Pakistanische Behörden haben begonnen, schutzsuchende Afghan*innen trotz bestehender Aufnahmezusage der Bundesregierung nach Afghanistan abzuschieben oder zu inhaftieren. Die Bundesregierung bleibt trotz Aufnahmezusagen untätig und nimmt damit die Verfolgung dieser besonders gefährdeten Schutzsuchenden durch die Taliban in Kauf.
Ca. 2200 schutzsuchende Afghan*innen, deren Aufnahme die Bundesregierung im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan zugesagt hat, warten derzeit in Pakistan auf ihr Visum für eine Einreise nach Deutschland. Darunter befinden sich ehemalige Ortskräfte und ihre Familien, aber auch Menschen, die durch ihr Engagement für ein demokratisches Afghanistan oder ihre Identität besonders gefährdet sind. Ihnen hatte die Bundesregierung rechtsverbindlich die Aufnahme zugesichert.
Daher hatte das VG Berlin auf Klage einer Afghanin hin die Bundesregierung dazu verpflichtet, ihr und ihren Familienangehörigen nach der Aufnahme in das Aufnahmeprogramm nun auch Visa zu erteilen. Nach Verzicht der Bundesregierung auf eine Beschwerde in der nächsten Instanz ist dieses Urteil rechtskräftig geworden. Inzwischen waren mehr als 20 ähnliche Eilanträge ebenfalls erfolgreich. In einigen Fällen hat das Gericht sogar ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000€ angedroht, sollte die Bundesregierung binnen drei Wochen nicht über die Visaanträge entscheiden bzw. Visa erteilen.
Die anderen mehr als 2.000 Afghan*innen mit Aufnahmezusage warten jedoch in Pakistan weiterhin auf ein Visum. Im Fall der Abschiebung droht ihnen besonders intensive Verfolgung durch die Taliban bis hin zu willkürlichen Inhaftierungen und Hinrichtungen. 210 Menschen wurden bereits nach Afghanistan abgeschoben; 245 von 450 durch pakistanische Behörden verhafteten Afghan*innen kamen nach Intervention des Auswärtigen Amtes und der Deutschen Botschaft wieder frei.
Die Bundesregierung bricht nicht nur ihre rechtswirksam erteilten Aufnahmezusagen, sondern auch ihr Wort gegenüber ehemaligen Ortskräften und besonders vulnerablen Menschen, denen sie Schutz zugesichert hatte. Indem sie die Visaerteilung weiterhin verschleppt, liefert sie Schutzsuchende der lebensgefährlichen Verfolgung durch die Taliban aus.
Die Zusage der Bundesregierung, sich um eine Rückkehr der bereits abgeschobenen Menschen nach Islamabad zu bemühen, reicht nicht aus. ProAsyl und das Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte haben daher Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gegen Außenminister Wadephul und Innenminister Dobrindt gestellt. Letzterer kündigte jetzt an, dass nun wieder Aufnahmeverfahren inklusive Sicherheitsüberprüfungen vor Ort in Pakistan durchgeführt würden. Es werde aber mehrere Monate dauern, alle Verfahren zu bearbeiten und gegebenenfalls Visa zu erteilen.
Zahlreiche Organisationen haben sich jetzt mit einem offenen Brief an Wadephul und Dobrindt gewandt, in dem sie eine drastische Beschleunigung der Verfahren, die schnellstmögliche Evakuierung gefährdeter Personen mit Aufnahmezusage und eine bessere Zusammenarbeit mit den pakistanischen Behörden fordern. Die Bundesregierung müsse jetzt handeln, bevor es für viele Betroffene zu spät sei.
- MiGazin, August 2025: Zynischer Widerspruch zwischen Rhetorik und Handeln der Bundesregierung
- MiGazin, August 2025: Dobrindt: Prüfung von Visa für Afghanen wird Monate dauern
- MiGazin, August 2025: Bundesregierung lässt einige Afghanen aus Pakistan einreisen
- taz, August 2025: Pakistan schiebt Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage ab
- LTO, August 2025: 22 erfolgreiche Eilanträge zu Afghanistan-Aufnahmeprogramm