Petition: Infektionsschutz muss für alle gelten! Massenunterkunft LEA Ellwangen schließen!

Angesichts der dramatischen Ausbreitung des Coronavirus in der LEA Ellwangen hat die Geflüchteten-Selbstorganisation „Refugees4Refugees“ eine Petition gestartet, mit der das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart aufgefordert wird, das Lager zu schließen und die Geflüchteten auf einer Art und Weise unterzubringen, die die Einhaltung der Vorschriften und Empfehlungen zum Infektionsschutz ermöglicht.


Gerichte ordnen Entlassung aus Erstaufnahmeeinrichtung an

Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte am 22.04.20 bereits einem Eilantrag auf Verlegung stattgegeben, genauso wie das Verwaltungsgericht am 24.04.20. Die Gerichte ordneten die Verlegung an und stellen fest, dass es „auf der Hand [liegt], dass Antragsteller durch eine Verpflichtung zum Wohnen in der EAE einem erhöhten Infektionsrisiko … ausgesetzt sind“ und „die Beendigung der Wohnverpflichtung des Antragstellers nicht nur zur Seuchenprävention (a.), sondern insbesondere zum Schutz des Antragstellers selbst vor Ansteckung mit dem Sars-CoV-2 geboten (b.) [ist].“ Diese Entscheidungen sind hilfreiche Grundlagen für Betroffene in Baden-Württemberg, die ebenfalls den Klageweg bestreiten möchten um aus Erstaufnahmeeinrichtungen oder womöglich engen Gemeinschaftsunterkünften verlegt werden möchten.


Orientierungshilfe Familienzusammenführung in der Coronakrise

Orientierungshilfe Familienzusammenführung in der Coronakrise

Das DRK hat eine Orientierungshilfe zum Thema Familienzusammenführung in Zeites des Corona-Virus veröffentlicht, in welcher es auf verschiedene Probleme eingeht, die sich durch die Einschränkungen durch das Coronavirus ergeben. Außerdem hat das DRK ebenfalls ein Merkblatt zum Thema Einbindung in das Verfahren zur Familienzusammenführung von neugeborenen Kindern syrischer Staatsangehörigkeit in der Türkei erstellt.


Der Härtefallantrag

Das Härtefallverfahren bietet eine Möglichkeit für Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. 

In diesem Webinar wird u.a. erklärt:

  • Was brauche ich für einen Härtefallantrag?
  • Wer kann einen Härtefallantrag stellen?
  • Wie sollten der Antrag formuliert sein?
  • Für wen kommt ein Härtefallantrag überhaupt in Frage?
  • Wie läuft das Härtefallverfahren ab?

Für Ihre/Eure individuellen Fragen ist Zeit eingeplant.
Referent: Seán McGinley (Flüchtlingsrat Baden-Württemberg)

Veranstaltung im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration“ mit Unterstützung der UNO-Flüchtlingshilfe.


„Neues aus dem Asyl- und Aufenthaltsrecht“

In diesem Webinar wird ein Überblick über die wichtigsten Gesetzesänderungen im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts gegeben. Dazu gehören die neue Beschäftigungsduldung und Änderungen bei der Ausbildungsduldung, im Bereich Abschiebungen und Erstaufnahme, im Asylbewerberleistungsgesetz und beim Arbeitsmarktzugang. Das Webinar richtet sich in erster Linie an ehrenamtlich Engagierte in der Flüchtlingsarbeit.

Die Teilnahme am Webinar erfolgt am PC. Sie benötigen dazu einen gängigen Internetbrowser, eine stabile Internetverbindung und einen Kopfhörer bzw. Lautsprecher.

