Bundesweite Kampagne „Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!“

Am 26. Mai 1993 wurde im Deutschen Bundestag das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) als Sondergesetz beschlossen. Leistungssenkungen, Sachleistungsversorgung, Einschränkung einer medizinischen Versorgung, gemeinnützige Arbeit für 80 Cent/h und ein Katalog mit Sanktionen wurden eingeführt. Geflüchtete erhielten Essenspakete zunächst 12, 24 dann 48 Monate. Daneben existierte ein dauerhaftes, dann wieder ein zeitlich begrenztes Arbeitsverbot. Hunderttausende Betroffene mussten unter beengten und prekären Lebensbedingungen in den letzten 30 Jahren in Sammellagern leben. Sie wurden immer wieder zum Spielball politischer Kampagnen und Ziel rassistischer Anschläge. Bis heute existiert das ausgrenzende Gesetz weiter.

In den letzten 30 Jahren kam es auf Bundes- und Länderebene zu politischen Protesten, Hungerstreiks, Boykottaktionen, Sitzstreiks und Protestmärschen von Betroffenen. Aktuell haben rund 140 Organisationen einen Appell für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz, der von BAfF, Berliner Flüchtlingsrat, Diakonie Deutschland und PRO ASYL erarbeitet wurde, unterschrieben. Der Appell kann nach wie vor von Gruppen unterschrieben werden. Auf der Seite der Kampagne kann ein Offener Brief von Einzelpersonen unterschrieben werden, der direkt an die Verantwortlichen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) weitergeleitet wird. Um der Forderung für die Abschaffung des Gesetzes stärkeres Gewicht zu verleihen, werden vor und während der Aktionswoche (20. bis zum 26. Mai 2023) in zahlreichen Städten Veranstaltungen, Aktionen und Demonstrationen stattfinden. Dazu gab es bereits Verabredungen bei zwei bundesweiten Online-Treffen.

Die Kampagne stellt fest „30 Jahre sind genug!“. Wir fordern die Verantwortlichen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Bundesregierung auf, jetzt die notwendigen Schritte für eine Abschaffung des Gesetzes einzuleiten, auch wenn noch eine Entscheidung beim Bundesverfassungsgerichts aussteht. Das Gesetz abzuschaffen ist eine politische Entscheidung.


Verantwortung übernehmen, statt sie an die Außengrenzen zu schieben

PRO ASYL und Flüchtlingsräte sind entsetzt über die aggressive Debatte rund um den gestrigen CDU-Flüchtlingsgipfel, zu dem CDU-Chef Merz rund 700 Bürgermeister*innen und Landrät*innen eingeladen hatte. Thema war die Unterbringung geflüchteter Menschen in den Kommunen. „Die Aussagen der CDU sind weit weg von echten Lösungen: Jedoch torpedieren und diskreditieren sie die tägliche Arbeit und Bemühungen tausender engagierter Menschen und Kommunen,“ so Laura Müller vom Flüchtlingsrat Niedersachsen „Genau jetzt muss Solidarität mit Schutzsuchenden und keine weitere gesellschaftliche Spaltung erfolgen,“ so Müller weiter. Was wir wirklich brauchen ist eine vorausschauende Planung für bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen. Die Debatte auf Geflüchtete zu reduzieren, Abschiebungen und europäische Abschottungspolitik als Lösungen zu präsentieren, ist politische Stimmungsmache gegen das Grundrecht auf Schutz. Die Union macht sich mit dieser Debatte mitverantwortlich für Gewalt gegen geflüchtete Menschen und fördert sie gar. Der Zugang zum Recht auf Asyl ist einer der Grundpfeiler unserer Rechtstaatlichkeit. Obergrenzen für Schutzsuchende oder sogenannte außereuropäische Aufnahmezentren sind Einschnitte in die Menschenrechte und inakzeptabel.
„Es geht um real existierende Menschen, die akut in Gefahr sind oder vor Gewalt fliehen, mehr als zwei Drittel der Asylsuchenden1 erhielten in 2022 Schutz in Deutschland,“ so Tareq Alaows von PRO ASYL.
Wir fordern ein sofortiges Ende dieser rassistische Debattenführung, befeuert durch die CDU. Es braucht stattdessen strukturelle und ernstgemeinte Lösungen, z.B. die Erlaubnis für alle geflüchtete Menschen, aus Sammelunterkünften auszuziehen, wie es bereits in Berlin der Fall ist.


