzen.



Bei gekürzten Leistungen Passbeschaffung unzumutbar

Sowohl bei § 1a Abs. 3 AsylbLG als auch bei § 2 Abs. 1 S. 1 AsylbLG spielt immer wieder die Frage eine Rolle, ob eine Passbeschaffung (zumutbar) möglich ist. Das Landgericht (LG) Landshut hat mit Urteil vom 13.10.2022 (2 Ns 503 Js 30989/21) einen Betroffenen aus Sierra Leone vom Vorwurf des unerlaubten Aufenthalts ohne Pass freigesprochen. Das Gericht stellt unter anderem fest, dass es finanziell unmöglich ist, einen Pass zu beschaffen, wenn man nur Leistungen nach § 1a AsylbLG erhält.


Kampagne #VergissMeinNicht zum Familiennachzug

Die Bundesregierung hat mit ihrem Koalitionsvertrag versprochen, den Familiennachzug zu erleichtern. Doch das Warten hat immer noch kein Ende. Ob und wann die Änderungen kommen, ist unklar. PRO ASYL und terre des hommes haben daher eine Kampagne rund um den Tag der Familie am 15. Mai 2023 auf die Beine gestellt, die sich der Symbolik der #VergissMeinNicht Blume bedient.

Wie könnt ihr mitmachen?

  • Vergissmeinnicht-Blume kaufen
  • Kampagnen-Aufkleber unter aktionen@tdh.de bestellen und auf den Blumentopf kleben
  • Kontakt der Wahlkreisbüros eurer lokalen Bundestagsabgeordneten unter https://www.bundestag.de/abgeordnete/ heraussuchen und Termin zur Übergabe von Blume und Begleitschreiben rund um den 15.5. vereinbaren
  • Foto oder Video von der Übergabe machen, auf Twitter, Facebook oder Instagram mit #VergissMeinNicht posten und @tdh_de @proasyl markieren
  • Zur Demo am 15.5. nach Berlin kommen
  • Eine eigene Aktion auf die Beine stellen


    Schulungsvideos zum Ablauf des Asylverfahrens sowie zum Dublin-Verfahren

    Das Deutsche Rote Kreuz und die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg veröffentlichen Schulungsvideos zum Migrationsrecht. Zielgruppe sind Berater*innen im Themenfeld Flucht und Migration. Die Reihe ermöglicht eine systematische Einarbeitung in das Rechtsgebiet und stellt eine ideale Ergänzung zu Seminaren und Lehrveranstaltungen dar. Nun sind neue Folgen zum Ablauf des Asylverfahrens und zum Dublin-Verfahren erschienen.



    EuGH: Persönliches Erscheinen beim Antrag auf Familienzusammenführung nicht unbedingt erforderlich

    EU-Staaten verlangen bei Antragsstellung auf Familienzusammenführung von Geflüchteten oft das persönliche Erscheinen in einer Auslandsvertretung. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müssen die Länder bei der Familienzusammenführung die besonderen Umstände von Geflüchteten berücksichtigen. Sie dürften das persönliche Erscheinen für die Antragstellung nicht verlangen, wenn die Anreise etwa aus einem Krisengebiet übermäßig schwierig sei, entschieden die Richter am 18.4.2023 im Fall einer in Syrien lebenden Mutter zweier Kinder. Belgische Behörden hatten von ihr verlangt, zu einer belgischen Auslandsvertretung zu reisen, statt den Antrag auf Familienzusammenführung per E-Mail zu stellen.



    Mobilität für Drittstaatsangehörige in Europa: Die „kleine Freizügigkeit“ mit § 38a AufenthG

    Die Publikation befasst sich mit der Mobilität von Drittstaatsangehörigen innerhalb der EU. Nicht nur Unionsbürger*innen nutzen ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU – auch Angehörige von Drittstaaten, die in einem anderen EU-Staat leben, verlagern ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland. Dies ist rechtlich aber nur unter eingeschränkten Bedingungen möglich. Eine relativ weitreichende Möglichkeit der langfristigen Mobilität in Europa besteht dann, wenn die Person über eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU in dem anderen Unionsstaat verfügt. In diesem Fall besteht unter bestimmten Bedingungen nämlich ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer längerfristigen Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Die Rechtsgrundlage befindet sich in § 38a AufenthG. In der vorliegenden Publikation werden die Regelungen hierzu systematisch dargestellt. Neben den Voraussetzungen für die Erteilung des § 38a AufenthG in Deutschland werden unter anderem die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU in den anderen EU-Staaten, der Arbeitsmarktzugang und der Anspruch auf Sozialleistungen, aber auch die Möglichkeit der Aufenthaltsverfestigung für diesen Personenkreis aufgegriffen.