Referentin: Maren Schulz (Flüchtlingsrat BW)

Veranstaltung im Rahmen des Projekts „Aktiv für Flüchtlinge“, gefördert vom Land Baden-Württemberg, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration“ mit Unterstützung der UNO-Flüchtlingshilfe.

zur Anmeldung und weiteren Informationen


Seit 01.08.2019: Neuregelungen zu Sprach- und Ausbildungsförderung für Gestattete und Geduldete

Mit dem Migrationspaket, das am 28.6.2019 vom Bundesrat gebilligt wurde, wurde der Zugang zu Sprach- und Ausbildungsförderung v.a. im Ausländerbeschäftigungsfördergesetz neu geregelt. Dieses Gesetz ist zum 01.08.218 in Kraft getreten und ermöglicht den Zugang für teilweise bisher ausgeschlossene Personengruppen. Dennoch bleiben Probleme aus der Vergangenheit bestehen. So wird zum einen an der problematischen Kategorisierung von Geflüchteten mit „guter versus schlechter Bleibeperspektive“ festgehalten und die „gute Bleibeperspektive“ auf Staatsangehörige aus Syrien und Eritrea beschränkt (zuvor gehörten dazu auch Irak, Iran und Somalia). Zum anderen kommt eine Stichtagsregelung hinzu, die zwischen alt- und neueinreisende Personen unterscheidet und kritische Voraussetzungen beinhaltet. Dadurch werden neueinreisende Geflüchtete ohne „gute Bleibeperspektive“ weiterhin keinen oder erschwerten Zugang zu Sprach- und Ausbildungsförderung haben und somit über Jahre von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sein.

Welche Personengruppen haben mit den Gesetzesänderungen Zugang zu Sprach- und Ausbildungsförderung?

Das neue Gesetz unterscheidet zwischen:

  • Geflüchteten mit Aufenthaltsgestattung und Geflüchteten mit Duldung
  • Eingereisten bis zum 31.07.2019 und nach dem 01.08.2019
  • Geflüchteten mit „guter Bleibeperspektive“ (Eritrea oder Syrien) und allen anderen

Zugang zu Sprachförderung

  • Geflüchtete mit Aufenthaltsgestattung: Zugang zu Integrationskursen und berufsbezogener Deutschsprachförderung (DeuFöV)
  • Unbeschränkter Zugang für Geflüchtete mit „guter Bleibeperspektive“ (Eritrea und Syrien)
  • Beschränkter Zugang für Geflüchtete, die bis zum 31.07.2019 eingereist sind. Voraussetzungen: „Arbeitsmarktnähe“ und dreimonatiger Besitz einer Aufenthaltsgestattung

Kriterium „Arbeitsmarktnähe“:

ie Gestatteten müssen bei der Agentur für Arbeit arbeitslos, arbeitssuchend, oder ausbildungssuchend gemeldet sein oder sich in einem Beschäftigungsverhältnis, in betrieblicher Ausbildung, in Berufsvorbereitungsmaßnahmen, oder in der ausbildungsvorbereitenden Phase einer Assistierten Ausbildung befinden. Das Kriterium „Arbeitsmarktnähe“ gilt nicht für Personen, die ein Kind unter drei Jahren betreuen oder wenn die Betreuung eines älteren Kindes nicht sichergestellt ist. Das heißt, diese Personen können Zugang erhalten, obwohl sie nicht „arbeitsmarktnah“ sind.

  • Kein Zugang für Geflüchtete, die nach dem 01.08.2019 einreisen (außer mit „guter Bleibeperspektive“) und Geflüchtete aus gesetzlich definierten sicheren Herkunftsländer* (unabhängig vom Einreisedatum)
    * Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien

Ausschluss:

Arbeitsverbot: Ein äusländerrechtliches Arbeitsverbot soll zum Ausschluss führen, da die „Arbeitsmarktnähe“ nicht gegeben ist. Umstritten ist allerdings, ob eine Arbeitssuchend-oder Ausbildungssuchendmeldung auch während eines Arbeitsverbots möglich ist. Die GGUA argumentiert, dass anders als für die Arbeitslosmeldung für eine Arbeitssuchend-oder Ausbildungssuchendmeldung nicht Voraussetzung ist, dass man dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Arbeitsuchende sind nach der gesetzlichen Definition Personen, die eine Beschäftigung als Arbeitnehmer*innen suchen (§ 15 S.2 SGB III). Es wird sich zeigen, ob diese Auffassung in der Praxis anwendbar ist. https://ggua.de/fileadmin/downloads/Gesetzentwuerfe_2019/Verlagerung.pdf s. 9f.