Trennung von Eheleuten verhindern

Seit 1996 sind die Guineerin Mariama Keita und der Malier Mamadi Kone ein Paar. Seit vier Jahren ist Mariama endlich bei Mamadi in Deutschland. Doch während Mamadi die Einbürgerungsbestätigung erhalten hat, sitzt Mariama seit Anfang März in der Abschiebehaft. Statt rechtliche Möglichkeiten zu nutzen, will die Landesregierung die fast 50-jährige Frau nach Guinea abschieben. Die Ehe könne auf Distanz gelebt werden.

Anfang März wurde Mariama völlig überraschend von der Polizei festgenommen und nach einer gescheiterten Abschiebung inhaftiert. Zuvor lebte Mariama mit ihrem Ehemann in Weisweil, einer Gemeinde im baden-württembergischen Landkreis Emmendingen. Seit einigen Monaten arbeitete sie in der Tourismus-Branche. Nachdem sich Mariama und Mamadi vor über 25 Jahren kennengelernt hatten, lebten sie jahrelang in einer Fernbeziehung. Aufgrund familiärer Widerstände durften die beiden erst 2015 heiraten. Mamadi lebt seit 1998 in Deutschland und steht kurz vor der Einbürgerung. Er arbeitet als Teamleiter im Europapark. Vor etwa vier Jahren folgte Mariama ihrem Ehemann nach Deutschland. Schlecht beraten im Labyrinth des deutschen Aufenthaltsrechts stellte sie nach ihrer Ankunft einen Antrag auf Asyl.
Unterstützt von Ehrenamtlichen begann Mariama, trotz großer Schwierigkeiten, das deutsche Alphabet zu erlernen und besuchte einen Alphabetisierungskurs, den sie leider nicht bestand. „Deutsch zu lernen ist für ältere Menschen, die zudem Analphabet*innen sind sehr schwierig. Mariama leidet außerdem an Spannungskopfschmerzen und könnte sogar eine Lese- und Rechtschreibschwäche haben“, so Mariam Wachsmann, Deutschlehrerin bei der Volkshochschule Emmendingen. Mit der Ablehnung Mariamas Asylantrag und ihrer drohenden Abschiebung steht nun zu befürchten, dass das Ehepaar auf unabsehbare Zeit getrennt wird. Denn einer Wiedereinreise mit einem Visum stehen dann nicht nur eine mehrjährige Wiedereinreisesperre im Weg, sondern auch die fehlenden Deutschkenntnisse. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fordert die Landesregierung dazu auf, eine pragmatische Lösung zu finden, mit der den Eheleuten ein gemeinsames Leben in Deutschland ermöglicht werden kann. „Eine Möglichkeit wäre es, Mariamas Aufenthalt in Deutschland so lange zu dulden, bis sie den Alphabetisierungskurs Deutsch absolviert hat, für den sie sich bereits angemeldet hatte. Dieser Sprachnachweis würde die Voraussetzung dafür schaffen, dass Mariama nach einer freiwilligen Ausreise im Rahmen des Ehegatt*innennachzugs erneut nach Deutschland einreist“, kommentiert Maren Schulz vom Flüchtlingsrat. Generell kritisiert der Flüchtlingsrat Abschiebungen als unmenschliche Praxis der Asyl- und Migrationspolitik, die sich traumatisierend auf die Betroffenen auswirkt.


Zusammenführung jesidischer Familien – jetzt!

Über 5.000 Unterzeichner*innen fordern das baden-württembergische Justiz- und das Staatsministerium dazu auf, 18 jesidischen Frauen den Nachzug ihrer Ehegatten zu ermöglichen. Am 8. und 10. März übergibt der Flüchtlingsrat gemeinsam mit dem Arbeitskreis Behinderte an der Christuskirche Freiburg, Fairburg e.V., dem Ezidische Kultur e.V. Freiburg und der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte eine entsprechende Petition an die Landesministerien.

