Europäischer Rat verlängert vorübergehenden Schutz für geflüchtete Ukrainer*innen

Der Europäische Rat beschloss am 28. September die Verlängerung der sog. Massenzustromrichtlinie. Dadurch gibt es bis zum 04.03.2025 weiterhin eine Rechtsgrundlage dafür, geflüchteten Menschen aus der Ukraine in der EU vorübergehenden Schutz zu gewähren.

Besonders für Deutschland hat dies eine große Bedeutung. Zurzeit besitzt ein Großteil der rund 1,1 Mio. ukrainischen Geflüchteten in Deutschland Aufenthaltserlaubnisse, welche im kommenden März auslaufen werden. Aufgrund des Beschlusses des Europäischen Rats können die stark überlasteten Ausländerbehörden ab sofort bereits Aufenthaltserlaubnisse über den 04.03.2024 hinaus bis zum 04.03.2025 verlängern bzw. neu ausstellen. 

Es bleibt dabei offen, wie nach Ablauf des neu gesetzten Datums mit den Ukrainer*innen umzugehen ist, welche gemäß § 24 AufenthG vorübergehenden Schutz haben. Denn nach jetzigem Stand müssten ukrainische Geflüchtete die Voraussetzungen anderer Aufenthaltstitel erfüllen können, da der vorübergehende Schutz nicht um ein weiteres Mal verlängert werden kann. Für viele andere Aufenthaltserlaubnisse gilt jedoch im Regelfall das Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung, das insbesondere für alleinerziehende Frauen mit Kindern schwer zu erfüllen ist. Aktuell arbeitet das Bundesinnenministerium an einer alternativen Möglichkeit eines möglicherweise neuen humanitären Aufenthaltstitel.



Flüchtlingsrat NDS: Materialien zu Rechten von minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten

Im Rahmen des Projekts „Kenne deine Rechte“ hat der Flüchtlingsrat Niedersachsen verschiedene Materialien zu den Rechten von minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten erstellt und aktualisiert.

Die aktualisierte Broschüre „Das Asylverfahren. Deine Rechte, deine Perspektiven – erklärt für unbegleitete Minderjährige“ richtet sich an unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche und gibt einen Einblick in das Asylverfahren und weitere aufenthaltsrechtliche Perspektiven in Deutschland. Die Broschüre informiert über die Bestimmungen der geänderten Regelungen zu §§ 25a und 25b AufenthG sowie über das Chancenaufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG). Die Print-Ausgabe wird in wenigen Wochen zu bestellen sein.

Darüber hinaus gibt es eine eigene Online-Infoplattform für junge Geflüchtete. Diese stellt erste Informationen rund um die Themen Asyl- und Aufenthaltsrecht, Jugendhilfe, Schule und Ausbildung in einfacher Sprache zur Verfügung. Für Multiplikator*innen oder Unterstützer*innen finden sich außerdem weitere Literaturhinweise, um Workshops und die allgemeine Zusammenarbeit mit jungen Geflüchteten diversitätsorientiert sowie rassismus- und machtkritisch zu gestalten.


Handicap International: Behinderung und Pflege in der Gesetzesänderung des StAG berücksichtigen!

Handicap International fordert in einem offenen Brief anlässlich der Neuregelung des Staatsangehörigengesetzes (StAG), geflüchtete Menschen mit Behinderung und pflegende Angehörige nicht zu vergessen und den spezifischen Bedarf dieser Gruppen zu berücksichtigen. Unter #nichtPASSgenau? setzt sich die NGO gemeinsam mit anderen Organisationen und Selbstvertretungsgruppen für die Berücksichtigung dieser Gruppen in der Gesetzesneuregelung ein.

Das Staatsangehörigkeitsgesetz wird aktuell überarbeitet. Der Gesetzesentwurf sieht große Hürden für sind geflüchtete Menschen mit Behinderung und ihre pflegenden Angehörigen vor. Auch diese müssen die Voraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung sowie des Spracherwerbs erfüllen, um eingebürgert werden zu können. Das ist für viele nicht erfüllbar.

