Die Anlaufstelle Pro Sinti & Roma sucht ab sofort Unterstützer*innen auf Honorarbasis für 10 bis 15 Stunden/Monat an den Standorten Heilbronn, Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe und Freiburg.
Autor: Fluechtlingsrat_Skiba
„Risiken für Kinder & Jugendliche auf der Flucht“
Am 01. März veranstaltet ECPAT Deutschland e.V. ein Online Seminar zum Thema „Risiken für Kinder & Jugendliche auf der Flucht“, mit Andrea Hitzke (Dortmunder Mitternachtsmission) als Referentin. Das Angebot richtet sich an alle, die sich haupt- und ehrenamtlich im Aufnahmesystem für Geflüchtete in Deutschland engagieren. Der Ukraine Krieg und die daraus resultierende große Fluchtbewegung haben gezeigt, wie hoch das Engagement in der deutschen Zivilgesellschaft ist zu helfen. In Fluchtsituationen sind besonders Kinder und Jugendliche dem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung zu werden. Um Betroffenen helfen zu können bedarf es Wissen zur Identifizierung und Hilfemöglichkeiten bei allen, die Teil des Aufnahmesystems sind. Dazu möchten wir einen Beitrag leisten, indem wir Raum schaffen für Informationsaustausch, gemeinsame Diskussionen und Fragen.
Änderungen durch das Bürgergeld-Gesetz
Zum 1. Januar 2023 sind im SGB XII erhebliche Änderungen bei der Anrechnung von Einkommen sowie andere Neuerungen in Kraft getreten. Diese sind von besonderer Bedeutung für Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG (Analogleistungen), auf die die Regelungen des SGB XII analog anwendbar sind. Hier die wichtigsten Neuerungen im Überblick:
- Für junge Menschen unter 25 Jahren, die eine dem Grunde nach BAföG-förderfähige schulische Ausbildung oder ein Studium, eine betriebliche Berufsausbildung, eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, eine Einstiegsqualifizierung oder einen Schüler*innenjob während der Schulzeit absolvieren, gilt nun einen wesentlich höherer Freibetrag von 520 Euro, der vom Sozialamt nicht angerechnet werden darf (§ 82 SGB XII)
- Aufwandsentschädigungen aus Ehrenamtspauschalen werden im SGB XII / § 2 AsylbLG nicht mehr monatlich mit 250 Euro, sondern jährlich mit 3.000 Euro anrechnungsfrei gestellt (§ 82 SGB XII).
- Es gibt nun auch einen Mehrbedarf auch für einmalige Beihilfen, § 30 Abs. 10 SGB XII (z. B. wichtig für Passbeschaffungskosten)
- Die Verpflichtung zur Aufnahme einer zumutbaren Arbeit ist gestrichen worden, ebenso die entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten. Stattdessen ist die Verpflichtung für das Sozialamt bzw. die Bezirksregierung eingeführt worden, die leistungsberechtigte Person dabei zu unterstützen, wenn diese den Wunsch äußert, einer Tätigkeit nachgehen zu wollen
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales, November 2022: Informationsschreiben zum Bürgergeld-Gesetz
Asylfolgeantrag
Stellt eine Person nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags in Deutschland erneut einen Asylantrag, so handelt es sich in der Regel um einen Asylfolgeantrag (§ 71 AsylG). Seit der Entscheidung über den ersten Antrag können sich Umstände geändert haben, die eine neue Beurteilung des Falles erfordern. Für vollziehbar ausreisepflichtige Personen kann deshalb ein Asylfolgeantrag eine sinnvolle Option sein, doch noch einen Schutzstatus zu erhalten. In manchen Konstellationen kann es zielführender sein, anstelle eines Asylfolgeantrags einen sog. Wiederaufgreifensantrag zu stellen.
I. Wichtige Begriffe
II. Antragstellung
III. Prüfung und Entscheidung
IV. Weiterführende Arbeitshilfen
I. Wichtige Begriffe
Was ist ein Asylfolgeantrag?
Wenn man in der Vergangenheit bereits einen Asylantrag in Deutschland gestellt hat und dieser endgültig abgelehnt oder zurückgenommen wurde, wird ein weiterer Asylantrag als Asylfolgeantrag bezeichnet.
Das Asylverfahren wird nur dann neu aufgerollt, wenn einer der in § 71 Absatz 1 Satz 1 AsylG abschließend genannten Gründe vorliegt. In der Regel handelt es sich hier um neue Elemente oder Erkenntnisse, die zutage getreten sind bzw. von der betroffenen Person vorgebracht werden. Diese neuen Elemente oder Erkenntnisse müssen mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für die Person günstigeren Entscheidung beitragen. Neue Elemente können laut der Dienstanweisung Asyl Angaben der antragstellenden Person sowie Unterlagen oder Belege sein. Auch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellen nach der EuGH-Rechtsprechung (8.2.2024, C-216/22) neue Elemente dar. Neue Erkenntnisse können Informationen sein, die von der antragstellenden Person oder auch vom BAMF erlangt werden und die sich auf die Situation der Person oder auf die Situation im Herkunftsland beziehen. Im Einzelfall kann es schwierig sein, zwischen Elementen und Erkenntnissen zu unterscheiden. Das ist aber auch nicht erforderlich, solange die Elemente oder Erkenntnisse entscheidungsrelevant sind. Daneben wird das Verfahren auch bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes gemäß § 580 ZPO neu aufgerollt. Zu einem erneuten Asylverfahren führen die neuen Umstände nur, wenn die antragstellende Person sie ohne eigenes Verschulden nicht im vorangegangenen Verfahren (inkl. Klageverfahren) geltend machen konnte.
In einem Asylfolgeverfahren werden alle Schutzstatus geprüft: Die Asylberechtigung nach Artikel 16a Absatz 1 GG, die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG und der subsidiäre Schutz gemäß § 4 AsylG. Werden diese Schutzstatus nicht zuerkannt, werden auch Abschiebungsverbote gemäß § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG geprüft (>> Anerkennungsformen).
Was ist ein Wiederaufgreifensantrag?
Es besteht die Möglichkeit, den Folgeantrag auf die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG zu beschränken. Dann handelt es sich um einen sog. Wiederaufgreifensantrag. Ein solcher Antrag kann z.B. dann sinnvoll sein, wenn sich die Gefährdung aus einer physischen oder psychischen Erkrankung oder aus einer sonstigen Gefahr ergibt, die nicht die Kriterien für die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes oder subsidiären Schutzes erfüllt.
Auch beim Wiederaufgreifensantrag wird zunächst geprüft, ob es gegenüber dem Erstverfahren veränderte Umstände gibt. Dazu gehören gemäß § 51 Absatz 1 VwVfG insbesondere folgende Konstellationen:
- Die Sach- oder Rechtslage hat sich nachträglich zugunsten der Person verändert,
- Neue Beweismittel sind aufgetaucht, die im vorherigen Verfahren noch nicht vorgelegt werden konnten.
Das Verfahren wird nur dann wieder aufgerollt, wenn die antragstellende Person ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens in einem früheren Verfahren (inkl. Klageverfahren) geltend zu machen (§ 51 Absatz 2 VwVfG). Außerdem müssen die veränderten Umstände innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden (siehe unten).
Exkurs: Was ist ein Zweitantrag?
Um einen Zweitantrag (§ 71a AsylG) handelt es sich, wenn eine Person, die bereits erfolglos ein Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat, der die Dublin III-Verordnung anwendet, einen Asylantrag in Deutschland stellt. Ein Zweitantrag ist nur dann erfolgreich, wenn Deutschland nach der Dublin-III-Verordnung für seine Prüfung zuständig ist und zusätzlich Gründe für das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Absatz 1 VwVfG vorliegen (>> Das Dublin-Verfahren).
II. Antragstellung
Wie und wo stellt man einen Asylfolgeantrag oder Wiederaufgreifensantrag? Gibt es dafür Fristen?
Für den Asylfolgeantrag muss infolge eines EuGH-Urteils von 9.9.2021 (C-18/29) keine Frist mehr eingehalten werden. Veränderte Umstände können also auch dann geltend gemacht werden, wenn ihr Eintreten schon einige Zeit her ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die antragstellende Person sie ohne eigenes Verschulden nicht im vorangegangenen Verfahren geltend machen konnte. Der Asylfolgeantrag ist grundsätzlich persönlich bei einer BAMF-Außenstelle zu stellen (§ 71 Absatz 2 Satz 1 AsylG) und zu begründen (§ 71 Absatz 3 Satz 1 AsylG). Gilt für die Person eine räumliche Beschränkung oder eine Wohnsitzauflage nach § 61 AufenthG (>> Unterbringung und Wohnen), muss der Folgeantrag bei der nächstgelegenen Außenstelle in dem Bundesland des Aufenthalts gestellt werden (§ 71 Absatz 2 Satz 1 AsylG).
Für die Stellung eines Wiederaufgreifensantrags gilt: Veränderte Umstände müssen innerhalb von drei Monaten, nachdem man von den neuen Umständen Kenntnis erhalten hat, geltend gemacht werden (§ 51 Absatz 3 VwVfG). Ansonsten entscheidet das BAMF nach Ermessen, ob es das Verfahren wiederaufgreift. Wurde in der Vergangenheit ein Asylantrag gestellt, wird der Wiederaufgreifensantrag beim BAMF gestellt, das auch für die Prüfung des Wiederaufgreifensantrags zuständig ist. Spezielle Formvorgaben bestehen hier nicht.
