Antrag auf Familienasyl: 3 Monate nach Einreise möglich

Familienmitglieder, die über ein Visum zum Familiennachzug einreisen, können nun einen Antrag auf Familienasyl innerhalb von drei Monaten nach der Einreise stellen. Bisher galt eine Frist von zwei Wochen. Diese Änderung ist der aktuellen Dienstanweisung Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu entnehmen (S. 223).

Unter Familienasyl versteht man die Übertragung des Schutzstatus eines Mitglieds der Kernfamilie (Stammberechtige*r) auf die Asyl beantragende Person. Es können nur die Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutz übertragen werden. Für minderjährige Kinder gibt es keine Frist. Für Ehegatt*innen, Lebenspartner*innen sowie Eltern und Geschwister von minderjährigen Anerkannten galt eine Frist von zwei Wochen ab Einreise. Diese Personen mussten dann in der Regel in eine Erstaufnahmeeinrichtung für die Antragstellung ziehen. Dies wird nun in folgenden Konstellationen nicht mehr nötig sein: Stellen Familienmitglieder schnellstmöglich nach Einreise einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis bei den lokalen Ausländerbehörden und entscheiden diese zeitnah darüber, so können die Familienangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis oder zumindestens eine Fiktionsbescheinigung mit einer Gültigkeitsdauer von mehr als sechs Monaten erhalten. Mit einem solchen Dokument können sie ihren (Familien)asylantrag schriftlich stellen (§ 14  Abs. 2 Nr. 1 AsylG). Dadurch entsteht keine Wohnverpflichtung in einer Erstaufnahme und Familien werden nicht mehr für die Dauer der (Familien)asylantragsstellung auseinander gerissen.

Neueinreisende Familienangehörige sollten also schnellstmöglichst den Kontakt mit den lokalen Ausländerbehörden suchen. Idealerweise stellen die Ausländerbehörden vor Ablauf der drei Monate eine Aufenthaltserlaubnis oder zumindestens eine Fiktionsbescheinigung mit einer Gültigkeitsdauer von mehr als sechs Monaten aus. Sollte das nicht gelingen, müssen die Familienangehörigen leider für die (Familien)asylantragsstellung doch in eine Erstaufnahmeeinrichtung ziehen.


Policy Brief: Elektronische Gesundheitskarte für Asylsuchende

Empirische Erkenntnisse belegen, dass sich die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) für Asylsuchende positiv auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, auf Gesundheitsoutcomes sowie auf Kosten und administrative Prozesse auswirkt. So werden beispielsweise Prozesse in der Verwaltung bei gleichbleibenden Kosten erleichtert und die psychische Gesundheit von Asylsuchenden gestärkt. Die Sektion Health Equity Studies & Migration am Universitätsklinikum Heidelberg hat den Wissensstand zu den Auswirkungen von bereits eingeführten eGK zusammengetragen und evaluiert. Sie empfiehlt eine flächendeckende Einführung der eGK.

In Baden-Württemberg gibt es keine elektronische Gesundheitskarte für Personen im Grundleistungsbezug (Gesundheitsleistungen richten sich nach §§ 4,6 AsylbLG). Erst nach 18-monatigem Aufenthalt erhalten Asylsuchende und Geduldete analoge Gesundheitsleistungen nach SGB V inklusive einer Gesundheitskarte.


Broschüre: Geflüchtete und Arbeitnehmer*innenrechte

Die Broschüre des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) informiert über den Kontext Arbeitnehmer*innenrechte und Flucht. Es geht um die wichtigsten Regelungen und Zugangsmöglichkeiten zu Beschäftigung und Ausbildung und natürlich um unterschiedliche Formen der Beschäftigung (Leiharbeit, Selbstständigkeit usw.). Die umfassende Broschüre beschäftigt sich zudem mit sozialrechtlichen Aspekten (Familien- und Sozialleistungen), Diskriminierung im Arbeitskontext und der Rolle von Gewerkschaften. Sie liegt in Englisch und Deutsch vor und gibt erste Antworten auf all die rechtlich komplexen Fragen, denen Geflüchtete in der Arbeitswelt begegnen.


Gutachten: Entlassung aus Erstaufnahmeeinrichtungen für Minderjährige und Familien

Kinder und Jugendliche können ihre Rechte in Erstaufnahmeeinrichtungen oft nicht wahrnehmen. Beispielsweise das Recht auf Schule und Kita. Die Verweigerung/Nicht-Gewährung ihrer Rechte könnte eine Möglichkeit sein, dass ihr Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen beendet werden muss. Das Gutachten von JUMEN e.V. wurde von terre des hommes in Auftrag gegeben und beleuchtet, inwieweit juristisch gegen die Unterbringung vorgegangen werden kann. Es richtet sich an Rechtsanwält*innen und Beratungsstellen, die Betroffenen unterstützen, rechtliche Wege einzuschlagen.

