Flüchtlingsrat weiterhin gegen Ankunftszentrum-Standort „Wolfsgärten“

Der Heidelberger Gemeinderat sollte am 26. März über den neuen Standort des Ankunftszentrum abstimmen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Entscheidung jedoch kurzfristig vertagt. Anders als vor einem Jahr zeichnet sich nun eine Mehrheit für den Standort „Wolfsgärten“ ab, da die Grünen in dieser Frage ihre Haltung geändert haben. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ist – ebenso wie der Asylarbeitskreis Heidelberg, einige Gemeinderatsmitglieder (z.B. SPD und LINKE) und weitere lokale Akteure – weiterhin der Meinung, dass der Standort „Wolfsgärten“ kein geeigneter Ort für die Unterbringung von Geflüchteten ist und hält die von den Heidelberg Grünen genannten Gründe für ihren Sinneswandel für nicht überzeugend.

Der Flüchtlingsrat weist darauf hin, dass der zwischen Autobahnkreuz und Bahnschienen gelegene Standort „Wolfsgärten“ genauso unwirtlich und ungeeignet ist wie vor einem Jahr, als es noch von einer Mehrheit des Gemeinderats abgelehnt wurde. Der Flüchtlingsrat widerspricht der Auffassung, dass aufgrund der angeblich kurzen Aufenthaltsdauer geringere Standards eher vertretbar seien und weist darauf hin, dass die durschnittliche Aufenthaltsdauer bei immerhin zwischen sechs und acht Wochen liegt – und „Durchschnitt“ natürlich bedeutet, dass die Dauer bei einigen noch länger ist.

Das Argument, ein Verbleib des Ankunftszentrums auf dem Areal „Patrick-Henry-Village“ würde die Entwicklung des geplanten neuen Stadtteils gefährden, weil diese dann weniger als 10 000 Einwohner*innen haben würde, was die Untergrenze für einen funktionierenden Stadtteil sei, hält der Flüchtlingsrat für vorgeschoben: „Erstens führt die Stadt diese Argumentation selbst ad Absurdum, weil in der letzten Sitzung des Konversionsausschusses bekanntgegeben wurde, dass die Anzahl der Bewohner*innen zu Gunsten der Anzahl der vorgesehenen Arbeitsplätze nach unten korrigiert wurde und nun von Neun- bis Zehntausend Bewohner*innen die Rede ist. Abgesehen davon funktioniert diese Argument nur unter der Prämisse, dass man die Geflüchteten bei der Berechnung der Bewohner*innen herausrechnet. Warum sollte man dies tun? Auch sie werden die Infrastruktur nutzen – beziehungsweise sie sollten die Möglichkeit haben, es zu nutzen“, so Ulrike Duchrow vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg.

Am Standort Wolfsgärten wird sich die Frage der Nutzung von Infrastruktur des Stadtteils durch die Geflüchteten nicht stellen – dafür sorgt schon der abgelegene Standort.

„Es bringt nichts, einerseits das solidarische Engagement der Heidelberger Stadtgesellschaft zu loben, andererseits aber für einen Standort zu plädieren, wo es keinen Raum für Begegnungen und Austausch mit dieser Stadtgesellschaft geben wird. Wir erleben gerade den Versuch des BMI, die Beratungstätigkeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen durch das BAMF übernehmen zu lassen unter dem völlig absurden Namen ‚Unabhängige staatliche Beratung‘. Unsere Sorge ist, dass die Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen zunehmend ‚aus den Augen, aus dem Sinn‘ sein werden, ohne Zugang zu unabhängigen Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Ein abgelegener Standort für das Ankunftszentrum wird diese Tendenz sicherlich verstärken“, sagt Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.

Dass die Abgeschiedenheit der Einrichtung – sei es durch die Lage oder durch die Umzäunung – als Maßnahme zum Schutz der Geflüchteten vor dem „Eindringen von Externen“ gerechtfertigt wird, hält der Flüchtlingsrat für ausgesproch unehrlich. „In jeder Unterbringunsform – nicht nur in der Erstaufnahme – gibt es besonders schutzbedürftige Menschen. Personen, die in böser Absicht von außen eindringen wollen, unterscheiden nicht nach Unterbringungsform. Es stellt sich die Frage, warum Abgeschiedenheit, Umzäunung und Kontrollen nur für Erstaufnahmeeinrichtungen gelten sollen. Geflüchtete, deren Grundrecht auf Privatsphäre in solchen Einrichtungen immer wieder missachtet wird durch Kontrollen, Durchsuchungen und Besuchsverbote, werden über dieses vorgeschobene Argument nur den Kopf schütteln. Wer besonders Schutzbedürftige wirksam schützen will, muss sie schnellstens – und nicht erst nach Wochen – in dezentralen Unterkünften unterbringen, wo sie die Möglichkeit haben, die Wohnungstür hinter sich zuzuschließen“, so Lucia Braß, 1. Vorsitzende des Flüchtlingsrats.

