Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert die geplante Bezahlkarte als Instrument der Abschreckungspolitik und fordert eine diskriminierungsfreie Umsetzung. Im November 2023 beschloss die Ministerpräsident*innen-Konferenz die Einführung der Bezahlkarte für Bezieher*innen von Asylbewerberleistungen. Nun haben sich 14 Bundesländer auf gemeinsame Mindeststandards geeinigt, mit denen eine verschärfte Diskriminierung geflüchteter Menschen droht. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert die Bezahlkarte als abschreckungspolitisches Instrument und fordert die baden-württembergische Landesregierung dazu auf, Spielräume im Sinne der Betroffenen zu nutzen.
Die Mindeststandards, auf die sich 14 der 16 Bundesländer Ende Januar geeinigt haben, ermöglichen umfassende Beschränkungen und weitreichende Eingriffe in die persönliche Lebensgestaltung von Schutzsuchenden. Es gibt keinen Minimalbetrag, der Geflüchteten in Form von Bargeld ausgezahlt werden muss. Überweisungen sollen grundsätzlich nicht möglich sein, was zum Beispiel die Bezahlung von Rechtsbeiständen erschwert. „Damit könnte Geflüchteten faktisch der Zugang zum Rechtssystem verwehrt werden“, warnt Mariella Lampe vom Vorstand des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Auch eine regionale Begrenzung der Bezahlkarte soll möglich sein. Diese macht es Geflüchteten noch schwerer, Beratungsstellen, Freund*innen oder Unterstützer*innen aufzusuchen, die sich nicht direkt vor Ort befinden. „Im Zweifel können sich die Betroffenen unterwegs nicht mal eine Flasche Wasser kaufen“, so Lampe weiter.
Mit der Einführung der Bezahlkarte verbunden ist das politische Kalkül, Menschen davon abzuschrecken, bis nach Deutschland zu fliehen. Doch diese Rechnung kann aus Sicht des Flüchtlingsrats nicht aufgehen: „Es werden nicht weniger Menschen zur Flucht gezwungen, nur weil es in Deutschland Bezahlkarten statt Bargeld gibt“, so Julian Staiger, ebenfalls vom Vorstand des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Entgegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2012, welches die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für jeden Menschen ausdrücklich festhält und erklärt, dass die Menschenwürde nicht „aus migrationspolitischen Gründen relativiert“ werden dürfe, zeugt die Bezahlkarte erneut von populistischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete.
Wie die Länder die Karte umsetzen werden, ist noch offen. Der Flüchtlingsrat fordert die baden-württembergische Politik dazu auf, Bezahlkarten möglichst diskriminierungsfrei auszugestalten. Das bedeutet vor allem die Begrenzung des Einsatzes der Karte auf eine kurze Dauer, die Begrenzung auf einen möglichst kleinen Personenkreis und das Absehen von regionalen oder sonstigen Beschränkungen. Ein Positivbeispiel ist die Umsetzung der Bezahlkarte in Hannover, wo sie als unbeschränktes digitales Zahlungsmittel für eine Übergangszeit zu Beginn des Aufenthalts ausgegeben wird, solange noch kein eigenes Konto eingerichtet ist. „Gerade in Zeiten, in denen eine große Anzahl von Menschen in ganz Deutschland gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte demonstriert, ist es wichtig, ein klares Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu setzen“, so Staiger weiter. Eine entsprechende Ausgestaltung könnte den Kommunen durch Erlasse von der Landesregierung auferlegt werden.