Projekt: Gegenrechtsschutz

Eine langjährige migrantisierte Mitarbeiterin einer Behörde wird bei einer Beförderung übergangen, stattdessen wird ein Berufsanfänger bevorzugt. Trotz vorhandener Plätze bekommt ein geflüchteter Jugendlicher keinen Schulplatz. In einer öffentlichen Sitzung äußert sich ein Landrat abfällig über Geflüchtete – Gegenrechtsschutz berät, vernetzt und finanziert bei Bedarf anwaltliche Vertretung.

Menschen und Organisationen, die sich in den Bereichen Journalismus, Wissenschaft, Kunst, Kultur und Aktivismus gegen Rechtsextremismus und Rassismus sowie für die Rechte von Geflüchteten und Asylsuchenden einsetzen, sehen sich häufig rechtlichen Angriffen ausgesetzt.

Das Projekt Gegenrechtsschutz bietet in solchen Fällen sowohl finanzielle als auch ideelle Unterstützung. Es koordiniert juristische Verfahren, fördert den Austausch von Erfahrungen und vernetzt Betroffene.

Gegenrechtsschutz ist ein Projekt von von FragDenStaat, Gesellschaft für Freiheitsrechte und Verfassungsblog.


Stuttgart: Filmvorführung „Samia“ – Eine Ausnahmeläuferin zwischen Flucht und Traum

Schon als junges Mädchen erkennt Samia Yusuf Omar, dass sie eine außergewöhnliche Begabung im Laufen hat. Gemeinsam mit ihrem besten Freund Ali schmiedet sie ehrgeizige Pläne, ihr Talent zu nutzen, um Ruhm und Erfolg zu erlangen. Doch der Ausbruch des Bürgerkriegs in Somalia stellt ihr Leben auf den Kopf. Trotz der dramatischen Veränderungen lässt sich Samia nicht von ihrem Ziel abbringen und kämpft entschlossen weiter – sowohl in ihrer Heimat als auch im Exil.

Im Rahmen der Kinotour mit der Regisseurin Yasemin Şamdereli wird am 08.09.24 auch eine Filmvorführung im Arthaus Kino Stuttgart stattfinden. Der Flüchtlingsrat wird mit einem Infostand vertreten sein.

Tickets können bereits im VVK erworben werden.


Projekt „START KLAR“: Begegnungen, Beratung, Deutschlernen

Im Rahmen des Projekts „START KLAR – Mein Leben in Deutschland“ bietet das ABC in Freiburg einen Begegnungsort für geflüchtete Menschen mit und ohne Behinderungen an. Es fördert einen inklusiven Ansatz und gibt Geflüchteten eine Möglichkeit, sich in einem sicheren und unterstützenden Umfeld zu treffen und auszutauschen. In der Badischen Zeitung ist hierzu ein spannender Artikel erschienen.

Träger des Projekts sind das Diakonische Werk in Freiburg, im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach sowie der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Hier finden Sie mehr Informationen zum Projekt.


Kirchzarten: Aktion Lebenswege

Im Rahmen der interkulturellen Woche lädt der Caritasverband Breisgau-Hochschwarzwald zu Gesprächen in der Einkaufsstraße in Kirchzarten ein.

Hier können Ehrenamtliche, Menschen mit Fluchtgeschichte und Marktgänger*innen ins Gespräch kommen, zuhören oder einfach nur einen Kaffee und Kuchen bei afghanischer live-Musik genießen.

Es können für den ganz eigenen Lebensweg symbolisch Fußabdrücke aus Gips hinterlassen werden, die dann in der langen Nacht der Demokratie ausgestellt werden.

Hier können sich Lebenswege kreuzen – für einen kurzen Moment oder auch länger.

Weitere Informationen können dem Einladungsflyer entnommen werden.


Infomaterial: Unterstützung für Kriegsdienstverweiger*innen

Die #ObjectWarCampaign stellt Materialien zur Unterstützung von Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine bereit.

Connection e.V. ist eine unabhängige Organisation, die Menschen hilft, den Kriegstdienst zu verweigern und Schutz zu finden. Kurze Infos und Kontaktdaten sind auf Deutsch, Russisch, Ukrainisch, Belarusisch und Englisch in einem  Flyer zusammengefasst.