Wurde zuvor nie ein Asylantrag, sondern nur ein isolierter Antrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten bei der Ausländerbehörde (§ 25 Absatz 3 AufenthG) gestellt, muss der Antrag schriftlich oder persönlich bei der Ausländerbehörde gestellt werden, die dann wiederum intern das BAMF beteiligt.
Was sollte man vor Folgeantragsstellung tun?
Ein Folgeantrag sollte immer intensiv mit einer Beratungsstelle oder mit einem Anwalt*einer Anwältin vorbereitet werden. In diesem Zusammenhang sollten u.a. folgende Fragen geklärt werden:
- Ist das vorangegangene Verfahren wirklich komplett abgeschlossen?
- Gibt es im Vergleich zum Asylerstverfahren veränderte Umstände?
- Haben sich persönliche Umstände im Vergleich zum Asylerstverfahren stark geändert?
- Falls die für den beabsichtigten Folgeantrag ausschlaggebenden Gründe im Erstverfahren schon vorlagen: Warum hat die Person sie nicht bereits im Erstverfahren geltend gemacht (auch im Erstverfahren bereits bestehende und nicht vorgetragene Gründe können im Folgeantragsverfahren berücksichtigt werden, wenn die Person sie unverschuldet nicht früher geltend machen konnte)?
- Ist es im vorliegenden Fall sinnvoller, einen Asylfolgeantrag oder einen Wiederaufgreifensantrag zu stellen?
Idealerweise lässt man sich vor Antragstellung nicht nur beraten, sondern beauftragt auch einen Anwalt*eine Anwältin, die Gründe für den Folgeantrag schriftlich festzuhalten. Dies ist deshalb sinnvoll, weil der Folgeantrag begründet werden muss und im anschließenden Verfahren in bestimmten Fällen von einer persönlichen Anhörung abgesehen werden kann (§ 71 Absatz 3 AsylG, § 29 Absatz 2 AsylG). Das vom Anwalt*von der Anwältin verfasste Schreiben kann man dann zur Folgeantragstellung mitbringen. Spätestens wenn man gegen die Ablehnung des Folgeantrags vorgehen möchte, benötigt man unbedingt einen Anwalt*eine Anwältin für die Erhebung von Klage und Eilantrag.
III. Prüfung und Entscheidung
Ein wesentlicher Unterschied zum „normalen“ Asylantrag besteht darin, dass die Prüfung des Asylfolgeantrags zweistufig aufgebaut ist (für Informationen zum Verfahren beim Wiederaufgreifensantrag siehe Broschüre zum Asylfolgeantrag S. 75-77).
Was passiert auf Stufe 1 des Prüfverfahrens?
Auf „Stufe 1“ prüft das BAMF zunächst, ob es Gründe dafür gibt, erneut ein Asylverfahren durchzuführen. Während des Prüfverfahrens auf dieser Stufe haben die betroffenen Personen regelmäßig nur eine Duldung. Wird kein weiteres Asylverfahren durchgeführt, wird der Asylantrag als „unzulässig“ abgelehnt (§ 29 Absatz 1 Nummer 5 AsylG). Ist das der Fall, tritt die Person nicht in Stufe 2 des Verfahrens ein.
Gegen die Unzulässigkeitsentscheidung kann man klagen. Hierfür sollte man unbedingt einen Anwalt*eine Anwältin hinzuziehen. Da eine Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung keine aufschiebende Wirkung hat, ist zusätzlich ein Eilantrag nötig, um vor einer Abschiebung geschützt zu sein. Wird der Eilantrag fristgerecht gestellt (die Fristen finden sich in der Rechtsbehelfsbelehrung), ist erst nach Ablehnung des Eilantrags die Abschiebung zulässig.
Ausnahmen gelten, wenn der Folgeantrag nur zur Verzögerung/Behinderung der Abschiebung gestellt wurde sowie bei abermaliger Stellung eines Folgeantrags nach Ablehnung des vorangegangenen Folgeantrags. In diesen Fällen ist die Abschiebung zulässig, wenn das BAMF mitgeteilt hat, dass keine Gründe für ein neues Asylverfahren vorliegen (§ 71 Absatz 5 Satz 2 und 3 AsylG).
Was passiert auf Stufe 2 des Prüfverfahrens?
Bejaht das BAMF das Vorliegen von Gründen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, geht es auf „Stufe 2“ mit einer ganz „normalen“ inhaltlichen Asylprüfung weiter (>> Das Asylverfahren). Erst auf dieser zweiten Stufe erhält die antragstellende Person eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung.
IV. Weiterführende Arbeitshilfen
- Kirsten Eichler, Oktober 2018: Der Asylfolgeantrag – Zu den Voraussetzungen für die erneute Prüfung von Asylanträgen und zum Ablauf des Folgeverfahrens (Achtung: Dreimonatsfrist gilt nicht mehr, sonst weiterhin hilfreiche Broschüre)
Musteranträge § § 104c, 25b und 25a AufenthG
Auf Basis von Vorlagen des Flüchtlingsrats Thüringen haben wir Musterschreiben für die Aufenthaltserlaubnisse nach § 104c AufenthG, § 25a AufenthG und § 25b AufenthG verfasst. Die Musterschreiben müssen sorgfältig auf den jeweiligen Fall angepasst werden. Im Zweifel sollte immer der Rat einer Beratungsstelle eingeholt werden.
Bereich „Grundlagen“ veröffentlicht
Ab sofort ist auf der Homepage des Flüchtlingsrats BW der Bereich „Grundlagen“ veröffentlicht. Darin werden die wichtigsten Themen der Arbeit mit geflüchteten Menschen im Überblick dargestellt. Der Bereich soll ehrenamtlich Engagierten einen ersten Überblick über die jeweiligen Themen geben. Für inhaltliche Fehler wird keine Haftung übernommen. Die Inhalte ersetzen keine professionelle Beratung durch hauptamtliche Beratende bzw. Anwält*innen.
Aufenthaltsverfestigung
Wer im Asylverfahren Schutz erhält, bekommt in aller Regel eine Aufenthaltserlaubnis. Aufenthaltserlaubnisse sind immer befristet (auch wenn der erteilte Schutzstatus selbst unbefristet ist) und müssen verlängert werden. Nach einer bestimmten Zeit und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen kann ein unbefristeter Aufenthaltstitel, die sog. Niederlassungserlaubnis, erteilt werden. Auch die Einbürgerung, also die Beantragung der deutschen Staatsangehörigkeit, ist ab einem bestimmten Zeitpunkt möglich.
I. Die Niederlassungserlaubnis
II. Die Einbürgerung
I. Die Niederlassungserlaubnis
Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 AufenthG (Personen mit Asylberechtigung), § 25 Absatz 2 Satz 1 AufenthG (Personen mit Flüchtlingseigenschaft und subsidiär Schutzberechtigte) und § 25 Absatz 3 AufenthG (Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG) haben nach einem bestimmten Zeitraum die Möglichkeit, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, die sog. Niederlassungserlaubnis zu erhalten. Diese hat einige Vorteile: Beispielsweise entfällt die Notwendigkeit, den Aufenthaltstitel regelmäßig verlängern zu lassen. Ein unbefristeter Aufenthaltstitel kann außerdem bestimmte Erleichterungen beim Familiennachzug mit sich bringen. So entfallen beim Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten und Personen mit einem Abschiebungsverbot mit Erteilung der Niederlassungserlaubnis die Beschränkungen des § 36a AufenthG bzw. § 29 Absatz 3 Satz 1 AufenthG. Mehr Infos dazu finden sich unter >> Familiennachzug.
Bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis muss zwischen Personen mit Flüchtlingseigenschaft bzw. Asylberechtigten einerseits und Personen mit anderen humanitären Aufenthaltstiteln (z.B. subsidiär Schutzberechtigten) andererseits unterschieden werden:
Die Niederlassungserlaubnis ist als „Belohnung“ für gelungene Integrationsleistungen ausgestaltet. Wer diese nicht erbringt, erhält weiterhin nur eine (dreijährige) Aufenthaltserlaubnis (sofern die Gründe, die zu der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geführt haben, insbesondere der Schutzstatus, fortbestehen).
Welche Voraussetzungen gibt es für Personen mit Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung?
Konkret hat eine Person mit Flüchtlingseigenschaft/ Asylberechtigung ebenso wie ein „Resettlement-Flüchtling“ (§ 23 Absatz 4 AufenthG) in der Regel unter folgenden Voraussetzungen Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 Satz 1 AufenthG:
- Fünf Jahre Besitz Aufenthaltserlaubnis (die Dauer des Asylverfahrens wird angerechnet)
- Lebensunterhalt des Antragstellers*der Antragstellerin ist überwiegend (> 50 %) gesichert
- Hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (= A2-Niveau)
- Ausreichender Wohnraum für die Person und mit ihr zusammenlebende Familienangehörige
- Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung/Lebensverhältnisse in der BRD (z.B. durch das Bestehen des „Leben in Deutschland“-Tests oder durch einen deutschen Schulabschluss)
Hinweis: Von diesen Voraussetzungen gelten ggf. Ausnahmen, wenn sie krankheits-, behinderungs- oder altersbedingt nicht erfüllt werden können.
