In zwei Entscheidungen vom 2. August 2022 (Az: VGH 11 S 1469/22, VGH 11 S 1470/22) hat der VGH Baden-Württemberg klargestellt, dass Menschen, die einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG stellen, Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit gestattet“ haben. Abgesehen von einer erkennungsdienstlichen Behandlung setzt dieser Anspruch einzig und allein voraus, dass sich die betreffende Person rechtmäßig in Deutschland aufhält und eine Aufenthaltserlaubnis nach der Massenzustromrichtlinie beantragt. Ersteres ist aufgrund von § 2 Abs. 1 der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung bei allen Personen der Fall, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben. Das Gericht betont ausdrücklich, dass dies auch dann gilt, wenn es sich nicht – wie in diesen Verfahren – um ukrainische Staatsangehörige handelt. Mehr als die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis aus einem rechtmäßigen Aufenthalt heraus setzt der Eintritt der Fiktionswirkung und der damit einhergehende Anspruch auf die Fiktionsbescheinigung nicht voraus. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass die Person voraussichtlich Anspruch auf die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis hat. Die Vorinstanz, das VG Stuttgart, hatte dies noch anders gesehen. Auf diese – für Fachleute überraschende – Entscheidung hatte das Justizministerium in einem an die Ausländerbehörden gerichteten Schreiben vom 29. Juli 2022 Bezug genommen, dabei die Tatsache, dass gegen die Entscheidung des VG Stuttgart Beschwerde eingelegt worden war, aber unerwähnt gelassen. Der Flüchtlingsrat fordert das Justizministerium zur sofortigen Änderung des voreilig in die Welt gesetzten Schreibens und Umsetzung der Rechtsauffassung des ranghöchsten baden-württembergischen Verwaltungsgerichts auf.
Autor: Büro
Landesregierung schiebt weiter mit Bulgaria Air ab
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert, dass sich die Landesregierung trotz Bekanntwerden der Verbindungen vom Bulgaria Air zum Milieu der organisierten Kriminalität weiterhin an der Durchführung von Sammelabschiebungen mit dieser Fluggesellschaft festhält. Am vergangenen Montag, 1. August wurden trotz der jüngsten Enthüllungen erneut 49 Personen im Begleitung von privaten „Sicherheitskräften“ mit einem Charter-Flug von Bulgaria Air vom Baden-Airpark nach Nordmazedonien abgeschoben.
Eine Woche zuvor hatte der Flüchtlingsrat auf die Recherchen der Initiative „No Border Assembly“ hingewiesen, denen zufolge Bulgaria Air im Besitz einer Holding-Gesellschaft ist, deren Besitzer wiederum von verschiedenen Quellen als wichtige Akteure des organisierten Verbrechens in Bulgarien bezeichnet werden.
„Selbst wenn es der Landesregierung davor nicht bekannt gewesen sein wollte, mit wem sie seit 2009 zusammenarbeitet, wäre es jetzt das Mindeste, nach den aktuellen Enthüllungen die Zusammenarbeit einzustellen und zu überprüfen“, sagt Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. „Dass die Landesregierung nicht einmal dazu bereit ist, ist ein weiterer Beweis, dass ihr jedes Mittel Recht ist, um möglichst viele Abschiebungen durchzuführen. Zu den zahlreichen Fällen von Abschiebungen von Menschen, die kurz vor einem Bleiberecht stehen und den rechtswidrigen Inhaftierungen in Abschiebungshaft kommt nun eben auch noch eine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, hinter dem Kriminelle stehen. Daran wird deutlich, dass die Lippenbekenntnisse in der Öffentlichkeit und die schöne Prosa im Koalitionsvertrag tatsächlich nichts Wert sind.“ so Seán McGinley abschließend.