Geflüchtete mit Duldung

Genereller Hinweis: Einreisedatum und Herkunft spielen keine Rolle! Aber für Personen aus sicheren Herkunftsländern sind die Voraussetzungen meistens nicht zu erfüllen.

Integrationskurs

Voraussetzung:

Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG, dazu zählen auch die „Ausbildungsduldung“ nach § 60c AufenthG und die Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG (Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung tritt zum 01.01.2020 in Kraft).

Berufsbezogene Deutschsprachförderung (DeuFöV)

Voraussetzungen:

Entweder: Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG, dazu zählen auch die „Ausbildungsduldung“ nach § 60c AufenthG und die Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG (Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung tritt zum 01.01.2020 in Kraft) und Sprachniveau B1.

der: Nach sechs Monaten in Duldung und mit „Arbeitsmarktnähe“ (siehe oben). Das Sprachniveau B 1 ist dann nicht nötig.

  • GGUA Flüchtlingshilfe e. V, 19.07.2019: Zugang zu Sprachförderung
  • GGUA Flüchtlingshilfe e. V, 21.06.2019: Verlagerung
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 01.08.2019: Faktenpapier Migrationspaket

Zugang zu Ausbildungsförderung

Komplex ist der Zugang zu den verschiedenen Leistungen der Ausbildungsförderung. Im Grunde geht es um diese hier:

  • Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) (§ 56 SGB III)
  • Ausbildungsgeld (§ 122 SGB III)
  • Berufsvorbereitung (BvB) (§ 52SGB III)
  • Ausbildungsbegleitende Hilfen (AbH) (§ 75 SGB III)
  • Assistierte Ausbildung (AsA) Ausbildungsvorbereitende Phase (§ 130 Abs. 2a SGBIII)
  • Assistierte Ausbildung (AsA) AusbildungsbegleitendePhase (§ 130 SGB III)
  • Außerbetriebliche Ausbildung (BaE) (§ 76 SGB III)
  • BAföG (§ 8 Abs. 2a BAföG)

Geflüchtete mit Aufenthaltsgestattung

Voraussichtlich ab dem 01.09.2019 wird die Förderlücke für Gestattete in Berufsausbildung und Studium geschlossen durch den Zugang zu Leistungen nach dem AsylbLG.

Generell gilt wieder die Unterscheidung zwischen Personen mit „guter Bleibeperspektive“ und allen anderen Herkunftsstaaten, sowie Eingereisten bis zum 31.07.2019 und Einreisenden danach. Eine genaue Aufschlüsselung der Voraussetzungen für die einzelnen Leistungen findet sich hier: GGUA Flüchtlingshilfe e. V, 20.07.2019: Ausbildungsförderung

Wichtige Übergangsregelungen für Gestattete mit „guter Bleibeperspektive“ (Eritrea und Syrien) gelten bis zum 31.12.2019 für folgende Leistungen:

  • Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) (§ 56 SGB III)
  • Ausbildungsgeld (§ 122 SGB III)

Geflüchtete mit Duldung

Hier muss unterschieden werden zwischen einer Einreise bis zum 31.07.2019 und danach. Eine genaue Aufschlüsselung der Voraussetzungen für die einzelnen Leistungen findet sich hier: GGUA Flüchtlingshilfe e. V, 20.07.2019: Ausbildungsförderung


514 Abschiebungen im ersten Quartal 2020

Italien und Albanien führen die Liste an

514 Personen wurden im ersten Quartal des Jahres aus Baden-Württemberg abgeschoben. Häufigstes Zielland war dabei Italien, wohin 70 Abschiebungen durchgeführt wurden. Abzüglich der vier abgeschobenen italienischen Staatsangehörigen, dürfte es sich hierbei um Dublin-Überstellungen bzw. Abschiebungen von Personen mit Schutzstatus in Italien handeln. Bezüglich Abschiebungen ins Herkunftsland liegen Albanien, Serbien und Pakistan vorne. Nach Afghanistan wurden 15 Personen abgeschoben, nach Gambia elf.