Weitere Voraussetzungen sind:
- Keine Mitteilung des BAMF über (geplanten) Widerruf bzw. (geplante) Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung
- Die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Absatz 1 AufenthG (z.B. Erfüllung der Passpflicht, geklärte Identität) müssen vorliegen (davon kann im Ermessen abgesehen werden)
- Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Nummern 4 – 6 AufenthG (z.B. keine Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bundesgebiet und Besitz einer Erwerbstätigkeitserlaubnis)
Besonders gut integrierte Geflüchtete können die Niederlassungserlaubnis unter folgenden (höheren) Voraussetzungen schon früher erhalten (§ 26 Absatz 3 Satz 3 AufenthG):
- Drei Jahre Besitz Aufenthaltserlaubnis (die Dauer des Asylverfahrens wird angerechnet)
- Keine Mitteilung des BAMF über (geplanten) Widerruf bzw. (geplante) Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung
- Beherrschen der deutschen Sprache (C1-Niveau)
- Lebensunterhalt muss weit überwiegend gesichert sein (in der Praxis wird hier häufig verlangt, dass der Bedarf zu mindestens 80 % unabhängig von öffentlichen Mitteln gedeckt ist). Der Bezug von beispielsweise Kindergeld oder Erziehungsgeld (siehe § 2 Absatz 3 Satz 2 AufenthG) schadet nicht.
Hinweis: Ausnahmen, z.B. wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit oder wegen behinderungsbedingter Unmöglichkeit des Spracherwerbs, sind hier nicht möglich.
Welche Voraussetzungen gibt es für Personen mit anderen (humanitären) Aufenthaltserlaubnissen?
Bei Personen mit einer anderen humanitären Aufenthaltserlaubnis richtet sich die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 AufenthG. Dazu zählen:
- subsidiär Schutzberechtigte (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 2 AufenthG)
- Personen mit einem nationalem Abschiebungsverbot (§ 25 Absatz 3 Satz 1 AufenthG)
- Personen, die durch einen Härtefallantrag eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben (§ 23a AufenthG)
- Besonders gut integrierte Jugendliche und junge Erwachsene (§ 25a AufenthG)
- Besonders gut integrierte Erwachsene (§ 25b AufenthG)
Die Voraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis sind in § 26 Absatz 4 Satz 1 AufenthG geregelt (hier wird auf § 9 Absatz 2 Satz 1 AufenthG verwiesen):
- 5 Jahre Besitz der Aufenthaltserlaubnis (die Dauer des Asylverfahrens wird angerechnet)
- Deutschkenntnisse auf B1-Niveau
- Ausreichender Wohnraum für die Person und mit ihr zusammenlebende Familienangehörige
- Grundkenntnisse über die Rechts- und Gesellschaftsordnung/Lebensverhältnisse in Deutschland (z.B. durch das Bestehen des „Leben in Deutschland“-Tests („Orientierungstest“) oder durch einen deutschen Schulabschluss)
- gesicherter Lebensunterhalt
- mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder vergleichbare Altersabsicherung
Hinweis: Von diesen Voraussetzungen gelten ggf. Ausnahmen, wenn sie krankheits-, behinderungs- oder altersbedingt nicht erfüllt werden können.
Weitere Informationen:
- Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Februar 2024: Arbeitshilfe Aufenthaltsverfestigung
- Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Juni 2024: Info-Blatt Niederlassungserlaubnis
II. Die Einbürgerung
Personen mit bestimmten Aufenthaltserlaubnissen oder mit einer Niederlassungserlaubnis können sich unter bestimmten Voraussetzungen einbürgern lassen und erhalten dann einen deutschen Pass.
Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es einen Anspruch auf die Einbürgerung (§ 10 StAG), in manchen Fällen ist die Einbürgerung aber auch nach Ermessen möglich (§ 8 StAG).
Welche Voraussetzungen gelten für die Anspruchseinbürgerung?
Die reguläre Form der Einbürgerung ist die Anspruchseinbürgerung nach (§ 10 StAG). Dafür gelten folgende Voraussetzungen:
- Fünfjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt (Reduzierung nach Ermessen auf bis zu drei Jahre möglich bei Vorliegen der folgenden drei Voraussetzungen: 1. besondere Integrationsleistungen, insbesondere besonders gute schulische, berufsqualifizierende oder berufliche Leistungen oder bürgerschaftliches Engagement, 2. Lebensunterhaltsicherung für sich und die Angehörigen, 3. C1-Sprachkenntnisse)
- Innehaben einer Niederlassungserlaubnis, des Daueraufenthalts-EU oder einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis (NICHT: §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5, § 104c AufenthG)
- Geklärte Identität und Staatsangehörigkeit
- Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie Abgabe einer Loyalitätserklärung
- Lebensunterhaltssicherung ohne Inanspruchnahme von SGB II- oder SGB XII-Leistungen (Ausnahmen gelten für bis Juni 1974 bzw. Juni 1990 eingereiste Personen aus der Gast-/Vertragsarbeiter*innengeneration und deren Ehepartner*innen sowie für in Vollzeit arbeitende Personen, die in den letzten 24 Monaten 20 Monate in Vollzeit gearbeitet haben und deren Ehegatt*innen, wenn sie mit der in Vollzeit arbeitenden Person und einem minderjährigen Kind zusammenleben)
- Keine strafrechtlichen Verurteilungen gemäß § 12a StAG (Ausnahmen: Geldstrafen bis zu 90 Tagessätze, zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen bis zu drei Monate, Erziehungsmaßregeln/Zuchtmittel bei Jugendlichen)
- B1-Sprachkenntnisse (Nachweise z.B. über erfolgreichen Integrationskurs oder deutschen Schulabschluss), Ausnahmen gelten unter bestimmten Voraussetzungen für Personen aus der Gast-/Vertragsarbeiter*innengeneration und im Ermessen bei Härtefällen
- Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (z.B. über mit 17 Punkten bestandenem Einbürgerungstest oder mit 17 Punkten bestandenem Test „Leben in Deutschland)
- Kein Vorliegen eines Ausschlussgrundes (u.a. Missachtung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Person ist mit mehreren Ehepartnerinnen verheiratet, tatsächliche Anhaltspunkte für falsches Bekenntnis oder Unterstützung von terroristischen/extremistischen Organisationen)
Hinweis: Von den Voraussetzungen B1-Sprachkenntnisse und Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland kann abgesehen werden, wenn die Person sie aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.
Seit der Gesetzesänderung vom 27. Juni 2024 ist die Aufgabe (einer) anderen Staatsangehörigkeit(en) vor Einbürgerung nicht mehr erforderlich. Personen, die sich einbürgern lassen, können also ihre bisherige Staatsangehörigkeit behalten.
Wichtig: Menschen, die unverschuldet SGB II/XII-Leistungen beziehen (z.B. Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen, Studierende), sollen künftig auch eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG beantragen. Gemäß § 8 Absatz 2 StAG kann zur Vermeidung einer besonderen Härte u.a. von der Lebensunterhaltssicherung abgesehen werden.
Wann können Ehepartner*innen und minderjährige Kinder miteingebürgert werden?
Ehegatte*Ehegattin und minderjährige Kinder können nach Ermessen miteingebürgert werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Einbürgerung – abgesehen vom fünfjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt – in ihrer eigenen Person erfüllen.
Wann bekommen in Deutschland geborene Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit?
In Deutschland geborene Kinder erhalten von Amts wegen die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 4 Absatz 1 StAG). Wenn beide Eltern Ausländer*innen sind, erwirbt ein Kind ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren seinen rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und eine Niederlassungserlaubnis oder eine Daueraufenthaltserlaubnis-EU besitzt (§ 4 Absatz 3 StAG).
Wie läuft das Verfahren zur Einbürgerung ab?
Den Antrag auf Einbürgerung stellt man bei der Einbürgerungsbehörde des jeweiligen Wohnorts. Eine Einbürgerung kostet 255 €, im Falle miteingebürgerter minderjähriger Kinder ohne eigene Einkünfte belaufen sich die Kosten auf 51 € (§ 38 StAG). Die Einbürgerungsurkunde soll bei einer öffentlichen Einbürgerungsfeier übergeben werden.
Weitere Informationen:
- Informationsverbund Asyl & Migration, Juni 2024: Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts tritt in Kraft
Widerruf und Rücknahme des Schutzstatus
Ein Schutzstatus, den man im Asylverfahren erhalten hat, gilt grundsätzlich ohne zeitliche Befristung; das gilt für den Flüchtlingsschutz, den subsidiären Schutz und das Abschiebungsverbot gleichermaßen. Zeitlich befristet ist lediglich die darauf aufbauende Aufenthaltserlaubnis, die aber solange verlängert werden muss, wie der Schutzstatus besteht. Beseitigt werden kann der Schutzstatus zum einen durch einen sogenannten Widerruf, der dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung des Schutzes nicht mehr vorliegen, weil sich die Situation im Herkunftsland geändert hat. Davon zu unterscheiden ist die sog. Rücknahme des Schutzes, wenn sich nach Schutzgewährung herausstellt, dass der Schutz gar nicht hätte zuerkannt werden dürfen, beispielsweise, weil die betroffene Person unrichtige Angaben gemacht hat.
I. Das Widerrufs-/Rücknahmeverfahren
II. Vorgehen bei Widerruf oder Rücknahme
III. Weiterführende Arbeitshilfen
I. Das Widerrufs-/Rücknahmeverfahren
Wo ist das Widerrufs-/Rücknahmeverfahren geregelt?
