VG Berlin: Bundesregierung muss Afghanen mit BAP-Zusage Visa ausstellen

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat mit Beschluss vom 07.07.2025 – VG 8 L 290/25 V die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, Zugesagten aus Afghanistan aus dem Bundesaufnahmeprogramm (BAP) ein Visum zu erteilen.

„Die Bundesrepublik Deutschland kann bestimmen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sie das Aufnahmeprogramm für afghanische Staatsangehörige beenden oder fortführen möchte. Sie kann während dieses Entscheidungsprozesses insbesondere von der Erteilung neuer Aufnahmezusagen absehen. Durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmebescheide hat sie sich jedoch rechtlich zu Aufnahmen gebunden. Von dieser freiwillig eingegangenen und weiter wirksamen Bindung kann sich die Bundesrepublik Deutschland nicht dadurch lösen, dass sie die Beendigung des Aufnahmeprogramms prüft.“

(Amtlicher Leitsatz)


Willkürliche Inhaftierungen in Bulgarien

Geflüchtete müssen oftmals nach ihrer Flucht vor Krieg und Verfolgung erneut mit Unterdrückung durch die Aufnahmeländer rechnen. Gerade in Bulgarien berichten Geflüchtete von willkürlichen Inhaftierungen, rassistischen Vorfällen und der Missachtung von Gerichtsurteilen.

In einem Artikel von BalkanInsight werden die Einzelschicksale von mehreren Geflüchteten näher thematisiert. Insbesondere die Situation eines inhaftierten palästinensischen Geflüchteten, der von Abschiebung bedroht ist, obwohl ein Gericht seine Freilassung angeordnet hat, illustriert auf eindrückliche Art und Weise, mit welcher behördlicher Willkür man in Bulgarien kämpfen muss. Die beschriebenen Vorfälle und Zustände erinnern daran, dass nicht in jedem EU-Land menschenrechtswürdige Aufnahmebedingungen herrschen und somit Dublin-Abschiebungen nach Bulgarien beispielsweise fraglich sind.



1841 Abschiebungen im ersten Halbjahr 2025

Im ersten Halbjahr 2025 wurden insgesamt 1841 Menschen aus Baden-Württemberg abgeschoben. Die Zahlen steigen an (2024: 1356). Das häufigste Herkunfts- und Zielland ist Georgien mit jeweils 207 und 206 abgeschobenen Personen. Das zweithäufigste Herkunftsland ist die Türkei mit 205 Personen. Davon wurden 118 Personen in die Türkei abgeschoben. Die Differenz erklärt sich damit, dass die verbliebenen Personen in andere Länder, vermutlich im Rahmen des Dublin-Verfahrens abgeschoben wurden. An dritter Stelle steht Nordmazedonien als Herkunfts- und Zielland mit jeweils 176 Personen.

Seit dem Krieg in der Ukraine gab es erstmals wieder Abschiebungen in die russische Föderation (2). In den Iran wurde eine Person abgeschoben.

In der Tabelle wird zwischen Ziel- und Herkunftsland unterschieden. Anhand der Zahlen zu den Zielländern wird ersichtlich wie viele Personen in ein bestimmtes Land abgeschoben worden sind. Die Zahlen zu Herkunftsländern geben die Anzahl der Personen mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit an, die abgeschoben worden sind.

Nach Zielland
Ägypten1
Albanien51
Algerien56
Äthopien2
Belgien9
Bosnien-Herzegowina32
Bulgarien43
China4
Dänemark4
Dominikanische Republik1
DR Kongo1
Estland3
Frankreich75
Gambia113
Georgien206
Ghana4
Griechenland36
Guinea2
Indien10
Irak50
Iran1
Island1
Italien34
Jordanien2
Kamerun16
Kasachstan1
Kosovo108
Kroatien74
Lettland6
Libanon1
Litauen4
Luxemburg2
Malta3
Marokko56
Moldawien2
Montenegro6
Niederlande10
Nigeria49
Nordmazedonien176
Österreich29
Pakistan14
Polen31
Portugal6
Rumänien27
Russische Föderation2
Schweden16
Schweiz81
Serbien106
Slowakische Republik1
Slowenien12
Somalia4
Spanien74
Sri Lanka8
Thailand1
Togo4
Tschechische Republik7
Tunesien37
Türkei118
Ungarn3
USA1
Usbekistan1
Venezuela2
Vietnam1
Gesamtergebnis1841