„Die Ausgangslage, die geprüften Fallkonstellationen und die Ergebnisse des Gutachtens weisen auf einen akuten politischen Handlungsbedarf hin: die Rechte geflüchteter Kinder und Jugendlicher in Aufnahmeeinrichtungen werden regelmäßig missachtet, es braucht neue, umfassende juristische Argumentationen und eine gerichtliche Praxis, um die Rechte zu sichern. Denn Aufnahmeeinrichtungen sind kein Ort für Kinder.“


Vortragsabend: „Afghanistan – unser Nachbar“

Marienkirche Reutlingen

Wolfgang Bauer berichtet als Reporter seit 20 Jahren aus Afghanistan. In der aktuellen Situation hat er das Land bereits, mit Menschen gesprochen und die Kabul Luftbrücke mit ins Leben gerufen. An dem Abend in der Marienkirche berichtet er von seinen Erfahrungen, gibt Einschätzungen zur aktuellen Lage in Afghanistan und zu Entwicklungen der politischen Situation am Hindukusch. Die Veranstalter*innen wollen mit dem Vortragsabend ein Forum für die Situation der Menschen in Afghanistan bieten und mit dazu beitragen, dass die Lage dort nicht in Vergessenheit gerät.

Reutlinger Veranstalter*innen: Neue Marienkirchengemeinde, Asylpfarramt, Seebrücke, AK Flüchtlinge, Solidarity for Afghanistan e.V.
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei. Es gelten die aktuellen Corona-Bestimmungen.


Pressemitteilung PRO ASYL: Eskalation stoppen und Menschenleben schützen an der belar.-poln. Grenze

Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze spitzt sich immer mehr zu. Videoaufnahmen zeigen, dass sich eine große Gruppe von Menschen, geleitet von belarussischem Militär, der Grenze zu Polen nähert. PRO ASYL erinnert in diesem Zusammenhang an internationale Verträge und fordert die EU auf, dafür zu sorgen, dass Polen die Schutzsuchenden aufnimmt und versorgt.

„Den Zugang zu Asyl zu wahren, Flüchtlinge aufzunehmen und ihre Versorgung sicherzustellen, darauf haben wir uns in internationalen Verträgen geeinigt, das ist unsere Antwort auf Diktatoren. Und daran müssen sich die EU und Polen jetzt halten,“ sagt Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL. „Nur wenn internationales Recht und EU-Recht eingehalten werden, können die Spirale der Eskalation gestoppt und Menschenleben geschützt werden,“ so Kopp weiter.

„Zynisches Kräftemessen“

Seit Monaten harren Menschen in der Kälte und ohne Versorgung im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus bereits aus in der Hoffnung, einen Asylantrag in der EU stellen zu können. Mindestens zehn Menschen sind bereits gestorben – und es wird immer kälter.

Der polnische Verteidigungsminister, Mariusz Błaszczak hat auf Twitter angekündigt, dass 12.000 Einsatzkräfte an der Grenze bereit sind, diese zu verteidigen. „Mit dem Militäreinsatz an der Grenze und der menschenverachtenden Rhetorik des ‚hybriden Kriegs‘ lässt Polen die Strategie Lukaschenkos aufgehen. Den Preis dieses zynischen Kräftemessens bezahlen schutzbedürftige Menschen auf der Flucht. Wir erleben eine Wiederholung der Szenen vom März 2020 an der griechisch-türkischen Grenze, die fatale Folgen hatte. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen dafür sorgen, dass Polen EU-Recht einhält. Das heißt für den Moment: Polen muss jetzt erst einmal die Menschen aufnehmen und versorgen,“ fordert Kopp.

Beobachter*innen ins Grenzgebiet schicken 

In einem Appell hatte sich die Grupa Granica, ein Zusammenschluss von polnischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, am Sonntag an nationale und internationale Institutionen, darunter der UNHCR, die EU-Kommission und den Europarat gewandt und vor einer Eskalation gewarnt. PRO ASYL unterstützt die Forderung, den Druck auf Polen zu erhöhen, um sofort die humanitäre und medizinische Versorgung sicher zu stellen und zudem unabhängige Beobachter*innen in das Grenzgebiet zu senden.


EuGH: Keine 3-Monatsfrist bei Asylfolgeverfahren

In einem Asylfolgeverfahren dürfen die Behörden den Folgeantrag nicht ablehnen, weil er nicht innerhalb einer bestimmten Frist gestellt wurde. Das hat der Gerichtshof der EU (EuGH) am 9. September 2021 (Az: C-18/29) entschieden. In Deutschland beträgt die Frist für die Stellung eines Asylfolgeantrags ab Kenntnisnahme von neuen Gründen, die einen Asylfolgeantrag begründen, drei Monate (§ 71 Abs. 1 AsylG). Diese Frist ist mit dem EuGH Urteil nicht länger haltbar. Dem hat das BAMF bereits zugestimmt. Auch sprach sich das Verwaltungsgericht Freiburg dafür aus, dass die Frist „unionsrechtswidrig ist und daher unangewendet bleiben muss“ (Urteil vom 17.9.2021, A 4 K 3548/19).