Abschiebungen nach Zielland

Italien 70
Albanien 45
Serbien 31
Pakistan 27
Frankreich 25
Kosovo 22
Algerien 21
Nigeria 16
Afghanistan 15
Nordmazedonien 15
Tunesien 15
Bosnien-Herzegowina 14
Rumänien 14
Russische Föderation 14
Bulgarien 13
Österreich 13
Türkei 13
Gambia 11
Kroatien 11
Schweiz 11
Spanien 11
Polen 10
Portugal 9
Georgien 7
Kamerun 7
Malta 5
Marokko 5
Schweden 5
Litauen 4
Griechenland 3
Niederlande 3
Slowakische Republik 3
Slowenien 3
Ungarn 3
Armenien 2
Indien 2
Iran 2
Ukraine 2
Vietnam 2
Benin 1
Brasilien 1
China 1
Finnland 1
Ghana 1
Kenia 1
Luxemburg 1
Moldawien 1
Thailand 1
Tschechische Republik 1 

Gesamt: 514

Abschiebungen nach Staatsangehörigkeit

Nigeria 56

Albanien 45
Serbien 31
Afghanistan 30
Pakistan 27
Algerien 24
Gambia 24
Russische Föderation 23
Tunesien 23
Kosovo 22
Türkei 21
Irak 20
Guinea 16
Nordmazedonien 15
Bosnien-Herzegowina 14
Kamerun 12
Rumänien 12
Somalia 9
Syrien 9
Bulgarien 7
Georgien 7
China 6
Eritrea 5
Marokko 5
Iran 4
Italien 4
Litauen 4
Polen 4
Togo 4
Indien 3
Slowakische Republik 3
Ungarn 3
Armenien 2
Frankreich 2
Ghana 2
Griechenland 2
Kroatien 2
Ukraine 2
Vietnam 2
Benin 1
Brasilien 1
Kenia 1
Moldawien 1
Portugal 1
Senegal 1
Sierra Leone 1
Thailand 1

Gesamt: 514


Aufnahme aus Griechenland: Sofortiges Handeln notwendig

Gemeinsame Pressemitteilung von Pro Asyl und den Landesflüchtlingsräten

Am kommenden Samstag landen in Niedersachsen 55 unbegleitete Kinder im Alter von 8-17 Jahren, deren Aufnahme Deutschland nach langem Gezerre zugestimmt hat.  PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte kritisieren diese Zahl als lächerlich gering. Die Aktion droht zu einem Feigenblatt zu verkommen für die Nicht-Aufnahme Tausender Geflüchteter, die in den Insellagern in Griechenland sich selbst überlassen sind. Eine Aufnahme, die ernsthaft Abhilfe schafft und angesichts der drohenden Corona-Pandemie Schlimmeres in den sogenannten Hotspots verhindert, muss anders aussehen.

Die langwierige Aktion wird der Öffentlichkeit dennoch als die große solidarische Geste Europas präsentiert. Schutzsuchende mit Angehörigen in Deutschland beispielsweise, die im Rahmen der Dublin-Verordnung ohnehin Anspruch auf die Überstellung hätten, stellen eine Gruppe dar, die weitestgehend bekannt und dokumentiert ist und deren Aufnahme keiner weiteren komplizierten Verfahren bedürfte. Diese Menschen bleiben außen vor, ebenso wie weitere Tausende, für deren Aufnahme Deutschland und die EU Mittel und Möglichkeiten hätten, diese einfach und vor allem zügig in anderen EU-Staaten aufzunehmen.
PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte fordern das BMI, die Bundesländer und die EU auf, schnell und pragmatisch zu handeln.
Folgende Schritte sind realistisch kurzfristig möglich:

