Klarstellungen zum Bleiberecht für Jugendliche und Heranwachsende

Seit dem 1. Juli 2011 existiert ein Bleiberecht für gut integrierte, geduldete Jugendliche und Heranwachsende sowie für die Eltern und minderjährigen Geschwister der begünstigten Jugendlichen. Der entsprechende § 25a AufenthG wirft immer wieder Fragen auf. In einem Beschluss vom 3. Juni 2020 hat der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim (VGH 11 S 427/20) zwei Unklarheiten im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 25a AufenthG beseitigt.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 3/2020 des Rundbriefes des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Dieser erscheint dreimal im Jahr in gedruckter Form und kann kostenfrei über die Website des Flüchtlingsrats bestellt werden. Wenn Sie Mitglied des Flüchtlingsrats sind, bekommen Sie den Rundbrief immer direkt nach dem Erscheinen per Post zugeschickt.

Meike Olszak, in Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Rundbrief „perspektive“ 3/2020: Klarstellungen zum Bleiberecht für Jugendliche und Heranwachsende


Infoabend Duldung Light

Der Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz veranstaltet am 11. Mai von 18 bis 20 Uhr einen Online-Infoabend zur sogenannten Duldung light.

Diese Duldung wurde für Personen mit ungeklärter Identität sowie für Personen, welche laut Regierungspräsidium nicht ausreichend an der Identitätsklärung mitgewirkt haben, eingeführt.

Dabei bedeutet eine Duldung light durch damit verbundene Sanktionen eine gravierende Verschlechterung der Lebensbedingungen der Betroffenen. Sanktioniert werden diese unter anderem durch reduzierte Leistungen, Arbeitsverbote und Anrechnungssperren von Voraufenthaltszeiten.

Mit einer Fachanwältin werden unter anderem folgende Fragen geklärt:

  • Wann und wem kann eine Duldung light erteilt werden?
  • Was bedeutet nicht geklärte Identität oder fehlende Mitwirkung?
  • Wie  kann man dem entgegenwirken?

Interessierte können sich unter anmelden@asyl-rlp.org anmelden.

Mehr Informationen zum Infoabend finden Sie hier.


Gemeinsame Presseerklärung von PRO ASYL und den Landesflüchtlingsräten

Afghanistan-Abschiebung verschoben: Jetzt politische Konsequenzen ziehen!

Der für heute geplante bundesweite Sammelabschiebe-Charter nach Afghanistan wurde wegen Sicherheitsbedenken verschoben. Dies bestätigt die Kritik von PRO ASYL und den Landesflüchtlingsräten an den Abschiebungen nach Afghanistan, das laut Global Peace Index das unsicherste Land der Welt ist. Afghanistan befindet sich sicherheitstechnisch im freien Fall. Die prekäre Sicherheitslage hat sich durch den am 1. Mai begonnenen Abzug der NATO-Truppen weiter verschärft. Wie das Machtvakuum gefüllt wird, ist ungewiss. Eine Zunahme der Angriffe durch die Taliban und Versuche zur Machtübernahme sind zu erwarten. Darüber hinaus hat sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan auf Grund der Covid-19-Pandemie extrem verschlechtert, sodass Abgeschobenen ohne familiäres oder soziales Netzwerk die Verelendung droht. Trotzdem bleibe der Grundsatz des Innenministeriums zu Abschiebungen nach Afghanistan weiter unverändert, wie dpa berichtet. Dass der für Dienstag geplante Abschiebeflug nicht vollständig abgesagt, sondern lediglich verschoben wurde, ist vollkommen unangemessen.

PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern:

1.)    Die Bundesregierung und die Bundesländer müssen einen sofortigen und ausnahmslosen Abschiebestopp nach Afghanistan erlassen.
Aus der prekären und völlig ungewissen Sicherheitslage sowie angesichts der desaströsen wirtschaftlichen Situation, die sich ebenfalls mit dem Truppenabzug weiter verschärfen wird, muss ein bundesweites Abschiebeverbot nach Afghanistan folgen, welches es bei der nächsten Innenministerkonferenz zu beschließen gilt. Bereits jetzt können und müssen die Bundesländer auch in eigener Verantwortung die Abschiebungen nach § 60 a) Abs. 1 AufenthG für sechs Monate ausnahmslos aussetzen.

