Möglichkeiten der Krankenversicherung trotz AsylbLG

Mit der Verlängerung der Bezugsdauer von Grundleistungen nach § 3/3a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) auf 36 Monate, verlängert sich auch die Verwehrung adäquater medizinischer Grundversorgung. Die Betroffenen sind in der Regel nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Stattdessen entscheidet das Sozialamt in jedem Einzelfall über die Kostenübernahme für medizinische Leistungen. Im Ergebnis müsste der Umfang der Grund- und Zusatzleistungen zwar weitgehend demjenigen der gesetzlichen Krankenkassen entsprechen, doch in der Praxis ist dies schwerlich durchsetzbar.

Tatsächlich gibt es mehrere Möglichkeiten für eine Mitgliedschaft leistungsbeziehender Personen im AsylbLG in der gesetzlichen Krankenkasse:

  • Pflichtversicherung für Beschäftigte oder betrieblich Auszubildende (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V)
  • Familienversicherung (§ 10 SGB V)
  • Pflichtversicherung für Studierende (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V)
  • Pflichtversicherung für Praktikant*innen (§ 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V)

Nach Ende der Pflicht- oder Familienversicherung besteht bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung.


  • Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V., Hinweisschreiben

Petition für einen respektvollen Umgang mit Geflüchteten

Im offenen Brief gerichtet an die Stadt Stuttgart wird die gezielte Stimmungsmache gegen Geflüchtete insb. seitens des Stuttgarter OB und der CDU-Ratsfraktion kritisiert. So werden geflüchtete Menschen zu Sündenböcken für die Resultate verfehlter Stadtpolitik gemacht. Durch das Schüren ablehnender Stimmung gegen nur vermeintlich Verantwortliche werden Probleme wie der Mangel an bezahlbarem Wohnraum auch nicht gelöst. Stattdessen wird ein weiterer Keil zwischen Menschen getrieben und die ausländerfeindlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft befeuert.

Die Initiative von Engagierten aus Stuttgarter Freundeskreisen zur Unterstützung Geflüchteter stellt sich dem entgegen. In ihrer Petition setzen sie sich für Empathie, Respekt und Menschlichkeit im Umgang mit den Menschen ein, die in Stuttgart Zuflucht gefunden haben. Diesen Forderungen haben sich mittlerweile bereits 16 Freundeskreise und andere Organisationen aus Stuttgart angeschlossen.


Link zur Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-einen-respektvollen-umgang-mit-menschen-die-bei-uns-zuflucht-gesucht-haben
Link zum Artikel in der Stuttgarter Zeitung: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.offener-brief-von-stuttgarter-ehrenamtlichen-freundeskreise-ob-und-cdu-machen-gefluechtete-zum-suendenbock.2b549e08-c193-4098-8d39-a1ad098f56bf.html


EuGH: subjektive Nachfluchtgründe bei Religionswechsel

Ein Asylantrag aufgrund eines Religionswechsels nach dem Verlassen des Herkunftslandes kann nicht automatisch als missbräuchlich abgelehnt werden. Das hat der EuGH in seinem Urteil vom 29.02.2024 – C-222/22 entschieden.

Art. 5 Abs. 3 der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU (RL) erlaubt Mitgliedsstaaten bei Vorhandensein einer entsprechenden nationalen Regelung, einen Folgeantrag „unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention“ „in der Regel“ abzulehnen, wenn die geltend gemachte Verfolgungsgefahr auf vom Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes „selbst geschaffenen Umständen“ beruht. Der EuGH stellt nun klar, dass dieser Artikel Ausnahmecharakter habe. Daraus folgt das Erfordernis einer engen Auslegung unter Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention.

Zweck des Wortlauts „selbst geschaffene Umstände“ sei es, eine Missbrauchsabsicht der antragstellenden Person zu ahnden. Dabei erlaube Art. 5 Abs. 3 RL keine Aufstellung einer (von der antragstellenden Person zu widerlegenden) Vermutung des Missbrauchs. Vielmehr sei eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen erforderlich. Eine Ablehnung als rechtsmissbräuchlich bedürfe der positiven Feststellung der Missbrauchsabsicht und der Absicht, das Verfahren für die Zuerkennung internationalen Schutzes zu „instrumentalisieren“.