Der Flüchtlingsrat erinnert in diesem Zusammenhang auf die Äußerung von Innenminister Thomas Strobl bei der Eröffnung des Ankunftszentrums Heidelberg, wonach die Einrichtung einen Vorbildcharakter habe. Der Gemeinderat müsse sich entscheiden, ob Heidelberg ein Vorbild für Abschottung and Ausgrenzung sein wolle oder ein Vorbild für menschenwürdige Unterbringung.


Corona-Krise: Wie arbeiten die Verwaltungsgerichte?

Die Verwaltungsgerichte arbeiten zwar anders wegen der Corona Krise, sie haben jedoch nicht aufgehört, Asylverfahren zu bearbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass Geflüchtete keine Fristen und Termine versäumen und bei Bedarf wissen, wie sie Kontakt zu dem jeweiligen Verwaltungsgericht aufnehmen können. Bitte verteilen Sie diese wichtigen Informationen in Ihren Stadt- und Landkreisen.

Wie haben die Gerichte geöffnet? 

Die Verwaltungsgerichte haben nicht mehr so oft geöffnet oder haben teilweise ganz geschlossen. Deshalb bitten die Gerichte, dass man erst anruft, bevor man zu den Gerichten hinfährt. Bitte schauen Sie immer auf der Internetseite nach, wenn Sie zu einem Gericht hinfahren möchten, und rufen Sie vorher dort an.

Kann ich bei den Gerichten anrufen?

Ja natürlich. Vielleicht brauchen Sie aber eine Person, die für sie auf Deutsch oder Englisch übersetzen kann. Wenn Sie beim Gericht anrufen, müssen Sie Ihr Aktenzeichen kennen (das steht auf den Papieren vom BAMF bzw. dem Gericht drauf).

Findet mein Termin bei Gericht statt?

Die Gerichte haben fast alle Termine verschoben. Sie sollten einen Brief mit einem neuen Termin bekommen haben. Wenn Sie keinen Brief bekommen haben, rufen Sie vor dem Termin bei dem Gericht an.

Wie kann ich Dokumente, z.B. Klagen, innerhalb der Frist einreichen?

Fristen müssen unbedingt eingehalten werden. Wenn Sie ein Schreiben mit einer Frist bekommen, antworten Sie am besten mit einem Brief und schicken ihn per Post oder per Fax an das Gericht. Sie können in dem Brief in einfachen Worten erklären, was Sie wollen, z.B. „Ich klage gegen den BAMF Bescheid vom 23.03.2020“. Bitte unterschreiben Sie den Brief. Später kann Ihnen dann ein*e Sozialarbeiter*in oder ein*e Rechtsanwält*in helfen, einen neuen Brief zu schreiben und alles zu erklären.

Was passiert, wenn ich in Quarantäne bin und ich Dokumente einreichen muss?

Fristen müssen auch dann eingehalten werden. Wenn Sie niemanden haben, der Ihnen helfen kann an das Gericht einen Brief zu schreiben, dann rufen Sie bei dem Gericht an und erklären Sie Ihre Situation. Sie können auch eine E-mail an das Gericht schreiben (bitte schreiben Sie Ihr Aktenzeichen in die E-mail). Schreiben Sie sich genau auf, was Sie mit dem Gericht am Telefon besprechen. Später müssen Sie unbedingt mit einer*m Rechtsanwält*in sprechen, damit Sie keine Nachteile bekommen.

Was passiert, wenn ich in Quarantäne bin und ich einen Termin beim Gericht habe?

Rufen Sie beim Gericht an oder schreiben Sie eine E-mail und erklären Sie Ihre Situation. Dann wird Ihnen ein neuer Termin gegeben werden.