„Wenn mein Mann bei uns wohnen würde, wäre es natürlich viel besser für mich und meine Kinder. Wir werden unsere verlorenen Menschen nie vergessen, aber es wäre besser zu ertragen, wenn ich nicht alleine wäre. Es wäre auch einfacher für die Kinder, wenn der Vater bei ihnen sein könnte“, erzählt Munifa J. Sie ist eine der Frauen, die den Völkermord an den Jesid*innen im nordirakischen Sindschar überlebt hat und im Rahmen des baden-württembergischen Landesaufnahmeprogramms im Jahr 2015 nach Deutschland kam. Nachdem die Terrormiliz des selbst ernannten „Islamischen Staates“ 2014 tausende jesidische Frauen und Kinder verschleppt und Männer systematisch ermordet hatte, beschloss die baden-württembergische Landesregierung 1.000 Frauen und Kinder aufzunehmen. Hier sollten sie psychotherapeutische Unterstützung erhalten, um die Gräueltaten und traumatischen Erlebnisse verarbeiten zu können.

Das damalige Landesaufnahmeprogramm wurde in erster Linie für alleinstehende Frauen und ihre minderjährigen Kinder konzipiert. Es wurden jedoch auch einige verheiratete Frauen Teil des Sonderkontingentes. Sie gingen damals fest davon aus, dass ihre Ehemänner zeitnah nachkommen könnten. Heute leben noch mindestens 18 dieser Frauen mit ihren Kindern in Baden-Württemberg. Seit Jahren bemühen sie sich gemeinsam mit vielen Organisationen und Unterstützer*innen darum, ihre Familien zu vereinen“, berichtet Elias Darwish vom Ezdisiche Kultur e.V. Freiburg. Die Trennung von ihren Ehemännern erschwert den Frauen die Verarbeitung ihrer Gewalterfahrungen und ihr Ankommen in Deutschland. „Ich bin hier wie gelähmt und meinem Mann geht es ähnlich. Er kann vor lauter Sehnsucht nach uns auch nichts machen“, erzählt Zainap M. „Um Schrecken und die Traumatisierung zu überwinden brauchen sich die Familienmitglieder gegenseitig, besonders dann, wenn in der Familie eine Behinderung vorliegt. Erst mit einer Familienzusammenführung kann den Betroffenen ein Neuanfang gelingen“, merkt Maria Stehle Vorstandsmitglied bei Fairburg e.V. an.

Eine Rückkehr in den Nordirak kommt für die Familien aufgrund der prekären und perspektivlosen Lage vor Ort nicht in Frage. Die einzige humane Option, die Familien zu vereinen, besteht daher in einem Nachzug der Ehemänner zu ihren Frauen und Kindern. Die Hürden hierfür sind jedoch hoch. „Daher fordern wir die Landesregierung Baden-Württemberg dazu auf, eine humanitäre Lösung zu finden und die Familien in Deutschland wieder zu vereinen. Der Nachzug der Ehemänner ist rechtlich umsetzbar, wenn ein entsprechender politischer Wille vorhanden ist“, so Meike Olszak vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Die Forderung nach der Zusammenführung der Familien kann sogar ohne Gesetzesänderungen und ohne Zutun der Bundesregierung erfüllt werden. Die Landesregierung plant derzeit das im Koalitionsvertrag angekündigte zweite Landesaufnahmeprogramm für schutzbedürftige Personen aus dem Nordirak. Bei diesem neuen Aufnahmekontingent sollten die Familienangehörigen bereits in Deutschland lebender Personen mitgedacht werden. Es steht dem Land frei, auch ganze Familien aufzunehmen. „Es ist an der Zeit, Humanität, Menschenwürde, Menschenrechte, die UN-Behindertenrechtskonvention, nicht nur zu proklamieren, sondern auch zu leben“, betont Christina Schmieg, ehrenamtliche Engagierte beim ABC Freiburg.


Pragmatische Aufnahme statt Abwehrpolitik

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg fordert zusammen mit PRO ASYL und den Landesflüchtlingsräten anlässlich des Flüchtlingsgipfels am Donnerstag im Bundesinnenministerium eine lösungsorientierte Unterbringungspolitik, die menschenwürdige Aufnahme Geflüchteter unabhängig ihrer Herkunft sowie eine Entlastung der Ausländerbehörden.