Nach Herkunftsland
Afghanistan69
Ägypten1
Albanien51
Algerien89
Armenien1
Äthopien2
Belgien2
Bosnien-Herzegowina34
Bulgarien10
China12
Dominikanische Republik1
DR Kongo1
Frankreich1
Gambia120
Georgien207
Ghana4
Griechenland3
Guinea16
Indien26
Irak68
Iran11
Italien3
Jordanien2
Kamerun25
Kasachstan1
Kosovo108
Kroatien2
Lettland2
Libanon1
Litauen4
Marokko86
Moldawien2
Montenegro6
Niederlande1
Nigeria72
Nordmazedonien176
Pakistan14
Polen16
Portugal1
Rumänien24
Russische Föderation8
Senegal1
Serbien106
Slowakische Republik1
Somalia22
Spanien1
Sri Lanka18
Staatenlos2
Sudan5
Syrien99
Thailand1
Togo8
Tschechische Republik1
Tunesien56
Türkei205
Ukraine1
Unbekannt24
Ungarn1
USA1
Usbekistan1
Venezuela2
Vietnam2
Gesamtergebnis1841

Herrenberg: Kundgebung „Seenotrettung ist Menschenrecht“

Menschen aus Seenot zu retten ist eine humanitäre Pflicht, die im Völkerrecht verankert ist und nicht verhandelt werden kann. Doch sobald es sich um Flüchtende handelt, scheint diese Pflicht verhandelbar. Zivile Seenotretter*innen werden seit Jahren kriminalisiert und in ihrer Arbeit behindert. Dagegen wird am Samstag, den 26.7.25 um 15 Uhr auf dem Markplatz in Herrenberg demonstriert.

Die Seebrücke, Flüchtlinge und wir e.V. Herrenberg und die Falken in Herrenberg rufen zu der Kundgebung auf.


PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte fordern Abschiebungsstopp für Afghanistan

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder fordern die Bundesregierung auf, jegliche weitere direkte oder indirekte Gespräche mit der afghanischen Regierung sofort einzustellen und einen förmlichen Abschiebungsstopp für das Land Afghanistan zu verhängen.

Obwohl in Afghanistan die Taliban seit fast vier Jahren mit eiserner Hand ihre eigene Bevölkerung unterdrücken, will die deutsche Bundesregierung den Kontakt zu ihnen suchen, um Abschiebungen in das Land zu ermöglichen.

„Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wirft ein Schlaglicht darauf, was in Afghanistan täglich passiert und was die Bundesregierung ignorieren will: Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Abschiebungen in ein Land, in dem Frauen aus der Öffentlichkeit verbannt sind und in dem es zu öffentlichen Auspeitschungen und Hinrichtungen kommt, sind eindeutig völkerrechtswidrig“, so Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

„Die Europäische Menschenrechtskonvention sichert allen Menschen, die sich in Europa aufhalten, das Recht auf eine menschenwürdige Behandlung zu. Niemand darf in ein Land abgeschoben werden, deren oberste Repräsentanten wegen ‚Verbrechen gegen die Menschlichkeit´ vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IstGH) angeklagt sind. Jeglicher Kontakt mit den Taliban ist für sie ein weiterer Schritt in Richtung internationale Anerkennung“, mahnt Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.

Hintergrund

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat am 08.07.2025 Haftbefehle gegen Taliban-Chef Hebatullah Achundsada und den Obersten Richter und Justizminister des Regimes, Abdul Hakim Hakkani, erlassen. Es lägen „hinreichende Verdachtsmomente“ vor, dass beide persönlich für „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Afghanistan verantwortlich seien.

Nicht erst die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshof trugen der Gewaltherrschaft der Taliban Rechnung, auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.10.2024 bestätigte, dass die Taliban Frauen* systematisch verfolgen – ihre Situation hat sich seither nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Es darf auf keinen Fall eine konsularische oder diplomatische Anerkennung für die Taliban geben, auch nicht, um Straftäter*innen abzuschieben.

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen, Abschiebungen nach Afghanistan – beginnend mit Straftätern – forcieren zu wollen. Abschiebungen nach Afghanistan würden jedoch gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung) verstoßen. Das Folterverbot ist absolut und umfasst auch Straftäter*innen (siehe hier für weitere Ausführungen).

Nach derzeit vorliegenden Informationen plant die Bundesregierung erneut eine Abschiebung in Zusammenarbeit mit den Behörden in Katar. Bundesinnenminister Dobrindt fordert gar direkte Verhandlungen mit den Taliban. Aber auch eine über Bande organisierte Abschiebung ist nicht ohne Kooperation mit dem islamistischen Regime der Taliban möglich.

Afghanistan ist überdies von Armut, Hunger und Vertreibung gezeichnet. 2024 benötigten laut UN fast 24 Mio. Menschen humanitäre Hilfe. 12 Mio. waren von Ernährungsunsicherheit betroffen, fast 3 Mio. Kinder unterernährt (Amnesty Report 2024/25). Aufgrund der Einstellung amerikanischer Hilfsgelder sind viele Hilfsprogramme in Afghanistan drastisch unterfinanziert, zum Beispiel müssen hunderte Gesundheitsklinken schließen. Die humanitäre Katastrophe droht sich noch auszuweiten, da Pakistan und Iran im vergangenen Jahr ca. 1.5 Millionen Menschen nach Afghanistan abgeschoben haben und auch aktuell verstärkt abschieben.