Der Widerruf der Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft ist in § 73 Absatz 1 AsylG geregelt, der Widerruf des subsidiären Schutzes in § 73 Absatz 2 AsylG und Widerruf und Rücknahme eines gemäß § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG festgestellten (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbotes in § 73 Absatz 6 AsylG. Regelungen zur Rücknahme von Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft und subsidiärem Schutz finden sich in § 73 Absatz 4 und 5 AsylG.
Liegen Gründe für ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren vor?
Ein Schutzstatus wird nicht „einfach so von heute auf morgen“ widerrufen bzw. zurückgenommen. Ein Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren kommt nur in Frage, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Kenntnis von Umständen oder Tatsachen erhält, die einen Widerruf oder eine Rücknahme rechtfertigen könnten (§ 73b Absatz 1 AsylG). Dann prüft das BAMF, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen Widerruf/eine Rücknahme vorliegen. Soweit dies erforderlich ist, kann die betroffene Person nach § 73b Absatz 5 AsylG dazu verpflichtet werden, an diesem Prozedere mitzuwirken. Wenn es nicht nötig ist, dass die Person bei diesem Verfahrensschritt mitwirkt, kann es sein, dass sie gar nichts davon mitbekommt. Wird in diesem Verfahrensschritt festgestellt, dass es keine Gründe für einen Widerruf oder eine Rücknahme gibt, ist das Verfahren schon an dieser Stelle beendet und der Schutzstatus bleibt bestehen. Wenn das BAMF nach diesem Verfahrensschritt zu dem Schluss kommt, dass Gründe für einen Widerruf oder eine Rücknahme vorliegen, wird die betroffene Person informiert und das eigentliche Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren eingeleitet.
Das Verfahren wurde eingeleitet, was passiert nun?
Wenn das BAMF im Rahmen der Überprüfung zu dem Schluss kommt, dass die Voraussetzungen für den Schutzstatus nicht (mehr) vorliegen, wird ein Widerrufs-/Rücknahmeverfahren eingeleitet. Das BAMF informiert zunächst die betroffene Person über die Einleitung des Widerrufs-/Rücknahmeverfahrens (§ 73b Absatz 6 AsylG). Die Person hat dann einen Monat Zeit, um schriftlich alle Gründe vorzutragen, die dafür sprechen, dass der Schutzstatus nicht widerrufen werden soll.
Wichtig: Die Stellungnahme muss gut vorbereitet werden, am besten mit anwaltlicher Unterstützung oder zusammen mit einer kompetenten Beratungsstelle. Dazu gehört in jedem Fall, Dokumente wie das Anhörungsprotokoll und den Bescheid aus dem Asylverfahren sowie ggf. die Gerichtsentscheidung genau zu studieren, um sich die damaligen Entscheidungsgründe zu vergegenwärtigen. Außerdem sollten unbedingt neue Beweise/Entwicklungen, die eine Gefährdung im Herkunftsland belegen, eingereicht werden. Auch Themen, die im ursprünglichen Asylverfahren keine Rolle gespielt haben, können von Bedeutung sein – beispielsweise gesundheitliche Probleme. Es ist nämlich möglich, dass sich zwar die „alten“ Gründe erledigt haben, es aber inzwischen andere Gefahren im Herkunftsland gibt, die eine Beibehaltung des Schutzstatus, zumindest aber die Zuerkennung eines niedrigeren Schutzstatus rechtfertigen. Es ist also denkbar und gar nicht so selten, dass eine Person mit Flüchtlingseigenschaft zum subsidiären Schutz „herabgestuft“ wird oder ein vormals subsidiär Schutzberechtigter nunmehr ein Abschiebungsverbot erhält (§ 73b Absatz 2 AsylG). Widerruf oder Rücknahme werden der betroffenen Person bzw. ihrer anwaltlichen Vertretung stets per Bescheid zugestellt, der innerhalb der gesetzlichen Fristen mit Rechtsmitteln vor dem zuständigen Verwaltungsgericht angegriffen werden kann.
II. Vorgehen bei Widerruf oder Rücknahme
Wenn der Schutzstatus widerrufen/zurückgenommen wird, kann dagegen geklagt werden. Diese Klage hat in den meisten Fällen aufschiebende Wirkung (Ausnahme: Wenn der Schutzstatus widerrufen wurde, weil Ausschlussgründe eingetreten sind, schwere Straftaten begangen wurden oder die Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (§ 75 Absatz 2 AsylG)).
Während des Klageverfahrens hat die schutzberechtigte Person deshalb weiterhin Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Erst wenn Widerruf bzw. Rücknahme rechtskräftig wird, kann die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis entweder nachträglich befristen, widerrufen oder einfach auslaufen lassen. Beruht der Widerruf/die Rücknahme auf einer von der Person ausgehenden Gefahr, wird das zuständige Regierungspräsidium regelmäßig zusätzlich eine Ausweisungsentscheidung treffen, gegen die man sich ebenfalls vor Gericht wehren kann.
Wenn die schutzberechtigte Person zum Zeitpunkt des Widerrufs/der Rücknahme bereits eine Niederlassungserlaubnis besitzt, hat die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob diese ebenfalls widerrufen wird oder nicht. Hierbei spielt in der Praxis die Bewertung der Integrationsleistungen und des bisherigen Verhaltens der betroffenen Person eine wichtige Rolle. Ein Widerruf der Niederlassungserlaubnis ist aber nur bei (ehemaligen) Personen mit Flüchtlingseigenschaft/subsidiär Schutzberechtigten möglich. Wurde ein Abschiebungsverbot widerrufen oder zurückgenommen, kann die Niederlassungserlaubnis nicht durch Widerruf, sondern nur durch eine Ausweisung beseitigt werden, wenn die betroffene Person „gefährlich“ ist.
III. Weiterführende Arbeitshilfen
- Flüchtlingsrat BW, November 2021: Handreichung Widerruf, Rücknahme und Erlöschen des Schutzstatus
Familiennachzug
Eine der drängendsten Fragen geflüchteter Menschen ist häufig, ob sie ihre Familienangehörigen „nachholen“ können. Solange das Asylverfahren noch läuft, ist ein Familiennachzug aus dem Ausland grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme stellt die Familienzusammenführung über die Dublin-III-Verordnung dar. Dafür müssen sich die Familienangehörigen aber bereits innerhalb des „Dublin-Raums“, z.B. in Griechenland, befinden und selbst einen Asylantrag gestellt haben (>> Das Dublin-Verfahren).
I. Voraussetzungen für den Familiennachzug
II. Wie gestaltet sich das Familiennachzugsverfahren?
III. Weiterführende Arbeitshilfen
I. Voraussetzungen für den Familiennachzug
Der Familiennachzug ist grundsätzlich erst nach einer positiven Entscheidung über den Asylantrag möglich. Ob die Möglichkeit eines Familiennachzugs besteht, hängt davon ab, wie erfolgreich das Asylverfahren ausgegangen ist. Sehr gut sind die Chancen von Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung. Allerdings ist auch der Verwandtschaftsgrad maßgeblich dafür, ob ein Familiennachzug möglich ist. Gute Chancen haben Angehörige der sog. Kernfamilie (Ehepartner*in, minderjährige ledige Kinder und Eltern von unbegleiteten Minderjährigen).
Welche allgemeinen Voraussetzungen müssen erfüllt werden?
Damit Angehörige von Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können, müssen zunächst einige allgemeine Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Lebensunterhalt muss für die Person mit Schutzstatus und ihre Angehörigen gesichert sein. Das ist dann der Fall, wenn der Regelbedarf inklusive Krankenversicherung ohne öffentliche Mittel gesichert ist. Unschädlich ist gemäß § 2 Absatz 3 Satz 2 sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Bezug folgender Leistungen: Kindergeld, Kinderzuschlag, Erziehungsgeld, Elterngeld, Leistungen der Ausbildungsförderung nach SGB III, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, Arbeitslosengeld I und Kurzarbeitergeld, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Wohngeld.
- Es muss ausreichender Wohnraum für die stammberechtigte Person und die Angehörigen bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn für jedes Familienmitglied über sechs Jahre 12 m² und für jedes Familienmitglied unter sechs Jahren 10 m² zur Verfügung stehen werden (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, Nummer 2.4).
- Die nachzugswilligen Angehörigen müssen einen Pass haben und ihre Identität muss geklärt sein. In seltenen Ausnahmefällen werden deutsche Passersatzpapiere für die Einreise ausgestellt.
- Bezüglich der stammberechtigten Person darf kein Ausweisungsinteresse bestehen, z.B. wegen einer Straftat (§ 53 und § 54 AufenthG).
- Die nachzugswillige Person muss mit einem Visum zum Familiennachzug eingereist sein und im Visumsverfahren die notwendigen Angaben gemacht haben.
Hinweis: Dies sind die allgemeinen Voraussetzungen, in einigen Fällen kann es zu Ausnahmen von einzelnen Voraussetzungen kommen. Je nachdem, welches Familienmitglied nachziehen möchte und welchen Schutzstatus die stammberechtigte Person hat, gelten auch weitere Voraussetzungen.
Wann ist der Ehegatt*innennachzug von Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung möglich?
Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung haben einen Anspruch auf Nachzug ihres Ehegattens*ihrer Ehegattin. Dabei gelten die Voraussetzungen ausreichender Wohnraum und Lebensunterhaltssicherung in der Regel nicht, wenn der Familiennachzug innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Asylberechtigung bzw. der Flüchtlingseigenschaft beantragt wurde (§ 29 Absatz 2 AufenthG). Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt des Erhalts des positiven Bescheids vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), nicht etwa der spätere Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis.
Wichtig: Mit dem Antrag auf Familiennachzug ist der Visumsantrag gemeint. Eine wirksame Antragstellung liegt nur vor, wenn innerhalb der Dreimonatsfrist ein Visumsantrag bei der Auslandsvertretung gestellt wurde, der alle erforderlichen Angaben enthält (Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg, 19.1.2022, Aktenzeichen: 3 M 185/20). Weder die Abgabe einer fristwahrenden Anzeige über das Internetportal des Auswärtigen Amtes noch die Anzeige bei der Ausländerbehörde sind folglich ausreichend. In der Praxis sollte direkt bei der Auslandsvertretung ein Visumsantrag (idealerweise per Fax) gestellt werden. Zusätzlich dazu kann die fristwahrende Anzeige über das Online-Portal als PDF-Datei ausgegeben, gespeichert und den nachzugswilligen Angehörigen für den Vorsprachetermin übermittelt werden.
Wird der Antrag auf Familiennachzug erst nach Ablauf der Drei-Monatsfrist gestellt, steht es im Ermessen der zuständigen Behörden, ob von den Voraussetzungen ausreichender Wohnraum und Lebensunterhaltssicherung abgesehen wird.
Weitere bei Asylberechtigten und Personen mit Flüchtlingseigenschaft geltende Voraussetzungen für den Ehegatt*innennachzug sind u.a. gemäß § 30 AufenthG:
- Die Ehe muss am Ort der Eheschließung rechtsgültig geschlossen worden sein. Eine religiös geschlossene Ehe muss nach dem Recht des Heimatlandes staatlich anerkannt sein, um einen Nachzugsanspruch zu begründen.
- Beide Ehegatt*innen müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben. Bei Vorliegen einer besonderen Härte kann von dieser Voraussetzung abgesehen werden.
- Wenn die Ehe im Herkunftsland noch nicht bestanden hat, muss die nachziehende Person Deutschsprachkenntnisse auf dem Niveau A1 vorweisen.
Wann ist der Kindernachzug zu Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung möglich?
Für ein minderjähriges (d.h. unter 18 Jahren) und unverheiratetes Kind, besteht ein Nachzugsanspruch, wenn beide Eltern oder der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis haben (§ 32 AufenthG).
Voraussetzung für die Erteilung eines Visums zum Kindernachzug ist außerdem, dass der Elternteil, zu dem der Nachzug angestrebt wird, im Besitz des Sorgerechts ist. Hat der andere Elternteil, der im Heimatland verbleibt, nach dortiger Rechtslage ebenfalls die elterliche Sorge inne, muss dieser Elternteil sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Kindes in Deutschland geben bzw. muss eine rechtsverbindliche Entscheidung der zuständigen Stelle vorgelegt werden (§ 32 Absatz 4 AufenthG).
Der Nachzugsanspruch besteht nur, wenn das Kind minderjährig ist. Die deutsche Rechtspraxis stellte hier lange Zeit auf den Zeitpunkt des Antrags auf Familienzusammenführung ab. Sprich, dass das Kind minderjährig ist, wenn nach der Anerkennung der Antrag auf Nachzug gestellt wird. Nach dieser Rechtsauffassung verloren Kinder, die während des Asylverfahrens ihrer Eltern volljährig wurden, ihren Anspruch auf ein Visum nach § 32 AufenthG. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte in seiner Entscheidung vom 1.8.2022 (C-279/20) allerdings klar, dass ein Kind auch dann als minderjährig zu behandeln ist, wenn es zum Zeitpunkt der Asylantragstellung des Elternteils/der Eltern minderjährig war, aber vor dessen/deren Anerkennung volljährig geworden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass der Nachzugsantrag des Kindes innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Anerkennung des Elternteils als Person mit Flüchtlingseigenschaft gestellt wird. Das EuGH-Urteil bezieht sich jedoch nur auf Personen mit Flüchtlingseigenschaft. Für eine gleiche Handhabung beim Nachzug zu Personen mit Asylberechtigung spricht ggf. § 2 Absatz 1 AsylG.
Wann ist der Eltern- und Geschwisternachzug zu unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung möglich?
Unbegleitete minderjährige Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung haben einen Anspruch darauf, dass ihren Eltern ein Visum zum Familiennachzug erteilt wird (§ 36 Absatz 1 AufenthG).
Der Nachzugsanspruch besteht nur, wenn das in Deutschland lebende unbegleitete Kind minderjährig ist. Der EuGH hat hier gleich mehrfach entschieden (EuGH, Urteil vom 1.8.2022, C-273/20, C-355/20), dass es auch beim Elternnachzug zum anerkannten minderjährigen Personen mit Flüchtlingseigenschaft drauf ankommt, dass das Kind bei seiner Asylantragstellung in Deutschland minderjährig war. Bei einer danach eintretenden Volljährigkeit geht das Recht auf Elternnachzug also nicht verloren; rechtlich bleibt die Person also minderjährig. Nur so werde verhindert, dass äußere Umstände, die die betreffenden Personen selbst nicht in der Hand haben, wie etwa langwierige Asyl- oder Visumsverfahren, zum Verlust des Nachzugsrechts führen. Die EuGH-Urteile beziehen sich nur auf Personen mit Flüchtlingseigenschaft. Für eine analoge Handhabung beim Nachzug zu Personen mit Asylberechtigung spricht ggf. § 2 Absatz 1 AsylG.
Wichtig: Auch hier besteht der Nachzugsanspruch aber nur, wenn das Visum auf Elternnachzug innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragt wird. Diese Voraussetzung lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen, sondern ist vom EuGH „beschlossen worden“ worden, damit das Elternnachzugsrecht nicht „ewig“ geltend gemacht werden kann, der Aufnahmestaat also eine gewisse Planungssicherheit hat.
Auf Nachweise zur Lebensunterhaltssicherung und zum ausreichenden Wohnraum verzichtet das Gesetz beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten vollständig.
Ist der Nachzug beider Elternteile gewünscht, sollten die Eltern das Visum zusammen beantragen. Beantragt ein Elternteil das Visum nämlich erst später, nachdem der andere personenberechtigte Elternteil bereits eingereist ist, ist der*die Minderjährige nicht mehr unbegleitet, wenn über das Visum des zurückgelassenen Elternteils entschieden wird.
Außerdem sollte vorsorglich auch für andere nachzugswillige minderjährige Kinder, also die Geschwister des*der unbegleiteten Minderjährigen, ein Visumsantrag gestellt werden. Diese haben zwar eigentlich keinen Anspruch auf ein Visum (da sie im Verhältnis zum*zur unbegleiteten Minderjährigen weder Elternteile noch Ehegatte*Ehegattin sind) und die Eltern selbst (zunächst) nur über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügen. Da es aber durchaus die rechtlich gut begründbare Möglichkeit eines Visums auch für die Geschwister der unbegleiteten minderjährigen Person gibt, sollte man in jedem Fall – notfalls gerichtlich beim Verwaltungsgericht (VG) in Berlin, das für Visumsangelegenheiten zuständig ist – versuchen, ein Visum zu erhalten. In der Praxis werden die Anträge auf Geschwisternachzug häufig wegen mangelnder Lebensunterhaltssicherung und fehlendem Wohnraum abgelehnt. Ist dies der Fall, kann ein schrittweiser Nachzug der Angehörigen (sog. Kaskadennachzug) erwogen werden. Dies bedeutet, dass zunächst nur ein Elternteil zur unbegleiteten, minderjährigen Person nach Deutschland reist, dieser hier im Rahmen eines eigenen Asylverfahrens ein Aufenthaltsrecht erwirbt, das wiederum den Familiennachzug ermöglicht und dadurch die im Ausland verbliebenen Angehörigen nachgeholt werden können.
Wann ist der Familiennachzug bei subsidiärem Schutz möglich?
Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf den Familiennachzug von Ehegatt*innen, minderjährigen ledigen Kinder oder, bei unbegleiteten Minderjährigen, den Nachzug der Eltern. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten kann jedoch gemäß § 36a AufenthG im Ermessenswege zugelassen werden. Monatlich können bis zu 1.000 Visa für Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden. Ausgewählt werden diese Personen in einem internen Prozess vom Bundesverwaltungsamt. Der Familiennachzug wird aber auch hier bei den Auslandsvertretungen beantragt.
Eine Dreimonatsfrist für den Visumsantrag sieht das Gesetz nicht vor. Bei bevorstehender Volljährigkeit eines Kindes gilt allerdings Folgendes:
- Beim Kindernachzug muss die Minderjährigkeit bei Beantragung des Visums bei der zuständigen Auslandsvertretung bestehen. Daher sollte bereits vor Eintritt der Volljährigkeit ein formloser Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zweck des Familiennachzugs bei der zuständigen Auslandsvertretung gestellt werden. Denn nur so geht die später eintretende Volljährigkeit, die z.B. der Wartezeit auf einen Termin zur Vorsprache in der Auslandsvertretung geschuldet ist, nicht zu Lasten der antragstellenden Person.