Seit Jahren geraten Bundesregierung, Länder und Kommunen immer wieder in den Krisenmodus, wenn es darum geht, geflüchtete Menschen in Deutschland aufzunehmen. In einer von gewaltsamen Konflikten erschütterten Welt ist jedoch damit zu rechnen, dass Fluchtbewegungen Europa auch in Zukunft erreichen werden. Daher appelliert der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg an die Politik, mit gebündelten Kräften an der menschenwürdigen Aufnahme Geflüchteter unabhängig ihrer Herkunft zu arbeiten und zukunftsorientierte Unterbringungslösungen auf die Beine zu stellen, statt ihre Energie durch Abschottungspolitik zu verschwenden. „Die Menschenverachtung, mit der deutsche Politiker*innen aus ihrer privilegierten Situation heraus zwischen guten und schlechten Geflüchteten unterscheiden ist unerträglich“, so Anja Bartel vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. „Über die Aufnahme der Ukrainer*innen hinaus dürfen Geflüchtete aus anderen Ländern nicht vergessen werden.“

Um Kommunen in der aktuellen Situation zu entlasten und auch eine Aufnahme zukünftiger Schutzsuchender vorzubereiten, fordert der Flüchtlingsrat eine grundlegende Reform des aktuellen Unterbringungssystems. In einem ersten Schritt sollten zumindest Asylsuchende von der Verpflichtung zur Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung befreit und die Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte abgeschafft werden. „Es ist absurd, dass die Politik über einen Mangel an Unterbringungsplätzen klagt, während gleichzeitig Asylsuchende in Erstaufnahmeeinrichtungen festsitzen, die eigentlich bei Bekannten unterkommen könnten“, merkt Bartel vom Flüchtlingsrat an. „Es ist höchste Zeit, endlich die Weichen für eine zukunftsorientierte Unterbringungspolitik zu stellen.“ PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern zudem, dass sich die Politiker*innen beim Flüchtlingsgipfel auch mit der Überlastung der Ausländerbehörden befassen. Die monatelangen Wartezeiten auf einen Termin sind eine enorme Belastung für die betroffenen Menschen, da sie in der Zeit Jobangebote verlieren können oder Angst vor der Abschiebung haben. Mit einem Maßnahmenkatalog, der letzte Woche an die Innenministerien von Bund und Länder verschickt wurde, schlagen PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte konkrete Maßnahmen vor, die zu einer kurzfristigen Entlastung führen würden. Darüber hinaus braucht es mehr Personal und einen grundsätzlichen Mentalitätswandel, um den von der Bundesregierung angekündigten Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik auch in den Behörden voranzutreiben.


Solidarität mit den Frauen und den Hazara in Afghanistan

Die Seebrücke Stuttgart, der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V., AK Asyl, Just Human e.V., der Deutsch-Afghanische Verein und die Afghanische Community rufen erneut zur Demonstration auf, um auf die sich weiter zuspitzende Situation in Afghanistan aufmerksam zu machen.

Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich Haltung zu zeigen und

-das Bundesaufnahmeprogramm unmittelbar zugänglich zu machen und sofort zu starten

-sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass afghanische Frauen und Mädchen Zugang zu ihren Grundrechten haben, insbesondere denen auf Bildung, Teilhabe und Gleichheit vor dem Gesetz

-sich für die Schaffung einer internationalen, unabhängigen Menschenrechtskommission zur Überwachung der Einhaltung der Frauen- und Menschenrechte sowie der Verfolgung und Bestrafung von Gewalt an Frauen in Afghanistan einzusetzen

-einen vollständigen Abschiebestopp für Afghan*innen zu erlassen, der verhindert, dass Menschen innerhalb Europas hin- und hergeschoben werden

Lage in Afghanistan
Seit der Machtübernahme der Taliban hat ein neues Kapitel des Terrors mit systematischen Hinrichtungen, Anschlägen, Zwangsehen und dem radikalen Einschränken von Frauenrechten begonnen. Inzwischen ist Afghanistan das einzige Land der Welt, in dem Frauen von der Bildung derart drastisch ausgeschlossen sind. Während die Rechte der Frauen immer weiter eingeschränkt werden, schaut die Welt zu. Obwohl die internationale Gemeinschaft jahrzehntelang im Land war und dies der Grund für die individuelle Gefährdung vieler Menschen ist, scheint man keinerlei Verantwortung zu spüren. Deutlich wird das hier vor allem bei der schleppenden Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms (BAP), in dessen Rahmen bis heute noch kein einziger Mensch nach Deutschland gelangt ist.

