Offener Brief „Sicherer Hafen BW“ übergeben

Das Bündnis “Sicherer Hafen Baden-Württemberg”, welches von den Baden-Württembergischen Seebrücken sowie dem Flüchtlingsrat koordiniert wird, hat am Mittwoch, 9. Dezember im Staatsministerium einen von über 150 Organisationen unterschriebenen offenen Brief an die Landesregierung übergeben.

Ines Fischer von den Seebrücken Baden-Württemberg sagt dazu: “Wir haben heute klar gemacht, dass wir für ein humanes und menschenwürdiges Land Baden-Württemberg stehen. Die Zivilgesellschaft unterstützt unsere Forderungen die humanitäre Katastrophe an den Außengrenzen nicht weiter hinzunehmen, nun liegt es an den Politiker*innen Taten folgen zu lassen.”

In dem Brief des Bündnisses wird neben einem Landesaufnahmeprogramm für geflüchtete Menschen an den europäischen Außengrenzen vor allem auch eine Verbesserung der Bleiberechte hier lebender Schutzsuchender gefordert.

Seán McGinley, vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, dazu: “Das Leid an den Außengrenzen ist unvorstellbar. Dennoch dürfen wir auch die schon hier lebenden Menschen nicht vergessen, auch sie werden zu oft menschenunwürdig behandelt.”

Henri Dubois von den Seebrücken Baden-Württemberg führt aus: “Wir sind heute einen wichtigen Schritt gegangen, in dem wir unsere Forderungen der Landesregierung überbracht haben. Nun gilt es im anstehenden Wahlkampf möglichst vielen Politiker*innen klarzumachen, dass unsere Werte, die Menschenrechte, durch die aktuelle Migrationspolitik im Bund und in Europa verraten werden. Das sollten wir alle zusammen nicht länger hinnehmen.”

Theresa Schopper vom Staatsministerium betonte, dass sie die Initiative begrüße und die Forderungen weitertragen wird. Weiterhin sei es wichtig, dass der Druck aus der Zivilbevölkerung aufrecht erhalten bleibt.

Das Bündnis Sicherer Hafen Baden-Württemberg hat sich im vergangenen Sommer gebildet und ist eine zivilgesellschaftliche Stimme für die Rechte geflüchteter Menschen an den Außengrenzen, sowie im Land Baden-Württemberg.

Wer den offenen Brief noch unterstützen möchte – gerne auch als Einzelperson – kann dies durch Unterzeichnung und Verbreitung der Online-Petition tun.


„Es begann mit trockenem Husten, dann kamen Fieber und Lungenschmerzen“

„Wenn ich kein Corona gehabt hätte, hätte ich es wahrscheinlich auch nicht geglaubt“, sagt Hava D. Die 47-jährige Pflegerin, die in einem Seniorenheim in Bad Rappenau arbeitet, lag infolge ihrer Corona-Infektion neun Tage im künstlichen Koma. Seither hat sie große Sorge wegen dieser Erkrankung.

Umso weniger versteht sie Demonstrationen der sogenannten Coronaleugner*innen. „Also ich bin wirklich enttäuscht“, sagt Hava, „eine Maske zu tragen und damit sich und andere zu schützen muss doch für alle Menschen selbstverständlich sein.“

Hava ist mit ihrer Familie vor 6 Jahre aus Tschetschenien geflüchtet und hat jahrelang um ein Bleiberecht in Deutschland gekämpft. Von Beginn an hat sie sich ehrenamtlich in der Initiative „Gemeinsam mit und für Flüchtlinge in Bad Rappenau“ engagiert und dafür die silberne Ehrenmedaille der Stadt Bad Rappenau erhalten.

Nach ihrer Anerkennung im Frühjahr 2019 hat sie sich erfolgreich um einen Ausbildungsplatz zur Altenpflegerin bemüht und mit der Ausbildung im September 2019 begonnen.