#dontforgetafghanistan: Demonstration und Aktionscamp in Berlin
Vom 13.08.-15.08.2022 planen wir – das Netzwerk der Kampagne #dontforgetafghanistan – ein Protestcamp und eine Großdemonstration, die Menschen aus ganz Deutschland nach Berlin mobilisiert. Es ist genau ein Jahr her, dass die Taliban Kabul eingenommen haben, doch das Schicksal der afghanischen Bevölkerung sowie der aus Afghanistan geflüchteten Menschen ist weitgehend in Vergessenheit geraten, egal ob sie sich in den Nachbarländern Afghanistans aufhalten oder an den Innen- und Außengrenzen der EU.
Die Taliban haben in Afghanistan ein Terrorregime errichtet, ehemalige Mitarbeiter:innen der westlicher Organisationen, der afghanischen Regierung, Menschenrechtsaktivist:innen, Frauen und Mädchen, LGTBQ+ Community, Angehörige von Minderheiten müssen um ihr Leben kämpfen. Ausrüstung und Waffen im Wert von Milliarden von Dollar wurden den Taliban von der NATO überlassen, die das Material nun gegen die zivile Gesellschaft vor allem friedliche Demonstranten so wie bei Hausdurchsuchungen der
Bürger:Innen eingesetzt.
Verlassene Häuser und ganze Landstriche, deren Bewohner*innen in der Not Sicherheit suchten. Ein Jahr ist vergangen, und noch immer warten Zehntausende auf ihre Evakuierung. Ein Jahr lang stehen unzählige Namen auf Sicherheitslisten. Ein Jahr, in dem das Regime nicht anerkannt wird, ohne dass sich der Asylstatus der afghanischen Asylbewerber ändert. 365 Tage, in denen Mädchen nicht zur Schule gehen und Frauen systematisch aus der Öffentlichkeit verschwinden. 12 Monate, in denen die Lebensmittelknappheit immer weiter zunimmt, in denen Menschen keinen Zugang zu ihrem eigenen Geld haben, da dieses durch die US-Regierung unter Joe Biden eingefroren wurde, während 98 % der Bevölkerung vor dem Hungertod stehen. Tagtäglich werden Felder ausgebeutet, Häuser geräumt, Essen von den Taliban gestohlen und Hilfsaktionen verhindert – alles unter den Augen der NATO-Mitgliedsstaaten.
Dies zwingt die Menschen zu verzweifelten Maßnahmen wie dem Verkauf ihrer Organe, sich selbst und ihrer Kinder. 365 Tage lang wird uns gesagt, dass wir Geduld haben sollen, während Menschen unterdrückt, vergewaltigt, gefoltert und ermordet werden.
In Qatar, den Ort, wo die Taliban ihre Headquarters haben, wurde das Qatar Peace Agreement im Jahr 2013 angefangen zwischen der Taliban-Terroristengruppe und den NATO-Mitgliedstaaten, den Gulfstaaten, Pakistan jedoch ohne Repräsentant:innen der afghanischen Bevölkerung oder Regierung und somit das Schicksal der afghanischen Bevölkerung beschlossen.
Es ist eine Schande, dass auch ein Jahr nach der Machtübergabe durch die Taliban nur ein Bruchteil der Menschen evakuiert wurde, die wegen ihrer Arbeit für die Nato, die Bundeswehr, die GIZ oder andere deutsche Organisationen und ihre Subunternehmen in Lebensgefahr sind und sich seit Monaten versteckt halten müssen. Sie werden von der deutschen Regierung elendig im Stich gelassen. Unerträglich sind auch die langen Wartezeiten für den Nachzug von Familienmitgliedern von Afghan:innen, die bereits in Deutschland leben. Die Steuerzahler der NATO-Staaten verlangen Rechenschaft und Antworten. 20 Jahre „Engagement“, endeten mit einer verantwortungslosen Evakuierung, bei der es den Anschein hatte, dass die Leben der afghanischen Menschen nicht die oberste Priorität hatten wie z.B. den Alkohol von der deutschen Botschaft und der deutschen Bundeswehr. Afghan:innen auf der Flucht erleben täglich Menschenrechtsverletzungen. Ob in den Nachbarländern Afghanistans, der Türkei, den griechischen Inseln, auf der Balkanroute oder anderen Grenzen der EU, so wie nach dem Ankommen und bei der Beantragung des Asyl – Afghan:innen werden misshandelt, missbraucht, gepushbackt, geschlagen, vergewaltigt, rassistisch beleidigt und sogar umgebracht.