In dem Verfahren vor dem EuGH ging es um einen Iraker, dessen Asylantrag in Österreich abgelehnt worden war und der sich erst in einem Asylfolgeverfahren in der Lage sah, zu seiner Homosexualität zu stehen und diese geltend zu machen. Der EuGH führt hierzu aus, dass wenn Gründe im Asylerstverfahren bereits vorlagen, aber nicht vorgetragen wurden, die Aufnahme eines Asylfolgeverfahrens davon abhängig gemacht werden kann, ob die antragstellende Person unverschuldet nicht in der Lage gewesen war, die Gründe früher vorzutragen und ob mit den neuen Gründen wahrscheinlich internationaler Schutz zu anerkennen ist. Unter internationalem Schutz versteht man die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz.

Ein aktueller Hinweis zu dieser Thematik: Derzeit fragen sich viele Afghan*innen, ob sie bis zum Ablauf von drei Monaten gerechnet ab der Machtübernahme der Taliban am 15.08.2021 – also bis zum 15.11.2021 – Folgeanträge stellen müssen. Dem widerspricht das EuGH-Urteil. Vor der Folgeantragstellung muss auf jeden Fall eine ausführliche Beratung erfolgen.


Passbeschaffung Afghanistan

Seit der Machtübernahme der Taliban stehen afghanische Auslandsvertretungen in Deutschland vor Schwierigkeiten, neue Pässe oder Personaldokumente auszustellen. Verlängerungen von Pässen und Personaldokumenten scheinen möglich zu sein. Für viele Afghan*innen ist es somit momentan nicht möglich, ihre aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten, insbesondere die Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung, zu erfüllen. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die rechtliche Situation der Betroffenen haben. Beispielsweise wenn es um die Identitätsklärung von Geduldeten oder von Anwärter*innen auf Niederlassungserlaubnisse geht.

Die Diakonie Württemberg veröffentlicht hierzu Hinweise und die Diakonie Deutschland hat verschiedene Musterschreiben herausgegeben, die in der Beratungsarbeit verwendet werden können:

  1. Afghanische Staatsangehörige mit einer Duldung „für Personen mit ungeklärter Identität“ (§ 60b AufenthG) (Musterschreiben 1: Streichung des Zusatzes „für Personen mit ungeklärter Identität“ bei Duldung)
  2. afghanische Staatsangehörige, die die Ausstellung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen (Musterschreiben 2: Absehen/Ausnahme von der Passpflicht bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis),
  3. afghanische Staatsangehörige, die einen „Reiseausweis für Ausländer“ beantragen (Musterschreiben 3: Erteilung „Reiseausweis für Ausländer“),
  4. afghanische Staatsangehörige, die von Leistungskürzungen nach § 1a Abs. 3 AsylbLG betroffen sind (weil aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden konnten) (Musterschreiben 4: Aufhebung von Leistungskürzungen)

Die Musterschreiben wurden von Rechtsanwältin Oda Jentsch (Berlin) verfasst. Sie sollten erst nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls durch erfahrene Berater*innen verwendet werden.


Online-Seminar: Das AsylbLG: Wem steht wieviel zu?

Personen im Asylverfahren (mit einer Aufenthaltsgestattung) und nach abgelehntem Asylverfahren (mit einer Duldung) erhalten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In diesem online-Seminar schauen wir uns die Grundlagen des Asylbewerberleistungsgesetzes an. Insbesondere geht es um die Leistungshöhe und die gängigsten Leistungskürzungen. Die Veranstaltung richtet sich an Personen ohne Vorkenntnisse im Asylbewerberleistungsgesetz, die sich immer wieder fragen bzw. gefragt werden, wieviel monatliche Leistungen einer gestatteten/geduldeten Person eigentlich zustehen.

Die Veranstaltung richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit

Referentin: Maren Schulz (Flüchtlingsrat Baden-Württemberg)

Die Veranstaltung wird mit Zoom durchgeführt und die Teilnehmenden erhalten die Zugangsdaten nach Anmeldung einen Tag vor dem Seminar.

Dieses Online-Seminar findet im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“ statt, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, der UNO Flüchtlingshilfe und der Deutschen Postcode-Lotterie.

Die Anmeldung ist geschlossen.


Beratungstelefon der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Seit Ende September 2021 bietet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kostenlose Telefonberatung an. Unter 0800 – 546 546 5 wird von Montag bis Donnerstag jeweils von 9-15 Uhr beraten. Alle Personen, die in irgendeiner Form Diskriminierung erfahren, können sich an die Stelle wenden. Diskriminierung kann auf unterschiedlichen Merkmalen einer Person beruhen, z.B. ihrer Herkunft, Religion, Alters, Krankheit, Behinderung, Geschlechtsidentität oder/und sexueller Orientierung.

Zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes