Frontex verwickelt in illegale Pushbacks

Schon seit Jahren gibt es Berichte, dass die europäische Grenzagentur in illegale Zurückweisungen, Pushbacks, von schutzssuchenden Flüchtenden involviert ist. Erneut belegen detaillierte Recherchen, wo, wann und wie Beamt*innen von Frontex Pushbacks durchgeführt haben. Damit gefährden sie das Leben von Flüchtenden und handeln völkerrechtswidrig.

MDR Fakt, 27.10.2020: Schwerwiegende Vorwürfe gegen Frontex
ZDF, 23.10.2020: Europäische Grenzschutzagentur – Frontex soll Migranten-Boote abgedrängt haben


Gemeinsame Inhaftierung von Abschiebungshaft- und Strafgefangenen ist rechtswidrig

In Niedersachsen wurden kürzlich Strafgefangene im Abschiebungshaftgefängnis inhaftiert. Die gemeinsame Inhaftierung von Abschiebungshaft- und Strafgefangenen sei rechtswidrig, urteilten das Amts- und Landgericht Hannover. Das letzte Wort hierzu hat nun erneut in dieser Frage der Europäische Gerichtshof (EuGH), der bereits 2014 in einem Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden hatte, dass Abschiebungshaftgefangene nicht in Strafanstalten und nicht zusammen mit Strafgefangenen inhaftiert werden dürfen, sondern stets in speziellen Hafteinrichtungen untergebracht werden müssen. Dieses sog. Trennungsgebot setzte die Bundesregierung im August 2019 mit dem sog. „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ befristet bis zum 30. Juni 2022 aus – mit der Begründung, dass es zu wenig Abschiebehaftplätze gibt.


Rechtsstaatsgebot verbietet Abschiebungen in den Folterstaat Syrien

#SyriaNotSafe! Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert leichtfertiges, Menschenleben gefährdendes Gerede von Strobl, Seehofer und anderen


Nach dem tödlichen Anschlag in der Dresdner Innenstadt Anfang Oktober fordern die ersten Innenminister, vermeintliche „Gefährder*innen“ nach Syrien abzuschieben. In diesem Sinne hat sich auch der Baden-Württembergische Innenminister Strobl geäußert. Die Landesflüchtlingsräte und Pro Asyl erteilen solcher Instrumentalisierung vermuteter islamistischer Gewalt zur Demontage des Flüchtlingsschutzes eine klare Absage.

„Unser tiefstes Beileid gilt den Angehörigen des Opfers, der verletzten Person wünschen wir eine schnelle Genesung“, erklärt Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und ergänzt: „Allerdings ist anstatt politischen Missbrauchs der Opfer durch einige Innenminister, ein rechtsstaatlicher Prozess notwendig.“ Die Landesflüchtlingsräte unterstreichen: „Extremistischer Hass schlägt oft willkürlich zu. Die Abschiebung von ‚Gefährder*innen‘ nach Syrien ist eine Nebelkerze und trägt weder zur Sicherheit aller in der Bundesrepublik noch anderen Orts bei.“

Syrien ist – sowohl unter Bashar al-Assad wie in Herrschaftsgebieten extremistischer Aufständischer – ein Folterstaat. Das Flüchtlingshochkommissariat der UN (UNHCR) erklärt zur internationalen Schutzbedürftigkeit von Personen aus Syrien, dass ganze Gruppen von Familien, religiöse oder ethnische Gemeinschaften, ganze Dörfer, Städte und Nachbarschaften unter Generalverdacht gestellt und verfolgt werden.1 Dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) zufolge wurden ganze Städte und Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und entvölkert. Die Zahl der Binnenvertriebenen geht in die Millionen. Selbst einige humanitäre Akteure setzen ihre Arbeit wegen der unsicheren Lage aus.2 Amnesty berichtet über die landesweit und systematisch gegen die Zivilbevölkerung und zivile Institutionen gerichtete Gewalt.3 Auch das Auswärtige Amt weist auf die Praxis des Verschwindenlassens hin und darauf, dass es keine verfolgungssicheren Gebiete in Syrien gibt.4

Vor diesem Hintergrund ist das leichtfertige Gerede über angeblich sichere Gebiete, in die Syrer*innen abgeschoben werden könnten, wie es Bundesinnenminister und seiner Kollegen aus Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg dieser Tage in die Medien lancieren, fahrlässig und menschengefährdend.Offenbar soll von interessierter politischer Seite das öffentliche Klima gegen syrische Flüchtlinge geschürt und so ein Abschiebungsbeschluss der im Dezember in Weimar anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) schon im Vorfeld populär gemacht werden. „Innenminister Strobl hat schon in der Vergangenheit gezeigt, wie bereitwillig er die Grundsätze von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte auf dem Altar des politischen Opportunismus opfert. Für ihn kommt es bei der Frage nach Abschiebungen nach Syrien, ebenso wie nach Afghanistan, nicht auf die Situation in den Ländern selbst an, sondern einzig auf die aktuelle Stimmung in Deutschland. Das ist der Grund, warum wir längst eine Situation haben, in der Grund- und Menschenrechte zur Verfügungsmasse der politischen Tagsform geworden sind, die nur noch ‚so lange der Vorrat reicht‘ gelten“, so Seán McGinley.