Im Übrigen folge aus dem Ausdruck „unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention“, dass im Falle der Ablehnung als rechtsmissbräuchlich und der daraus folgenden Verweigerung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) dennoch bestehen bleibt. Die damit verbundenen Rechte, wie etwa der Schutz vor einer Ausweisung oder Zurückweisung bei Verfolgungsgefahr im Herkunftsland (Refoulement-Verbot Art. 33 Abs. 1 GFK) seien daher weiter zu gewährleisten.



Save the Date: Stuttgart: Herbsttagung 2024

Eine herzliche Einladung zu der diesjährigen Herbsttagung am Samstag den 16. November 2024! Wie jedes Jahr erwartet Sie ein spannendes Programm mit Vorträgen und Arbeitsgruppen. Außerdem wird es ausreichend Zeit zur Vernetzung und zum Austausch geben.

Näheres zum Ablauf und den einzelnen Programmpunkten erfahren Sie im Herbst.

Die Tagung ist (wie immer) kostenlos und richtet sich in erster Linie an Ehrenamtliche in der Geflüchtetenarbeit.

Ort: Bürgerräume West in der Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart


Stuttgart: 30 Jahre Geißstraße 7 – Gedenkveranstaltung und Diskussion

„30 Jahre Geißstraße 7: Deutschlands tödlicher Rassismus“ – unter diesem Thema wird im Rahmen der Internationalen Aktionstage gegen Rassismus den Opfern des rassistischen Brandanschlags in der Geißstraße 7 gedacht. Organisiert von Aufstehen gegen Rassismus Stuttgart wird ein Zeichen gegen die Verschleierung der rassistischen Motive gesetzt und auf die deutschen Kontinuitäten solcher ausländerfeindlichen Taten aufmerksam gemacht.

Wo: Stadtteilzentrum Gasparitsch, Rotenbergstr. 125, 70190 Stuttgart-Ost
Zu den Veranstaltenden: https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/


Stuttgart: 30 Jahre Geißstraße 7 – Mahnwache und Kundgebung

Auch 30 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag in der Geißstraße 7 – mitten in der Stuttgarter Altstadt – wird der Hintergrund des Anschlags offiziell immer noch verschleiert. Eine kleine Gedenktafel an der Hausmauer spricht von einem Brandanschlag, in dessen Flammen 7 Menschen starben. Der rassistische Hintergrund bleibt unbenannt. Diesem Schweigen wird am 30. Jahrestag des Anschlages eine Mahnwache, organisiert von Aufstehen gegen Rassismus Stuttgart, entgegengesetzt.

Ort: Töpferstraße/Geißstraße, 70173 Stuttgart-Mitte

Zum Flyer: https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/lokal/stuttgart/


Online-Veranstaltung: Perspektiven aus der Bildung zu Flucht, Migration und Menschenrechten

Flucht, Asyl und Migration nehmen eine omnipräsente Rolle im Zentrum des politischen, rechtlichen und medialen Diskurses ein. Eine besorgniserregende Entwicklung zeigt sich in der zunehmenden Hetze gegen Geflüchtete, der Inszenierung von Migration als „Bedrohung“ und dem Infragestellen des Flüchtlingsschutzes.

Unter dem Titel „Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Perspektiven aus der Bildung zu Flucht, Migration und Menschenrechten“ sollen im Rahmen einer Podiumsdiskussion und anschließenden Workshops die Entwicklungen sowie das aktuelle Menschenrechtsschutzsystem kritisch diskutiert werden. Erörtert werden unter anderem auch Fragen zu Bildungsstrategien, Sensibilisierung von Multiplikator*innen und einer menschenrechtsorientierten Bildungspraxis. Die Veranstaltung des Projekts „Mit Menschenrechten Brücken bauen – Politische Bildung in Transformationsprozessen“ findet online (via Zoom) statt.

Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung


Dublin-Überstellungen nach Griechenland

Ab sofort akzeptiert Griechenland Dublin-Überstellungen aus Deutschland – allerdings nur für Staatsangehörige bestimmter Herkunftsstaaten.