Spendenaufruf für die Roma-Community in Südserbien

Den Flüchtlingsrat Baden-Württemberg erreichte in diesen Tagen ein dringender Hilfeaufruf seiner Partnerorganisation URI aus Serbien. Aufgrund der Restriktion anlässlich des Coronavirus dürfen Menschen über 65 ihre Wohnung nicht verlassen. Die ohnehin prekäre Lage der Roma wird in dieser Situation noch gefährlicher. Für viele bricht die Möglichkeit zum Geldverdienen durch Saisonarbeit weg, auch die unzureichende Gesundheitsversorgung verursacht große Problem. URI bittet um Spenden, um gerade den rund 300 älteren Roma, von denen rund 100 Holocaust-Überlebende sind, in der Not zu helfen.

2018 hatte der Flüchtlingsrat eine erfolgreiche Veranstaltungereihe zur Situation der Roma in Serbien mit einem Vorstandsmitglied von URI durchgeführt.

Im Folgenden der Spendenaufruf – unten finden Sie allgemeine Informationen zum Verein URI und seiner Arbeit

Ausnahmezustand in Serbien – COVID-19

Am 15. März wurden in Serbien, auf Anordnung von Präsident Aleksandar Vucic anlässlich des Auftretens des Corona-Virus (COVID) – der Ausnahmezustand ausgerufen.

Personen über 65 müssen rund um die Uhr, sieben Tage pro Woche in ihren Wohnungen bleiben. Für Personen unter 65 Jahren gilt eine Ausgangssperre von 20 bis 5 Uhr.

Alle Formen von öffentlichen Versammlungen und Saisonarbeit sind verboten.

Auf dem Gebiet der Gemeinden Vladicin Han und Surdulica leben 5.000 Roma, davon mehr als 300 ältere Menschen (über 65 Jahre), und etwa 300 Familien sind sozial benachteiligt.

Ältere Roma sind 24 Stunden lang isoliert, leben allein und sind nicht in der Lage, Lebensmittel und Hygieneartikel zu besorgen. Das durchschnittliche Einkommen – die Rente – in dieser Gruppe beträgt 100 Euro pro Person, was nicht ausreicht, um ihre Existenz zu sichern.

Viele sind aufgrund des Saisonarbeitsverbots nun daran gehindert, ein Einkommen zu erzielen und ihre Familien zu ernähren.

Diese Zielgruppe ist in den lokalen Plänen für den Notstand nicht vorgesehen.

Die Roma-Community hat sich an unseren Verein gewandt und bittet um Hilfe. Wir verfügen über Personal- und Raumressourcen, aber wir haben keine Mittel für die Bereitstellung von Lebensmitteln, Medikamenten und Hygieneartikeln.


Spendenaufruf

Wir bitten alle solidarischen Menschen und auch die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Roma, um Spenden für diese Zielgruppe.

Bitte helfen Sie nach Ihren Möglichkeiten den Roma aus dem Süden Serbiens in dieser sehr schwierigen Situation, jede Hilfe wäre willkommen und wir wären Ihnen dankbar.


Spendenkonto:
Udruženje Roma intelektualaca
BIC: KOBBRSBG

IBAN RS35205007080003475050

URI- Vereinigung der Roma-Intellektuellen

Die Vereinigung der Roma-Intellektuellen ist eine nichtstaatliche und gemeinnützige Vereinigung, die zur Erreichung der Ziele der Roma-Inklusion gegründet wurde, und zwar insbesondere in den Bereichen: Bildung, Beschäftigung, Wohnen, Sozialfürsorge und Gesundheitsfürsorge

Unsere Ziele sind:

  • Verbesserung des Zugangs zur Beschäftigung.
  • Unterstützung der Förderung der lokalen Beschäftigungspolitik.
  • Förderung der sozialen Inklusion.
  • Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung der Roma-Community
  • Entwicklung eines Bewusstseins für die EU-Integration.
  • Unterstützung der Integration von Rückkehrenden / Abgeschobenen
  • Stärkung des sozialen Zusammenhalts.
  • Schutz der Menschenrechte unter besonderer Berücksichtigung der Minderheitenrechte.
  • Unterstützung des inter-ethnischen Dialogs.
  • Kampf gegen Korruption.
  • Förderung der Gleichstellung der Geschlechter.
  • Beteiligung der Roma am öffentlichen Leben.
  • Förderung von Bräuchen und Traditionen.
  • Entwicklung des Umweltbewusstseins im Umweltschutz mit besonderem Schwerpunkt auf dem Klimawandel.
  • Beitrag zur Information in Minderheitensprachen.
  • Präventive Gesundheitsfürsorge für Roma.