Bundesaufnahmeprogramm hat seit Oktober noch niemanden aufgenommen
Eine unterbesetzte Koordinierungsstelle, keine Finanzierung für Meldestellen, ein völlig unklares Auswahlverfahren, keine direkte Zugänglichkeit für Betroffene: Das BAP ist bis jetzt eine leere Worthülse geblieben. Zehntausende Menschen haben sich bereits bei diversen Organisationen gemeldet, teilweise in äußerst prekären Situationen und häufig aus Verstecken heraus, in denen sie seit Monaten ausharren und auf Hilfe von im Ausland lebenden Verwandten angewiesen sind. Anstatt vor allem den Frauen und den Menschen, die aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit dem Westen ins Fadenkreuz der Taliban geraten sind, unbürokratisch die Hand zu reichen, lässt man sich Zeit bei der Umsetzung eines hürdenreichen und exkludierenden Konstrukts, welches ohnehin viel zu spät kommt. Genau in einer solchen Situation muss eine Stadt, die sich als „Sicherer Hafen“ deklariert hat, ihren Versprechen nachkommen und deutlich Aufnahmebereitschaft zeigen.

Stadt Stuttgart versäumt sämtliche Ziele des „Sicheren Hafen“- Konzepts
Doch in Stuttgart ist es seit Jahren bei der bloßen Erklärung zum Sicheren Hafen geblieben – weder wurde eine Aufnahmebereitschaft über die Zuteilungsquote hinaus kommuniziert, noch sich für ein Landesaufnahmeprogramm für Afghan*innen oder für die Aufnahme von Menschen an den Außengrenzen der EU eingesetzt – obwohl dies im Koalitionsvertrag steht. Mehr noch: Im November letzten Jahres hat sich Migrationsministerin Gentges gegenüber dem Bundesinnenministerium sogar gegen das geplante BAP für Afghanistan ausgesprochen! Es ist mehr als überfällig, dass Stuttgart endlich seiner Verantwortung als Sicherer Hafen nachkommt, anstatt sich hinter einem leeren Symbolbild zu verstecken. Die Stadt muss der Bundesregierung klar und deutlich kommunizieren, dass gefährdete Afghan*innen, die sich derzeit noch in Afghanistan oder in der Region befinden, in Stuttgart aufgenommen werden können!


Behördenunabhängige Asylverfahrensberatung

Die Bundesregierung hat ein Förderprogramm für den Aufbau einer behördenunabhängigen Asylverfahrensberatung gestartet. Dieses war war Teil eines zum neuen Jahr in Kraft getretenen Gesetzes, demnach der Bund zur Förderung einer flächendeckenden, behördenunabhängigen Beratung verpflichtet ist. So wurde durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren und Asylverfahren am 1. Januar 2023 unter anderem §12a des Asylgesetzes (AsylG) vollständig neu gefasst. Darin heißt es nun in Satz 1: „Der Bund fördert eine behördenunabhängige, ergebnisoffene, unentgeltliche, individuelle und freiwillige Asylverfahrensberatung.“ Mit der Beratung im Sinne des §12a AsylG sollen künftig also nichtstaatliche Organisationen beauftragt werden. Der Förderaufruf wurde auf der Webseite des BAMF veröffentlicht.

Weitere Informationen finden Sie hier:


Chancenaufenthaltsrecht mit Einschränkungen

Am 01. Januar 2023 tritt das Gesetz zum Chancen-Aufenthaltsrecht nun endlich in Kraft. Das sind gute Neuigkeiten für viele Menschen in Deutschland, die seit Jahren im prekären Status einer Duldung leben. Schlechte Nachrichten gibt es allerdings für junge Menschen: Durch die Einführung einer einjährigen Vorduldungszeit in den §25a des Aufenthaltsgesetzes sind diese in Zukunft einer erhöhten Abschiebegefahr ausgesetzt, bevor sich ihnen eine Bleibeperspektive bietet. Darüber hinaus bleibt angesichts der aktuellen Überlastungssituation in den Ausländerbehörden fraglich, inwiefern Menschen ihr Recht auf einen Aufenthalt überhaupt zeitnah in Anspruch nehmen können.