Geflüchtete sind nach der Abschiebung aus Deutschland häufig auch in Afghanistan stigmatisiert. Viele Gerichte, darunter auch der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg, haben festgestellt, dass ihnen eine Rückkehr ohne ein stabiles familiäres oder soziales Netzwerk in Afghanistan nicht zuzumuten ist.

2.)    Das Auswärtige Amt muss die Lage und Verfolgungssituation umgehend neu bewerten
, da die Lageberichte Grundlage für Asylentscheidungen des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind. Bisher werden Asylanträge abgelehnt mit der Begründung, es gebe innerhalb des Landes sichere Gebiete, sogenannte innerstaatliche Fluchtalternativen. Doch nach dem Truppenabzug der NATO können auch Städte wie Kabul nicht länger als sicher gelten. Wie aus einem Spiegel-Artikel vom 29.04.2021 hervorgeht, schließen Außen- und Verteidigungsministerium selbst einen „Sturm auf Kabul“ durch aufständische Gruppen nicht mehr aus.

3.)    Mit dem Truppenabzug muss allen afghanischen Ortskräften – Dolmetscher:innen, Fahrer:innen und sonstigen Mitarbeitenden der Bundeswehr, der Bundespolizei und anderer Organisationen – mit ihren Familienangehörigen schnell und unbürokratisch die Aufnahme im Bundesgebiet angeboten werden
. Sie müssen eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erhalten. Diese Menschen jetzt zurückzulassen, wäre für sie und ihre Familien lebensgefährlich.
 
4.)    Die Bundesregierung muss jetzt den Familiennachzug aus Afghanistan zu ihren in Deutschland lebenden Angehörigen mit allen Mitteln beschleunigen und unterstützen.
Hierzu muss ebenso wie für Ortskräfte ein schnelles, unbürokratisches Verfahren installiert werden. Für diese ist die Eröffnung zweier Büros in Kabul und Masar-e Sharif geplant, von wo aus die Aufnahme organisiert werden soll. Da die Visaabteilung der Botschaft in Kabul  infolge eines Anschlags weiterhin geschlossen ist, müssen diese Büros auch für den Familiennachzug genutzt werden. Eine kurzfristige Aufstockung des Personals an den Botschaften in Islamabad oder Neu-Delhi – die derzeit für Visaanträge afghanischer Staatsangehöriger zuständig sind –  ist notwendig. Angesichts der Zeitknappheit und der Gefahren, die den Antragstellenden bei der Reise dorthin drohen, reicht das jedoch nicht aus. Es kann schutzsuchenden Afghanen nicht zugemutet werden, monatelang in Neu-Delhi oder Islamabad auf Termine zur Visumsvergabe zu warten.
 
5.)    Das BAMF muss seine Widerrufspraxis ändern.
In jüngerer Zeit widerruft das BAMF in zahlreichen Fällen, in welchen noch vor wenigen Jahren jungen unbegleiteten Minderjährigen die Flüchtlingseigenschaft wegen (drohender) Zwangsrekrutierung durch die Taliban zugesprochen worden war, kurz nach Erreichen der Volljährigkeit den Flüchtlingsstatus. Das darf nicht länger gängige Praxis sein. Auch Abschiebungsverbote werden mit Erreichen der Volljährigkeit widerrufen, da das Bundesamt davon ausgeht, dass es jungen Männern möglich ist, ein Leben am Rande des Existenzminimums auch ohne familiäres oder soziales Netzwerk zu führen. Dies ist indessen – wie jüngst im oben genannten Urteil des VGH Baden-Württemberg deutlich aufgezeigt wurde – nicht der Fall. Widerrufe des BAMF müssen folglich unterbleiben.
 