- Beim Elternnachzug kommt es darauf an, dass das subsidiär schutzberechtigte Kind noch minderjährig ist, wenn seinen Eltern das Visum erteilt wird. Steht die Volljährigkeit der*des unbegleiteten Minderjährigen bevor, sollte daher bei der Beantragung eines Termins bei der zuständigen Auslandsvertretung auf die bald eintretende Volljährigkeit hingewiesen werden.
Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag sind in erster Linie humanitäre Gründe. Einige Beispiele für solche humanitären Gründe benennt § 36a Absatz 2 AufenthG:
- Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft ist seit langer Zeit nicht möglich.
- Ein minderjähriges lediges Kind ist betroffen.
- Leib, Leben oder Freiheit des Familienangehörigen sind im Aufenthaltsstaat gefährdet.
- Der*die subsidiär Schutzberechtigte oder der*die Familienangehörige ist schwerwiegend erkrankt, pflegebedürftig oder schwer behindert.
Wenn ein solcher humanitärer Grund vorliegt, wird ein Visum in der Regel trotzdem nicht erteilt, wenn einer der in § 36a Absatz 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe vorliegt:
- Die Ehe wurde erst nach der Flucht geschlossen.
- Der*die subsidiär Schutzberechtigte wurde in Deutschland rechtskräftig wegen einer bestimmten vorsätzlichen Straftat (siehe § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG) verurteilt.
- Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels an den*die subsidiär Schutzberechtigte*n ist nicht zu erwarten.
- Der*die subsidiär Schutzberechtigte hat eine Grenzübertrittsbescheinigung beantragt.
Liegt ein humanitärer Grund vor und greift kein Ausschlussgrund, sind zusätzlich Integrationskriterien zu berücksichtigen (§ 36a Absatz 2 Satz 4 AufenthG). Dabei werden sowohl Integrationsleistungen auf Seiten der nachzugswilligen Familienangehörigen als auch auf Seiten der Person in Deutschland berücksichtigt. Bei den Familienangehörigen sind z.B. Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Bei der subsidiär schutzberechtigten Person kommen in Betracht:
- die eigenständige Sicherung von Lebensunterhalt und Wohnraum auch für den*die nachziehenden Familienangehörigen
- besondere Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache
- gesellschaftliches Engagement
- ehrenamtliche Tätigkeit
- das nachhaltige Bemühen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
- die Absolvierung einer Berufsausbildung
Im Bereich Integrationsleistungen wirken sich auch strafrechtliche Verurteilungen unterhalb der in § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG genannten Schwellen tendenziell negativ aus.
Gemäß § 79 Absatz 3 AufenthG wird die Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis ausgesetzt, wenn gegen den Stammberechtigten ein Strafverfahren wegen einer oder mehrerer in § 36a Absatz 3 Nummer 2 AufenthG genannten Straftaten eingeleitet wurde.
Dokumente, die humanitäre Kriterien und Integrationsleistungen belegen, sollten bei subsidiär Schutzberechtigten gemeinsam mit anderen notwendigen Unterlagen (z.B. Pass oder Personenstandsurkunden) beim Botschaftstermin vorgelegt werden. Aspekte, die die nachzugswilligen Personen betreffen, werden von der Botschaft selbst geprüft, die für die subsidiär schutzberechtigte Person zuständige Ausländerbehörde prüft dann die sogenannten inlandsbezogenen Sachverhalte. Beim Bundesverwaltungsamt laufen die Informationen dann zusammen. Es nimmt dann eine Gewichtung der Kriterien vor und wählt Personen aus, die in diesem Monat das Visum erhalten sollen. Entsprechend der Auswahlentscheidung weist es die Botschaft an, Visa zu erteilen. Wer nicht ausgewählt wurde, erhält keine ablehnende Entscheidung, sondern muss hoffen, in einem anderen Monat berücksichtigt zu werden.
Wann ist der Nachzug von Angehörigen außerhalb der sog. Kernfamilie möglich?
Andere Familienangehörige (z.B. Geschwister, Großeltern, Eltern von volljährigen Personen) können unter engen Voraussetzungen ein Visum zum Familiennachzug erhalten. Dies geht jedoch nur dann, wenn der Familiennachzug zur Vermeidung einer „außergewöhnlichen Härte“ erforderlich ist (§ 36 Absatz 2 AufenthG). Voraussetzung ist ein besonderes Angewiesensein auf familiäre Hilfe. Hiervon können Fälle erfasst sein, in denen ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds durch die Herstellung der familiären Gemeinschaft zwingend angewiesen ist und die Lebenshilfe zumutbar auch nur in Deutschland erbracht werden kann.
Die Umstände, die die außergewöhnliche Härte begründen, müssen sich stets aus den individuellen Besonderheiten des Einzelfalls ergeben (z.B. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, psychische Probleme). Umstände die sich aus den allgemeinen Lebensverhältnissen im Herkunftsland ergeben, werden regelmäßig nicht zur Begründung einer außergewöhnlichen Härte akzeptiert.
Wichtig: Für die Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Absatz 2 AufenthG müssen der Lebensunterhalt für die in Deutschland lebende Person und die nachzugswilligen Menschen gesichert sein und ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden.
II. Wie gestaltet sich das Familiennachzugsverfahren?
Für den Familiennachzug ist in der Regel die persönliche Vorsprache der Nachzuziehenden bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung im jeweiligen Land erforderlich (Ausnahme siehe hier). Die Terminvereinbarung ist von Botschaft zu Botschaft unterschiedlich. Im Einzelfall sollte man sich deshalb die aktuellen Informationen und Hinweise auf der Homepage der jeweils zuständigen Auslandsvertretung ansehen. Die Wartezeiten auf den Termin zur persönlichen Vorsprache sind teilweise sehr lang.
Bei der persönlichen Vorsprache müssen die Familienangehörigen alle erforderlichen Unterlagen, wie z.B. den Nachweis über die Wahrung der Drei-Monatsfrist (falls erforderlich), die Aufenthaltserlaubnis der stammberechtigten Person, die ausgefüllten Visumsantragsformulare, Nachweise über die familiäre Beziehung (z.B. Heiratsurkunde, Familienstammbuch) und einen Reisepass, in den das Visum eingetragen werden kann, vorlegen. Teilweise ist es sehr schwer, diese Unterlagen zu beschaffen.
Die Erteilung des Visums zum Familiennachzug bedarf der Zustimmung der deutschen Ausländerbehörde am beabsichtigten Aufenthaltsort. Zu diesem Zweck übermittelt die Auslandsvertretung die ihr vorliegenden Angaben der antragstellenden Person sowie ihrer in Deutschland lebenden Bezugsperson an die Ausländerbehörde am Wohnort des in Deutschland bereits aufenthaltsberechtigten Familienmitglieds und bittet unter Nennung des beantragten Aufenthaltszwecks um Stellungnahme. Die Ausländerbehörde prüft dann, ob aus ihrer Sicht die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und gibt eine Rückmeldung an die Auslandsvertretung. Hierbei handelt es sich um ein verwaltungsinternes Verfahren.
Die abschließende Entscheidung über den Visumantrag teilt allein die Auslandsvertretung der antragstellenden Person in Form eines Bescheids mit.
Gegen eine ablehnende Entscheidung kann bei der Auslandsvertretung remonstriert werden. Die Remonstration ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung ausschließlich auf die Möglichkeit der Klage verweist. In diesem Fall muss direkt Klage beim VG Berlin erhoben werden.
Ergeht der Ablehnungsbescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Frist für die Remonstration ein Jahr nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides. Ist der Ablehnungsbescheid dagegen mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die nicht ausschließlich auf die Möglichkeit einer Klage hinweist, beträgt die Frist einen Monat nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides.
Wurde remonstriert und kommt die Auslandsvertretung nach erneuter Prüfung zum Ergebnis, dass das Visum nicht erteilt werden kann, erlässt sie einen sog. Remonstrationsbescheid. Gegen diesen Bescheid kann die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim VG Berlin erheben.
Ist die Entscheidung der Auslandsvertretung positiv, wird den nachzugswilligen Personen das Visum erteilt. Die Kosten für die Flüge sind von den Familienangehörigen zu tragen.
Nach der Einreise sollten die Personen sich zügig bei der Ausländerbehörde melden und einen Antrag auf Verlängerung des – in der Regel nur für drei Monate erteilten – Visums stellen. Außerdem sollten sie sich baldmöglichst beraten lassen, ob für sie eine Asylantragstellung sinnvoll ist (>> Familienasyl).
III. Weiterführende Arbeitshilfen
- Informationsverbund Asyl & Migration: Informationen zum Verfahren der Familienzusammenführung
- DRK Suchdienst, Fachinformationen zum Familiennachzug von und zu Flüchtlingen
- Deutscher Caritasverband, November 2021: Migration im Fokus – Familiennachzug
Anerkennungsformen
Nach der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekommen Geflüchtete einen Brief in einem gelben Umschlag vom BAMF, in dem die Entscheidung über den Asylantrag mitgeteilt wird. Auf diesen sog. Bescheid muss teilweise Monate gewartet werden. Sowohl bei positiven als auch bei negativen Entscheidungen gibt es verschiedene Varianten, die jeweils unterschiedliche Auswirkungen haben. In diesem Beitrag geht es um die positiven Entscheidungen, die unterschiedlichen Anerkennungsformen: Es gibt vier unterschiedliche Schutzformen.
I. Die vier Anerkennungsformen
II. Unterscheidung Anerkennung und Aufenthaltserlaubnis
III. Rechte und Pflichten nach der Anerkennung
IV. Weiterführende Arbeitshilfen
I. Die vier Anerkennungsformen
Die Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft
Die erste Variante einer positiven Entscheidung ist die Anerkennung als Asylberechtigte*r gemäß Artikel 16a Grundgesetz und/oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 – § 3e AsylG). In diesen Fällen hat das BAMF festgestellt, dass die asylsuchende Person deshalb gefährdet ist, weil ihr in ihrem Herkunftsland Verfolgung droht. Dabei sind die Hürden für die Asylberechtigung höher als für die Flüchtlingseigenschaft: Die Asylberechtigung setzt zum einen Verfolgung durch den Staat voraus, zum anderen ist sie ausgeschlossen, wenn die Einreise nach Deutschland über einen sogenannten sicheren Drittstaat erfolgt ist. Da das Gesetz alle Nachbarländer Deutschlands als sichere Drittstaaten einstuft, ist die Anerkennung als Asylberechtigte*r bei einer Einreise auf dem Landweg in aller Regel ausgeschlossen. Demgegenüber kann die Flüchtlingseigenschaft auch aufgrund von Verfolgung durch nichtstaatliche Akteur*innen und auch bei Einreise über einen sicheren Drittstaat gewährt werden.
Voraussetzung sowohl für die Asylberechtigung als auch die Flüchtlingseigenschaft ist, dass der Person die Verfolgung wegen ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht. Im Gesetzestext ist bis heute der Begriff „Rasse“ als weiterer Grund angeführt (Hinweis: Allein rassistische Theorien gehen jedoch von der Annahme aus, dass es unterschiedliche menschliche „Rassen“ gibt. Wir halten den Begriff daher für höchst problematisch und distanzieren uns klar von ihm und dahinterstehenden Konzepten. Er wird an dieser Stelle ausschließlich genannt, um auf den rechtlichen Kontext hinzuweisen. In rechtlicher Hinsicht wird der Begriff genutzt, um rassifizierten Menschen Schutz vor Verfolgung zu bieten. Weitere Informationen zum Stand der Diskussion hält das Deutsche Institut für Menschenrechte bereit). Es muss sich also um diskriminierende Verfolgung handeln, die das Wesensmerkmal der Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung ist. Liegen ausnahmsweise einmal die Voraussetzungen sowohl der Asylberechtigung als auch der Flüchtlingseigenschaft vor, erhält die Person beide Schutzstatus.
Der subsidiäre Schutz
Liegen die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung nicht vor, prüft das BAMF, ob der subsidiäre Schutz erteilt werden kann. Der in § 4 AsylG geregelte subsidiäre Schutz ist Bestandteil des Asylantrags und muss somit nicht gesondert beantragt werden. Subsidiär ist dieser Schutz, weil er nur hilfsweise für den Fall gewährt wird, dass die Voraussetzungen des „besseren“ Schutzstatus nicht vorliegen. Der subsidiäre Schutz hat gewissermaßen eine Auffangfunktion und soll Schutzlücken schließen, die etwa in Fällen bestehen, in denen zwar keine diskriminierende Verfolgung besteht, im Herkunftsland aber gleichwohl eine unmittelbare Gefahr besteht, die vom Staat oder privaten Akteur*innen ausgeht. Diese Gefahr beschreibt das Gesetz mit dem Begriff des „ernsthaften Schadens“, der der Person im Herkunftsland drohen muss. Mit der „Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe“, „Folter oder unmenschlicher/erniedrigender Behandlung“ und der „Bedrohung des Lebens durch Krieg oder Bürgerkrieg“ zählt § 4 Absatz 1 AsylG die verschiedenen Konstellationen abschließend auf.
Das nationale Abschiebungsverbot
Wird auch kein subsidiärer Schutz gewährt, prüft das BAMF von Amts wegen stets, ob ein sogenanntes nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Dieses ist nicht Bestandteil des Asylantrags, sondern wird nur anlässlich des Asylantrags geprüft. Bei einem nationalen Abschiebungsverbot wird geprüft, ob der betroffenen Person eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht, wenn sie ausreisen muss oder abgeschoben werden soll. Es handelt sich hierbei um sogenannte zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote.
So darf eine Person nicht abgeschoben werden, wenn ihr dadurch die Verletzung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Rechte droht. BAMF und Gerichte gehen teilweise von einem Abschiebungsverbot aus, wenn die Lebensbedingungen für einzelne Schutzsuchende aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen im Herkunftsland einer Verletzung von Artikel 3 EMRK gleichkommen. Unter solchen Umständen könnte dann auch vom vorrangigen subsidiären Schutz auszugehen sein, wobei die Abgrenzung umstritten ist.
Eine Person darf auch nicht abgeschoben werden, wenn ihr im Falle einer Abschiebung erhebliche Gesundheitsgefahren drohen (§ 60 Absatz 7 AufenthG). Dies gilt jedoch nur für lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheiten, die sich durch die Abschiebung akut zu verschlechtern drohen.
II. Unterscheidung Anerkennung und Aufenthaltserlaubnis
Spricht das BAMF im Asylverfahren einen Schutz zu, wird der antragstellenden Person dies in einem Bescheid mitgeteilt. Der Bescheid mit der positiven Entscheidung des BAMF ist noch nicht die Aufenthaltserlaubnis, sondern nur Voraussetzung dafür, dass die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilen darf. Zwar gilt der Aufenthalt der anerkannten Person häufig schon mit dem positiven Bescheid als erlaubt (§ 25 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 2 AufenthG), jedoch vergehen regelmäßig Wochen oder Monate, bis man die Aufenthaltserlaubnis in den Händen hält. Die Entscheidung des BAMF und die anschließend erteilte Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde – dies ist das Landratsamt bzw. in den Stadtkreisen und großen Kreisstädten die Stadtverwaltung – sind unbedingt auseinander zu halten. Die Unterscheidung ist insbesondere beim (privilegierten) Familiennachzug zu Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung wichtig. Die dort einzuhaltende Drei-Monatsfrist (§ 29 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 AufenthG) wird nämlich durch die Bekanntgabe des BAMF-Bescheids, mit dem die Asylberechtigung oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, in Gang gesetzt – und eben nicht erst durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Mehr Informationen dazu unter >> Familiennachzug.
Immer wieder kommt es vor, dass Personen mit Schutzstatus die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verwehrt wird, weil sie die Passpflicht nicht erfüllen. Da Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung Anspruch auf einen blauen Flüchtlingspass haben, betrifft dieses Problem vor allem Personen mit subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot. Von ihnen wird in der Regel erwartet, dass sie die Passpflicht durch die Beschaffung eines Reisepasses ihres Herkunftslandes erfüllen. Allerdings darf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen nicht von der Erfüllung der Passpflicht abhängig gemacht werden. Das geht aus dem Wortlaut des § 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG hervor: Demnach ist bei Personen mit Aufenthaltstiteln nach § 24 (Schutz nach der Massenzustromrichtlinie) oder § 25 Absatz 1 bis 3 AufenthG (Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, Subsidiärer Schutz) von den Regelerteilungsvoraussetzungen (zu denen die Passpflicht gehört) zwingend abzusehen. Die Ausnahme gilt auch bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (§ 8 Absatz 1 AufenthG).
III. Rechte und Pflichten nach der Anerkennung
Welche Rechte und Pflichten im Anschluss an das Asylverfahren bestehen, hängt von dem Schutzstatus ab, den das BAMF gewährt hat.
Asylberechtigung und Flüchtlingseigenschaft
Mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung sind grundsätzlich identische Rechte und Pflichten verbunden. Liegen ausnahmsweise einmal die Voraussetzungen der Asylberechtigung vor, sollte die Person vorsorglich dennoch darauf achten, dass in dem Bescheid zusätzlich auch die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, deren Voraussetzungen dann ebenfalls erfüllt sein werden. Während die Asylberechtigung nämlich auf nationales, also deutsches Recht zurückgeht, ist für die Flüchtlingseigenschaft europäisches Recht maßgeblich, über dessen Auslegung der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entscheidet. Um von einer etwaigen günstigen Entscheidung des EuGHs profitieren zu können, muss man aber eine Flüchtlingseigenschaft haben. Ein aktuelles Beispiel liefert die Rechtsprechung des EuGH zum Familiennachzug zu Personen mit Flüchtlingseigenschaft (>> Familiennachzug). Es erscheint zweifelhaft, ob sich auf diese Rechtsprechung auch eine Person berufen kann, die „nur“ eine Asylberechtigung hat. Darauf kommt es jedoch nicht an, wenn man beide Schutzstatus besitzt.
Sowohl Asylberechtigung als auch Flüchtlingseigenschaft vermitteln einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 1 AufenthG) die für drei Jahre erteilt wird (§ 26 Absatz 1 Satz 2 AufenthG).
Zwischen der Anerkennung durch das BAMF und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis liegt häufig ein relativ langer Zeitraum. Der Aufenthalt gilt aber kraft Gesetzes bereits ab der Anerkennung als erlaubt (§ 25 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 2 AufenthG). Personen sind also bereits mit der Anerkennung so zu behandeln, als hätten Sie die Aufenthaltserlaubnis schon in den Händen. In der Praxis wird für diesen Übergangszeitraum meist eine Bescheinigung über die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis oder eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt.