Auch hier in Deutschland werden ihre Rechte missachtet. Jahrelang warteten Afghan:innen auf Ent-
scheidungen über ihre Asylanträge und ihre Folgeanträge oder hatten lediglich eine Duldung – oftmals mit Ausbildungs- und Arbeitsverbot. Statt den vollen Flüchtlingsstatus bekommen Geflüchtete aus Afghanistan i.d.R. nun lediglich ein Abschiebeverbot, mit dem der Familiennachzug kaum möglich ist. Weil die Menschen im Krieg aufgewachsen sind, hatten viele keinen Zugang zu Bildung, und auch hier in Deutschland wird ihnen der Zugang zu Deutschkursen oder einer Ausbildung verwehrt. Im Niedriglohnsektor, durch Zeitarbeitsfirmen wird nun ihre Arbeitskraft ausgebeutet.
Wir haben gekämpft, wir haben uns gequält, wir haben nächtelang nicht geschlafen und immer wieder
wurden wir blockiert und unsere Rechte verletzt. Die Realität, dass die Prozesse der Evakuierungen
gefährdeten Afghan:innen schwieriger ist als die Machtübergabe der Taliban nehmen wir nicht länger hin!
Wir vom Bündnis #dontforgetafghanistan fordern:
- zügige unbürokratische AsylFolge-Anträge!
- Anerkennung alle Afghanische Menschen zum § 23 Abs. 1 & 2 !
- keine nachweise von Deutsche Sprachzertifikat beim Familiennachzug aus Afghanistan!
- Evakuieren alle Hinterlassene Ortskräfte/ Ladenbesitzer der Marmel-Camp!
- die schnelle und unbürokratische Evakuierung aller gefährdeter Personen und ihre Familienmitglieder!
- Die Hungersnotkrise in Afghanistan nachhaltig Verantwortung nehmen!
- Keine Anerkennung für das Taliban Regime und keine finanziellen Kooperationen mit ihnen!
- sichere Fluchtwege und Verantwortung des Involvements der Nachbarländer!
Lasst uns zusammenstehen und hör- und sichtbar werden bei einer ➤ zentralen Demonstration am Samstag, 13.08.2022 | Start: 14.00 h vor dem Auswärtigen Amt, Werderscher Markt 1 | Ende 18.00 h vor dem Bundeskanzleramt.
Nach der Demo startet unser ➤ Aktionscamp vom 13.08. | 18 h – 15.08.22 | 10 h
(Ort wird noch bekanntgegeben, achtet auf die Anküngigungen!)
Alle Berliner Aktivist:innen stehen euch zur Verfügung. Es gibt Workshops, Erfahrungsaustausch, Diskussionen mit Expert:innen, Redebeiträge wie künstlerische Vorführungen so wie Berichte von Aktiven außerhalb Berlins. Dazu organisieren wir Essen und Livemusik.
Wir wollen einen Ort schaffen, um eine bundesweite Vernetzung aufzubauen und laden euch alle ein, diesen Schritt zusammen zu gehen.
Lasst uns gemeinsam die Stimme erheben und Gerechtigkeit für afghanischen Menschen fordern, die seit Jahren Gewalt erfahren haben!
Online-Seminar: Neues im Asyl- und Aufenthaltsrecht
Im Rahmen der Veranstaltung, die zusammen mit dem Diakonischen Werk Göppingen durchgeführt wird, werden die aktuellen Entwicklungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht vorgestellt. Ein Schwerpunkt wird das neue „Chancenaufenthaltsrecht“ sein, zu dem inzwischen ein erster Gesetzesentwurf vorliegt und das bis zur Veranstaltung möglicherweise schon in Kraft getreten sein wird. Außerdem werden für das (ehrenamtliche) Engagement wichtige Gerichtsentscheidungen erörtert und die Behördenpraxis in den Blick genommen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, sich mit eigenen Fragen einzubringen.