6.)    Ein gesichertes Bleiberecht muss es auch für jene Afghanen geben, die nur mit einer Duldung in Deutschland leben oder sich seit Jahren im Asylverfahren befinden.
Kein Afghane, keine Afghanin in Deutschland darf in der jetzigen Lage zurückgeschickt werden – egal, ob sie  erst vor wenigen Monaten angekommen sind oder seit Jahren hier leben. Die Folgen einer Duldung sind nicht nur ein Leben in ständiger Angst, Perspektivlosigkeit und Armut, sondern auch geringere Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, in der Bildung und in der Entwicklung persönlicher Potenziale. Letztlich sind dies auch verpasste Chancen für die Gesellschaft, in der diese Menschen leben. Mit Blick auf die gemeinsame gesellschaftliche Zukunft ist es geboten, diesen Menschen jetzt eine Lebensperspektive zu eröffnen und ihnen die in einem solchen Fall anstelle von Kettenduldungen gesetzlich vorgesehenen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.


Datenschutz soll für Geflüchtete weiter ausgehöhlt werden

Persönliche Daten von Bürgerinnen und Bürgern zu sammeln und sie dann in einer zentralen Datei zusammenzuführen, ist in Deutschland eigentlich ein Tabu. Das hat nicht zuletzt die Diskussion über eine zentrale Erfassung von anonymisierten Daten zu Corona-Infektionen gezeigt. Anders verhält es sich jedoch im Falle von Geflüchteten: Geht es nach der Bundesregierung, scheint der Datenschutz für Menschen ohne deutschen Pass nicht zu zählen. PRO ASYL, die Flüchtlingsräte und der Verein Digitalcourage fordern: Datenschutz muss auch für Geflüchtete sichergestellt werden. Der derzeit verhandelte Gesetzentwurf zum Ausländerzentralregister muss dringend überarbeitet werden.

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters will die Bundesregierung zahlreiche Informationen über Geflüchtete zentralisiert erfassen und staatlichen Stellen zugänglich machen – inklusive der Erkenntnisse aus den Asylverfahren. Dazu zählen auch intime Details wie sexuelle Orientierung, Religionszugehörigkeit, politische Ansichten und Fluchtgeschichten. Das Ausländerzentralregister (AZR) kann schon jetzt von rund 16.000 Einrichtungen eingesehen werden. Dazu gehören unter anderem Sozialämter und Ausländerbehörden, Zolldienststellen und Jobcenter, Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften sowie deutsche Auslandsvertretungen. Mehr als 150.000 Einzelnutzer*innen können laut Bundesinnenministerium auf das AZR als Informationsquelle zugreifen, ein großer Teil davon soll auch auf die Asylakten und ähnliches Zugriff erhalten. „Das ist eine brandgefährliche Entwicklung, die dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. Zu viele greifen unkontrolliert auf Daten zu, es besteht die Gefahr, dass selbst die Herkunftsstaaten Informationen erhalten“, warnt Andrea Kothen, Referentin bei PRO ASYL, die eine ausführliche Stellungnahme zum Gesetzesvorhaben verfasst hat.

Dass derartige Befürchtungen von missbräuchlicher Verwendung dieser Daten nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt der Fall eines ägyptischen Flüchtlings, den das ARD-Magazin FAKT aufgedeckt hat: Dessen AZR-Daten wurden von einem Mitarbeiter des Jobcenters abgerufen, um den Betroffenen Angst zu machen und ihn zu maßregeln. War ein solcher Zugriff auf die Daten Geflüchteter bisher einem begrenzten Personenkreis möglich, soll er künftig massiv ausgeweitet werden.

Gesetzentwurf missachtet das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

In der neuen zentralen Dokumentenablage sollen beispielsweise die Asylbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Entscheidungen der Gerichte sowie Identitätsdokumente automatisiert abrufbar sein. Eine nachvollziehbare Erklärung, worin das erhebliche öffentliche Interesse bestehen soll, sensible Informationen etwa über den Gesundheitszustand eines Geflüchteten einer ganzen Behördenriege zugänglich zu machen, bleibt die Bundesregierung schuldig.