Hintergrund:

Rechtsstaatliches Gebot verbietet Abschiebungen in einen Folterstaat

Eine Abschiebung in einen Folterstaat, mit akuter Gefahr für Leib und Leben ist menschenrechtswidrig. Das Refoulement-Verbot aus Art. 3 EMRK gilt absolut und lässt –anders als Art. 33 Abs. 2 GFK – keine Ausnahmen zu. Der EGMR hat ausdrücklich und wiederholt festgestellt, dass der Refoulement-Schutz der EMRK ausnahmslos gilt und über den Schutz der GFK hinausgeht. Die menschenrechtlichen Vorgaben gehen daher dem allgemeinen Flüchtlingsschutz auch dort vor, wo die GFK eigentlich eine Rückschiebung erlauben würde.5 Dieses Europarechtsstaatsgebot steht also Versuchen entgegen, mit dem Begriff des*der Gefährder*in Menschen abschiebungsreif zu behaupten.

Würde die Person sehenden Auges der im Herkunftsland verbreiteten Folter oder Todesgefahr ausgeliefert werden, wäre die Bundesrepublik verantwortlich. Auch Boris Pistorius, niedersächsischer Innenminister, hatte an die Einhaltung völkerrechtlicher Grundsätze appelliert.6 Bei den Landesflüchtlingsräten steht darüber hinaus die Sorge im Raum, dass die Aufhebung des Abschiebestopps bei „Gefährder*innen“ die Tür für weitere Aufweichungen öffne. Gleiches ist in der Praxis von Abschiebungen nach Afghanistan zu beobachten.

Das Ausmaß des Folterregimes Assads wird auch durch das aktuelle Strafverfahren am Oberlandesgericht (OLG) Koblenz deutlich, bei dem zwei Menschen syrischer Staatsbürgerschaft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt werden7. Das OLG Koblenz wendet das Weltrechtsprinzip an, bei dem Staaten auch Straftaten außerhalb der eigenen Justiziabilität verfolgen und verurteilen können, wenn Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen vorliegen. Es wäre indes doppelzüngig, wenn Deutschland mutmaßliche Folterer strafrechtlich verfolgt und gleichzeitig via Abschiebung den Folterknechten in Syrien zuarbeitet und neue Opfer schafft.


„Balkan-Migrations-Trialog“ gestartet

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg beteiligt sich erstmals an einem transnationalen Projekt: Im Rahmen des Europäischen Programms „ErasmusPlus“ startete im September das Projekt „Balkan-Migrations-Trialog“, das einen Austausch zwischen Organisationen in Deutschland, Serbien und Nordmazedonien rund um Fragen den Migration zwischen diesen Ländern ermöglicht.
Neben dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg sind die Anlaufstelle Pro Roma aus Waldkirch sowie Romalitico aus Nordmazedonien und URI (Verband der Roma-Intellektuellen) aus Serbien als Projektpartner dabei. Durch den Austausch sollen Erfahrungen und Wissen ausgetauscht werden zur Situation von Menschen aus Serbien und Nordmazedonien in Deutschland und auch zur Situation der Rückkehrenden bzw. Abgeschobenen aus Deutschland. Von der Kooperation versprechen sich die Projektpartner Verbesserungen für ihre Beratungs- und Informationsarbeit. Aufbauend auf das spezifische Fachwissen der einzelnen Organisationen über die rechtliche und soziale Situation in ihrem Land unterstützen sich die Partner gegenseitig und stellen Informationen zur Verfügung. Die beteiligten Organisationen werden auch zusammenarbeiten, indem sie ihre Erfahrungen hinsichtlich der Mittel, Wege und Methoden austauschen, um die Zielgruppe – (potenzielle) Migrant*innen und Rückkehrende – am besten zu erreichen und mit ihr zu kommunizieren.
URI führt verschiedene Projekte zur Unterstützung und Beratung für die Roma-Community in der südserbischen Stadt Vladicin Han durch. Diese reichen von Beratung für Rückkehrende über Nachhilfe für Schüler*innen bis hin zu Berufsorientierung für Jugendliche und medizinische Hilfe für ältere Menschen. Romalitico wurde von jungen Akademiker*innen verschiedener Fachrichtungen aus der Roma-Community gegründet und betreibt Informations- und Lobbyarbeit gegenüber Politik und Öffentlichkeit, gestützt auf eigene Analysen und Studien zur Situation der Roma und zur politischen und rechtlichen Situation in Bezug auf die Minderheit in Nordmazedonien. Außerdem setzt sie sich im Rahmen des Netzwerks Avaja für die Förderung des politischen Engagements von Roma ein. Aktuell ist Avaja an einer Kampagne gegen rassistische Polizeigewalt gegen Roma beteiligt und hat in den vergangenen Wochen zwei aufsehenerregende Fälle an die Öffentlichkeit gebracht.
Das erste Projekttreffen fand am 21. Oktober in Stuttgart statt. Im Rahmen der 18-monatigen Projektzeit sind drei weitere solche Treffen geplant, dazwischen gibt es jeweils regelmäßige Online-Konferenzen. Des Weiteren versorgen sich die Projektpartner durchgängig mit Informationen und haben die Möglichkeit, mit Fragen und Informationswünschen an die anderen Projektpartner heranzutreten.