Ende Februar treten die ersten Covid-19 Infektionen bei mehreren Bewohner*innen und Mitarbeitenden im Haus Alpenland in Bad Rappenau auf. Wenige Tage später wird das gesamte Pflegeheim von der Stadtverwaltung unter Quarantäne gestellt:

„Die mit dem heutigen Tag getroffene Entscheidung bedeutet, dass Bewohner das Heim nicht verlassen dürfen, Besucher dürfen die Bewohner nicht aufsuchen.“ Für die Mitarbeitenden des Heimes gilt eine erweiterte Quarantäneanordnung. Sie dürfen ihre Wohnung ausschließlich zu dem Zweck verlassen, ihrer Tätigkeit im Altenpflegeheim nachzugehen. „Sie dürfen also nur alleine mit dem eigenen Auto auf direktem Weg anreisen und sind verpflichtet, während ihrer Tätigkeit geeignete Schutzkleidung zu tragen.“

Das Hygienekonzept ist festgelegt, Oberbürgermeister Sebastian Frei kümmert sich persönlich darum, dass Schutzmasken vorhanden sind und tritt der BILD-Zeitung, die einen Skandal wittert „Altenheim unter Quarantäne, aber keiner hält sich daran“ entschieden entgegen. Die Mitarbeitenden wehren sich: „Man fühlt sich fast wie ein Krimineller, es macht uns arg zu schaffen, dass gefühlt jeder auf uns rumhackt.“ In der hausinternen Facebookgruppe schreibt eine Mitarbeiterin „Ich möchte gerne einmal meinen Kollegen großen Respekt aussprechen. Obwohl die Möglichkeit einer Infizierung im Raume steht, erfüllen sie ihren Job vorbildhaft.“

Hava gehört zu denen, die im Bereich der infizierten Bewohner*innen arbeitet. Völlig erschöpft kommt sie nach langen Arbeitsschichten nach Hause, es nimmt sie persönlich mit, dass mittlerweile die ersten schwer Erkrankten in stationärer Behandlung in der Lungenfachklinik Löwenstein versorgt werden. Sie schützt sich so gut wie möglich bei ihrer täglichen Pflegearbeit. Aber trotz Mundschutz und Schutzkleidung steckt sie sich wahrscheinlich beim Pflegen einer Frau an, die mittlerweile an Covid-19 verstorben ist.

„Es begann mit einem trockenen Husten, dann kamen das Fieber und die Lungenschmerzen.“ Unter Vorerkrankungen leide sie nicht.

Hava geht es zunehmend schlechter. Sie wird in die SLK-Klinik Plattenwald gebracht. Ein Arzt habe sie mit dem Stethoskop abgehört und wieder nach Hause geschickt, schildert sie. Die Patientin sei gemäß des gültigen Schemas vom Robert-Koch-Institut behandelt worden, heißt es von der Pressestelle der SLK-Kliniken. „Es lagen zu diesem Zeitpunkt nur leichte Symptome vor. Alle Laborwerte waren – bis auf eine minimale Erhöhung der Infektparameter – unauffällig. Eine stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus war daher zu diesem Zeitpunkt medizinisch nicht erforderlich.“

Am folgenden Tag habe das Gesundheitsamt bei ihr angerufen, berichtet Hava. Man habe ihr gesagt, das Ergebnis des Tests, der am Tag zuvor im Krankenhaus veranlasst wurde, sei positiv ausgefallen. Von da an, berichtet sie, sei ihr Zustand immer schlechter geworden. Das Gesundheitsamt habe täglich angerufen, dennoch habe sie zu Hause bleiben sollen. Ihr Mann habe sie gepflegt, doch es kam der Punkt, an dem er den Notarzt rufen musste. Kurz zuvor sei sie bewusstlos geworden. Im Nachhinein, so wirft sie dem Gesundheitsamt vor, sei sie viel zu spät nach Löwenstein gekommen.

In Löwenstein wird sie nach einigen Tagen ins künstliche Koma versetzt und maschinell beatmet. Sie schwebe in Lebensgefahr, so berichtet die Heilbronner Stimme. Familienangehörige stehen jeden Tag vor der Lungenfachklinik, sie beten und hoffen „Hava ist eine starke Frau“. Nach 9 Tagen im Koma haben sich die Blut- und Lungenwerte verbessert, sie lernt wieder selbständig zu atmen. Die Pflegerinnen fahren ihr Bett ans Fenster und sie wirft einen ersten Blick auf ihre Tochter und Schwägerin, die vor der Klinik stehen. An die Zeit des Komas hat sie keine Erinnerung, aber sie weiß: „Ärzte haben mein Leben gerettet“.