  1. Evakuierung aus den Hotspots und Unterbringung der Schutzsuchenden in leerstehende Hotels in Griechenland. Die Hotels in Griechenland dürften aufgrund des lahmgelegten Tourismus noch lange leer stehen, diese Kapazitäten sind also kurzfristig verfügbar. Es ist weder realistisch noch flüchtlingsrechtlich zulässig, weiter auf den EU-Türkei-Deal zu setzen und unverändert die Abschiebung von mehr als 40.000 Schutzsuchenden von den griechischen Inseln in die Türkei zu betreiben. Die Türkei ist kein Staat, der Flüchtlingen Schutz nach dem internationalen Flüchtlingsrecht bietet, zudem ist das Land selbst massiv von der aktuellen Pandemie betroffen. Es müssen pragmatische Dauerlösungen erschlossen werden, die mit dem Asyl- und Flüchtlingsrecht in Einklang stehen: Aufnahme, Versorgung, Zugang zu einem Asylverfahren und Schutz in der EU.
  2. Die einzige Lösung wird auf Dauer die Aufnahme in anderen EU-Staaten sein. Deutschland als Land, das sich mit allen Kräften und breiter gesellschaftlicher Unterstützung gegen die Ausbreitung der Pandemie stemmt, ist gefordert voranzugehen. Es ist unerträglich, dass hierzulande Aufnahmeräumlichkeiten leer stehen und dennoch monatelang über Aufnahmekriterien diskutiert wird, statt zu handeln und Geflüchtete umgehend aufzunehmen. 
    Die Bundesregierung hat es zudem bewerkstelligt, rund 200.000 deutsche Urlauber*innen aus der ganzen Welt in organisierten Charterflügen nach Deutschland zu holen. Die Aufnahme Schutzsuchender aus den Lagern auf den griechischen Inseln dürfte logistisch keine Herausforderung sein, wenn der politische Wille da ist. Zu fordern ist, dass Geflüchtete ggfs. unter Einhaltung aller epidemiebedingten Gesundheitsvorkehrungen wie Testung und Quarantänemaßnahmen nach Deutschland einreisen können.
  3. Schutzsuchende mit Familienangehörigen in Deutschland aufnehmen. Die monatelange, zermürbende Diskussion um die Kriterien der Aufnahme und das Bestehen auf Dossiers aus Griechenland ist völlig absurd. Die am besten dokumentierte Gruppe sind all diejenigen, die Angehörige in Deutschland haben. Seit 2018 lehnt das BAMF Dublin-Übernahmeersuche aus Griechenland vehement ab. Knapp 1.700 solcher Ersuche aus Griechenland standen 2019 fast 1.400 Ablehnungen des BAMF gegenüber. Ein ähnliches Bild in 2018: Von 2.139 Übernahmeersuchen an Deutschland – 90% davon aufgrund familiärer Bindungen – wurden rund 1.500 abgelehnt. Dies waren also fast 3.000 Ablehnungen in zwei Jahren.
    Doch bei all diesen Menschen, die so oft nur als Zahlen behandelt werden, handelt es sich um Menschen, die in den Elendslagern auf den Inseln festsitzen und aufgrund von engen Familienangehörigen einen Rechtsanspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland haben.
  4. Länderaufnahmeaktionen starten. Unzählige Kommunen in allen deutschen Bundesländern haben ihre Bereitwilligkeit zur Aufnahme signalisiert. PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern, den politischen Willen endlich in Handeln umzusetzen. Die Bundesländer und die Kommunen müssen in ihren Bereich all diejenigen sofort aufnehmen, deren Angehörige im jeweiligen Bundesland sind. PRO ASYL und Flüchtlingsräte verweisen auf die Bereitschaft einiger Länder, z.B. des Landes Berlin: »Wir würden uns freuen, wenn über die vorgenannte konkrete Personengruppe hinaus für weitere Menschen aus dem Flüchtlingslager Moria, die bereits familiäre Beziehungen nach Deutschland haben, eine kurzfristige Aufnahme in Deutschland geprüft wird. Und das könnte beispielsweise auch für schwangere Frauen oder beispielsweise für chronisch erkrankte Menschen gelten«, appellierte der Berliner Innensenator an den Bundesinnenminister am 14. April. Auch aus Thüringen ließ sich eine größere Aufnahmebereitschaft vernehmen. Migrationsminister Dirk Adams ließ gegenüber der dpa verlauten, dass allein sein Bundesland 200 bis 250 Menschen aufnehmen könnte.

PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte erwarten aber, dass Berlin und andere aufnahmewillige Länder nun nicht nur an den Bund appellieren, sondern selbst handeln.


Hintergrundinformationen zur am schnellsten evakuierbaren Gruppe

Eine Vielzahl der in Griechenland auf den Inseln festsitzenden Flüchtlingskinder hat Angehörige, die bereits in Deutschland leben und hier im Asylverfahren sind. Ihre Aufnahme ist dabei kein Gnadenakt sondern beruht auf einem Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung. Er folgt aus der Dublin-Verordnung. Nach Artikel 21 muss dabei innerhalb von drei Monaten von Griechenland aus ein sogenanntes Aufnahmegesuch an Deutschland gestellt werden.

An dieser Frist scheitern aktuell jedoch viele Asylsuchenden. Wer in Dreck und Morast von Moria und anderen Hotspots festsitzt, hat kaum Zugang zu rechtlichen Strukturen. Und Deutschland lehnt Übernahmeersuche von Familienangehörigen aus Griechenland mittlerweile systematisch mit der Begründung, die Fristen seien bereits abgelaufen, ab.
Insbesondere problematisch: Es geht überwiegend um Menschen, die in den Elendslagern auf den Inseln festsitzen – und die aufgrund von engen Familienangehörigen einen Rechtsanspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland hätten. Die überwältigende Mehrheit der Übernahmeersuche aus Griechenland ist auf die Zusammenführung von Familienangehörigen zurückzuführen, 2019 waren dies 86% aller Ersuche, 2018 sogar 90%.
Häufig versäumen griechische Behörden in der Praxis Fristen und stellen die Übernahmegesuche zu spät. Das BAMF stellt in diese Fällen die Einhaltung von Fristen regelmäßig höher als die Einheit von Familien. Dauerhafte Trennungen sind die Folge. Spätestens jetzt muss die lange überfällige, schnelle und unbürokratische Familienzusammenführung von Schutzsuchenden in Griechenland mit ihren Verwandten in Deutschland umgesetzt werden.
Im Bericht „Refugee Families Torn Apart“ von PRO ASYL und RSA wird diese systematische Aushebelung des Familiennachzugs dokumentiert.

Hintergrundinformationen zur Situation im Lager Moria auf der Insel Lesbos

Während auch in Griechenland das öffentliche Leben stillgelegt ist, um körperlichen Kontakt zu minimieren und damit der Ausbreitung von Covid-19 entgegen zu treten, müssen seit Mitte März 2020 rund 41.000 Schutzsuchende in meist informellen Unterkünften innerhalb und außerhalb der fünf EU-Hotspots auf den ägäischen Inseln ausharren. Über die Hälfte sind Frauen, Kinder und Jugendliche.
Das Lager Moria auf Lesbos ist ein einziger Albtraum: Ende Januar 2020 gab es dort drei Ärzte, acht Krankenschwestern und sieben Dolmetscher für knapp 20.000 Menschen. In Teilen des Lagers müssen sich bis zu 500 Personen eine Dusche teilen. Zwischen September 2019 und Januar 2020 wurden sieben Todesfälle bestätigt. Es keinen ernstzunehmenden Notfallplan für den Fall, dass Covid-19 das Lager erreicht. Simple Präventionsmaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen können nicht eingehalten werden. Risikogruppen, etwa ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen, können sich zum Schutz nicht selbst isolieren. Es droht eine rasante Ausbreitung des Virus. Um die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern, hat die griechische Regierung eine teilweise Ausgangssperre für Moria verhängt.


EU-Kommission: Aussetzung von Dublin-Fristen nicht europarechtskonform!