Aus diesem Grund appelliert Handicap International an die Sprecher*innen der Regierungskoalition, im Zuge der Neuregelung des Staatsangehörigkeitsgesetzes die tatsächliche Lebenssituation geflüchteter Menschen mit Behinderung und ihrer pflegenden Angehörigen zu berücksichtigen:

  1. Pflegende Angehörige sollen von der Lebensunterhaltssicherung und dem Erreichen des Sprachziels B1 ausgenommen und Pflege als wichtige Arbeit gewürdigt werden, sodass eine Benachteiligung aufgrund einer familiären Pflegetätigkeit vermieden wird.
  2. Bei der Entscheidung über Ausnahmen bei der Lebensunterhaltssicherung für Menschen mit Behinderung müssen bestehende Barrieren beim Arbeitsmarktzugang Berücksichtigung finden.


VG Freiburg: Dublin-Zuständigkeit nach Erteilung eines Visums durch einen Mitgliedstaat

Nach der Dublin-III-Verordnung ist häufig der Mitgliedstaat für die inhaltliche Prüfung eines Asylantrags zuständig, der die Einreise in den Dublin-Raum ermöglicht oder nicht verhindert hat. Als Folge dieses sogenannten Verantwortungsprinzips begründet ein Visum grundsätzlich die Zuständigkeit des Ausstellerstaats, wenn die betroffene Person einen Asylantrag stellt (Art. 12 Dublin-III-VO). Auch bereits abgelaufene Visa sind zuständigkeitsbegründend, sofern das Visum im Zeitpunkt der ersten Asylantragstellung seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind (Art. 14 Abs. 4 Dublin-III-VO).

Mit Beschluss vom 28.8.2023 (Az: 13 K 2194/23) hat das Verwaltungsgericht Freiburg entschieden, dass für die Anwendbarkeit von Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO nicht nur der Besitz des abgelaufenen Visums Voraussetzung ist. Der Antragssteller muss darüber hinaus gerade mit Hilfe des abgelaufenen Visums in einen Dublinanwender-Staat eingereist sein. So begründet etwa ein seit kurzem abgelaufenes polnisches Visum, das eine Person bei ihrer Flucht über das Mittelmeer nach Italien mit sich führt, keine Zuständigkeit Polens, falls die Person später in Italien einen Asylantrag stellt.



Tübingen: Vortrag „Europa macht dicht – mit tödlichen Folgen“

Medico International lädt zu dem Vortrag „Europa macht dicht – mit tödlichen Folgen“ mit Dr. Kerem Schamberger ein. Der Vortrag thematisiert die Auswirkungen der Reform der europäischen Asylpolitik (sog. GEAS-Reform) sowie welche Verantwortung Deutschland hat im Zusammenhang mit dem Sterben von Migrierenden an den europäischen Außengrenzen. In einer anschließenden gemeinsamen Diskussion sollen gemeinsame Ideen entwickelt werden, wie eine humane Migrations- und Flüchtlingspolitik aussehen kann.

Durch die Reform der europäischen Asylpolitik wird die Abschottungspolitik weiter vorangetrieben und Migrierenden wird es immer mehr erschwert, nach Europa zu gelangen. Mit der Zustimmung der Errichtung von neuen Flüchtlingslagern an den EU-Außengrenzen und der Billigung von brutalen Pushbacks schaffen die EU-Innenminister*innen mit dem Einverständnis der deutschen Regierung das Recht auf Asyl ab.

Veranstalter*in: Gruppe medico international Tübingen

Ort: VHS Tübingen, Katharinenstraße 18, großer Saal


BZL Berlin: Geflüchtete mit Behinderungen dürfen nicht entmenschlicht werden!

Das Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V. (BZL) stellt fest, dass sowohl die aktuelle politische Debatte als auch der öffentliche Diskurs über Asyl- und Migrationspolitik sich auf europäischer und nationaler Ebene zuspitzt. Vor allem geflüchtete Menschen mit Behinderungen sind strukturell benachteiligt und erfahren dadurch eine massive Einschränkung ihrer Menschenrechte sowie eine verheerende Entmenschlichung. Vor diesem Hintergrund fordert das BZL klare Maßnahmen von Bund und Ländern.

Geflüchtete Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen sowie psychischen Beeinträchtigungen sowie deren pflegende Angehörige werden in der aktuellen Migrationspolitik übersehen oder gar vergessen. Gerade diese Gruppe ist von besonders schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen betroffen, denn sie sind einer eklatanten Unterversorgung ausgesetzt und sind häufig jahrelang in nicht barrierefreien Sammelunterkünften untergebracht. Der Zugang zu Hilfs- und Heilmitteln wie etwa Rollstühlen und Psychotherapie, Pflege- und Assistenzleistungen ist erschwert. Auch im Asylverfahren, bei der Erlangung von Aufenthaltserlaubnissen und -titeln werden behinderte Menschen und ihre pflegenden Angehörigen strukturell benachteiligt.