Aber auch Mitarbeiter*innen der Ausländerbehörden könnten intime Daten – beispielsweise zur sexuellen Orientierung oder politischen Haltung von Betroffenen – der Asylakte entnehmen. Im Rahmen einer Kooperation bei der Passbeschaffung könnten diese persönlichen Informationen dann in die Hände der Behörden des Herkunftsstaates gelangen, ob missbräuchlich oder unbeabsichtigt. So droht nicht nur den Geflüchteten selbst Verfolgung, sondern auch ihren Angehörigen in der Heimat.

Diese Preisgabe sehr persönlicher Informationen an eine Vielzahl von Behörden greift erheblich in das Recht der Betroffenen auf den Schutz des Privatlebens (Art. 8 EMRK, Art.17 UN-Zivilpakt) und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 GG) ein.

Datenschutzrechtlich ist der Gesetzentwurf vor allem deshalb inakzeptabel, weil wirksame Möglichkeiten der Betroffenen, die Kontrolle über ihre Daten zu wahren, nicht im Gesetzentwurf verankert sind. Auf die Rechtswidrigkeit der Regelungen haben deshalb das Netzwerk Datenschutzexpertise mit dem ehemaligen Schleswig-Holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert, der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Caritasverband hingewiesen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht etwa einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung und somit einen „Verstoß gegen höherrangiges Europarecht“.

Erklärtes Ziel des Gesetzentwurfs ist die Verwaltungsvereinfachung und –modernisierung. Das politische Ziel des Gesetzentwurfs steht aber schon im Koalitionsvertrag von 2018, in dem die Bundesregierung ihren Willen erklärt, das Ausländerzentralregister zu „ertüchtigen, um (…) allen relevanten Behörden unkomplizierten Zugriff zu ermöglichen und es auch zur besseren Steuerung der Rückführung und freiwilligen Ausreise einsetzen zu können“.

In den kommenden Wochen soll der Gesetzentwurf „zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ im Bundestag diskutiert und verabschiedet werden. PRO ASYL, die Flüchtlingsräte und der Verein Digitalcourage rufen die Bundestagsabgeordneten dazu auf, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Denn welche Informationsflüsse im Zuge künftiger „Abschiebungskooperation“ mit den Herkunftsstaaten für legitim gehalten werden, ist nicht absehbar.

Weiterführende Informationen:
Pro Asyl: Zum Missbrauch freigegeben? Asylakten ins Ausländerzentralregister


Online-Seminar: Rechtliche Herausforderungen für binationale Familien und Paare

Wenn Paare und Familien aus unterschiedlichen Ländern kommen, bringt dies oft eine Vielzahl an rechtlichen Unklarheiten mit sich. Denn rund um die Themen Eheschließung und Geburt kommen viele verschiedene Rechtsgebiete unterschiedlicher Länder zur Anwendung. In dem Online-Seminar werden verschiedene Problemstellungen und Schwierigkeiten aufgezeigt, vor denen Geflüchtete stehen, und Lösungsansätze besprochen.

Referentin und Referent: Swenja Gerhard und Heinz Schulz (Verband binationaler Familien und Partnerschaften)

Die Infoveranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit. Sie wird mit Zoom durchgeführt und die Teilnehmenden erhalten die Zugangsdaten nach Anmeldung einen Tag vor dem Seminar. Datenschutzhinweise für das online-Seminar via „Zoom“ finden Sie hier. Eine Anmeldung ist am Tag der Veranstaltung nicht mehr möglich. Gerne können Teilnehmende Fragen an die Referentin und den Referenten bei der Anmeldung angeben, diese werden gesammelt eine Woche vor dem Seminar an die beiden weitergeleitet.

Das Online-Seminar findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration mit Unterstützung der UNO Flüchtlingshilfe und der Deutschen Postcode-Lotterie.