Pro Asyl: Am dritten Jahrestag der Machtergreifung der Taliban gilt mehr denn je: Afghanistan ist nicht sicher

PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern am morgigen dritten Jahrestag der Machtübernahme in Afghanistan die Bundesregierung auf, ihr Schutzversprechen zu erfüllen und das Bundesaufnahmeprogramm endlich zu realisieren. Zudem fordern die Organisationen einen bundesweiten Abschiebestopp nach Afghanistan, ein Bleiberecht für geduldeten Afghan*innen und die Einstellung jeglicher Kooperationsgespräche mit dem Taliban-Regime zu Rücknahmeabkommen.

Seit der Machtübernahme der Taliban ist die Lage im Land katastrophal und für viele Menschen lebensbedrohlich. Die Taliban haben die Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan massiv beschränkt. Angehörige der LGTBIQ* Die Communities werden öffentlich ausgepeitscht, im ganzen Land herrscht ein brutales Strafsystem. Taliban verschleppen, inhaftieren, vergewaltigen und bedrohen Menschen, die für die internationalen Kräfte gearbeitet haben. Durch die humanitäre Krise in Afghanistan sind zudem Millionen von Kindern von schwerer Unterernährung und lebensgefährlichen Krankheiten bedroht.

Hochproblematische Entscheidungspraxis im Asylverfahren

Obwohl die menschenrechtliche und humanitäre Katastrophe in Afghanistan dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekannt ist, gibt es zunehmend mehr Ablehnungen von Asylanträgen afghanischer Geflüchteter. Das BAMF sieht zum Beispiel auch bei vorheriger Arbeit für die ehemalige afghanische Regierung nicht unbedingt eine Gefahr für die Betroffenen, selbst wenn Kolleg*innen verschleppt oder getötet wurden.

Zudem prüft das Bundesinnenministerium, nach Forderungen von Bund und Ländern, die Möglichkeit der Abschiebungen nach Afghanistan und führt konkrete Gespräche zum Beispiel mit Usbekistan, einem direkten Nachbarstaat, und auch mit den Taliban selbst.

“Abschiebungen nach Afghanistan bedeuten zwangsläufig eine Kooperation mit den Taliban, die Menschen‑, Frauen- und Kinderrechte mit Füßen treten, foltern, vergewaltigen und morden. Kriminellen Regimen wie den Taliban darf man nicht die Hand reichen, sie anerkennen oder mit ihnen zusammenarbeiten. Das widerspricht allen Grundprinzipien des Rechtsstaats und ist ein unumkehrbarer Tabubruch“, so Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern einen bundesweiten Abschiebestopp nach Afghanistan und ein Bleiberecht für geduldeten Afghan*innen.

Bundesaufnahmeprogramm vor dem Aus

Obwohl die Lage eindeutig ist und Deutschland Schutz für gefährdete Afghan*innen versprochen hat, steht das Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen nur drei Jahre nach dem chaotischen Abzug der internationalen Streitkräfte im Sommer 2021 vor dem Aus. Dies ist im aktuellen Haushaltsplan der Regierung erkennbar. Gerade jetzt wird dieser Schutz jedoch dringend benötigt, da die Taliban Kabul vor drei Jahren blitzartig zurückerobert haben und viele gefährdete Personen weiterhin in Gefahr sind.

Für PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte steht diese katastrophale Entwicklung des Bundesaufnahmeprogramms auch im Zusammenhang mit den flüchtlingsfeindlichen Debatten der letzten Monate.

“Es kann nicht sein, dass ein von rechts getriebener Diskurs dazu führt, dass die Bundesregierung Verbündete im Stich lässt. Dies ist nicht nur fatal für die bedrohten Menschen, sondern macht auch deutsche Außenpolitik vor der Welt unglaubwürdig”, so Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat e.V.

PRO ASYL, Flüchtlingsräte und viele weitere Organisationen fordern in einem gemeinsamen Statement den Erhalt und die tatsächliche Realisierung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan und die Einhaltung der Schutzversprechen Deutschlands.