Voraussetzung für die Überstellung ist, dass es sich 1) um Einzelpersonen aus Algerien, Marokko, Tunesien, Pakistan oder Bangladesch handelt, die 2) einen EURODAC-Treffer in Griechenland aufweisen. Griechenland hat zugesichert, diesem Personenkreis eine individuelle Zusicherung zur Unterbringung abzugeben. Diese Personen sollen bei Dublin-Rücküberstellungen nun priorisiert werden und sind somit akut von Abschiebung bedroht.

Besonders Geflüchtete, die über die Türkei nach Griechenland einreisten, droht eine „Kettenabschiebung“. Ihr Asylantrag wird Griechenland als „unzulässig“ ablehnen, da die Türkei als „sicherer Drittstaat“ gilt. Dies wird vermutlich vor allem Geflüchtete aus Pakistan und Bangladesch betreffen.



„Rückführungsverbesserungsgesetz“ tritt in Kraft

Das Inkrafttreten des sog. Rückführungsverbesserungsgesetzes hat zahlreiche negative Veränderungen für die Situation Geflüchteter in Deutschland zur Folge. Insbesondere Regelungen zu Ausweisungen, Abschiebungen und Ausreisegewahrsam wurden drastisch verschärft. In einigen Bereichen gibt es aber auch positive Veränderungen.

Im Folgenden werden einige Bereiche, in denen Änderungen vorgenommen wurden, vorgestellt:

Ausbildung und Erwerbstätigkeit:

Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG):

  • neuer Einreisestichtag: 31.12.2022
  • Herabsetzung der erforderlichen Vorbeschäftigungszeit auf 12 Monate
  • Reduzierung des erforderlichen Beschäftigungsumfangs auf 20 Wochenstunden

Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG):

  • Die Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG bleibt neben der Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG (ab 01.03.2024) bestehen
  • Bisherige Ausbildungsduldungen werden nicht in Aufenthaltserlaubnisse nach § 16g AufenthG umgewandelt

Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer (§ 16g AufenthG):
– ab 01.03.2024

  • Die Lebensunterhaltsicherung richtet sich nach § 2 Abs. 3 S. 5 AufenthG i.V.m. § 12 BAföG
  • Eine Nebenbeschäftigung bis zu 20 Stunden/Woche ist erlaubt
  • Beziehen zusätzlicher öffentlicher Leistungen und Inanspruchnahme Ausbildungsförderung nach SGB III schließen Erteilung nicht aus (Bezug zählt mit in die Lebensunterhaltsicherung rein, vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 5 AufenthG)

Erwerbstätigkeit bei Duldung:

  • Erwerbstätigkeit soll künftig erlaubt werden (gebundenes Ermessen)
    Ausgenommen: Personen, bei denen konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen (§ 60a Abs. 5b AufenthG)
  • Innerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen: Beschäftigung soll künftig erlaubt werden (gebundenes Ermessen)
    Ausgenommen: Personen, bei denen konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen (§ 61 Abs. 1 S. 2 AsylG)

Erwerbstätigkeit bei Aufenthaltsgestattung:

  • Reduzierung der Wartezeit für den Arbeitsmarktzugang auf 6 Monate (§ 61 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AsylG)

Abschiebung und Abschiebehaft:

Ausweitung von Abschiebehaft bei Asyl(folge)anträgen:

  • Abschiebehaft kann während des Asylverfahrens bereits bei bloßem Vorliegen von Abschiebehaftgründen angeordnet werden (§ 14 Abs. 3 AsylG)
  • Folgeantragstellende können vermehrt in Haft genommen werden (§ 71 Abs. 8 AsylG)

Bestellung anwaltlicher Vertretung:

  • Künftig wird das Amtsgericht dem Betroffenen bei der Entscheidung über die Anordnung von Abschiebungshaft von Amts wegen eine anwaltliche Vertretung bestellen (§ 62d AufenthG)

Abschiebungen:

  • Die Befugnis zum Betreten von Wohnungen zur Ergreifung Ausreisepflichtiger wird in Formen gemeinschaftlicher Unterbringung auf Wohnungen anderer Personen und gemeinschaftlich genutzte Räumlichkeiten ausgedehnt (§ 58 Abs. 5 S. 1 AufenthG)

Seenotrettung:

  • Aufgrund der Kopplung des § 96 Abs. 4 AufenthG mit Abs. 2 S. 2, der wiederum auf den Abs. 1 Nr. 1 (a und b) ist künftig die Seenotrettungen von unbegleiteten Minderjährigen mit Strafe bedroht

AsylbLG:

  • Verdopplung der Wartefrist für den Empfang von Analogleistungen auf 36 Monate (§ 2 Abs. 1 AsylbLG)


Bezahlkarte als Abschreckungsinstrument

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert die geplante Bezahlkarte als Instrument der Abschreckungspolitik und fordert eine diskriminierungsfreie Umsetzung. Im November 2023 beschloss die Ministerpräsident*innen-Konferenz die Einführung der Bezahlkarte für Bezieher*innen von Asylbewerberleistungen. Nun haben sich 14 Bundesländer auf gemeinsame Mindeststandards geeinigt, mit denen eine verschärfte Diskriminierung geflüchteter Menschen droht. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert die Bezahlkarte als abschreckungspolitisches Instrument und fordert die baden-württembergische Landesregierung dazu auf, Spielräume im Sinne der Betroffenen zu nutzen.

Die Mindeststandards, auf die sich 14 der 16 Bundesländer Ende Januar geeinigt haben, ermöglichen umfassende Beschränkungen und weitreichende Eingriffe in die persönliche Lebensgestaltung von Schutzsuchenden. Es gibt keinen Minimalbetrag, der Geflüchteten in Form von Bargeld ausgezahlt werden muss. Überweisungen sollen grundsätzlich nicht möglich sein, was zum Beispiel die Bezahlung von Rechtsbeiständen erschwert.  „Damit könnte Geflüchteten faktisch der Zugang zum Rechtssystem verwehrt werden“, warnt Mariella Lampe vom Vorstand des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Auch eine regionale Begrenzung der Bezahlkarte soll möglich sein. Diese macht es Geflüchteten noch schwerer, Beratungsstellen, Freund*innen oder Unterstützer*innen aufzusuchen, die sich nicht direkt vor Ort befinden. „Im Zweifel können sich die Betroffenen unterwegs nicht mal eine Flasche Wasser kaufen“, so Lampe weiter.

Mit der Einführung der Bezahlkarte verbunden ist das politische Kalkül, Menschen davon abzuschrecken, bis nach Deutschland zu fliehen. Doch diese Rechnung kann aus Sicht des Flüchtlingsrats nicht aufgehen: „Es werden nicht weniger Menschen zur Flucht gezwungen, nur weil es in Deutschland Bezahlkarten statt Bargeld gibt“, so Julian Staiger, ebenfalls vom Vorstand des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Entgegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2012, welches die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für jeden Menschen ausdrücklich festhält und erklärt, dass die Menschenwürde nicht „aus migrationspolitischen Gründen relativiert“ werden dürfe, zeugt die Bezahlkarte erneut von populistischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete.

Wie die Länder die Karte umsetzen werden, ist noch offen. Der Flüchtlingsrat fordert die baden-württembergische Politik dazu auf, Bezahlkarten möglichst diskriminierungsfrei auszugestalten. Das bedeutet vor allem die Begrenzung des Einsatzes der Karte auf eine kurze Dauer, die Begrenzung auf einen möglichst kleinen Personenkreis und das Absehen von regionalen oder sonstigen Beschränkungen. Ein Positivbeispiel ist die Umsetzung der Bezahlkarte in Hannover, wo sie als unbeschränktes digitales Zahlungsmittel für eine Übergangszeit zu Beginn des Aufenthalts ausgegeben wird, solange noch kein eigenes Konto eingerichtet ist. „Gerade in Zeiten, in denen eine große Anzahl von Menschen in ganz Deutschland gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte demonstriert, ist es wichtig, ein klares Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu setzen“, so Staiger weiter. Eine entsprechende Ausgestaltung könnte den Kommunen durch Erlasse von der Landesregierung auferlegt werden.