    Web-Seminar: Einführung in das Phänomen Menschenhandel in Deutschland im Kontext von Flucht

    Menschen auf der Flucht sind besonders gefährdet Gewalt zu erfahren und/oder ausgebeutet zu werden. Die besondere Gefährdung bleibt auch im europäischen Aufnahmeland bestehen. Faktoren wie prekäre Unterbringung, eingeschränkte Rechte, Lücken im Unterstützungssystem sowie fehlende Informationen zur eigenen rechtlichen Situation können das Risiko erhöhen, in ausbeuterische Situationen zu gelangen. In Deutschland stehen Betroffenen von Menschenhandel besondere Schutzrechte zu. Doch nur, wenn sie als Betroffene von Menschenhandel erkannt werden, können sie ihre Rechte wahrnehmen und Unterstützung erhalten.

    Der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel – KOK e.V. bietet ein kostenfreies Web-Seminar zum Thema Einführung in das Phänomen Menschenhandel in Deutschland im Kontext von Flucht an. Es bietet umfassende Information zum Thema Menschenhandel im Kontext von Flucht und ermöglicht den Austausch mit Expert*innen. Zudem werden konkrete Handlungsmöglichkeiten für Fachkräfte aufgezeigt.



    Wohnsitzauflage

    Im Asyl- und Aufenthaltsrecht gibt es verschiedene Arten von Wohnsitzauflagen, je nachdem, ob die betroffene Person eine Auf­enthaltsgestattung, Duldung oder Aufenthaltserlaubnis besitzt. In diesem Beitrag geht es ausschließlich um die Wohnsitzauflage von Personen, die eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis oder eine familiäre Aufenthaltserlaubnis haben. Informationen zur Wohnsitzauflage für Geduldete und Gestattete finden Sie unter >> Unterbringung und Wohnen. Die Wohnsitzauflage ist nicht zu verwechseln mit der räumlichen Beschränkung, die umgangssprachlich auch „Residenzpflicht“ genannt wird. Wer einer räumlichen Beschränkung unterliegt, darf sich nur innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereiches (in der Regel der Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde) bewegen. Personen mit Aufenthaltserlaubnis sind in aller Regel von der „Residenzpflicht“ nicht betroffen.

    I. Allgemeines
    II. Besonderheiten bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG
    III. Ausnahmen von der Wohnsitzverpflichtung
    IV. Umzug bzw. Aufhebung der Wohnsitzauflage
    V. Weiterführende Arbeitshilfen

    I. Allgemeines

    Die Wohnsitzauflage für Personen, die im Asylverfahren Schutz erhalten haben (also eine Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, den subsidiären Schutz oder eine Aufenthaltserlaubnis wegen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 25 Absatz 3 AufenthG) richtet sich nach § 12a AufenthG. Der § 12a AufenthG umfasst darüber hinaus auch Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 (humanitäre Aufnahme im Einzelfall), § 23 AufenthG (Kontingent- und Resettlementflüchtlinge) oder § 24 AufenthG (vorübergehender Schutz aufgrund eines EU-Beschlusses nach der „Massenzustromsrichtlinie“). Die Wohnsitzauflage muss dabei einen anderen Zweck verfolgen als die Wohnsitzauflage für Gestattete und Geduldete: Während für Gestattete und Geduldete die Wohnsitzauflage verhängt wird, um die Sozialleistungskosten angemessen auf die Kommunen zu ver­teilen, sollen Wohnsitzauflagen nach § 12a AufenthG die Integration der betroffenen Personen fördern. Das Recht auf freie Wohnsitzwahl darf dabei jedoch für maximal drei Jahre eingeschränkt werden. Die Drei-Jahres-Frist beginnt bei Asylberechtigten, Personen mit Flüchtlingseigenschaft und subsidiär Schutzberechtigten mit der Anerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und nicht etwa erst mit der – häufig erst mehrere Monate später – durch die Ausländerbehörde erteilten Aufenthaltserlaubnis. Bei allen anderen Personen beginnt die Frist mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Die Wohnsitzauflage wird in der Aufenthaltserlaubnis oder einem Zusatzblatt vermerkt. Reisen Familienangehörige über den Familiennachzug ein, erhalten sie ebenfalls eine Wohnsitzauflage, welche der Wohnsitzauflage der bereits in Deutschland lebenden Person entspricht.