Pro Asyl, 14.08.24: Am dritten Jahrestag der Machtergreifung der Taliban gilt mehr denn je: Afghanistan ist nicht sicher


Im türkischen Rassismus vereint

Das Leben in ständiger Angst ist leider eine Realität für alle geflüchteten Menschen in der Türkei. Sie sind von willkürlichen Festnahmen durch die Polizei, Abschiebungen und Gewaltwellen bedroht. Sie verheimlichen ihre sichtbaren Identitätsmerkmale, die möglicherweise auf ihre Herkunft hinweisen könnten. Frauen binden ihr Kopftuch auf türkische Art, um als Türkinnen gelesen zu werden. Geflüchtete vermeiden, auf den Straßen Arabisch, Persisch, Dari oder Kurdisch miteinander zu kommunizieren, um rassistische Blicke und Angriffe zu vermeiden. Nach zwölf Stunden körperlicher Arbeit, die ohne Sozial- und Krankenversicherung ausgeübt und gleichzeitig sehr schlecht bezahlt wird, möchten sie einfach nur sicher nach Hause kommen.  

In der Istanbuler Bahn fragte ich einen jungen Syrer, wie es ihm mit den rassistischen und diskriminierenden Vorfällen im Alltag geht. „Ich tue so, als ob ich nichts verstehe, so als wäre ich tot. In der Türkei sind wir in unserem inneren Wesen tot. Wir sind nur bewegliche Gestalten, die arbeiten müssen, um dieser Gestalt Futter zu bieten“, antwortete er. Er war 17 Jahre alt. Die Antwort von einem anderen syrischen Jugendlichen prägt mich bis heute. Er sagte „Die nichtgeflüchteten Menschen genießen ihr Leben und dafür danken sie Gott. Wir, geflüchtete Menschen in der Türkei, danken Gott, dass wir überhaupt leben“. Zwischen diesen zwei Lebensrealitäten liegen Welten. Die Familie meines Onkels lebt seit zehn Jahren in Izmir. Als ich sie besuchte, schlug ich meinem Cousin vor, gemeinsam in die kurdischen Gebiete zu reisen. Er reagierte mit einem Lächeln und sagte „Mit deinem roten deutschen Pass kannst du die ganze Türkei bereisen, aber wir dürfen unsere Region nicht verlassen. Falls wir außerhalb der zugelassenen Bewegungszone erwischt werden, werden wir sofort abgeschoben.“ Er setzte fort: „Innerhalb von zwei Monaten hast du Sehenswürdigkeiten gesehen, die ich in einem ganzen Leben nicht gesehen habe. Und das alles wegen eines Stück Papiers.“ Ich schämte mich für meinen deutschen Pass, für den ich einen langen Kampf mit den deutschen Behörden ausgetragen hatte.

Bei den letzten Wahlen in der Türkei spielte die „Flüchtlingsfrage“ aufgrund ihrer emotionalisierten und populistischen Mobilisierungswirkung eine wesentliche Rolle bei allen Parteien. Populistisch-rassistische Rhetorik, rechtsextremistische Narrative bis hin zu Vernichtungsphantasien prägen den türkischen Diskurs über geflüchtete Menschen. Der Vorsitzende der rechtsextremistischen Zafer Partisi (dt.: Partei des Sieges) Ümit Özdağ propagierte, dass er, wenn er an die Macht käme, an der syrischen Grenze Minen legen würde, um syrische Geflüchtete an der Einreise in die Türkei zu hindern. Im türkischen Diskurs wird die Schuld für die wachsende Inflation in der Wirtschaft, die steigenden Mieten, die Erhöhung der Preise sowie Arbeitslosigkeitsquote geflüchteten Menschen in die Schuhe geschoben. Der ausgeübte Rassismus in der Türkei hat eine lange Geschichte, in der die in der Türkei lebenden Minderheiten immer in Lebensgefahr und andauendem Diskriminierungszustand leben mussten bzw. immer noch müssen. Die Polarisierung der türkischen Gesellschaft wird durch das gemeinsam geteilte rassistische Gedankengut verwischt. So wird zu Lasten geflüchteter Menschen eine vereinte Türkei mit Nationalstolz konstruiert.     

Bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr erlebte die seit 2002 regierende AKP eine schwere Niederlage. Erdogan versprach dem türkischen Volk, dass er und seine Partei ihre Fehler korrigieren und ihre Unzulänglichkeiten beseitigen würden. Dazu gehört seine Geflüchtetenpolitik. Nach langjähriger Feindschaft sucht Erdogan seit Monaten über Putin Kontakt zum syrischen Regimepräsidenten Bashar al-Assad, um drei türkische Interessen zu realisieren: die kurdische Identität in Syrien zu vernichten, die Wirtschaftsroute über Syrien zur „Arabischen Welt“ wieder zu aktivieren und die in der Türkei lebenden syrischen Geflüchteten nach Syrien zu remigrieren. Bis diese Ziele der türkischen Regierung vollständig realisiert werden, verfolgen radikale Teile der türkischen Zivilbevölkerung eine militarisierte Vorgehensweise gegen Geflüchtete.         

So eskaliert in den letzten Wochen und Monaten in mehreren türkischen Städten eine andauernde Welle der Gewalt gegen geflüchtete Menschen. Ultranationalistische und islamistische Menschengruppen gehen organisiert auf die Straße und verbreiten Angst und Terror gegen Geflüchteten. Sie zerstören ihr ganzes Hab und Gut, greifen sie mit Messern an, stiften Brände und präsentieren sich als Schützer türkischer Nationalsicherheit und befriedigen mit ihrem Terror ihre Nationalgefühle, die sie als Akt der Liebe zur Heimat definieren. Diese mit Stolz ausgeübte Gewalt lässt geflüchtete Menschen weder auf die Straße gehen noch ihre Kinder zur Schule schicken.

Geflüchtete Menschen in der Türkei befinden sich in Lebensgefahr. Sie sind zum Objekt einer politischen Debatte geworden, von der alle türkisch-nationalistischen Kräfte profitieren. Die Stimmen für eine humane Geflüchtetenpolitik werden als „dumm“ und als westliche Verschwörungstheorie zur Enttürkisierung türkischer Gesellschaft verstanden und somit zurückgedrängt. Eine stark verbreitete feindliche Atmosphäre gegen Geflüchtete ist in den letzten vier Jahren deutlich zu spüren. Während solche gewalttätigen Pogrome stattfinden, präsentiert sich die CDU als Retter Deutschlands, weil sie den EU-Türkei-Deal zustande brachte. Welche negativen Konsequenzen für geflüchtete Menschen in der Türkei dadurch entstehen, wird verschwiegen. Der Türkei-Deal hat deutlich gezeigt, dass Demokratie, Menschenrechte und wir als deutsche Gesellschaft erpressbar sind. Geflüchtete Menschen und Minderheiten leiden in der Türkei ständig unter Angst und Gewaltterror des Wolfgruß-Symboles, während wir in unserem privilegierten Deutschland leben.

Wir dürfen nicht schweigen und wegschauen. Es geht um uns alle. Es geht um die Menschlichkeit. Es geht um die Solidarität. Es geht um freies menschenwürdiges Leben für alle Menschen unseres Planeten.


Monzer Haider, Mitglied des Vorstands vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg


Neue Dienstanweisung vom BAMF definiert „unbegleitete“ Minderjährige anders

Minderjährige, die mit Personen einreisen, die eine Sorgerechtsvollmacht der Eltern haben, gelten laut der BAMF-Dienstanweisung vom Juni 2024 im Asylverfahren nicht mehr als unbegleitet. Die bevollmächtigte Person ist nun erziehungsberechtig und vertritt automatisch die Interessen der Minderjährigen im Asylverfahren. Zuvor musste erst eine Vormundschaft mit Fachkenntnissen gerichtlich eingesetzt werden, bevor das Asylverfahren durchgeführt werden konnte.

Da die betroffenen Minderjährigen nicht mehr als „unbegleitete minderjährige Asylerstantragsteller*innen“ gelten, genießen sie weniger Schutz. Schutzgarantien im Asylverfahren entfallen und es bleibt abzuwarten, wie die besondere Situation der jungen Menschen berücksichtigt wird. Deshalb kritisiert der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) diese Regelung als dramatische Aufweichung der Schutzkategorien und gibt in einer Kommentierung eine erste Einschätzung sowie Praxishinweise.