Aktueller Hinweis: Die Anmeldung ist geschlossen.
Referent: Sebastian Röder
Die Veranstaltung wird mit Zoom durchgeführt und ist kostenlos. Hinweise zum Datenschutz finden Sie hier.
Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, unterstützt durch das Ministerium der Justiz und für Migration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat.
Menschen mit Migrationsgeschichte für Bewegungs-Studie der Universität Mannheim gesucht
Ein Forschungsteam der Universität Mannheim untersucht schützende Faktoren bei Migrationsstress und lädt dafür insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte ein, an ihrer Bewegungs-Studie teilzunehmen. Die Forscher*innen interessieren sich dafür, wie alltägliche Ereignisse, Stress und Sport zusammenwirken.
Die Teilnahme an der Studie, die mit 10 € vergütet ist, ist bequem vom Smartphone aus möglich. Die Studie dauert eine Woche und beinhaltet kurze tägliche Befragungen (ca. 5 min) in einer Tagebuch-App. Unter diesem Link können Sie an der Studie teilnehmen.
Neue Internetseite: Abschiebegeschäft von Fluggesellschaften aufgedeckt
Die neue Internetseite von „Deportation Alarm“ (DA) veröffentlicht seit neuestem geheim gehaltene Informationen über Fluggesellschaften, die im Jahr 2021 Sammelabschiebungen aus Deutschland durchgeführt haben. Die interaktive, datengestützte Website informiert detailliert über die Fluggesellschaften, die von Sammelabschiebungen per Charterflug profitieren. Sie stellt Informationen über die 206 Charterflüge bereit, mit denen im Jahr 2021 mindestens 5.484 Menschen abgeschoben wurden. Außerdem listet sie die Ausgaben des deutschen Staates und von Frontex in Höhe von über 22 Mio. Euro auf.
Die Informationen dieser Website basieren auf öffentlich zugänglichen Flugdaten. Mit Hilfe eines Algorithmus, der bestimmte Muster erkennt, wurden die Abschiebeflüge identifiziert. Die Daten wurden dann mit redigierten parlamentarischen Anfragen abgeglichen.
Deportation Alarm begann Abschiebeflüge zu beobachten und zu verfolgen, als die Bundesregierung 2020 entschied, Namen von Fluggesellschaften zurückzuhalten, die von Sammelabschiebungen profitieren.
Ukrainischer Führerschein gilt auch in der EU
Seit dem 27. Juli 2022 gelten die ukrainischen Führerscheine auch in der EU. Alle Menschen, denen nach der Massenzustromrichtlinie oder nach nationalem Recht vorübergehender Schutz vor dem Krieg in der Ukraine gewährt wird, benötigen seitdem weder eine Übersetzung ihres ukrainischen Führerscheins noch einen internationalen oder deutschen Führerschein. Weitere Informationen finden Sie in einer Zusammenfassung des Mittelhessischen Landboten oder direkt in der Verordnung im Amtsblatt der EU.
Veranstaltung von Handicap International für Menschen mit Behinderung aus der Ukraine
Handicap International veranstaltet am Donnerstag, dem 04.08.2022, von 16-18 Uhr die kostenfreie Online-Veranstaltung „Austausch für Menschen mit Behinderung aus der Ukraine in Deutschland: Fragen und Antworten zum Thema: Was sind meine Rechte? Wo bekomme ich Hilfe?“. Die Veranstaltung richtet sich an Menschen mit Behinderung aus der Ukraine und bietet Raum für Fragen und Antworten. Das Treffen findet online via Zoom statt und wird von Dolmetscher*innen auf Ukrainisch und Russisch begleitet. Ukrainische Gebärdensprachdolmetscher*innen übertragen den Austausch in ukrainische Gebärdensprache. Bei Bedarf erfolgt auch Schriftdolmetschung in russischer Sprache. Weitere Informationen zur Veranstaltungen und Registrierung lassen sich im Flyer von Handicap International nachlesen.