Die EU-Kommission stützt Pro Asyls Position, dass die vom BAMF eingeführte Aussetzung der Dublin-Überstellungsfrist während der Corona-Pandemie rechtswidrig ist. Pro Asyl fordert das Bundesinnenministerium nun dazu auf, dafür zu sorgen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diese neue Praxis einstellt.

Am 18. März 2020 beschloss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), aufgrund der Corona-Pandemie keine Dublin-Überstellungen mehr durchzuführen. Um einen Verantwortungsübergang auf Deutschland aufgrund von Fristablauf während der Corona-Krise zu verhindern, hat das BAMF zudem eine Aussetzung der Überstellungsfristen veranlasst.

Dieses Vorgehen wurde in einem Schreiben des BAMF an alle Personen im Dublin-Verfahren angekündigt. Für die Betroffenen hätte eine Aussetzung harsche Konsequenzen: Die reguläre Überstellungsfrist von sechs Monaten sollte erneut anfangen zu laufen – selbst, wenn sie eigentlich schon mehrere Monate der Frist hinter sich hatten. Während dieser Zeit haben sie noch keinen Zugang zu einem inhaltlichen Asylverfahren und befinden sich in einem zermürbenden Schwebezustand.

PRO ASYL hat dieses Vorgehen deshalb schon vergangene Woche kritisiert und eine Klagewelle prognostiziert (siehe Pro Asyl News vom 8. April). In einer juristischen Analyse hat PRO ASYL gemeinsam mit Equal Rights Beyond Borders zudem die Rechtmäßigkeit der Aussetzung der Fristen angezweifelt, insbesondere weil die Dublin-III-Verordnung eine solche Aussetzung nicht vorsieht und sie dem der Verordnung zugrundliegende Beschleunigungsgebot widersprechen würde.

Diese Rechtsauffassung wurde nun von der EU-Kommission in ihrer Kommunikation zu Covid-19 und der Asylpolitik bestätigt. Die Kommission legt in dem Dokument dar, dass eine Aussetzung der Überstellungsfristen aufgrund einer Pandemie keine Rechtsgrundlage in der Dublin-Verordnung hat. Entsprechend müssen die Fristen weiterlaufen und die Verantwortung nach Fristablauf auf den Mitgliedstaat übergehen, in dem sich die Person aktuell aufhält:

Where a transfer to the responsible Member State is not carried out within the applicable time limit, responsibility shifts to the Member State that requested the transfer pursuant to Article 29(2) of the Dublin Regulation. No provision of the Regulation allows to derogate from this rule in a situation such as the one resulting from the COVID-19 pandemic (S. 9 der Kommunikation).

Im Falle der Verfristung bei Familienzusammenführung kann die humanitäre Klausel der Dublin-Verordnung genutzt werden, um eine dauerhafte Familientrennung zu verhindern.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss seine aktuelle Praxis der Aussetzung der Dublin-Fristen sofort unterbinden! Alles andere wäre eine klare Missachtung europäischen Rechts und widerspräche zudem einem gemeinsamen Vorgehen der EU-Staaten während der Corona-Krise. Das Vorgehen des Bundesamtes hat bereits Schaden angerichtet, indem es betroffenen Menschen – die kurz vor Ablauf ihrer Frist standen – die ihnen zustehende Rechtssicherheit nehmen wollte und sie sowie ihre Unterstützer*innen stark verunsicherte. Dieser Kurs muss jetzt revidiert werden und die Betroffenen darüber auch informiert werden.


Unterstützungsarbeit mit Geflüchteten in Zeiten der Corona-Pandemie

Die Arbeitshilfe des Paritätischen Gesamtverbands zeigt Wege der Unterstützung geflüchteter Menschen in der Corona-Krise auf. Insbesondere sollen Möglichkeiten vorgestellt werden, auch in der aktuellen Situation die Informationskanäle zu geflüchteten Menschen offen zu halten und alternative Kommunikationsmöglichkeiten und -formate zu nutzen, um die Unterstützungsarbeit aufrechtzuerhalten und neue Projektideen in die Tat umzusetzen. Die Broschüre richtet sich an Berater*innen und Unterstützer*innen geflüchteter Menschen.