Um ihre Ziele zu erreichen, führt die Vereinigung folgende Arbeiten durch:

  • Projekte und Programme, die zur Erreichung der Ziele der Vereinigung beitragen;
  • fungiert als ein Roma-Multiplikatorenstelle innerhalb unserer Community;
  • ermutigt Initiativen, die von der Roma-Community ausgehen, um die Lebensqualität zu verbessern;
  • stellt den Informationsfluss zwischen der Roma-Gemeinschaft und staatlichen Institutionen sicher;
  • bietet Expertendienste an: Rechtshilfe, Entwicklung von Unternehmertum, Erstellung von Geschäftsplänen, Karriereberatung, Gesundheitsberatung;
  • organisiert Freiwilligenarbeit auf Ad-hoc- und Kurzzeitbasis;
  • arbeitet mit Universitäten, Schulen, Berufsverbänden und anderen Organisationen im Land zusammen;
  • setzt sich in der Öffentlichkeit für die Verbesserung des Status der Roma-Frauen ein;
  • Organisiert gemeinnützige Arbeit in der Gemeinde.

Auswirkungen von Covid 19 auf Asylverfahren

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat bekannt gegeben, dass zur Vermeidung von Kontakten ab sofort Asylanträge nur noch schriftlich entgegengenommen werden. Das Verfahren läuft laut BAMF so ab, dass zunächst eine Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung erfolgen muss. Im Anschluss daran wird ein sog. „Formularantrag“ ausgefüllt, der an das Bundesamt übermittelt wird. Nach Eingang dieses Formularantrags stellt das Bundesamt Aufenthaltsgestattungen aus und übermittelt diese gemeinsam mit den schriftlichen Belehrungen zum Asylverfahren an die Antragstellenden. Anhörungen im Asylverfahren bzw. persönliche Gespräche im Widerrufsverfahren sind zunächst ebenfalls ausgesetzt. Außerdem hat sich das BAMF dahingehend geäußert, dass alle Dublin-Überstellungen ausgesetzt werden sollen. Nach Aussage des BAMF sollen die Fristen jedoch nur unterbrochen werden und nicht ablaufen.

Wichtiger Hinweis: Wir sammeln derzeit Informationen über das praktische Vorgehen des BAMF und anderer Stellen in Bezug auf das Corona-Virus. Fragestellungen, die uns interessieren, sind z.B.: Wie sind die Erfahrungen der Geflüchteten mit den schriftlichen Asylantragstellungen? Werden BAMF-Ablehnungsbescheide versandt? Verschicken Gerichte Ladungen bzw. Urteile? Über die Mitteilung Ihrer Erfahrungen unter info@fluechtlingsrat-bw.de freuen wir uns sehr.


Sozialleistungsausschlüsse für Ausländer*innen müssen ausgesetzt werden!

Auszug aus der Pressemitteilung:

„Die GGUA fordert vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Ausnahmesituation der Corona-Krise die Sozialämter und Jobcenter auf, für alle Menschen in Deutschland das dringend notwendige Existenzminimum zu sichern. Es darf nicht sein, dass in einer Situation wie jetzt Menschen auf der Straße leben müssen oder keinerlei Mittel für ihr Existenzminimum haben. Auch für EU-Bürger*innen ohne regulären Leistungsanspruch, Geflüchtete und andere Drittstaatsangehörige muss nun das menschenwürdige Existenzminimum sichergestellt werden. Eine sichere und angemessene Unterkunft und die finanziellen Mittel für Vorsorge, Hygiene und Lebensmittel sind erst Recht in der momentanen Situation unabdingbar. Niemand darf gezwungen werden, auf der Straße zu leben und zu hungern. Zugleich haben viele Einrichtungen der solidarischen Notversorgung (Tafeln, ehrenamtliche Notfallmedizin usw.) ihren Betrieb eingestellt oder eingeschränkt.“


Geflüchtete sitzen auf den griechischen Inseln fest

Auf den griechischen Inseln leben ca. 41.000 Schutzsuchende unter prekärsten Bedingungen. Auf der Insel Moria gibt es für etwa 20.000 Menschen drei Ärzt*innen, acht Krankenpfleger*innen und sieben Dolmetscher*innen. Auf der Insel Lesbos ist die Lage ähnlich. Hygienevorkehrungen, Sicherheitsabstand, medizinische Versorgung – all das, was so wichtig ist um die Ausbreitung des Corona Virus zu hemmen, ist auf den Inseln nicht möglich. Würde die Pandemie die Geflüchteten auf den Inseln erreichen, wären die Folgen unabsehbar.