Erstes Treffen der Projektpartner des „Balkan-Migrations-Trialogs“

Gefördert von:


Offener Brief des Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung

Das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung fordert in einem Offenen Brief an die Landesregierung Baden-Württemberg einen Abschiebestopp in die Länder des Balkans während der Corona-Pandemie. Trotz der aktuellen Situation gab es in den letzten Monaten Abschiebungen in die Westbalkanstaaten. Zum Unterschreiben des offenen Briefs können Sie eine E-Mail an info@freiburger-forum.net senden. Bitte geben Sie auch an, ob Ihre Unterschrift öffentlich genannt werden darf.


EuGH trifft Entscheidung zur persönlichen Anhörung im behördlichen Asylverfahren

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Juli 2020 entschieden, dass Asylbehörden dazu verpflichtet sind, vor einer Entscheidung über einen Asylantrag eine persönliche Anhörung durchzuführen. Dies gilt auch, wenn bereits zuvor in einem anderen EU-Mitgliedsstaat internationaler Schutz gewährt wurde. Eine Regelung im deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz, wonach die Anhörung auch in einem Gerichtsverfahren nachgeholt werden kann, steht folglich nicht im Einklang mit Europarecht.


Online Seminar „Covid 19 & Lieferkettengesetz – Einfluss auf Biodiversität und Ernährungssicherheit“

Das NaturFreunde Netzwerk Global lädt am 24.10.20 von 15.00 bis 18.30 Uhr zu einem Online-Seminar ein. Referent*innen aus dem Senegal, Togo, Gambia und Honduras werden über die aktuelle Situation in dem jeweiligen Land während der Corona-Pandemie berichten, sowie die veränderte Wirtschafts- und Ernährungssituation aufzeigen. Außerdem wird das geplante Lieferkettengesetz thematisiert.

Weitere Informationen sowie das Anmeldungsformular finden Sie hier


Kostenübernahme von Computern für Schulkinder

Mehrere Gerichte haben sich für die Übernahme der Kosten für Computer (und Zubehör) wegen des coronabedingten Homeschoolings ausgesprochen. Das SG Frankfurt verpflichtet die Sozialbehörde im Beschluss vom 07.08.2020 zur Gewährung eines Darlehens gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 SGB II zur Anschaffung von Computer, Drucker und weiterem Zubehör. Das SG Köln geht in seiner Entscheidung davon aus, dass es in der gegenwärtigen Situation für SGB II-Leistungsbezieher*innen ohne digitale Endgeräte einen entsprechenden Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II gibt, der nicht durch den Regelbedarf gedeckt wird. Das LSG Thüringen geht in seinem Beschluss vom 8. Januar 2021 davon aus, dass die Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Computers nebst Zubehör zur Teilnahme am pandemiebedingten Hausschulunterricht grundsätzlich einen Mehrbedarf darstellen.
Weitere Informationen zur Thematik sowie Musteranträge zur Kostenübernahme finden sich auf der Homepage des Flüchtlingsrats Niedersachsen.


Veranstaltung „Flucht – Seenotrettung – Sicherer Hafen Konstanz“

HINWEIS: Die Veranstaltung wurde aufgrund der steigenden Infektionszahlen abgesagt.
Die Konstanzer Seebrücke veranstaltet ein moderiertes Gespräch mit zwei geretteten Geflüchteten, die inzwischen Schutz im Landkreis Konstanz gefunden haben und Thomas Nuding, Seenotretter auf dem zivilen Rettungsschiff „Sea-eye“ und Gründer von sarah-seenotrettung.org.

Aufgrund der aktuellen Situation ist die Teilnehmendenzahl begrenzt. Deswegen wird um eine vorherige Anmeldung mit Namen und Telefonnummer an: konstanz@seebruecke.org gebeten. Der Wolkensteinsaal ist ausschließlich mit Mund-Nasen-Bedeckung zu betreten oder mit entsprechendem ärztlichen Attest, dass das Tragen von Mundschutz aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist.


Betreten einer Wohnung zum Zweck der Abschiebung immer als Durchsuchung zu werten

Das OVG Hamburg stellt in seinem Urteil vom 18.08.2020 (4 Bf 160/19) fest, dass das Betreten einer Wohnung durch Behördenmitarbeiter*innen immer eine Durchsuchung gemäß Art. 13 Abs. 2 Grundgesetz und § 23 Abs. 1 des Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes darstellt. Daher braucht es in diesen Fällen immer eine richterliche Anordnung. Auch ein abschließbares Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft stellt laut dem Gericht eine Wohnung im Sinne von Art. 13 Grundgesetz dar.