Nach Ablauf der drei Jahre wird die Aufenthaltserlaubnis für weitere drei Jahre verlängert (§ 8 Absatz 1 AufenthG), sofern der Schutzstatus weiterhin besteht und nicht schon die Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis erfüllt sind. Dabei muss die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis – und das gilt für jeden anderen Aufenthaltstitel auch – immer rechtzeitig, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch gilt, bei der Ausländerbehörde beantragt werden. Bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gilt der Aufenthaltstitel und damit verbundene Rechte, etwa die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit, als fortbestehend (§ 81 Absatz 4 Satz 1 AufenthG). Es besteht ein Anspruch auf die Ausstellung einer Bescheinigung darüber, die sog. Fiktionsbescheinigung (§ 81 Absatz 5 AufenthG).
Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt automatisch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, d.h. sowohl zu einer abhängigen Beschäftigung als auch zu einer selbstständigen Tätigkeit (§ 25 Absatz 1 Satz 4, Absatz 2 Satz 2 und § 2 Absatz 2 AufenthG). Es besteht ein Anspruch – und häufig auch die Pflicht – zur Teilnahme an einem Integrationskurs (§ 44 Absatz 1 Nr. 1 c, § 44a Absatz 1 AufenthG). Der Teilnahmeanspruch erlischt – sofern man keine „Entschuldigungsgründe“ hat – ein Jahr nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (§ 44 Absatz 2 AufenthG), Details siehe unter >> Sprachförderung.
Sozialrechtlich sind Personen mit Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung deutschen Staatsangehörigen weitgehend gleichgestellt. Sie scheiden mit rechtskräftiger Anerkennung aus dem Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes aus und fallen in die „normalen“ sozialrechtlichen Sicherungssysteme. Kann der Lebensunterhalt also nicht (vollständig) aus eigener Kraft gesichert werden, besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Absatz 1 SGB II), bei Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII. Für einen nahtlosen Leistungsbezug sollte nach der Anerkennung unverzüglich ein Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt werden (Jobcenter/Sozialamt). Es besteht ebenfalls Zugang zu BAföG und Leistungen der Berufs- und Ausbildungsförderung, wenn die persönlichen Voraussetzungen (z.B. Altersgrenze) erfüllt sind.
Personen mit Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung steht das Recht auf Familiennachzug uneingeschränkt zu (>> Familiennachzug).
Als Person mit Flüchtlingseigenschaft und Asylberechtigung besteht der Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Geflüchtete, den sog. „blauen Pass“ (Artikel 28 Genfer Flüchtlingskonvention = GFK, § 2 Absatz 1 AsylG). Dieser ermöglicht das Reisen nach Maßgabe der jeweiligen Visabestimmungen der Ziel- und Durchreisestaaten. Eine Reise in den Herkunftsstaat ist aber nicht zulässig, was auch ausdrücklich im Reiseausweis vermerkt wird. Reisen in das Herkunftsland gefährden den Status als Person mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung. Hiervon ist also dringend abzuraten. Aus demselben Grund ist Vorsicht bei der Nutzung und Verlängerung des eigenen Nationalpasses geboten, der der*dem Besitzer*in spätestens nach der Anerkennung wieder auszuhändigen ist.
Der subsidiäre Schutz
Die Rechte und Pflichten beim subsidiären Schutz entsprechen in vielerlei Hinsicht denen bei der Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung. In einigen Punkten sind die Rechtspositionen beim subsidiären Schutz aber deutlich schwächer. Dies ist ein Grund, warum eine Klage gegen die Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft sinnvoll sein kann.
So besteht ebenfalls ein strikter Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Absatz 2 Satz 1 Alternative 2 AufenthG), die ebenfalls automatisch, d.h. ohne gesonderte Erlaubnis durch die Ausländerbehörde, zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Allerdings wird die Aufenthaltserlaubnis bei erstmaliger Erteilung nur für ein Jahr, bei Verlängerung dann für zwei weitere Jahre erteilt (§ 26 Absatz 1 Satz 3 AufenthG). Den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat auch, wer gegen den BAMF-Bescheid klagt, um die Flüchtlingseigenschaft zu erhalten. Die Ausländerbehörde darf die Aufenthaltserlaubnis also nicht – wie es bisweilen in der Praxis zu beobachten ist – unter Hinweis auf das teilweise noch bei Gericht laufende Klageverfahren verweigern. Der subsidiäre Schutzstatus kann im gerichtlichen Verfahren auch nicht wieder verloren gehen; dort kann man sich also nur „verbessern“.
Ebenso wenig darf die Ausländerbehörde die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für eine Person mit subsidiärem Schutz verweigern mit der Begründung, dass kein Pass vorliegt. Subsidiär Schutzberechtigte sind zwar möglicherweise verpflichtet, sich um einen Pass ihres Herkunftsstaates zu bemühen, allerdings darf das Vorliegen des Passes nicht zur Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemacht werden. Denn das Gesetz regelt unmissverständlich, dass bei der der Erteilung von Aufenthaltstiteln wie dem subsidiären Schutz von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgesehen wird (§ 5 Absatz 3 Satz 1 AufenthG) . Zu diesen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gehört auch die Erfüllung der Passpflicht. Damit sich die Personen nicht wegen passlosen Aufenthalts strafbar machen, ist der Aufenthaltstitel zwingend als Ausweisersatz auszustellen (§ 48 Absatz 4 AufenthG), mit dem wiederum die Passpflicht für den Aufenthalt in Deutschland erfüllt wird.
Einer der gravierendsten Nachteile gegenüber Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung besteht derzeit noch beim Familiennachzug. Dieser ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich, und zwar für maximal 1.000 Personen im Monat (>> Familiennachzug).
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Deutschland subsidiär Schutzberechtigten nicht automatisch ein Reisedokument ausstellt. Sie werden grundsätzlich darauf verwiesen, bei ihrer „Heimatbotschaft“ die Verlängerung bzw. Ausstellung des Reisepasses zu beantragen. Nur wenn sie dort keinen Nationalpass erhalten können, z.B. weil ihnen die Beantragung nicht zumutbar ist, wird ein „Reiseausweis für Ausländer“, der umgangssprachlich „grauer Pass“ genannt wird, ausgestellt (§ 5 und § 6 AufenthV sowie Artikel 25 Absatz 2 der Qualifikationsrichtlinie). Für eritreische Staatsangehörige beispielsweise hat das Bundesverwaltungsgericht am 11.10.2022 entschieden, dass sie Anspruch auf einen Reiseausweis für Ausländer haben, weil es ihnen nicht zumutbar ist, eine „Reueerklärung“ zu unterzeichnen (Az. 1 C 9.21). Die Ausstellung des Reiseausweises dürfe dem Urteil entsprechend nicht mit der Begründung verweigert werden, die Person könne einen Pass ihres Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat (hier: Eritrea) die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer „Reueerklärung“ knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und die betroffene Person plausibel darlegt, dass sie die Erklärung nicht abgeben will.
Schließlich sind die Voraussetzungen, unter denen subsidiär Schutzberechtigte eine Niederlassungserlaubnis erhalten, strenger als bei Personen mit Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung (>> Aufenthaltsverfestigung).
Das nationale Abschiebungsverbot
Der schwächste Schutz, der im Asylverfahren gewährt werden kann, ist das nationale zielstaatsbezogene Abschiebungsverbot. Mit ihm gehen die wenigsten Rechte einher. Zwar wird in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn das BAMF ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot feststellt. Es besteht aber kein strikter Rechtsanspruch, denn das Gesetz sagt nicht, dass die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen „ist“, sondern dass sie erteilt werden „soll“ (§ 25 Absatz 3 Satz 1 AufenthG) und zwar mindestens für ein Jahr (§ 26 Absatz 1 Satz 3 AufenthG). Nach einer Gesetzesänderung vor einiger Zeit sind auch Personen mit Abschiebungsverbot zu jeder Form der Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 4a Absatz 1 AufenthG), es bedarf also keiner Erlaubnis durch die Ausländerbehörde. Ein Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs besteht aber nach wie vor nicht. Im Rahmen verfügbarer Kapazitäten können betroffene Personen vom BAMF auf Antrag im Ermessenswege zugelassen werden und sind bei der Auswahl vorrangig zu berücksichtigen (>> Sprachförderung). Auch in anderen Bereichen, etwa beim Zugang zu BAföG, bestehen im Detail Nachteile gegenüber den zuvor genannten Gruppen.
Wie bei subsidiär Schutzberechtigten darf die Ausländerbehörde auch die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG nicht mit der Begründung verweigern, dass kein Pass vorliegt. Menschen mit Abschiebungsverbot sind zwar in der Regel verpflichtet, sich um einen Pass ihres Herkunftsstaates zu bemühen, allerdings darf das Vorliegen des Passes nicht zur Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemacht werden, weil auch die Erfüllung der Passpflicht keine Erteilungs-/Verlängerungsvoraussetzung ist. Zur Vermeidung einer Strafbarkeit wegen passlosen Aufenthalts in Deutschland sieht das Gesetz auch hier die obligatorische Ausstellung eines Ausweisersatzes vor.
IV. Weiterführende Arbeitshilfen
- Informationsverbund Asyl und Migration, Oktober 2022: Schutzformen