Informationsblätter zum Corona Virus

Im Rahmen des Projekts „Welcome2BW“ sind mehrsprachige Informationsblätter entstanden mit allgemeinen Informationen zum Coronavirus und zu Maßnahmen des Infektionsschutzes, sowie mit Informationen über die aktuellen einschränkenden Maßnahmen der Bundes- und der Landesregierung. Tagesaktuelle Informationen in verschiedenen Sprachen bietet außerdem das Handbook Germany an und von Pro Asyl gibt es einen Newsticker zum Thema Corona.


Flüchtlingspolitische Positionen von PRO ASYL zu Covid 19

PRO ASYL hat seine flüchtlingspolitischen Positionen zur Corona-Krise zusammengefasst. Hier ein Auszug: „Angesichts der Verbreitung des Corona-Virus in Deutschland und weltweit braucht es einen sofortigen Abschiebungsstopp und die Freilassung von Menschen aus der Abschiebungshaft. Außerdem sollte das BAMF keine ablehnenden Bescheide mehr verschicken, da die Betroffenen aktuell keine Chance haben, innerhalb von zwei Wochen Klage einzureichen“.


Offener Brief verschiedener Organisationen zu nötigen Schutzmaßnahmen für Geflüchtete vor dem Corona-Virus

Verschiedene Organisationen, darunter PRO ASYL, medico international und die GGUA Flüchtlingshilfe, fordern in einem offenen Brief die Bundesregierung dazu auf, die Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus auch auf Geflüchtete auszudehnen. 


Gesundheitsversorgung sicherstellen! Lager auflösen! Menschen und ihre Rechte schützen!

Während Bundes- und Landesregierungen in nahezu allen Lebensbereichen strikte Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung der COVID-19-Epidemie ergreifen, werden Geflüchtete in den Lagern (Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften, sogenannten Ankerzentren) und in der Abschiebehaft sowie Illegalisierte und Menschen ohne Krankenversicherungsschutz nur unzureichend geschützt. Aufgrund der engen Belegung und der meist gemeinschaftlichen Nutzung von Bädern, Küchen und anderen Flächen sind die in den Sammelunterkünften untergebrachten Menschen besonders gefährdet, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren. Gleichzeitig haben sie aufgrund mangelnder Informationen, geringerer finanzieller Mittel und oft fehlender sozialer Netzwerke nur wenig Möglichkeit, sich an die gegenwärtige Situation anzupassen.
 
We’ll Come United, die Landesflüchtlingsräte, die bundesweiten Medibüros/Medinetze und viele weitere Organisationen und Initiativen appellieren an die Bundes- und Landesregierungen, dem dynamischen Epidemiegeschehen sofort zu begegnen, Gesundheitsversorgung für alle zu garantieren und einen Leerzug der Massenunterkünfte zu veranlassen. Geflüchtete, die den Risikogruppen angehören, müssen unverzüglich einen adäquaten Schutzraum und angemessene Versorgung erhalten – zum Schutz der Einzelnen und zum Schutz aller Menschen in dieser Gesellschaft.

Verminderung sozialer Kontakte, das Einhalten eines Mindestabstands und Sicherung hygienischer Standards sind notwendig, um eine weitere Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus zu verhindern. All das ist für Tausende von Menschen derzeit nicht möglich. In einigen Geflüchtetenunterkünften kam es bereits zu Erkrankungen und häuslicher Quarantäne von Hunderten von Menschen auf engstem Raum, beispielsweise in Suhl (Thüringen), in Berlin und in München. Zuverlässige Informationen in den benötigten Sprachen fehlen, Menschen harren in Unsicherheit und Angst hinter verschlossenen Türen aus und versorgen schwer erkrankte Zimmernachbar*innen, wie zum Beispiel in München, von wo es außerdem bereits Berichte von Willkür und Gewalt durch Sicherheitspersonal gibt.

Oder die Polizei rückt in einem Großeinsatz an, um eine Quarantäne durchzusetzen, bevor die Bewohner*innen auch nur ansatzweise strukturierte mehrsprachige Informationen erhalten haben, was Quarantäne bedeutet und warum sie verhängt wurde, und löst damit eine große Verunsicherung und Proteste aus, wie in Suhl (Thüringen).