Nachtrag

Am 18.07.2025 fand die seit der Machtübernahme der Taliban zweite Abschiebung von Deutschland nach Afghanistan statt. „Abschiebungen nach Afghanistan sind ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, denn die Taliban herrschen dort mit brutaler Gewalt wie Auspeitschungen und Hinrichtungen für Verstöße gegen ihre Sittenregeln. Zudem ist auch die humanitäre Situation in dem Land katastrophal. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet Abschiebungen, wenn Folter oder unmenschliche Behandlung drohen. Das ist in Afghanistan der Fall“, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.


Kritik an Frontex: Verharmlosung von Abschiebungen

Frontex, die EU-Grenzschutzagentur, die immer wieder in Pushback-Skandale verwickelt ist, versucht sich nun als Verfasserin von Broschüren für Kinder. Dass das nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand. Die Broschüre „Mein Leitfaden zur Rückkehr“ soll Kindern erklären, warum Abschiebungen gar nicht so schlimm sind. Deshalb fällt das Wort „Abschiebungen“ einfach nicht in der Broschüre. Es hagelt an Kritik an der Agentur. Zurecht.

Anbei nur ein Ausschnitt der Kritiken. Die Broschüre möchten wir nicht verbreiten, daher ist sie hier nicht verlinkt.



SG Heilbronn: Verpflichtung zur Übernahme obligatorischer Anschlussversicherungbeiträge

Das Sozialgericht (SG) Heilbronn hat mit Beschluss vom 23.06.2025 – S 15 AY 1361/25 ER die Leistungsbehörde vorläufig verpflichtet, die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 6 AsylbLG zu übernehmen.

„1.) Ein Empfänger von Grundleistungen nach dem AsylbLG hat nach § 6 Abs 1 S 1 AsylbLG einen Anspruch auf Übernahme von Beiträgen zur freiwilligen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung im Rahmen der sogenannten obligatorischen Anschlussversicherung.

2.) Die Übernahme der Versicherungsbeiträge ist zur Sicherung des Lebensunterhalts unerlässlich.“

(Amtliche Leitsätze)


Beratungspause: 2. August – 21. September

Bitte beachten Sie: Vom 2. August bis 21. September ist unsere Beratung geschlossen. E-Mails und Anrufe können wir in dieser Zeit leider nicht beantworten.

Unsere Hauptamtlichen-Beratung (hauptamtlichenberatung@fluechtlinsgrat-bw.de) ist bereits ab dem 14. Juli unbesetzt, die Beratung für besonders Schutzbedürftige (partizipation@fluechtlingsrat-bw.de) ab dem 21. Juli.

Wenden Sie sich in dringenden Fällen bitte an andere Beratungsstellen. Eine Übersicht finden Sie unter Kontaktadressen. Pro Asyl, Migrationsberatungen und die Jugendmigrationsdienste können ggf. ebenfalls weiterhelfen.


Arbeitshilfe: (keine) Sozialleistungen für Dublin-Fälle

Die Ampelregierung hatte im Herbst 2024 ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den vollständigen Leistungsausschluss für sogenannte Dublin-Fälle vorsieht. Nun erhalten immer mehr Geflüchtete, für deren Asylverfahren ein anderer europäisches Land zuständig ist, keine Sozialleistungen mehr. Das heißt, sie stehen vor dem Nichts: Keine Unterkunft und kein Geld für das Allernötigste wie Essen. Gegen den Leistungsausschluss muss sich jede betroffene Person selbstständig wehren.

Die Arbeitshilfe der Diakonie Hessen – Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V. gibt einen sehr guten Einblick in das Thema, verschiedene Fallkonstellationen und in die Rechtswege. Unterstützen Sie Betroffene, gegen die Leistungsausschlüsse vorzugehen. Es gibt bereits etliche positive Beschlüsse von Sozialgerichten. Hier finden Sie anwaltliche Hilfe.



Ulm: Vorträge im Rahmen des Festivals gegen Rassismus

Die Situation von Geflüchteten in Deutschland verschärft sich immer weiter. Mit welchen Entwicklungen ist unter der neuen Bundesregierung zu rechnen? Und wie ist die Situation geflüchteter Studierender in Deutschland?

Die studentische Initiative festival contre le racisme (Festival gegen Rassismus) organisiert zu diesen Themen eine Veranstaltung, die sich an Haupt- und Ehrenamtliche sowie geflüchtete Studierende richtet. Es wird folgende zwei Vorträge mit anschließender Diskussion geben:

  • „Das flüchtlingspolitische Programm der neuen Bundesregierung und Einordnung im politischen Kontext“
    Referentin: Dr. Anja Bartel, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
  • „Zur Situation geflüchteter Studierender in Deutschland“
    Johannes Glembek, Bundesverband ausländischer Studierender

Die Veranstaltung findet im Verschwörhaus Ulm, Salon, Weinhof 9, Ulm statt, eine Online-Teilnahme ist ebenfalls möglich. Weitere Informationen sowie den Link zur Anmeldung zur Veranstaltung finden Sie auf der Webseite der Stadt Ulm.