Nach gut 4 Wochen verlässt sie nach wiederholten negativen Testergebnissen die Klinik Löwenstein, um kurz darauf in einer Rehabilitationsklinik weiterbehandelt zu werden. Ihre Covid-19- Erkrankung ist mittlerweile als Berufserkrankung anerkannt. Seit Juli arbeitet sie wieder, doch es ist nicht mehr so wie früher: „komme ich von der Arbeit, muss ich mich erstmal hinlegen, ich bin erschöpft, Arbeit, Ausbildung und Haushalt, das ist manchmal kaum zu schaffen. An den beiden Unterrichtstagen in der Peter-Bruckmann-Schule in Heilbronn spürt sie, dass auch die Konzentrationsfähigkeit nachgelassen hat. Aber sie gibt nicht auf, sie will die Ausbildung erfolgreich zu Ende bringen. Es gibt Tage, da verlässt sie Mut und Zuversicht und die Zweifel werden stärker. Aber sie kämpft, will endgültig in diesem Land ankommen, unabhängig sein, leben.

Von: Klaus Harder, Mitglied im Sprecher*innenrat des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg


Das Ende des angeblichen „BAMF-Skandals“

Im Frühjahr 2018 machten Meldungen um einen angeblich massenhaften Betrug bei Asylbescheiden durch die Bremer Außenstelle des BAMF bundesweit Schlagzeilen. Insbesondere das BMI und Politiker*innen von CDU/CSU heizten die Debatte an, die im Sommer 2018 zum „Bremer Asylskandal“ avancierte: Im Rahmen einer hochgradig vergifteten Diskussion um angeblich massenhafte Korruption und Gefälligkeitsentscheidungen zugunsten von nicht schutzbedürftigen Flüchtlingen wurden die Leiterin der Bremer BAMF-Behörde sowie zwei Anwälte als Hauptbeschuldigte identifiziert. Es entwickelte sich eine wahre Hetzjagd gegen die Beschuldigten und weitere „Verantwortliche“, in deren Folge nicht nur die BAMF-Leiterin in Bremen, sondern auch die BAMF-Chefin Jutta Cordt ihren Hut nehmen musste. Nun stellt sich heraus: Der „Bremer Asylskandal“ war in erster Linie eine politische Inszenierung, in deren Folge sich der Umgang des BAMF mit Geflüchteten gravierend veränderte. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat die Ereignisse und den aktuellen Stand detailliert zusammengefasst.

Flüchtlingsrat Niedersachsen (12.11.20): „Das Ende des angeblichen ‚BAMF-Skandals'“


Veranstaltungsreihe „Die Roma in der Corona-Krise“

Auf Einladung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg und der Anlaufstelle Pro Roma Waldkirch hat Ende Oktober eine Veranstaltungsreihe zur Situation der Roma in Serbien und Nordmazedonien unter den Vorzeichen der Coronavirus-Pandemie stattgefunden. Fadil Kurtic von der Organisation URI (Verband der Roma-Intellektuellen) aus Vladicin Han in Südserbien und Albert Memeti von Romalitico und der Bürger*innenbewegung Avaja aus Nordmazedonien berichteten dabei aus ihren jeweiligen Ländern. Die zeigten auf, warum die Roma noch stärker unter der Pandemie leiden (z.B. weil sie häufiger in schlechten Wohnverhältnissen leben, in informellen Bereichen arbeiten, in denen sie aktuell kein Geld verdienen können und keine Arbeitslosenversicherung haben, und nicht ausreichend Geld fürs Nötigste haben). Die Referenten berichteten, wie ihre Organisationen zum einen direkte humanitäre Hilfe leisten, sich aber gleichzeitig durch Kampagnenarbeit dafür einsetzen, dass sich etwas grundlegend ändert für die Roma, und dass zu diesem Zweck die Betroffenen selbst aktiv werden müssen.

Die Veranstaltungen fanden in Stuttgart, Heidelberg und Mannheim statt, zudem gab es eine Online-Veranstaltung. Von der Veranstaltung in Mannheim wurde eine Audio-Aufzeichnung gemacht, die online angehört werden kann. Eine weitere Veranstaltungsreihe zu diesem Thema mit den gleichen Referenten ist für Oktober 2021 geplant. Wer Interesse hat, eine Veranstaltung auszurichten, kann sich sehr gerne beim Flüchtlingsrat melden.

Jede Veranstaltung wurde durch die Unterstützung lokaler Partnerorganisationen ermöglicht. Diese waren: Anlaufstelle PRO Roma Waldkirch, Ehrenamtliche unterstützen Geflüchtete. Servicestelle von Caritas & Diakonie im Landkreis Emmendingen, Partnerschaft für Demokratie Stuttgart im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg, Rosa Luxemburg Club Rhein-Neckar/Mannheim, Gökay Akbulut, MdB DIE LINKE, (Migrations- und Integrationspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken), Evangelische Kirche in Heidelberg, Katholische Stadtkirche Heidelberg, Asylarbeitskreis Heidelberg.