    Für Menschen mit einer Anerkennung gilt folgendes: Personen, die ihre Anerkennung in einer vorläufigen Unterbringung (VU) erhalten, bekommen eine Wohnsitzauflage auf die Gemeinde, in welcher sie im Anschluss an die VU wohnen sollen – die sogenannte „Anschlussunterbringung“ (AU). Bei Personen, die sich bei Anerkennung bereits in der AU befinden, wird die Wohnsitzauflage für die Gemeinde verhängt, in der die Unterkunft liegt. Dies ist allerdings nicht zulässig, wenn die Personen bereits B1-Deutschkenntnisse haben oder sie bereits in einer eigenen Wohnung leben (siehe VG Stuttgart, Beschluss vom 27.6.2019 – 8 K 2485/19).

    Bevor die Wohnsitzverpflichtung auf einen bestimmten Ort verhängt wird, erhalten die Betroffenen die Gelegenheit, sich schriftlich oder mündlich zu äußern. Hier sollten alle Gründe und Interessen vorgetragen werden, die gegen eine Wohnsitzauflage an dem geplanten Ort sprechen.

    Auch anerkannte unbegleitete minderjährige Geflüchtete bekommen mit Eintritt in die Volljährigkeit eine Wohnsitzauflage (§ 12a Absatz 1a AufenthG). Die Zeit von der Anerkennung im minderjährigen Alter bis zur Volljährigkeit wird aber auf die Dreijahresfrist angerechnet und verkürzt sich entsprechend.


    Hinweis: Die Wohnsitzauflage bestimmt auch den örtlich zuständigen Sozialleistungsträger (§ 36 Absatz 2 Satz 1 SGB II). In der Praxis werden Leistungen, die bei einem anderen Leistungsträger geltend gemacht werden, deshalb regelmäßig unter Hinweis auf die örtliche Unzuständigkeit verweigert. Verstöße gegen die Wohnsitzauflage können als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden (§ 98 Absatz 3 Nr. 2a und 2b AufenthG). 

    II. Besonderheiten bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG

    Über den § 24 AufenthG kann zum vorübergehenden Schutz eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wie es in jüngster Vergangenheit bei Geflüchteten aus der Ukraine der Fall war. Auch hier greift die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG, wenn die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Antragstellende Personen haben jedoch auch schon vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Wohnsitzauflage: Diese ergibt sich aus § 24 Absatz 5 Satz 2 AufenthG wenn Personen auf ein Bundesland verteilt und einem bestimmten Ort zugewiesen worden sind. Das Länderschreiben des Bundesinnenministeriums legt zudem fest, dass sobald aus der Ukraine geflohene Menschen bei einer Ausländerbehörde vorsprechen und um Unterstützung bitten, dies automatisch als Verteilung auf ein Bundesland gewertet wird und eine Wohnsitzauflage für das jeweilige Bundesland entsteht. Die Wohnsitzauflage für einen bestimmten Ort regelt in Baden-Württemberg die Allgemeinverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom Mai 2022. So erhalten folgende Personen eine Wohnsitzauflage, sobald sie erstmalig eine Vorsprachebescheinigung, Fiktionsbescheinigung oder Anlaufbescheinigung bekommen haben:

    1. Ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 in der Ukraine lebten.
    2. International Schutzberechtigte (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) oder Personen mit einem gleichwertigen ukrainischen Schutz.
    3. Familienangehörige der unter a) und b) genannten Personen.
    4. Drittstaatsangehörige mit einer ukrainischen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückzukehren können.
    5. Aus der Ukraine geflohene Personen aus Afghanistan, Eritrea oder Syrien.

    Bei allen anderen Personen entsteht eine Wohnsitzauflage auf einen bestimmten Ort in Rahmen einer Zuweisungsentscheidung im Einzelfall.

    Wohnsitzauflagen sind immer nur auf dem Zusatzblatt zur Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG vermerkt.

    III. Ausnahmen von der Wohnsitzverpflichtung

    In manchen Konstellationen entsteht überhaupt erst keine Wohnsitzauflage. Dies ist dann der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Anerkennung bzw. Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis bei einem Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährigem Kind oder Personen, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zusammenleben, eine der folgenden Situationen besteht (§ 12a Absatz 1 Satz 2 AufenthG):

    • Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt (2024: 1.047,80 € netto),
    • geplante Aufnahme einer Berufsausbildung,
    • Person studiert oder ist in Ausbildung oder

    wenn eine Person an dem derzeitigen Wohnort

    • einen Integrationskurs,
    • einen Berufssprachkurs,
    • eine mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme, die zu einer Berufsanerkennung führt, oder
    • eine Weiterbildungsmaßnahme

    aufnimmt, aufgenommen oder abgeschlossen hat, sofern der Kurs oder die Maßnahme am Ort der Wohnsitzauflage nicht ohne Verzögerung durchgeführt oder fortgesetzt werden kann.