„Von erheblicher Diskriminierung betroffen“
Die Anlaufstelle / Netzwerk Pro Sinti und Roma (ANPSR) berichtet in einer Stellungnahme von ihren Erfahrungen bei der Unterstützung geflüchteter Rom*nija aus der Ukraine. Wir dokumentieren die Stellungnahme im Wortlaut:
Durch den Krieg in der Ukraine seit Februar 2022 kommen Rom*nja aus der Ukraine mit, aber auch ohne ukrainische Staatsbürgerschaft als Geflüchtete nach Deutschland. Vielen ukrainischen Rom*nja war es durch eine jahrhundertealte diskriminierende Praxis in der Ukraine, aber auch in anderen europäischen Ländern, kaum möglich an gleichwertige Ausweis-Papiere zu kommen wie anderen Bürger*innen der entsprechenden Länder, in denen sie leben.
Nach Einschätzung der ANPSR sind ca. 3000 – 4000 Rom*nja in Baden – Württemberg angekommen. Die Zahl der geflüchteten Rom*nja endet hier nicht, sondern wird sich zukünftig womöglich noch verdoppeln, denn die Lage der Rom*nja in der Ukraine ist schon seit langem besonders prekär. Dort sind sie von erheblicher Diskriminierung betroffen, in 2018 gab es mehrere rechtsradikale Angriffe auf Rom*nja mit Todesopfern.
Auch in Deutschland ankommende Rom*nja erleben häufig rassistische Gewalt durch Polizei, Sicherheitskräfte, Behörden, Dolmetschende und Helfende, die ihnen vielfach Übernachtungsmöglichkeiten, frische Kleidung, sogar Essen oder Hygieneprodukte verweigern. Dies unter anderem mit der Begründung, sie seien seit Tagen oder schon öfter da gewesen, würden betrügen, wären gar keine Kriegsgeflüchtete, obwohl die Betreffenden nachweislich gerade erst mit dem Zug aus der Ukraine ankamen.
Hier nennen wir einige Fälle als Beispiele, die die ANPSR erreicht haben und in denen wir schnell intervenieren mussten:
Eine ukrainische alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern, wurde in einem Lebensmittelmarkt in der Nähe von Stuttgart von einer Sicherheitsfirma kontrolliert und die Polizei eingeschaltet. Eines der Kinder hatte sich ein Überraschungsei genommen. Die Polizei fuhr daraufhin die Frau mit den Kindern zur Polizeistation, das Jugendamt wurde alarmiert. Die Frau musste 24 Stunden zur „Untersuchung“ in einer Polizeizelle verbringen, die Kinder wurden dem Jugendamt übergeben und fremd untergebracht. Nachdem die Frau frei gelassen wurde, bekam sie ihre Kinder nicht zurück, dies könnte noch Wochen dauern. Erst nach Intervention der ANPSR kam die Familie wieder zusammen. Dieses Vorgehen entspricht einer jahrhundertealten rassistischen Praxis .
In anderen Fällen erreichte uns die Nachricht, dass Reisepässe von der Behörde als „verdächtig“ und gefälscht eingestuft und an das LKA Stuttgart weitergeleitet wurden.
Kolleg*innen (Sozialarbeiter*innen) informierten die ANPSR darüber, dass die Behörden immer wieder nachfragten: „Haben Sie Probleme mit Roma? … Sind die sauber?“ und dass, je nach ethnischer Herkunft, ein sehr deutlicher Unterschied gegenüber anderen- weißen ukrainischen Geflüchteten gemacht wird. So haben Rom*nja, im Gegensatz zu anderen Ukrainer*innen, meist noch keinen Aufenthaltstitel erhalten, mit der fadenscheinigen „Begründung“: „die müssen erst noch überprüft werden“. Diese abwertende und
ausgrenzende Praxis muss beendet werden.