Nach der Abstimmung im Bundesrat am 16. Dezember 2022 tritt das Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts am 01. Januar 2023 endlich in Kraft. Menschen, die am 31. Oktober 2022 seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, soll ein 18-monatiges Aufenthaltsrecht erteilt werden. Diese Zeit soll es ihnen ermöglichen, die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. „Wir begrüßen, dass mit dieser Regelung Perspektiven für Menschen geschaffen werden, die bereits seit vielen Jahren unter aufenthaltsrechtlich prekären Bedingungen in Deutschland leben“, kommentiert Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock, Vorsitzende der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg.

Schlechte Nachrichten hält das neue Gesetz allerdings für junge Menschen bereit. Zwar sollen junge Menschen künftig bereits nach drei statt nach vier Jahren des Aufenthalts in Deutschland Zugang zu einer Aufenthaltserlaubnis nach §25a des AufenthG erhalten und dies nicht mehr nur bis zum 21., sondern bis zum 27. Lebensjahr. Allerdings müssen sich die jungen Menschen hierfür zukünftig seit mindestens einem Jahr im Rechtsstatus der Duldung befinden. Durch die Einführung dieser Vorduldungszeit schafft die Bundesregierung zusätzliche Spielräume, betroffene junge Menschen abzuschieben, bevor die Bleiberechtsregelung überhaupt greift. Damit erschwert sie die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten junger Menschen, die während dieser zwölf Monate in Unsicherheit leben müssen. „Ein Jahr ist eine lange Zeit im Leben eines jungen Menschen“, kommentiert Gottfried Härle von der Unternehmerinitiative Bleiberecht durch Arbeit, in der sich über 150 Unternehmen aus ganz Baden-Württemberg zusammengefunden haben. „Gerade auch im Hinblick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel fordern wir die Landesregierung dazu auf, in Baden-Württemberg alle Spielräume pragmatisch zu nutzen, um jungen Menschen zu ermöglichen, sich ohne Angst vor Abschiebung auf ihre Ausbildung konzentrieren zu können.“

Insgesamt bleibt offen, inwiefern Menschen ihr Recht auf den Chancen-Aufenthalt überhaupt zeitnah in Anspruch nehmen können. Grund hierfür ist die Überlastungssituation vieler Ausländerbehörden. „Es ist zu befürchten, dass sich viele Anträge zunächst unbearbeitet auf den Schreibtischen der Sachbearbeiter*innen stapeln werden“, meint Lucia Braß, erste Vorsitzende des Flüchtlingsrats. Bereits aktuell müssen Antragsteller*innen zum Teil Monate auf eine Antwort warten. Diese Wartezeiten sind nicht nur psychisch zermürbend, sondern drohen auch, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu untergraben. Außerdem ist diese Situation äußerst unbefriedigend für alle Arbeitgeber*innen, die Geflüchtete beschäftigen. Wir fordern die Landesregierung dazu auf, sich um zusätzliches Personal zu bemühen und pragmatische Lösungen zu finden, mit denen sich Bearbeitungszeiten verkürzen lassen. So könnten zum Beispiel innerhalb der aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen Duldungen oder Aufenthaltserlaubnisse für längere Zeiträume ausgestellt werden.  


Online-Fortbildung: Hintergrundwissen und Informationen zum Umgang mit Betroffenen von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM/C)

Immer wieder sind geflüchtete Frauen von weiblicher Genitalbeschneidung bzw. -verstümmelung betroffen. Sie sind ehrenamtlich in der Geflüchtetenarbeit engagiert und fragen sich, wie Sie betroffene Frauen unterstützen können? In unserer Online-Fortbildung liefern Ihnen unsere Referent*innen Milena Heidger und Ebou Sarr wichtige Hintergrundinformationen zum Thema FGM/C (female genital mutilation/cutting). Was genau ist FGM/C und welche unterschiedlichen Formen gibt es? In welchen Kontexten kommt es zu Genitalbeschneidung bzw. -verstümmelung und was sind die Folgen für die betroffenen Frauen, zum Beispiel bei Geburten? Welche Strategien gibt es in unterschiedlichen Ländern zur Bekämpfung von FGM/C und welche Rolle spielt dabei die Entwicklung alternativer Übergangsrituale? Welche Beratungsstellen und Präventionsmöglichkeiten gibt es in Baden-Württemberg? Unsere Referent*innen zeigen nicht nur Daten und Fakten rund um das Thema FGM/C auf, sondern vermitteln Ihnen auch Hilfreiches für den Kontakt zu betroffenen Frauen.