So hat das BZL kürzlich zum dritten Mal in diesem Jahr im Rahmen seiner spezialisierten Beratungstätigkeit von einem Todesfall erfahren, der bei einer bedarfsgerechten Versorgung und Unterbringung hätte verhindert werden können. Es ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist.

Vor diesem Hintergrund setzt das BZL ein klares Signal für die Verpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechtsnormen und humanitären Mindeststandards. Auch der Fachausschuss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) hat dies im vergangenen August getan und abermals verdeutlicht, Behinderung und Flucht sind als Querschnitts- und Menschenrechtsthema zu verankern!

Darüber hinaus, mahnt der Ausschuss vor allem die verschärfte Situation von geflüchteten Frauen und Kindern mit Behinderungen an und empfiehlt, einen gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Teilhabeleistungen, Bildung, Kultur- und Freizeitaktivitäten sowie den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu gewährleisten. Dadurch sollen die eigens gesetzten Verpflichtungen der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) erfüllt werden und ein bundesweit einheitliches Identifizierungsverfahren geschaffen werden, sodass Menschen mit Behinderungen in der Statistik- und Datensammlung berücksichtigt werden.

Aus diesem Grund setzt sich das BZL für einen konkreten Maßnahmenkatalog inkl. Monitoring ein und fordert eine verbindliche ressortübergreifende Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Dabei sollen NGOs an der Schnittstelle von Behinderung, Migration und Flucht gebührend aktiv beteiligt werden.

Hier geht’s zur gesamten Pressemitteilung vom BZL.


Freiburg: Lesung „Das Schimmern der See“

Der Verein Südwind Freiburg lädt zur Graphic-Novel Lesung mit dem Autor und Zeichner Adrian Pourviseh am Samstag, den 07. Oktober um 20 Uhr im Jos Fritz Café (Wilhelmstraße 15/1) ein. In seinem Debüt „Das Schimmern der See“ erzählt Adrian Pourviseh seine Erlebnisse auf einer Seenotrettungsmission im August 2021. Der Augenzeugenbericht erscheint als Graphic Novel im avant Verlag.

Der Eintritt für die Veranstaltung erfolgt auf Spendenbasis. Die Spenden gehen an R42 Sail And Rescue, eine Freiburger Search & Rescue NGO, die mit ihrem Segelschiff Imara im zentralen Mittelmeer zwischen Sizilien und Libyen Monitoring- und Ersthilfeeinsätze durchführt.


Russland: Mehr als 250.000 Menschen flüchten vor Einsatz im Krieg

Auf Grundlage einer Studie des unabhängigen Netzwerks für Analyse und Politik RE: Russia kommt Connection e. V. zu dem Schluss, dass mindestens 250.000 militärdienstpflichtige Männer aus Russland seit Februar 2022 das Land verlassen haben. Der größte Teil suche dabei Schutz in Kasachstan, Armenien, der Türkei oder Serbien. Dagegen hätten im Zeitraum von Februar 2022 bis einschließlich April 2023 21.790 russische Staatsangehörige Asyl in der Europäischen Union beantragt.

Viele Asylanträge von russischen Staatsangehörigen werden innerhalb der Europäischen Union abgelehnt, so ergeht es vor allem denjenigen, die rechtzeitig vor einer möglichen Rekrutierung geflohen sind. Gegenüber der Deutschen Welle gab das BAMF an, dass in dem Zeitraum 24. Februar bis 31. Juli 2023 in Deutschland bei über 1.418 Entscheidungen rund 90 russischen Geflüchteten im wehrpflichtigen Alter Schutz gewährt wurde und 138 Anträge abgelehnt wurden. Nach einer Ablehnung des Asylantrags besteht die Gefahr einer Abschiebung. Werden Kriegsdienstverweigerer nach Russland abgeschoben, drohen ihnen Verurteilungen oder eine Rekrutierung zum Wehrdienst.

Diese Realität steht im Gegensatz dazu, dass das Bundesinnenministerium bereits im Mai 2022 erklärt hat, russischen Deserteuren Flüchtlingsschutz zu gewähren. Es sei davon auszugehen, dass eine Desertion ein aktives Bekunden gegen die Kriegsführung sei und damit einen aktiven Ausdruck einer oppositionellen Überzeugung darstelle. Kriegsdienstverweigerern droht bei Rückkehr nach Russland eine hohe Bestrafung, so sind laut Mediazona seit Anfang 2023 mehr als einhundert Verfahren eröffnet worden und bei Nichtbefolgung der Einberufung drohen diesen bis zu 13 Jahren Haft.