Dolmetscher*innen übersetzen oft nicht 1/1, was die Betroffenen Rom*nja sagen und wie es ihre Pflicht wäre, sondern geben ihre eigenen „Einschätzungen“, aus einer rassistischen Perspektive an die Behörden weiter. So, dass diese Rom*nja wären und keine „Original Ukrainer*innen“, was aufgrund der deutschen Geschichte, der Ausgrenzung, der Verfolgung und systematischen Ermordung von Rom*nja im Holocaust mit der damit einhergehenden gesonderten Erfassung von Rom*nja, besonders unerträglich ist. Hier muss Deutschland seiner besonderen Verantwortung gerecht werden und solche Formen der Diskriminierung
abstellen. Doch die Lage von Rom*nja droht sich im Gegenteil aufgrund einer diskriminierenden Ausschluss-Praxis eher zu verschlechtern, als zu verbessern.
Dennoch wollen wir auch gute Beispiele der Zusammenarbeit in dieser Presseklärung erwähnen. Die Stadt Freiburg – ABH und das Amt für Migration und Integration setzten sich in einigen Fällen schnell und offen für geflüchtete Rom*nja aus dem Westbalkan ein. Die Stadt Freiburg hat das Gespräch mit der ANPSR gesucht, um gemeinsam nach Lösungen gegen Diskriminierung und anderen Problemen zu suchen und hat zum Teil bereits Verbesserungen erreicht. Als weiteres gutes Beispiel können wir das Regierungspräsidium in Karlsruhe anführen, das der ANPSR den Zugang zur LEA erteilt hat, um dort Beratungen in Romanes durchzuführen.
Wir fordern nun dazu auf, der besonderen Verantwortung Deutschlands gerecht zu werden und sich aktiv für gleiche Voraussetzungen und Chancen aller aus der Ukraine geflohenen Rom*nja, im Sinne gleichwertiger Menschenrechte für Alle, einzusetzen.
Die Anlaufstelle /Netzwerk Pro Sinti und Roma bietet dabei Aufklärung für die deutsche Öffentlichkeit und Behörden, der Polizei und der ABH aber auch Unterstützung für Betroffene, an. Die ANPSR steht euch zu Verfügung mit:
- Dolmetscher*innen in der Sprache Romanes
- Aufklärung über Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zzi /Antiziganismus
- Konflikt-Gespräche
- Erstgespräche für Neuankommende
- Workshop für MitarbeiterInnen der Behörden gegen Rassismus/ Antiziganismus
- Strategische Unterstützung für Städte und Kommunen im B.W.
Wenden Sie sich gerne an uns mit Ihren Fragen.
Geflüchtete Rom*nja und Institutionen, wendet Euch in dringenden Fällen bitte direkt an die ANPSR oder an unsere Kooperationspartner*innen:
Sprachen : Romanes, Russisch, Ukrainisch, Serbisch, Mazedonisch, Deutsch
- Roma Antidisc. Network : +491623554670 / 49 6221 9811 52 /49 176 88215091
- hotline-ukraine@sintiundroma.de .
- Zentralrat Deutscher Sinti &Roma Tel. 06621/9811-53
- Anlaufstelle/Netzwerk Pro S.R. : 07681/4930645 / Mob: 0151 63385224
- K.ahmed@ksew.de
refugio stuttgart e.V. sucht Sprachmittler*innen für Beratung und Therapie
refugio stuttgart e.v. ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verein, der das psychosoziale Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge betreibt. Im Rahmen von gezielten Beratungen und Therapien begleitet refugio stuttgart e.V. diese Menschen bei der Bearbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse. Für diese Begleitung ist die Mitarbeit von Sprachmittler*innen unerlässlich. Dafür ist refugio stuttgart e.V. derzeit wieder auf der Suche nach Sprachmittler*innen, besonders für die Sprachen Paschtu und Urdu, aber auch für andere Sprachen. Voraussetzung ist neben entsprechenden Sprachkenntnissen die Teilnahme an einer kostenlosen Schulung, die wieder Ende September/Anfang Oktober angeboten wird. Alle weiteren Voraussetzungen und Informationen können in der Ausschreibung von refugio stuttgart e.V. nachgelesen werden.