Veranstaltungsreihe: Die Roma in der Corona-Krise

Die Coronavirus-Pandemie hat sich in vielen Ländern Ost- und Südosteuropas überproportional stark auf die Roma-Community ausgewirkt. Prekäre Arbeitsverhältnisse, mangelnde soziale Absicherung und schlechte Wohnverhältnisse, die das Einhalten von Hygieneregeln unmöglich machen, prägen das Leben vieler Minderheitsangehöriger. Ebenso die Gefahr von Übergriffen aus der Mehrheitsbevölkerung bzw. von der Polizei. Trotzdem werden aus Deutschland und vor allem aus Baden-Württemberg regelmäßig Menschen in diese Länder abgeschoben. Über diese Situation berichten die Referenten exemplarisch anhand der Länder Serbien und Nordmazedonien in einer aktuellen Veranstaltungsreihe des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg und der Anlaufstelle Pro Roma Waldkirch. Die Referenten berichten zudem über die Arbeit ihrer jeweiligen Organisationen zur Verbesserung der Situation der Roma, und über die allgemeine Situation in beiden Ländern

Die Referenten: Fadil Kurtic setzt sich für die Belange der Roma in seiner Heimatstadt Vladicin Han, u.a. als Roma-Beauftragter der Stadt ein. Er engagiert sich auch in dem Verein URI (Verband der Roma-Intellektuellen), der Beratung, Unterstützung und Projekte für die lokale Roma-Community anbietet. Albert Memeti ist Programmdirektor bei Romalitico in Skopje/Nordmazedonien – einer NGO, die von jungen Roma-Akademiker*innen gegründet wurde und sich mit Analysen, Lobbyarbeit, Politikberatung sowie Basisarbeit zur Förderung des politischen Engagements in der Roma-Community betätigt. Aktuell ist er in einer Kampagne gegen Polizeigewalt gegen Roma aktiv.

Bei allen Veranstaltungen wird auf die Einhaltung der geltenden Infektionsschutzbestimmungen geachtet. Dies macht teilweise eine Beschränkungen der Teilnehmendenzahl erforderlich. Bei allen Veranstaltungen ist ein eigener Mund-Nasen-Schutz zu verwenden, der nur am Sitzplatz abgenommen wird. Die ursprünglich für den 27. Oktober angekündigte Veranstaltung in Waldkirch musste leider abgesagt werden.

Montag, 26. Oktober, 19 Uhr in Karlsruhe
Tollhaus (kleiner Saal), Alter Schlachthof 35.
Präsentiert vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Aktionskreis Internationalismus Karlsruhe (AKI), Antirassistische Initiative Grenzenlos Karlsruhe, GEW Nordbaden, Gesellschaft für bedrohte Völker Regionalgruppe Karlsruhe, Interventionistische Linke Karlsruhe (IL), LAG Migration Die Linke Baden-Württemberg, Seebrücke Karlsruhe, ver.di Mittelbaden-Nordschwarzwald mit Unterstützung des Kulturzentrum TOLLHAUS e.V.

Mittwoch, 28. Oktober, 19 Uhr in Stuttgart
Krempel’s Bistro im Paulinenhof, Seidenstraße 35

Präsentiert vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, gefördert vor der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg und mit Unterstützung der Partnerschaft für Demokratie Stuttgart im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“
Aufgrund der geltenden Bestimmungen der Stadt Stuttgart ist die Anzahl der Teilnehmenden auf 25 begrenzt. Eine Anmeldung ist per Email an info@fluechtlingsrat-bw.de möglich. Nicht-angemeldete Personen wird der Eintritt gewährt, bis die Höchstzahl von 25 Teilnehmenden erreicht ist.

Donnerstag, 29. Oktober, 20 Uhr in Heidelberg
Christuskirche, Zähringerstraße 30

Präsentiert vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, der Evangelischen Kirche in Heidelberg, der Katholischen Stadtkirche und dem Asylarbeitskreis Heidelberg

Freitag, 30. Oktober, 19 Uhr in Mannheim
Teamparcours, Pozzistr. 7

Präsentiert vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Gökay Akbulut, MdB DIE LINKE, (Migrations- und Integrationspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken), und dem Rosa Luxemburg Club Rhein-Neckar/Mannheim mit Förderung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg
Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten ist die Anzahl der Teilnehmenden begrenzt. Es wird um Anmeldung per Email an rlc-Mannheim@rosalux.org gebeten.