Zum Internationalen Frauentag am 8. März 2025 kritisieren DaMigra, Frauenhauskoordinierung e.V. und PRO ASYL: Geflüchtete und migrantische Frauen sind immer noch in besonderer Weise mit Gewalt konfrontiert und strukturelle Hürden erschweren ihnen den Weg zu adäquater Hilfe. Deutschland muss die Istanbul-Konvention wirksam umsetzen und das Schutz- und Hilfesystem für Frauen mit Flucht- und Migrationserfahrung dringend verbessern.
Frauen mit Flucht- und Migrationserfahrung sind häufig mehrfacher Gewalt ausgesetzt: Sie erleben strukturelle Diskriminierung und sind sowohl rassistischen Übergriffen als auch geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt – sei es im öffentlichen Raum, in Unterkünften für Geflüchtete oder im häuslichen Umfeld. Dennoch unternimmt Deutschland nach wie vor nicht genug, um Frauen und Mädchen wirksam und umfassend vor Gewalt zu schützen.
Die Ehebestandszeit zwingt gewaltbetroffene Frauen, bis zu drei Jahre in der Ehe zu verbleiben, bevor sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten (§ 31 Aufenthaltsgesetz). Ein Härtefallantrag ist mit großen Hürden und unsicherem Ausgang verbunden. Zudem liegt eine hohe Beweislast bei den Betroffenen. Besonders psychische, wirtschaftliche oder digitale Gewalt wird von Behörden oft nicht anerkannt.
Dr. Delal Atmaca vom Dachverband der Migrantinnenorganisationen DaMigra erklärt: „Die Ehebestandszeit ist in der Praxis ein großes Problem. Gewaltausübende Partner nutzen die Vorschrift als Druckmittel und drohen der Frau im Fall der Trennung mit Abschiebung durch die Behörden. Vorgesehene Härtefallregelungen scheitern oft an der Behördenpraxis. Frauen und ihre Kinder verharren so oft viel zu lang in einer gefährlichen Situation.” Viele Frauen, die sich aus schwierigen Lebenssituationen befreien wollen, müssen erst ihren Lebensunterhalt selbst sichern, um ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Erschwerend hinzu kommen der Gender- und Migrations-Pay-Gap, prekäre Jobs und nicht anerkannte Abschlüsse. „Die Politik fordert Eigenständigkeit, hält Frauen aber strukturell in Abhängigkeit. Aufenthaltsrechtliche Sicherheit muss Vorrang haben – erst dann wird ökonomische Unabhängigkeit möglich.”
Geflüchtete Frauen unterliegen oft einer Wohnsitzauflage, die ihnen den Umzug verbietet. Sibylle Schreiber von Frauenhauskoordinierung e. V. (FHK) kritisiert: „Die Wohnsitzauflage verhindert oft, dass Frauen schnell und unbürokratisch in ein Frauenhaus aufgenommen werden können. Die vorhandene Härtefallregelung ist unzureichend. Zudem gibt es noch immer zu wenig Frauenhausplätze und für Sprachmittlung keine Finanzierung. Die durch das im Februar 2025 beschlossene Gewalthilfegesetz geplanten Verbesserungen sind sehr begrüßenswert – aber es wird noch Jahre dauern, bis sie flächendeckend in allen Bundesländern greifen. Das System außerhalb der Schutzhäuser, wie etwa die spezialisierte psychosoziale und psychologische Versorgung von Gewaltbetroffenen, ist unterfinanziert.”
Andrea Kothen von PRO ASYL kritisiert: „Die Wohnsituation geflüchteter Frauen ist vielerorts katastrophal und selbst strukturell gewaltvoll: Die Misere beginnt schon damit, dass sie, statt in Wohnungen leben zu können, über viele Monate und sogar Jahre in kasernenartige Massenunterkünfte gezwungen werden. Die Frauen leiden dort unter den beengten Wohnverhältnissen, fehlender Privatsphäre, einer isolierten Lage, mangelnden Beschwerdestrukturen und sogar eklatanten Sicherheitsmängeln wie nicht abschließbaren Sanitärräumen. Es muss endlich flächendeckende und verbindliche Gewaltschutzstandards geben.”
Die 2024 erfolgte Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes, wonach Geflüchtete nun drei Jahre statt wie zuvor 18 Monate von den normalen Gesundheitsleistungen der Krankenkassen ausgeschlossen bleiben, verschlimmert die Lage weiter. „Viele geflüchtete Frauen, auch solche mit gravierenden Gewalterfahrungen und Traumatisierungen, erhalten kaum Zugang zu medizinischer oder psychologischer Hilfe. Das ist nicht nur unzureichender Gewaltschutz – hier wird die Gesundheit und Zukunft der Frauen aufs Spiel gesetzt“, beklagt Andrea Kothen von PRO ASYL.
Istanbul-Konvention für alle Frauen in Deutschland umsetzen!
Die Istanbul-Konvention („Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“) verpflichtet die Bundesrepublik dazu, ausnahmslos alle Frauen vor Gewalt zu schützen und im Gewaltfall Hilfe zu gewähren. DaMigra, FHK und PRO ASYL appellieren an die künftige Bundesregierung, die Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention schnellstmöglich anzupacken. Für die Beseitigung konkreter Missstände, besonders mit Blick auf Migrierte oder Geflüchtete, sieht das Europaratsgremium GREVIO eine Umsetzungsfrist bis Dezember 2025 vor.