Deshalb fordern 90 Organisationen aus Russland und vielen anderen Ländern Schutz sowie Asyl für alle russischen Deserteure und beziehen sich dabei explizit auf den Jahrestag der Teilmobilmachung. Unter den unterzeichnenden Organisationen befindet sich ebenfalls der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e. V.  In ihrem Appell an die Europäische Kommission und das Europäische Parlament fordern die Organisationen konkret:

  • die Entwicklung eines Konzepts zum Schutz russischer Staatsbürger, die wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung oder ihrer Weigerung, sich an den Kämpfen in der Ukraine zu beteiligen, von Verfolgung bedroht sind
  • die Ausarbeitung von Visaregelungen, dies es diesen Menschen erlauben, in die Europäische Union einzureisen
  • die Unterstützung der Organisationen, die die Flucht dieser Personengruppe begleiten und sich für deren Schutz sowie Asyl einsetzen
  • die Unterstützung aller Drittländer bei der Aufnahme dieser Personengruppe


PRO ASYL: Bundesregierung verabschiedet sich vom Koalitionsvertrag und Menschenrechten!

Beim Treffen der EU-Innenminister*innen im Rat der EU am 28. September 2023 wurde die lange umstrittene Krisenverordnung trotz massiven zivilgesellschaftlichen Protests zwischen den Mitgliedstaaten vereinbart. In Zeiten von Krise, „höherer Gewalt“ oder „Instrumentalisierung“ sollen Ausnahmeregeln gelten, die das Recht auf Asyl weitgehend aushebeln. Auch die Bundesregierung stimmt den Verschärfungen der GEAS-Reform zu und verabschiedet sich damit vollständig vom Koalitionsvertrag im Bereich der EU-Flüchtlingspolitik – hierfür kann sie noch nicht einmal einen Verhandlungserfolg in Brüssel vorweisen.

„Die Zustimmung der Bundesregierung zur Krisenverordnung ist ein dramatisches Signal, dass Menschenrechte keine Rolle mehr spielen. Während die Ampel-Regierung sich im Koalitionsvertrag noch vorgenommen hatte, rechtswidrige Pushbacks und das Leid an den Außengrenzen zu beenden, stimmt sie nun einer Verordnung zu, die genau dies massiv verschärfen würde. Damit knickt sie auch vor den rechten Hardlinern in der EU ein, die erneut erfolgreich ihre Agenda durchgesetzt haben. Das macht uns weniger als ein Jahr vor der Europawahl wirklich Angst“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Die Bundesregierung und die EU dürfen sich nicht weiter von rechten Kräften treiben lassen, die fluchtpolitische Themen für ihre (Wahlkampf-)Zwecke instrumentalisieren. Wer Forderungen von Rechtspopulist*innen übernimmt, trägt zur gesellschaftlichen Normalisierung rechter und rechtsextremer Positionen bei. Hierzu gehört insbesondere die Infragestellung grundlegender Menschenrechte wie dem Recht auf Asyl. Es ist eine Fehlannahme, dass man rechten Parteien durch eine noch restriktivere Flucht- und Migrationspolitik das Wasser abgraben könnte – das Gegenteil ist der Fall.

„Wenn aktuell tagtäglich mit menschenrechtswidrigen Vorschlägen die Grenzen des Denkbaren, Sagbaren und Machbaren verschoben werden, wird das Wertefundament der EU ausgehöhlt. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich“, warnt Wiebke Judith zur aufgeheizten öffentlichen Debatte. Auf Worte folgen Taten – die Zahl der Angriffe auf Geflüchtete ist in Deutschland und der EU beängstigend.

Das sieht die Krisenverordnung konkret vor

Im Falle einer (drohenden) „Krise“ sowie bei einer behaupteten „Instrumentalisierung“ durch staatliche oder nichtstaatliche Akteur*innen können Asylregistrierungen drei bzw. vier Wochen ausgesetzt werden. In Verbindung mit den bereits im Schengener Grenzkodex im Rat geeinten Verschärfungen im Fall einer „Instrumentalisierung“ (Schließung von Grenzübergängen und verstärkter Grenzüberwachung zur Verhinderung von „illegalen Einreisen“) ist dies ein Rezept für massive Pushbacks. Eine neue Verschärfung ist bei der Definition einer Instrumentalisierung wohl auch zuletzt reingekommen: Wenn humanitäre Aktionen wie Seenotrettungsmaßnahmen nicht nach „europäischen Standards“ verlaufen, können auch sie als solche Instrumentalisierung eingestuft werden, womit die ganzen Einschränkungen für die geretteten Schutzsuchenden auch anwendbar wären. Dies könnte zukünftig von rechten Regierungen wie in Italien gezielt genutzt werden.

Wer es trotz Grenzgewalt und Pushbacks überhaupt schafft während einer solchen „Krise“ oder „Instrumentalisierung“, einen Asylantrag zu stellen, wird anschließend an den Grenzen inhaftiert. Im Falle einer Krise kann dies alle Schutzsuchenden aus Herkunftsstaaten mit einer Schutzquote von bis zu 75 Prozent treffen, im Falle einer „Instrumentalisierung“ ausnahmslos alle asylsuchenden Kinder, Frauen und Männer. Insgesamt könnten schutzsuchende Menschen auf diese Weise bis zu zehn Monate an den Außengrenzen inhaftiert werden. Eine Änderung in letzter Minute in den Vorschlägen ist, dass nun nicht mehr abgesenkte Unterbringungsstandards in dieser Zeit gelten sollen. Allerdings hat die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, dass bei monatelanger Haft oder Unterbringung an den Außengrenzen regelmäßig gegen solche Standards verstoßen wird und die EU nichts dagegen unternimmt.

Auf Basis der heute vereinbarten Position im Rat der EU werden nun die Verhandlungen mit dem Europaparlament beginnen (sogenannter Trilog). Das Europaparlament hatte im April 2023 jedoch eine deutliche andere Position zur Krisenverordnung beschlossen, die unter anderem einen neuen sofortigen Schutz asylsuchender Menschen vorsah sowie eine verbindliche Verteilung von Schutzsuchenden und keine Ausnahmen im Fall von „höherer Gewalt“ und auch keine Verschärfungen im Fall einer „Instrumentalisierung“. Die Verhandlungen dürften somit schwierig werden.

Mehr Informationen zur Krisen- und Instrumentalisierungsverordnung gibt’s hier.


Bundesweite Aktionstage: Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) wurde Anfang der 90er Jahre ein diskriminierendes Sondergesetz beschlossen. Denn durch das Gesetz wurde erstmals eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu einem prekären Leben in Substandards gezwungen. Die Leistungen des AsylbLG sind nach wie vor viel zu wenig, deshalb rufen wir zur Beteiligung an den bundesweiten Aktionstagen zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetztes vom 28.10. bis zum 01.11.2023 auf!

Die öffentliche und politische Stimmung hetzt gegen Geflüchtete und bauscht das Bild auf, dass Geflüchtete nur fliehen, um in Deutschland auf Kosten des Systems zu leben. Absurde Vorschläge zu noch weniger Leistungen werden gemacht, z.B. gar keine Auszahlung von einem eh schon geringen Bargeld. Dieser massive Rechtsruck in der deutschen und europäischen Politik darf nicht hingenommen werden.

Gemeinsam mit der AsylbLG abschaffen ruft der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg dazu auf, die Forderungen nach der Abschaffung des AsylbLG und jeglicher sozialpolitischer Ausgrenzung auf die Straße zu tragen. Unterzeichnet den Aufruf zur Abschaffung des AsylbLG und nehmt teil an der Aktionswoche vom 28.10. – 01.11.2023.

Im Rahmen der Aktionstage gegen das AsylbLG unterstützt der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg die Forderungen des Aufrufs der Kampagne AsylbLG abschaffen:

  • Selbstversorgung statt entmündigender Vollverpflegung
  • Gesundheitskarte statt diskriminierender Papierkrankenscheine
  • Privates Wohnen statt Lager
  • Zugang zum Arbeitsmarkt statt Arbeitsverbote
  • Tarifliche Entlohnung statt ausbeuterischer Arbeit für 80 Cent/h
  • Eintreten für Grundrechte statt Akzeptanz rechtswidriger Kürzungen

Außerdem findet am 28. Oktober um 14 Uhr am Platz der alten Synagoge in Freiburg eine Demonstration gegen das AsylbLG im Rahmen der Aktionswoche statt.