Prävention von Menschenhandel und Ausbeutung

Das International Rescue Committee (IRC) bietet Trainingsvideos zur Prävention von Menschenhandel für Fachkräfte aus den Bereichen Unterkunftsvermittlung, Arbeitsvermittlung und Bildung, die im engen Kontakt mit Geflüchteten und Migrant*innen arbeiten. Hilfsangebote und Schutzmaßnahmen werden auf Deutsch, Englisch, Ukrainisch und Russisch bereitgestellt.

Das Projekt Safety Net will Flüchtende und Geflüchtete aus der Ukraine vor Missbrauch, Vernachlässigung und Ausbeutung schützen. Etwa 90% der Ankommenden sind Frauen und Kinder, die schnell Unterkunft und Einkommen finden müssen, oft ohne ausreichende Überprüfung der Angebote. Betroffene und Organisationen kennen die Risiken von Menschenhandel häufig nicht, was zu mangelndem Schutz führt. Angebote zur Prävention erreichen die Betroffenen oft nicht mehr. Deshalb ist es wichtig, dass Akteure wie Schulen, Arbeitsvermittlungsagenturen, Behörden und NGOs, die mit Geflüchteten in Kontakt stehen, informiert und geschult sind.

Das Angebot gilt für alle Menschen in Notsituationen. 


OVG Berlin-Brandenburg: Geschwisternachzug mit den Eltern zum subsidiär Schutzberechtigten

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat am 10.06.2024 einen sehr erfreulichen Beschluss zum Geschwisternachzug gefasst (OVG 3 S 32/24):

Einem 13-jährigen Bruder eines minderjährigen, subsidiär schutzberechtigten Syrers ist ein Visum zu erteilen, damit er gemeinsam mit seinen Eltern einreisen kann und die familiäre Gemeinschaft mit seinen Eltern aufrecht gehalten wird. Dass der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, spricht nicht gegen eine Visumerteilung. Da die Referenzperson in wenigen Tagen volljährig wird und dann der Nachzugsanspruch der Eltern endet, ist ein zeitlich gestaffelter Nachzug nicht zumutbar. Zudem sind die zeitlichen Dimensionen nicht absehbar. Die Eltern und der Bruder lebten im Irak.

  • Eine auch nur vorübergehende Trennung des Antragstellers von seinen Eltern kommt im Hinblick auf sein Alter – er ist erst dreizehn Jahre alt – und den Aufenthalt außerhalb des Herkunftslandes Syriens nicht in Betracht, weil dies mit dem Kindeswohl unvereinbar wäre. Dies gilt umso mehr, als sich die Dauer einer Trennung des Antragstellers von seinen Eltern – etwa bis zu einer den Nachzug uneingeschränkt rechtfertigenden Zuerkennung internationalen Schutzes für die Eltern durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder bis zu einer Erzielung eigener Einkünfte der Eltern durch Erwerbstätigkeit – nicht sicher prognostizieren lässt. Hinzu kommt, dass auch die Dauer eines (weiteren) Visumverfahrens unter Beteiligung des Beigeladenen ungewiss ist.
  • Im Übrigen spricht auch die Argumentation der Antragsgegnerin eher für die Annahme eines Ausnahmefalles. Sie geht offensichtlich selbst davon aus, dass „langfristig kein Verlust des Nachzugsrechts“ drohe und die familiäre Lebensgemeinschaft letztlich im Bundesgebiet hergestellt werde. Warum es unter diesen Umständen entgegen höherrangigem Recht zumutbar wäre, zunächst das von der Antragsgegnerin geforderte Verfahren zu durchlaufen und eine (in zeitlicher Hinsicht) ungewisse Trennung in Kauf zu nehmen, ist für den Senat nicht ersichtlich.
  • Außerdem ist es den Eltern nicht zuzumuten, dass nur ein Elternteil in das Bundesgebiet einreist, wenn der Nachzugsanspruch des im Ausland verbleibenden Elternteils wegen der eintretenden Volljährigkeit des subsidiär Schutzberechtigten in wenigen Tagen untergeht und ein Nachzugsanspruch der restlichen Kernfamilie in zeitlicher Hinsicht ungewiss ist.

(Leitsätze von asyl.net)

Es bleibt zu hoffen, dass die deutschen Auslandsvertretungen diese Entscheidung bei zukünftigen Anträgen auf Familiennachzug berücksichtigen.