Einem akuten Infektionsgeschehen darf nicht mit Zwangsquarantäne einer gesamten Unterkunft und ihrer Bewohner*innen und gewaltvoller Durchsetzung der Maßnahmen begegnet werden. Vielmehr sind Informationen und Aufklärung hierbei unumgänglich, um die Menschen vor sowohl gesundheitlichen als auch psychischen Schäden zu schützen. Wir fordern die dauerhafte Sicherstellung des Zugangs zu Information, mehrsprachigen Materialien, Verdolmetschung und Vermittlung von zuverlässigen Informationen. Zugang zum Internet über WLAN muss unverzüglich und flächendeckend für alle Geflüchtetenunterkünfte organisiert werden. 

Auch ist Zugang zu psychologischer Beratung notwendig, da die Situation der Quarantäne auch traumatisierend oder retraumatisierend wirken kann.
Wir fordern eine sofortige Auflösung der Massenunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, Erstaufnahmeeinrichtungen und Ankerzentren. Das damit verbundene Infektionsgeschehen ist nicht zu verantworten. Geflüchteten, die Risikogruppen angehören wie Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen müssen insbesondere geschützt werden. Im gesamten Bundesgebiet stehen zahlreiche Wohnungen, Ferienapartments und Hotels leer. Diese Räume müssen sofort durch die zuständigen Behörden zur dezentralen Unterbringung aktiviert und genutzt werden.

Der eingeschränkte Zugang zu Gesundheitsversorgung in Abhängigkeit vom Aufenthaltstitel und Sozialleistungsanspruch kann in der momentanen Lage über Leben und Tod entscheiden. Wir fordern eine sofortige flächendeckende Öffnung des Gesundheitswesens und einen unbürokratischen Zugang zur regulären Versorgung für alle Menschen. Auch illegalisierte Menschen und Personen ohne Krankenversicherung müssen ab sofort getestet und gegebenenfalls behandelt werden. Es muss ausdrücklich zugesichert werden, dass sensible Daten nicht an die Ausländerbehörde übermittelt werden (Aussetzung §87 Aufenthaltsgesetz). Die Kosten für diese dringend notwendigen Gesundheitsleitungen sind selbstverständlich aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten (z.B. Handhabung im Sinne von §19, §25, §69 Infektionsschutzgesetz und Anwendung des „Nothelferparagraphen“ §6a Asylbewerberleistungsgesetz).

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss die Versendung negativer Bescheide unverzüglich einstellen. Aufgrund von geschlossenen Beratungsstellen und eingeschränktem Besuchsverkehr bei Anwält*innen ist es momentan für Geflüchtete kaum möglich, gegen negative Bescheide rechtlich fristgerecht vorzugehen.

Sämtliche Kürzungen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssen aufgehoben werden. Da Beratungsstellen und Kanzleien nach und nach schließen, ist der Zugang zu einer effektiven Rechtsberatung nicht mehr gewährleistet.

Wir fordern einen Abschiebestopp und die pauschale Verlängerung aller Aufenthaltstitel mit sofortiger Wirkung. Bei geschlossenen Grenzen und weltweiten Reisewarnungen ist es absurd Abschiebungen weiter durchzuführen. Menschen in Abschiebehaft sind sofort zu entlassen.
Wer sich momentan an der griechisch-türkischen Grenze und in den Lagern auf den griechischen Inseln befindet, ist hygienischen Zuständen und psychischen Belastungen fern jeglicher Standards ausgesetzt. Wir fordern, die Menschen aus Griechenland sofort zu evakuieren!
#LeaveNoOneBehind!

Unterzeichner*innen:

BAfF Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer.
SEEBRÜCKE
Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V,
XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V., 
Bon Courage e.V., Borna
AG Asylsuchende Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge e.V.
Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft“
Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden
ausbrechen – Antifa Paderborn
Initiativkreis: Menschen.Würdig, Leipzig
Migrationsrat Berlin e.V.
Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.
IniRromnja
RomaniPhen e.V.
YAAR e.V.
AKuBiZ e.V., Pirna
AGIUA e.V., Chemnitz
Aufstehen gegen Rassismus, Chemnitz
Women in Exile e.V.
Jugendliche Ohne Grenzen
Refugees4Refugees
Anlaufstelle PRO ROMA Waldkirch
United Refugees Rights Movement Karlsruhe