Referent*innen:
Milena Heidger ist ausgebildete Hebamme und Vorstandsmitglied im Freundeskreis Asyl Rottweil e.V.
Ebou Sarr ist Mitarbeiter beim Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und Sozialarbeiter, Forscher und Ausbilder für Gesundheitsfachkräfte in den Bereichen Prävention, Management und Förderung eines alternativen Übergangsrituals zu FGM/C.

Die Veranstaltung wird mit Zoom durchgeführt und ist kostenlos. Hinweise zum Datenschutz finden Sie hier.

Über folgenden Link können Sie an der Veranstaltung teilnehmen: https://us06web.zoom.us/j/84413937831?pwd=TnFJSDNML1N2dHVKM3ppeFRHYm1Fdz09
Meeting-ID: 844 1393 7831
Kenncode: 237526
Schnelleinwahl mobil

Die Fortbildung findet im Rahmen des Projekts „Perspektive durch Partizipation“, gefördert durch die Aktion Mensch.


Wir fordern eine humanitäre Flüchtlingspolitik vom Land

Angesichts der weiterhin hohen Zugangszahlen von geflüchteten Menschen nach Baden-Württemberg lädt Ministerpräsident Winfried Kretschmann heute verschiedene staatliche, kommunale und zivilgesellschaftliche Akteur*innen zum Flüchtlingsgipfel ein. Zu diesem Anlass fordern der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik des Landes. Gute Aufnahmebedingungen und die Inanspruchnahme ihres Rechts auf Schutz vor Verfolgung müssen für alle Geflüchteten in Baden-Württemberg sichergestellt werden.

Wir begrüßen die Solidarität der Zivilgesellschaft und die politischen Entscheidungen auf EU-Ebene, welche zu einer vereinfachten Aufnahme von Ukrainer*innen in Deutschland geführt haben. Darüber darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch in anderen Regionen der Welt Menschen tagtäglich durch Kriege und bewaffnete Konflikte zur Flucht gezwungen werden. Auch diesen Menschen gegenüber sollten wir uns solidarisch zeigen. Die jüngste Forderung der baden-württembergischen Justizministerin nach einem Stopp des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan ist völlig inakzeptabel und scharf zu verurteilen. „Schutzsuchende Menschen unterschiedlicher Herkunft dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, erklärt Anja Bartel, Geschäftsleiterin des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Darüber hinaus fordern wir, dass die Art und Weise, wie Ukrainer*innen aufgenommen wurde, als Positivbeispiel für die Aufnahme aller Geflüchteten im Land dient. „Es ist ethisch-moralisch nicht zu begründen, dass geflüchtete Menschen aufgrund ihrer Herkunft unterschiedlich behandelt werden“, so Lucia Braß, erste Vorsitzende des Flüchtlingsrats.

„Wir brauchen eine lösungsorientierte Debatte um die kommunale Unterbringung von allen Geflüchteten im Land. Dabei müssen Qualitätsstandards in der Unterbringung und begleitende Flüchtlingssozialarbeit für eine nachhaltige Integration berücksichtigt werden. Wir sehen Bund und Land in der Pflicht, die Kommunen hierfür finanziell entsprechend auszustatten“, erklärt Ulf Hartmann, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg. „Wir benötigen eine humanitäre Flüchtlingspolitik, die nicht nach Aufnahmeprogrammen oder Herkunftsländern unterscheidet, sondern das Recht auf Schutz vor Verfolgung als ein unantastbares Menschenrecht anerkennt und dauerhafte Integration fördert“, so Hartmann.

Trotz der aktuellen Herausforderungen darf der öffentliche Diskurs nicht auf finanzielle Überforderung und Überlastung reduziert werden. Dies könnte in der Zivilgesellschaft zu einer verstärkten Abwehrhaltung gegenüber geflüchteten Menschen beitragen. Hier sehen wir die Landesregierung klar in der Verantwortung, die Notstandrhetorik nicht weiter zu befeuern, sondern flexible Unterbringungskonzepte zu erarbeiten, die Land und Kommunen in Zukunft besser auf die Unterbringung geflüchteter Menschen vorbereiten. Gemeinsam fordern der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Flüchtlingstrat die Landesregierung dazu auf, die Realität aktueller und zukünftiger Fluchtbewegungen pragmatisch anzuerkennen und gute Aufnahmebedingungen für alle Geflüchteten zu schaffen.