    Hintergrund der Befreiung einer Wohnsitzauflage ist die Überlegung, dass sich die genannten Tätigkeiten regelmäßig positiv auf die Integration auswirken.

    IV. Umzug bzw. Aufhebung der Wohnsitzauflage

    Gilt für eine Person eine Wohnsitzauflage und möchte sie umziehen, so muss sie zuvor einen Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzauflage stellen. Dieser wird oft Umverteilungsantrag genannt. Der Begriff klingt so, als ginge es um eine Änderung der Wohnsitzauflage. Wohnsitzauflagen nach § 12a AufenthG sind jedoch aufzuheben und nicht abzuändern wenn die Voraussetzungen vorliegen. Insofern ist der Begriff „Umverteilungsantrag“ nicht ganz korrekt.

    Liegt der neue Wohnort ebenfalls in Baden-Württemberg, entscheidet über den Antrag die Ausländerbehörde des Zuzugsorts (§ 3 Absatz 1 Satz 3 AAZuVO BW). Soll der Umzug in ein anderes Bundesland stattfinden, so entscheidet über die Aufhebung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage die Ausländerbehörde des derzeitigen Wohnsitzes. Die Ausländerbehörde am Zuzugsort muss dem Umzug allerdings zustimmen. Hierzu hat sie vier Wochen Zeit. Liegt einer der gesetzlichen Aufhebungsgründe vor, muss sie die Zustimmung erteilen. Äußert sie sich nicht innerhalb der Vierwochenfrist, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 72 Absatz 3a AufenthG). Verweigert sie die Zustimmung, muss sie dies begründen; die Behörde des aktuellen Aufenthaltsorts muss der betroffenen Person die Gründe für die Ablehnung mitteilen.

    Mögliche Gründe für eine Aufhebung bzw. Änderung sind in § 12a Absatz 5 AufenthG aufgeführt. Ein Anspruch auf Aufhebung entsteht, wenn ein Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährige Kinder oder Angehörige, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zusammenleben, einen Nachweis über eine der folgenden Tätigkeiten an einem anderen Ort vorlegt:

    • eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche mit einem Einkommen, durch das diese Person den durchschnittlichen monatlichen Bedarf nach § 20 und § 22 SGB II für eine Einzelperson deckt (2024: 1.047,80 € netto),
    • Einkommen, mit dem der Lebensunterhalt überwiegend (also zu mehr als 50 Prozent) gesichert werden kann,
    • ein Angebot für einen Ausbildungs- oder Studienplatz,
    • ein Angebot für einen zeitnahen Integrationskurs,
    • ein Angebot für einen zeitnahen Berufssprachkurs,
    • ein Angebot für eine zeitnahe mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme, die zu einer Berufsanerkennung führt, oder
    • ein Angebot für eine zeitnahe Weiterbildungsmaßnahme.

    Ein Anspruch auf Aufhebung der Wohnsitzauflage besteht ferner, wenn ein Familienmitglied, sei es Ehegatte*Ehegattin, Lebenspartner*in, minderjährige Kinder oder Personen, die mit einem verwandten minderjährigen Kind zuvor zusammenlebten, an einem anderen Ort wohnt.

    Eine Wohnsitzauflage muss außerdem zur Vermeidung einer Härte aufgehoben werden. Dies ist der Fall, wenn Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe an einem anderen Ort in Anspruch genommen werden und die ganze Familie aufgrund der langen Anfahrtswege an diesen Ort umziehen muss. Die Wohnsitzauflage ist auch aufzuheben, wenn ein anderes Bundesland einer Aufnahme zugestimmt hat. Die Wohnsitzauflage muss außerdem immer aufgehoben werden, wenn ansonsten unzumutbare Einschränkungen bestünden, etwa weil eine Person am Ort der Wohnsitzauflage Gewalt ausgesetzt ist oder andernorts ein Betreuungsbedarf von Angehörigen mit einer Behinderung besteht (§ 12a Absatz 5 Nummer 2c) AufenthG).

    Wurde die Wohnsitzauflage aufgehoben und entfallen nach drei Monaten die Gründe, die zur Aufhebung geführt haben, so muss die Wohnsitzauflage erneut verhängt werden. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die kürzlich aufgenommene Arbeitsstelle wieder gekündigt wird. Ist die Person bereits umgezogen, so wird die Wohnsitzauflage für den Ort erlassen, an den der Wohnsitz verlegt wurde.

    V. Weiterführende Arbeitshilfen